2. Kavallerie
I. Disposition, wie sich die Officiere von der Kavallerie in einem Tressen gegen den Feind zu verhalten haben301-1
(25. Juli 1744)
Wenn es mit dem Feinde zu einer Haupt-Aclion kommen soll, so müssen die Colonnen Cavallerie, wenn sie bald an den Ort hinkommen, wo sie auswar, schiren sollen, und keine zu passirende Defiles vor sich haben, mit ganzen Escadrons marschiren.
Wenn befohlen wird aufzumarschiren, so muß mit dem rechten Flügel gleich an den Ort hinmarschiret werden, wo die Armee sich daran appuyiren301-2 soll. Die Leib, Escadrons301-3 von den Regimentern, so in dem ersten Treffen zu stehen kommen, ziehen<302> sich alle linker Hand hervor, nehmen wohl auf ihre Distance zwischen den Regimentern Acht, observiren das Alignement302-1 gut und formiren sich also so geschwinde, als es möglich ist.
Die Tête von der Colonne marschiret langsam bei dem Aufmarschiren; die Leib, Escadrons aber von den Hintersien Regimentern müssen mit einem starten Trabe vorreiten und sich formiren.
NB. Bei dem Formiren muß wohl observiret werden, daß der linke Flügel von den Escadrons nicht zu weit vorsiehe, wornach sehr wohl zu sehen, und deswegen das Alignement immer sehr nothwendig beobachtet werden muß.
Sollte es sich ereignen, daß vor dem Orte, wo die Cavallerie aufmarschiret, sich eine Anhöhe fände, so muß solche Anhöhe nothwendig von dem Flügel Cavallerie occupiret werden; denn es der größte Vortheil für die Cavallerie ist, wenn sie von der Höhe herunter attaquiren kann.
Zwischen den Escadrons des ersten Treffens soll nicht mehr als io Schritt Intervalle gegeben werden.
Das zweite Treffen bleibet 300 Schritt zurück und hält Intervallen von 60 Schritt.
Die Ordre de bataille muß so formiret sein:
Das Regiment Husaren von Zieten in Colonne auf dem rechten Flügel, zwei Escadrons in Front und fünf hinter einander. Das erste Treffen nimmt sehr enge Intervallen, das zweite Treffen 300 Schritt vom erstern mit weiten Intervallen. Diejenigen Escadrons vom zweiten Treffen aber, welche die nächsten bei der Infanterie sind, sollen 150 Schritt vorwärts hinter das erste Treffen rücken, auf daß, wenn ihnen der Feind daselbst in die Flanke kommen wollte, sie sogleich das erste Treffen secundiren und dem Feinde in die Flanke gehen können.
300 Schritt hinter dem zweiten Treffen Dragoner formiren sich die Husaren von Natzmer hinter dem linken Flügel und die vom Obersien Ruesch hinter dem rechten Flügel. Die Husaren auf den Flanken bedecken die Cuirassiere; die Husaren hinter dem zweiten Treffen decken ihnen den Rücken und geben also der Cavallerie die Sicherheit, daß sie mit nichts anderm als mit dem Feinde, der vor ihr stehet, zu thun hat. Sollte es sich zutragen, daß bei einem Flügel mehr Platz übrig wäre, um sich zu appuyiren, so soll der General, der solchen Flügel Cavallerie commandiret, befugt sein, aus dem zweiten Treffen so viele Cscadrons, als ei nöthig findet, vorzuziehen, um die Intervallen zu füllen. Wäre hingegen der Platz zu enge, so kann er, statt zwei Treffen Cavallerie, drei Linien formiren lassen; nur allein muß er immer observiren, daß das erste Treffen 10 Schritt Distance und lieber noch weniger hat, und die zwei andern Treffen sehr weite Distances haben.
