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5. Instruction für den Obersten Lattorff
als Commandanten in Kosel341-1
(Dezember 1753)

Diese Instruction berührt zwei Hauptpuncte:

1. Was der Commandant zu observiren hat bei einem feindlichen Anfalle in Schlesien, und

2. Bei einer wirtlichen Belagerung.

Wenn es Krieg wird, so bestehet die ordentliche Garnison von der Stadt in dem Bosseschen Regimente, die nach den Umständen mit einem Grenadier-Bataillon kann verstärket werden. In Zeiten vom Krieg muß etwas Husaren in die Festung geschmissen werden.

Sind die Umstände so, daß die Armee nicht Oberschlesien decken kann, und daß sich also die Festung allein halten muß, so muß der Commandant sogleich alle Lebensmittel von den nächsten Dörfern beitreiben lassen, als Vieh, Speck, Malz, Getreide, Hafer, wofür er den Bauern Quittungen giebt, die statt Contribution341-2 von den Kammern sollen angenommen werden. Den Bürgern wird imgleichen angesagt, daß sie sich für 6 Monate verprovidiren sollen. Er muß ausrechnen, wie viel Menschen und Soldaten in der Stadt sind, um daß er für solche alle seinen Vorrath auf 6 Monate kriegt, und muß lieber auf längere als wenigere Zeit rechnen. Das Salz kann er aus dem nächstbelegenen Salz-Magazine kriegen.

Wenn er die Stadt dermaßen mit allem behörigen Vorrathe besorget hat, so müssen alle Ansialten vorgekehret werden, daß er gegen eine Surprise sicher ist; die bestehen in folgenden Puncten:

1. Müssen die Wachen alle alerte sein und die Ronden und Patrouillen ordentlich und ohne Négligence verrichtet werden;

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2. Müssen niemalen die Thore geöffnet werden, bevor nicht eine Patrouille zu Pferde vor allen Thoren und um die Festung herum recognosciret hat, sowohl diesseits als jenseits der Oder.

Die Redoute muß mit 1 Lieutenant und 60 Mann besetzet sein; in jeder Caponniere muß 1 Unter-Officier und 12 Mann Wache halten. Die Kanonen müssen hauptsächlich auf den Werten der Ober- und Unter-Oder aufgefahren werden; die Pallisaden um den bedeckten Weg an der Ober- und Unter-Oder und Tête de pont342-1 gesetzt werden; es müssen Prahme gemacht werden, um die Wachen nach dem bedeckten Wege überzuschiffen.

Wenn Markttage sind, so müssen die Wachen an den Thoren und Hauptwache verdoppelt werden, die Wagen und Marktleute müssen einzeln einpassiren und vorhero an den Thoren wohl examiniret werden, um daß keine Leute mit Gewehr noch verkleidete Soldaten sich in die Stadt einschleichen, und müssen vor nächtlicher Weile die Marktleute alle wieder aus der Stadt geschafft werden. Auf die Einwohner, sonderlich Pfaffen, muß der Commandant ein wachsames Auge haben, daß sie nicht spioniren und mit dem Feinde correspondiren, und derowegen alle Leute, die aus den Thoren gehen, genau examiniren lassen, um daß keine Boten mit Briefen herauskommen mögen.

Wofern sich leichte Truppen vom Feinde nahe bei der Festung sehen lassen, so muß er sich in Respect setzen und sie, wenn derer wenige sind, von seinen Husaren wegjagen lassen. Kann er durch die Schulzen aus der Nachbarschaft erfahren, daß etwa kleine Commandos vom Feinde sich in der Nachbarschaft halten, so muß er solche nächtlicher Weile überfallen lassen, die Husaren mit etwas Infanterie souteniren, um ihnen bei Défilés den Rücken frei zu halten, und den Commandos, so er ausschicket, immer zwei Wege anzeigen, um den einen hin, den andern zurück zu kommen, und um dieses desto besser ins Werk zu richten, so muß er eine Meile und mehr in die Runde sich die Gegenden wohl bekannt machen, auch Officiere vom Regiment mitnehmen, daß sie sich alle Wege und Stege wohl notiren.

Dieses sind ohngefähr die Hauptpuncte, welche wegen eines vorkommenden Krieges zu observiren sind. Imgleichen dem commandirenden Generale, so viel es sich thun lasset, von des Feindes Mouvements und von dem Zustande der Festung alle acht Tage seinen Bericht abzustatten; damit aber der Bericht dem Feinde nicht nützen könnte, wenn er in dessen Hände käme, so muß solches in Chiffre geschehen, welchen er gleich fordern muß und den Ich ihm schicken werde342-2.

