V. Instruction für die Inspecteurs der Infanterie-Regimenter287-1
(6. April 1780)
Da man in dem vergangenen kurzen Kriege287-2 gesehen hat, wie viele Fehler und Négligences bei der Infanterie vorgekommen sind, und wie oft die Commandeurs derer Regimenter und Bataillons wegen notwendiger Vorsicht gefehlet haben, absonderlich bei Demjenigen, was dem Thaddenschen und dem Regiment von Wunsch begegnet ist, als ersteres, das Thaddensche Regiment, risquiret hat, ganz auseinandergesprengt und völlig ruinirt zu werden, auch bei der Gelegenheit seine Fahnen wirtlich verloren hat, und dem Wunschischen Regiment ein gleicher Vorfall passirt ist, da dessen Kommandeur und die Fahnen enleviret worden; ohne zu berühren, was bei Habelschwerdt geschehen ist287-3:
So ist es sehr nöthig, daß man in der Zukunft solchen Echecs und Zufällen auf alle mögliche Weise zuvorzukommen suche, worzu kein besseres Mittel vorzuschlagen ist, als daß alle Stabs-Officiers der Infanterie sich in Friedens-Zeiten mehr üben, erstlich um einen Plan zu machen, wie sie ein Dorf, darin sie einquartiert stehen, gehörig besetzen müssen, zu welcher Uebung sie die in der Nachbarschaft ihrer Garnison gelegenen Dörfer nehmen und über deren gute Besetzung oder zu nehmende Partie sie ordentliche Dispositions machen können. Sie sollen dergleichen Dispositions von der Defension eines Dorfes schriftlich aufsetzen, damit man sehen möge, ob sie hierbei alles wohl überdacht haben.
Wenn der eine Stabs-Officier solchergestalt von einem gewissen Dorf ein Project der Défense gemacht hat, so kann der andere Stabs-Officier dagegen ein Project zur Surprise287-4 machen; durch welche fleißige und sehr nützliche Uebungen sie sich am<288> besten instruiren und so zu sagen im Athem erhalten können, wenn ein Krieg entsieht, die Besetzung der Dörfer vollkommen gut zu reguliren.
Die General-Regeln, welche hierbei müssen observiret werden, sind bei denen Cantonnirungs-Quartieren, in denen man vermuthen kann, ja stets vermuthen soll, vom Feind attaquiret zu werden:
1. Die Besatzung des Otts so dicht zusammen zu halten, als es sich will thun lassen.
2. Eine Stunde vor Tage den Burschen anzubefehlen, das Gewehr in die Hand zu nehmen und ihre Patrontaschen umzuhängen, damit, wenn der Feind kommt, die Leute insgesammt unterm Gewehr sind und nicht unbewaffnet überfallen werden können.
3. Der Commandeur muß allemal sein Quartier ohnweit der stärcksten Wache nehmen, die im Dorfe gegeben ist, damit weder er noch eine Fahne können angegriffen oder weggenommen werden.
4. Wenn man lange in einem solchen Dorfe stehet, so können an benöthigten Örtern Gräben gemacht, Brustwehren aufgeworfen und Fleschen oder Redouten um das Dorf aufgeführt werden, auch kann es alsdann verpallisadirt, mit Spanischen Reutern versehen und so gut wie möglich fortificirt werden.
5. Es ist aber nicht genug, daß die Seite, die gegen den Feind Front macht, gut besetzt und wohl verschanzt ist, sondern man muß seine Vorsicht auf alle Seiten mit gleicher Aufmerksamkeit richten; denn wenn der Feind einen Ueberfall tentiret, so wird er seinen Anmarsch in mehr als einer Kolonne vornehmen und das Dorf nicht bloß von einer Seite angreifen. Es ist vielmehr zu vermuthen und sicherlich zu glauben, daß, wo es einigermaßen möglich sein könne, der Feind suchen werde, auf verschiedenen Seiten und zugleich im Rücken zu attaquiren, während der Zeit er seinen Angriff vorn gegen das Dorf vornähme.
6. Um also gegen einen solchen Vorfall auf seiner Hut zu sein und mit Distinction zu dienen, so muß jeder Kommandeur eines Regiments oder Bataillons, sobald er einen dergleichen Posten zu besetzen oder darin zu cantonniren bekommt, sich gleich nach allen Wegen erkundigen, durch welche der Feind ankommt, ihn links, rechts oder hinten im Rücken attaquiren könne, damit er nach dieser eingegangenen Erkenntniß seiner Mannschaft von allen Seiten Sicherheit verschaffe und zu einer rechtschaffenen Gegenwehr die nöthigen Veranstaltungen treffen möge.
