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Mein zweites Beispiel ist der Sonderfriede, den die Engländer gegen Schluß des Spanischen Erbfolgekrieges mit Frankreich schlossen1. Weder die Minister Kaiser Josephs I. noch die größten PHUosophen noch die gewiegtesten Staatsmänner hätten ahnen können, daß ein Paar Handschuhe das Schicksal Europas umgestalten würden, was doch buchstäblich, wie man sehen wird, eintraf.

Lady Marlborough bekleidete die Würde einer Oberhofmeisterin der Königin Anna in London, indes ihr Gemahl in den Feldzügen in Brabant eine doppelte Ernte einheimste, an Lorbeeren und an Reichtümern. Die Herzogin gab durch die Gunst, deren sie genoß, der Partei des Kriegshelden einen Rückhalt, und dieser wiederum dem Kredit seiner Gattin durch seine Siege. Ihre Gegenpartei, die Torys, die den Frieden wünschte, war, solange diese Herzogin bei der Königin allmächtig war, völlig machtlos. Ein Nichts war der Anlaß, daß sie diese Gunst verwirkte. Die Königin hatte Handschuhe bei ihrer Händlerin bestellt, desgleichen auch die Herzogin zur selben Zeit; in ihrer Ungeduld drängte sie die Frau, sie vor der Königin zu bedienen. Indessen verlangte Anna nach ihren Handschuhen; eine Palastdame2, die der Lady Mariborough feind war, hinterbrachte der Königin, was sich zugetragen hatte, und wußte die Sache so böswillig auszubeuten, daß die Königin von Stund an in der Herzogin eine Favoritin sah, deren Anmaßung nicht mehr zu ertragen sei. Die Handschuh-macherin goß vollends Öl ins Feuer, indem sie der Fürstin einen nach Kräften mit Bosheit getränkten Bericht der Handschuhgeschichte lieferte. Dieser geringfügige Anlaß reichte hin, alle Geister in Gärung zu bringen und alles zu zeitigen, was zu einer regelrechten Ungnade gehört. Die Torys, an ihrer Spitze der Marschall Tallard3, machten sich den Vorfall in jeder Weise zunutze, er wurde ein Trumpf in ihrem Spiel. Die Herzogin von Marlborough fiel kurz darauf in Ungnade, mit ihr hatte die Partei der Whigs ausgespielt und damit die der Verbündeten und des Kaisers. So ist's mit den ernstesten Dingen der Welt ein Spiel, die Vorsehung lacht der menschlichen Weisheit und menschlichen Größe; Albernheiten, Lächerlichkeiten geben dem Schicksal der Staaten, ganzer Königreiche oft eine Wendung. In diesem Falle retteten kleinliche Frauenzimmerhändel Ludwig XIV. aus einer Lage, aus der ihm vielleicht all seine Weisheit, Wehrkraft und Macht nicht hätten heraushelfen können, und zwangen die Verbündeten, Frieden zu schließen, ob sie wollten oder nicht.

Derartige Dinge begeben sich wohl, doch ich gestehe, selten genug, jedenfalls reicht ihr Gewicht nicht hin, der menschlichen Klugheit und Geistesschärfe ihren Wert zu nehmen. Es ist damit wie mit Krankheiten, die zuzeiten einmal die Gesundheit eines


1 Es handelt sich um das Präliminar-Abkommen vom Oktober 1711, das dann durch den Frieden von Utrecht 1713 definitiv bestätigt wurde.

2 Anna Masham.

3 Der französische Marschall Graf Camille Tallard war in der Schlacht bei Höchstädt (vgl. S. 106) gefangen und darauf nach London gebracht worden. Seine Erwähnung in diesem Zusammenhange erklärt sich dadurch, daß Friedrich in dem ersten, noch nicht veröffentlichten Entwurf des „Antimachiavell“ gesagt hatte, jene Palastdame, Lady Masham, habe auf Seite der Torys gestanden und sei „überdies von Marschall Tallard geWonnen worden“. Diese Angabe blieb dann in der obigen Fassung fort.