Bei einer Blockade ist weiteres auch nichts zu observiren, als daß er einen Officier über die Lebensmittel setzen muß, solche zu repartiren, und sich alle Tage einen Zettel davon muß geben lassen und wohl Acht haben, daß sie gut menagiret342-3 werden. Kanonen müssen nicht nach einzelnen Leuten schießen, sondern kleines Gewehr und<343> Wall-Musketen sind dazu gut genug; es muß nur nicht gelitten werden, daß keiner vom Feinde der Festung zu nahe komme, um solche zu recognosciren.

Stehet der Commandant nichts als Husaren und Panduren, so kann er gewiß sein, daß er nicht in Form wird attaquiret343-1 werden; stehet er aber Infanterie und Grenadiere, so ist es auf den Ernst angesehen.

Wegen der Belagerung, so ist die erste Disposition, die das Innerliche der Festung angehet. Dar muß die Garnison in drei Theile eingetheilet werden, um daß eines auf der Wache ist, das zweite ruhet aus, das dritte ist des Nachts auf dem Piquet oder hilft die Kanonen auf die Werke bringen und die Werke, so beschädiget sind, repariren. Alles, was Schmiede sind, müssen angehalten werden, Affuen343-2 zu repariren, Waffenschmiede, die Gewehre zu repariren; die Bürger müssen mithelfen, Faschinen machen, Schanzkörbe machen und den bedeckten Weg mit Schanzkörben zu besetzen. Faschinen müssen in der Menge und kleine Schanzkörbe in Vorrath gemacht werden. Bürgerweiber müssen Charpie machen und Bandagen, um die Blessirten zu verbinden; auch können sie mit die Blessirten warten. Alle Arbeit, so nicht unter dem Feuer vom Feinde gemacht wird, müssen die Bürger mitthun; damit schonet der Commandant seine Garnison. Er muß imgleichen die Bürger gebrauchen, um Feuer zu löschen, wenn solches durch Bomben in der Stadt auskäme; er muß im bedeckten Wege von Gegend zu Gegend kleine Pulver-Magazine in der Erde machen lassen, um das Pulver bei der Hand zu haben, aber nicht stärker ein jedes als 20 Centner.

Die Bursche, die von der Wache kommen, können ihre Betten in den Casematten haben, wo sie geruhig schlafen können und nichts zu besorgen haben; in den Casernen wären sie vor Bomben nicht sicher.

Was nun die Defension der Werke angehet, so ist das erste zu observiren, wo der Feind die Tranchée343-3 öffnen wird. Dieses kann nicht anders als nach dem Ratiborer Thore oder auf der Seite sein, wo der General Nassau die Stadt belagert hat343-4.

Um daß der Commandant sich nicht durch die Ouverturen343-5 der Tranchée surpreniren lässet, muß er des Nachts vor jeder Seite 1 Officier und 30 Mann ohngefähr icx> Schritt vor dem bedeckten Wege heraushaben und kleine Patrouillen Cavallerie von 3 Mann 200 Schritt weiter vorschicken. Sowie die Lärm hören, müssen die Husaren heranreiten und schießen, da wird der Feind bald antworten, so ist er entdecket. Alsdann ziehet der Commandant seine Detachements zurück, und muß er auf der Seite, wo der Feind die Tranchée öffnet, welches ohngefähr 800 Schritt von dem bedeckten Wege zu sein pfleget, in dem bedeckten Wege drei- oder sechspfündige Kanonen auffahren lassen und aus solchen mit Kugeln auf den Feind feuern, auch aus Doppelhaken nach ihm schießen lassen, imgleichen Pechkränze weit von dem Glacis<344> werfen lassen, um daß er sehen kann, wo der Feind ist, und daß man desto mehr und besser auf ihn schießen kann. Wenn sich der Feind also declariret hat, so muß er seine Defension auf der Seite darnach einrichten, dergestalt, daß er das Polygon, so attaquiret wird, mit Kanonen besetzet und den bedeckten Weg einen Mann hoch besetzet. Das Kanonenfeuer muß des Tages pur auf den Ort gerichtet sein, wo der Feind seine Batterien machet, um daß die ruiniret werden, ehe er sie fertig kriegt, und die Arbeit von neuem wieder muß angefangen werden. NB. Zu den eisernen Kanonen müssen die Cartouchen von Parchemin344-1 gemachet werden. Die Nacht darauf muß wieder mit Doppelhaken und kleinen Kanonen nach des Feindes Arbeitern gefeuert werden, und einige Kanonen müssen des Tages so gerichtet werden nach des Feindes Batterie, daß sie des Nachts noch darnach schießen können.