Wenn die Flügel Cavallerie dergestalt formirtt sind und der Feind keine Mouve-ments machet, so sollen die Generale den König fragen lassen, ob sie attaquiren sollen.<303> Sollte aber der Feind in der Zeit die geringsten Bewegungen machen oder die Generale absehen, daß sie den Feind mit Vortheil attaquiren können, so sind sie hiermit vom Könige auctorisiret, solches ohne Anstand zu thun.
Es verbietet der König hierdurch allen Officieren von der Cavallerie bei infamer Cassation, sich ihr Tage in keiner Action vom Feinde attaquiren zu lassen, sondern die Preußen sollen allemal den Feind attaquiren.
Wenn der General befiehlt zu attaquiren, so ebranlirt sich303-1 die Linie im Schritt, fällt in Trab und, wenn sie 200 Schritt vom Feinde ist, soll sie den Pferden die Zügel völlig abandonniren und hineinjagen. Der Einbruch muß mit ganzer Gewalt und Geschrei geschehen, dabei aber die Ordre de bataille in ihrer Ordnung unveränderlich conserviret werden, daß die drei Treffen jederzeit 300 Schritt auseinander bleiben und die Husaren auf den Flanken.
Es ist nicht zu vermuthen, daß der Feind solche Attaque ausdauern wird, sondern eher zu präsumiren, daß derselbe sich auf sein zweites Treffen culbutiren303-2 werde. Es muß also die Attaque auf das zweite Treffen sonder Anhalten continuiren.
Wenn beide Treffen des Feindes völlig über den Haufen geworfen sind, so soll das erste Glied vom ersten Treffen ausfallen und nachhauen, imgleichen die Husaren von den Flanken, welche nebst den Cuirassieren den flüchtigen Feind verfolgen sollen, sodaß die Escadrons nicht über 200 Schritt hinter ihren ausgefallenen Leuten geschlossen und in guter Ordnung bleiben.
NB. Bei dem Verfolgen des Feindes müssen die Cuirassiere sowohl als die Husaren dem Feinde nicht die Zeit geben, wieder zusammen zu kommen, sondern ihn so weit verfolgen, als wo ein Defile oder dunkler Wald oder dergleichen ist, da denn der Feind einen enormen Schaden dabei haben muß.
Wenn der Feind auseinander kommt, so müssen diejenigen, so ihn verfolgen, immer suchen, die vordersten einzuholen, indem die letztern doch allemal ihre bleiben303-3, und wenn sie die Tête vom flüchtigen Feinde gewinnen, so sind die andern so ihre. So viel wie möglich ist, sollen sie währender Action vom Feinde, so viel als es sich nur thun lassen will, niederhauen oder niederschießen und allererst Gefangene machen, wenn bald alles vorbei ist.
Das zweite Treffen, wenn es sieht, daß beide Linien vom Feinde geschlagen sind, so soll es sich mit einigen von den nächsten Escadrons auf die Infanterie des Feindes schwenken und beide Linien der feindlichen Infanterie zugleich in der Flanke attaquiren und einbrechen.
Der König befiehlt auch hierdurch an alle Commandeurs der Escadrons, daß ein jeder von ihnen nach der ersten Attaque für sich agiren soll, zu sagen, sobald sie in der Nielse gewesen sind, so muß derjenige, so sein Corps zuerst geschlossen hat, ohne seinen Camerad abzuwarten, dem Feinde auf den Hals gehen, indem es ge<304>schehen kann, daß Generale in den Attaquen bleiben oder deren Pferde todt geschossen werden, und es alsdann die Schuldigkeit der Stabs-Officiere ist, sofort für sich zu agiren und sich nicht, weder nach dem rechten Flügel, noch nach dem linken Flügel zu richten; nur sollen sie alle mit einander die General-Regel observiren, daß sie niemalen das erste Glied ausfallen lassen sollen, bis daß die zwei Treffen des Feindes culbutiret sind, derowegen denn der gemeine Mann hiernach wohl instruirt werden muß. Seine Königliche Majestät erinnern hierbei noch, daß die Commandeurs der Escadrons währender Action Höchstderoselben Ordres wohl observiren und sich niemalen, es sei nach dem ersten oder nach dem zweiten Choc, von dem hier oder da rallirten304-1 Feinde attaquiren lassen sollen, sondern in der Action nach der erstern Attaque soll ein jeder Commandeur von den Regimentern oder Escadrons auctorisiret sein, dem Feinde, wo er sieht, daß er sich versammeln will, auf den Hals zu gehen, um ihn zu verhindern, sich wieder ordentlich zu setzen und zu formiren.