Im Gegentheil müssen diejenigen Stabsofficiers, welche offensive gehen und Projecte zu Surpsisen machen wollen, wohl bedenken, daß, wenn sie auf einen solchen vom Feind besetzten Posten mit gutem Success etwas tentiren wollen, ihnen vorzüglich sichere Nachrichten von dessen Verfassung nöthig sind, und daß sie sich deshalb bemühen müssen, zuverlässige gute Spions zu haben, wodurch sie genau von der Forces des Feindes informirt und vollkommen von seinen Vertheidigungsanstalten,<289> imgleichen von den Orten instruirt werden, wohin der Feind seine Wache gestellt und seine Außenposten oder Schildwachten gesetzt habe, um hiernach den Ueberfall zu reguliren. Ferner müssen diejenigen, welche ein feindliches Cantonnirungs-Quartier überfallen wollen, sehr genau von der Exactitude oder Négligence benachrichtiget sein, womit der Feind seinen Dienst verrichte.
Auch müssen sie von allen möglichen Wegen, durch welche man nach demselben Ort kommen und ihn tourniren289-1 und unvermuthet überfallen kann, wohl benachrichtiget sein: wobei die Zeit wohl ausgerechnet werden muß, wie lange der eine oder andere Marsch dauern könne, ehe die Truppen an dem bestimmten Ort eintreffen, damit vermöge dieser Zeitberechnung der Feind von allen Seiten zugleich attaquiret werden möge.
Nächstdem muß auf den schwächsten Ort reflectiret werden, wo man den Feind am besten angreifen könne. Auch muß hierbei der Augenblick oder diejenige Zeit zur Attaque gewählt werden, von welcher man in Erfahrung gebracht hat und gewiß weiß, daß der Feind in diesen Stunden am wenigsten wegen seiner Sicherheit besorgt und gar nicht allert ist.
Dabei muß man aber auch wohl instruirt sein, durch welche Wege die Feinde ihre Nachrichten von unsern Truppen einziehen, welche Stunden ihre Patrouillen ausgehen, wie stark solche Patrouillen sind, und bis wie weit sie kommen. Hingegen find zwei Dinge zu beobachten, entweder zu dem Ueberfall des feindlichen Quartieres einen solchen Weg zu nehmen, wo man keiner Patrouille begegnen werde, oder der feindlichen Patrouille, wenn eine solche uns auf dem Marsch vorkomme, durch unsere Cavallerie so scharf auf den Hals zu gehen, daß man sie alle gefangen bekomme. Sollte man hierbei auch jedem Husaren für den von der feindlichen Patrouille noch fehlenden Mann einen Dukaten geben müssen, so wäre dieses Geld gewiß gut angewandt.
Das Zweite, was hierbei zu beobachten bleibt, ist dieses, daß man gleich, sowie man vor das vom Feinde besetzte Dorf kommt, um dessen Bestürzung zu vermehren, einige Haubitz-Granaten hineinwerfe, welche das Dorf anstecken und durch den Brand den Feind zwingen werden, sich zu retiriren. Bei diesem Abzuge muß man ihm auf das schärfste zu Leibe gehen, weil der Feind in dieser Zeit und bei diesen Umständen in vieler Confusion ist und am mehrsten verlieren wird.
Wenn feindliche Garnisons oder gewisse Posten in der Nähe sind, welche dem angegriffenen Quartier zu Hülfe schicken möchten, so muß man auf die Wege, welche von daher kommen, Husaren schicken, die das etwa Ankommende bei Zelten vermelden und uns hierdurch in den Stand setzen, die Truppen, welche den Ueberfall unternehmen sollen, zurückzuziehen, ehe der feindliche Succurs herangekommen ist.<290> Infanterie
Seine Königl. Majestät geben diese Maßregeln den Stabs-Officiers zu einem Schema, wonach sie ihre Principia gründen und sich sowohl in der Besetzung der Dörfer, in der Vertheidigung der ihnen übergebenen Posten, als auch wegen Verabreden und Unternehmen der Surprisen fleißig üben sollen.
287-1 Die Vorlage ist deutsch, abgefaßt. Für die Einrichtung der Inspekteure vgl. S, 234.
287-2 Der Bayrische Erbfolgekieg.
287-3 Gemeint sind die Überfälle von Dittersbach am 8. November 1778, von Cämmerswalde am 7. Februar und von Habelschwerdt am 18. Januar 1779.
287-4 Überfall.
289-1 umgehen.