Wenn der Feind so nahe ist, daß er an die zweite Parallele kommt, welches ohngefähr 500 Schritt von dem bedeckten Wege zu sein pfleget, so muß der ComMandant kleine Ausfälle thun, von 1 Fähnrich und 22 Mann, und lassen solche zu unterschiedenen Malen des Nachts ausfallen und auf des Feindes Arbeiter ein paarmal zufeuern und sich dann gleich wieder in die Festung hereinziehen. Wenn er das des Nachts zu unterschiedenen Malen thut, so wird er damit des Feindes Arbeiter dermaßen stören, daß nichts die Nacht geschehen wird, und er muß auf nichts bedacht sein, als Zeit zu gewinnen. Wenn solche Ausfälle geschehen, muß der bedeckte Weg wohl besetzt sein; die den Ausfall thun, werden avertiret, an welchem Orte sie wieder in den bedeckten Weg herein sollen, und gelüstete es den Feind, sie zu verfolgen, so muß ihm ein starkes Feuer von kleinem Gewehr und von Kanonen, mit Kartätschen geladen, entgegen gegeben werden. Mit kleinen Sortien344-2 gewinnt der Commandant mehr als mit großen, er störet den Feind und kann nicht viel dabei verlieren; wenn er aber große Ausfälle thun wollte und solche mißlingen, so würde er so schwach werden, daß er seine Festung nicht bis zuletzt würde vertheidigen können.

Mit dergleichen kleinen Ausfällen und beständigem Feuern der groben Kanonen nach den Batterien muß continuiret werden, bis der Feind seine dritte Parallele gemacht hat. Alsdann vermuthlich wird der Feind die Tête de pont attaquiren, um daß er nachdem eine Batterie jenseits der Oder machen kann, um das attaquirte Polygon von da mit zu beschießen. Alsdann muß die Tête de pont auf gleiche Art wie die große Attaque defendiret werden, nur mit wenigeren Kanonen und Leuten.

NB. Wenn die dritte Parallele gemachet ist, so muß er des Tages und Nachts mit den Dreipfündern aus dem kleinen Chemin couvert344-3 nach der Parallele, und nach den Sappen mit Kartätschen feuern lassen und mit kleinem Gewehr desgleichen, bis die Sappen gegen den Chemin couvert kommen, alsdann kann er seine Minen gebrauchen, und muß er sehen, wenn ohngefähr der Feind mit seiner Arbeit darauf kommt, daß er sie alsdann springen lässet.

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NB. Den nächsten Ort vom bedeckten Wege an der Mine ziehet man seine Leute zurück, wenn die Mine soll gesprenget werden, und lasset sie den bedeckten Weg besetzen, sowie sie ihren Effect gethan hat.

Wenn endlich der Feind so weit kommt, daß er den Chemin couvert couronniret und Cavaliers345-1 auf die Capitalen345-2 anfängt zu bauen, so müssen Soldat und Kanonen aus dem bedeckten Wege gezogen werden. Alsdann muß er ein präparirtes Feuer machen; doch können die Lunetten und Caponnièren noch besetzet bleiben. Das präparirte Feuer bestehet hierin, daß er das Ravelin stark mit Infanterie besetzet, 2 Mann hoch, und wie sich der Feind Meister machet vom bedeckten Wege, daß er daraus stark auf ihn feuern lässet, die Kanonen des Hauptwalles gleichmäßig, und dann kriegt er dazu das Feuer aus der Caponnière und Lunette in die Flanke, welches ihn sehr incommodiren muß.

