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36. Kapitel Die Feldartillerie

Da die Artillerie ein so wichtiger Faktor im Kriege geworden ist, kann ich nicht umhin, ein paar Worte darüber zu sagen, damit jeder General, der sie unter seinem Kommando hat, insbesondere bei den Detachements, weiß, wie er sie mit Vorteil gebrauchen kann.

Es ist bei uns Grundsatz, daß jedes Bataillon des ersten Treffens mit 2 sechspfündigen Kanonen und 1 siebenpfündigen Haubitze versehen ist. Das zweite Treffen hat nur 2 dreipfündige Kanonen. Jede Brigade bekommt eine Batterie von 10 Zwölfpfündern. Die größten Kanonen, die eigentlichen Batteriestücke, werden auf die Flügel beider Treffen verteilt. Außerdem erhält jede Armee noch eine Batterie von 40 zehnpfündigen Haubitzen. Diese allgemeine Verteilung bezweckt, daß man im Bedarfsfall Kanonen jedes Kalibers bei der Hand hat, sodaß man sie nach Gutdünken verwenden und je nach den Umständen aufstellen kann.

Aus den voraufgeschickten Plänen werdet Ihr ersehen haben, wie man diese Batterien anordnet, um Angriffe in der Ebene oder auf Anhöhen und Dörfer zu unterstützen. Die Artillerieoffiziere mögen sich hierbei gesagt sein lassen, daß es nicht allein auf vieles und schnelles Schießen ankommt, sondern auch auf gutes Zielen und richtige Feuerleitung. Sie müssen ihr Feuer auf den Angriffspunkt konzentrieren und die feindlichen Batterien, die auf unsre Truppen schießen, nach Möglichkeit zum Schweigen bringen; denn der Infanterist kann während des Vorrückens nicht schießen und würde vom feindlichen Feuer vernichtet werden, wenn unsre Batterien ihn nicht unterstützten. Hat der Feind eine Anhöhe besetzt, so muß man andre Höhen suchen, auf denen man Batterien errichtet. Sind keine vorhanden, so bedient man sich der Haubitzen und stellt sie derart auf, daß sie den Angriffspunkt der feindlichen Stellung unter Kreuzfeuer nehmen. Das ist das einzige Mittel, ein so schwieriges Unternehmen mit Erfolg durchzuführen. Könnt Ihr aber weder Kanonen noch Haubitzen verwenden, so laßt von Eurem Vorhaben ab und sinnt auf andre Mittel, den Feind aus seiner Stellung zu vertreiben.

Die Artillerie leistet also beim Angriff auf eine feste Stellung wichtige Dienste, aber noch wichtiger wird sie bei der Verteidigung. Eine gut gewählte Stellung muß den Angreifer nicht nur des Gebrauchs seiner Kavallerie, sondern auch seiner Artillerie, ja sozusagen selbst seiner Infanterie berauben179-1. Denn die Kavallerie kann eine so heftige Kanonade nicht aushalten und würde sie doch auf sich ziehen, wenn sie der Stellung zu nahe käme. Die Anhöhe, auf der Ihr sieht, vereitelt sein Artilleriefeuer; denn bergauf kann man nicht schießen, und die feindliche Infanterie, die während<180> des Angriffs nicht feuern darf, rückt gegen Euch an, als wäre sie nur mit Knüppeln bewaffnet. Um alle diese Vorteile zu erlangen, müßt Ihr die Hauptangriffspunkte Eurer Stellung mit Kanonen spicken, Eure Batterien müssen das Gelände unter Kreuzfeuer nehmen können, die Kanoniere gut zielen und alle Entfernungen kennen. Ferner müssen sie zur rechten Zeit mit Kartätschen schießen und die Kugeln der Sechspfünder gut rikoschettieren lassen. Auch müssen die Kanoniere rechtzeitig Bescheid erhalten, wenn Ihr Eure Kavallerie vorbrechen lassen wollt.

Beim Rückzuge aus einer Stellung muß das schwere Geschütz allemal zuerst weggeschickt werden. Ist der Abhang sehr steil, so müssen auch die Feldstücke vorausgehen; sonst kann es geschehen, daß sie beim herunterfahren umwerfen und verloren gehen, was eine Schande für die Truppen ist. Wird Eure Armee geschlagen, so müßt Ihr zunächst daran denken, das Geschütz zu retten, soweit es noch möglich ist. Zugleich muß man sich bemühen, dem Korps, das den Rückzug deckt, und der ersten Stellung, wo sich die Truppen wieder sammeln sollen, so schnell wie möglich einige Batterien zuzuschicken. Ferner sollen die Artillerieoffiziere besonders dafür sorgen, daß sie in allen Stellungen außer der gewöhnlichen Munition noch Reservemunition vorrätig haben. Bei jeder Brigade muß welche vorhanden sein, damit man nicht geschlagen wird, nur weil Pulver und Kugeln ausgehen; denn das kann bei einem sehr hartnäckigen Gefecht vorkommen.

Von der leichten Artillerie sage ich hier nichts, weil ihre Offiziere wissen, welchen Dienst man von ihnen erwartet. Auch sind sie vollauf imstande, alles mögliche, was von ihnen verlangt wird, auszuführen.


179-1 Vgl. dazu die Schilderung des Lagers bei Bunzelwitz von 1761 (Bd. IV, S. 100).