1. Kapitel Lagerkunst
Ein Lager ist ein Schlachtfeld, das man besetzt hat; denn zum Schlachtfeld wird es, sobald der Feind Euch angreift. Ihr müßt Euch daher angelegen sein lassen, es gut zu besetzen und die rechten Dispositionen zu treffen, damit Ihr nicht durch eigne Schuld eine Niederlage erleidet. Die Fortifikationskunst gibt uns die richtigen Grundsätze und Regeln der Lagerkunst an. Prüfen wir diese Regeln also.
Zur Befestigung wählt man ein vorteilhaftes Gelände, das von keiner Seite beherrscht wird. Man nimmt eine hochgelegene Gegend und keine Niederung. Man lehnt die Festung an einen Fluß an oder legt sie auf eine steile Höhe, und in Ermangelung dessen umgibt man sie rings mit befestigten Werken. Diese müssen sich durch Flankenfeuer gegenseitig unterstützen und von dahinter liegenden Werken unterstützt werden, so der gedeckte Weg von den Außenwerken, diese von den Ravelins und diese von den Bastionen. Die Werte des gedeckten Weges müssen mit ihrem Feuer alle Hohlwege und Mulden im Umkreis des Platzes bestreichen, damit der Feind sich nirgends heranschleichen und sich nicht unvermutet und ungesehen den Werten nähern kann.
Nach diesen Regeln muß also auch ein gutes Lager eingerichtet sein. Euer erstes Treffen stellt den gedeckten Weg dar und das zweite die Werke, die ihn verteidigen.<130> Eure Verteidigungslinie muß ausspringende Winlel haben, deren Anlage Euch das Gelände angibt. Alle Batterien Eures ersten Treffens müssen so aufgestellt sein, daß sie Kreuz- oder Flantenfeuer abgeben können, weil dies Eure Stärke verdoppelt. Eure Flanken müssen gut angelehnt und möglichst unangreifbar sein, sei es durch Flüsse, Moräste, Überschwemmungen oder Wälder, in denen Ihr Verhaue von 500 Schritt Tiefe anlegen laßt. Fehlen aber alle diese Hilfsmittel, so müssen sie durch feste Redouten geschützt werden, die durch eine gute Verschanzung miteinander verbunden sind.
Bei der Befestigung der Plätze sucht man den Feind so viel wie möglich auf einige Angriffspunkte zu beschränken. Das geschieht durch weit vorgeschobene, aussprin gende Winkel; denn der Feind kann sich niemals an die einspringenden Winkel wagen. Diese Methode ist um so besser, als sie den Feind zwingt, sich den Kopf an der Stelle einzurennen, wo Ihr Euren stärksten Widerstand vorbereitet habt und auf die Ihr Eure ganze Aufmerksamkeit konzentrieren könnt.
Die besten Festungen sind die, welche die Angriffsfront am meisten einschränken, z. B. durch Moräste, die der Feind nur auf schmalen Dämmen überschreiten kann. Der Vorteil besieht in der Feuerüberlegenheit, die eine solche Einrichtung bittet. Die besten Lager sind also die, die ein weites Gelände umfassen, in denen der Feind Euch aber nicht anders angreifen kann, als durch Überschreiten undurchwatbarer Flüsse auf Brücken, durch Annäherung über einen Damm oder auf einer Erdzunge, auf der sich nur wenige Bataillone in Front aufstellen lassen. Das alles gibt Euch eine gewaltige Feuerüberlegenheit, und ist der Feind so verwegen, Euch anzugreifen, so wird er gewiß geschlagen und alles, was sich durch das Defilee wagt, vernichtet.
Das zweite Treffen ist in jedem Fall eine gute Unterstützung für das erste. Jedoch hat es in der Ebene nicht die gleiche Gefechtskraft wie auf Anhöhen und Bergen, wo es in überhöhender Stellung hinter dem ersten Treffen sieht und so den Angreiser zwingt, zwei Siege zu erfechten, bevor er Herr der Stellung wird.