Ausfälle kann er nicht thun, um den bedeckten Weg wieder einzunehmen, wegen des Wassergrabens. Dann muß bei Nacht die Caponnière geräumet werden, wenn man siehet, daß sie nicht weiter haltbar ist; mit Stein-Mortiers wird aus der Stadt nach dem bedeckten Wege die Nacht geworfen, und der Feind arbeitet, um die Batterie nach dem Ravelin und den beiden Haupt-Facen des Corps de Ia place345-3 zu machen. Da müssen die Kanoniere vom Hauptwalle und das kleine Gewehr aus dem Ravelin alles anwenden, um die Arbeit ihm schwer zu machen. Wenn die Batterien des Feindes anfangen zu gehen, so wird viel Geschütz in der Stadt ruiniret werden, und muß der Commandant brav arbeiten lassen, daß er wieder Affuten machen lasset und des Nachts wieder Kanonen auf den Wall aufbringet und frische Schießscharten einschneidet. Dann wird der Feind anfangen, seine Gallerte345-4 über den Hauptgraben zu machen; die kann der Commandant mit beständigem Feuer aus den Collateral-Werken345-5 aufhalten, auch des Nachts Prahme, die blindiret345-6 sind aufs Feindes Seite, mit Mannschaft auf die Gallerie schicken, die auf die Arbeiter feuern und mit Haken und andern Instrumenten die Gallerie verderben, auch Pech und combustible345-7 Materien darauf schmeißen, um die Faschinen damit zu verbrennen, auf daß der Feind gezwungen wird, die Arbeit von vorn anzufangen. Wenn die Gallerie auf dem Ravelin fertig ist, so muß der Commandant sein präparirtes Feuer im Abschnitt vom Ravelin fertig haben, die Leute aus dem Werke, das da wird gestürmet werden, zurückziehen und aus dem Abschnitte und vom Wall stark auf die Stürmer feuern lassen. Ist seine Garnison noch stark, so kann er aus dem Abschnitte eine Sortie von beiden Seiten thun und schmeißen den Feind aus dem Werke heraus; er muß sich aber nicht zu sehr opiniatiren345-8, das Vordertheil des Ravelins zu behaupten. Wenn das der Feind eingenommen hat und etabliret sich darauf, so bauet er seine Batterien, um auf den Abschnitt zu feuern. Die Wehre345-9 continuiret der Commandant, wie vorhero ist gesaget worden, bis er siehet, daß die<346> Bresche beinahe fertig ist; dann ziehet er des Nachts seine Leute aus dem Wege zurück und retiriret sie in den Wall, lasset nur einzelne Leute, die auf den Feind Granaten werfen. Auf dem Corps de la place macht er dann von neuem sein präparirtes Feuer nach dem Ravelin zu und, sowie es der Feind stürmet, so lasset er mit kleinem Gewehr, mit Kanonen, mit Kartätschen geladen, darnach schießen und mit Bomben darnach werfen. Wenn dann der Feind sich endlich hierauf etabliret hat und seine Gallerie nach dem Hauptwalle beinahe fertig hat, so muß der Commandant seine ganze Garnison in den innern Abschnitt ziehen und den stark mit Kanonen- und Infanterie-Feuer besetzen, auf daß, wenn der Feind den Wall stürmet, er ihm noch ein präparirtes Feuer aus dem Abschnitte geben kann.

Wenn der Sturm vorbei ist und der Commandant hat keine Hoffnung zum Succurs, so muß er sich ergeben und die beste Capitulation mit Honneurs vom Feinde zu bekommen suchen; dabei, nicht zu vergessen, muß er stipuliren den Abzug und den nächsten Weg nach Brieg oder Neiße zu marschiren.

Hat er aber Succurs zu hoffen, so muß er alle Extremitäten erwarten346-1, und sowie er stehet, daß das Hülfs-Corps mit dem Feinde an einander ist, so muß er mit dem Meisten seiner Garnison einen starken Ausfall auf die feindlichen Tranchéen thun, um daß der Feind von allen Seiten die Hände voll zu thun hat.

Weil auch die Garnison, wor sie eine gute Gegenwehr thut, pfleget geschwächet zu werden, so muß der Commandant doch dafür sorgen, daß doch immer ein Theil der Garnison 10 Stunden Ruhe hat, sonst werden die Leute von der Müdigkeit so unbrauchbar, daß er nichts mit ihnen anfangen kann.

NB. Sowie Lärm wird und daß der Commandant vermuthen kann, daß er belagert wird, so muß ihm die Breslauer Kriegskasse drei Monate Tractament für die Garnison vorschießen. Die Bursche kriegen das Brod umsonst, und wenn sie sich gut halten, so ist auch der Commandant auctorisiret, ihnen nach Gutfinden einige Douceurs346-2 widerfahren zu lassen.


341-1 Die Vorlage ist eigenhändig und deutsch abgefaßt. Christoph Friedrich von Lattorff war Chef eines Garnisonregiments.

341-2 Die auf dem platten Lande erhobene Steuer.

342-1 Brückenkopf.

342-2 Übersandt mit Kabinettserlaß vom 25. Januar 1755.

342-3 sparsam gebraucht.

343-1 förmlich belagert.

343-2 Laffetten.

343-3 Laufgraben.

343-4 Nassau nahm Kosel, das am 26. Mai 1745 durch Verrat in Feindeshand gefallen war, am 6. September. Er unternahm die Belagerung auf der unteren Oberseite. Vgl. S. 54 und Bd. II, S. 224 und 230.

343-5 Eröffnung.

344-1 Pergament.

344-2 Ausfällen.

344-3 gedeckte Weg.

345-1 Reiter (erhöhtes Bastion).

345-2 Hauptlinien,

345-3 Hauptwall.

345-4 Faschinenbrücke.

345-5 Seitenwerken.

345-6 verkleidet.

345-7 brennbare,

345-8 darauf versteifen.

345-9 Gegenwehr.

346-1 es aufs Äußerste anlommen lassen.

346-2 Vergünstigungen.