Die Generale, so bei dem zweiten Treffen eingetheilet sind, müssen große Attention auf unser erstes Treffen haben, auf daß, wenn wider alles Vermuthen hier oder da eine Escadron des ersten Treffens vom Feinde repussiret werden sollte, das zweite Treffen immer im Stande sei, solche Escadrons zu souteniren und den Feind wieder zurückzujagen.
Wenn die beiden Treffen des Feindes geschlagen sind, so müssen die Generale vom zweiten Treffen sich in ihrer Attention nicht negligiren, indem der Feind noch seine Reserve zur Disposition behält, mit welcher er dem Flügel, so zum nächsten an der Infanterie ist, leicht in die Flanke kommen könnte. Um nun solches zu verhindern, so sind die drei oder vier Escadrons Dragoner bis 150 Schritt gegen das erste Treffen zu vorgerückt, so daß sie es debordiren304-2. Diese Dragoner sind allemal im Stande, die Reserve des Feindes, wenn solche dem ersten Treffen in die Flanke fallen wollte, wieder wegzujagen und zu repoussiren, und kann der General des zweiten Treffens der feindlichen Reserve alsdann selbst in die Flanke kommen.
Wenn die Infanterie des Feindes geschlagen ist und aus einander läuft, so müssen die Dragoner und Husaren, welche sie verfolgen, eben so wie oben bei der Cavallerie gedacht worden, die Tête von dem flüchtigen Feinde gewinnen und vorerst so viel, als in ihren Kräften ist, niederhauen oder niederschießen, nachdem aber ihnen zurufen, das Gewehr niederzuwerfen, alsdann Gefangene machen, inmittelst den Feind immer verfolgen, so viel wie sie nur können, bis die Armee nachkommt.
Die Husaren müssen den Feind noch die Nacht nach der Action immer alarmiren, wodurch sie demselben, absonderlich wenn er an Büschen stehet, ebensoviel Schaden als bei der Action thun können, und wenn bei solchen Umständen die ganze preußische Armee nachmarschiret, so muß der Feind seine Flucht weiter fortsetzen und einen unendlichen Verlust dabei haben.
<305>Nach allem Verfolgen und wenn die Armee wiederum stehen bleibet, so muß die Hauptbemühung der Rittmeister sein, ihre Pferde wieder zusammenzubringen und wiederum Leute herbei zu schaffen, um sich, so viel als es sich nur thun lassen will, wieder complet zu machen.
NB. Vor der Action muß den Reitern gesagt werden, daß unsere Husaren ihnen die Flanken und den Rücken bedecken, damit, wenn etwa hinter ihnen ein Geschieße sein sollte, sie sich nicht daran kehren sollen; auch müssen sie wissen, daß, wenn sie blessiret werden oder ihnen die Pferde stürzen, sie nur nach der Infanterie gehen und sich bei solcher anschließen, auch mitfeuern können, wo sie sicher sind.
301-1 Die Vorlage ist deutsch abgefaßt.
301-2 sich anlehnen.
301-3 Die ersten Schwadronen.
302-1 die Richtung.
303-1 rückt vor.
303-2 sich Hals über Kopf zurückwerfen.
303-3 in ihre Hand fallen.
304-1 wieder gesammelten,
304-2 überflügeln.