<154>kung des Staates und das Wachstum seiner Macht. Ein System kann aber nur aus einem Kopfe entspringen; also muß es aus dem des Herrschers hervorgehen. Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit: diese drei Ursachen hindern die Fürsten an ihrem edlen Berufe, für das Glück ihrer Völker zu wirken. Solche Herrscher machen sich verächtlich, werden zum Spott und Gelächter ihrer Zeitgenossen, und ihre Namen geben in der Geschichte höchstens Anhaltspunkte für die Chronologie ab. Sie vegetieren auf dem Throne, dessen sie unwürdig sind, und denken nur an das liebe Ich. Ihre Pflichtvergessenheit gegen ihre Völker wird geradezu strafbar. Der Herrscher ist nicht zu seinem hohen Rang erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Verweichlichung dahinlebe, sich vom Mark des Volkes mäste und glücklich sei, wahrend alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates1. Er wird gut besoldet, damit er die Würde seiner Stellung aufrechterhalte. Man fordert aber von ihm, daß er werktätig für das Wohl des Staates arbeite und wenigstens die Hauptgeschäfte mit Sorgfalt leite. Er braucht zweifellos Gehilfen. Die Bearbeitung der Einzelheiten wäre zu umfangreich für ihn. Aber er muß ein offenes Ohr für alle Klagen haben, und wem Vergewaltigung droht, dem muß er schleunig sein Recht schaffen. Ein Weib wollte einem König von Epirus2 eine Bittschrift überreichen. Hart fuhr er sie an und gebot ihr, ihn in Ruhe zu lassen. „Wozu bist du denn König“, erwiderte sie, „wenn nicht, um mir Recht zu schaffen ?“ Ein schöner Ausspruch, dessen die Fürsten unablässig eingedenk sein sollten.
Wir haben in Preußen das Generaldirektorium, die Justizbehörden und die Kabinettsminister. Tag für Tag senden sie an den König ihre Berichte mit eingehenderen Denkschriften über die Gegenstände, die seine Entscheidung erfordern. In strittigen oder schwierigen Fällen erörtern die Minister das Für und Wider selbst. Damit setzen sie den Herrscher in den Stand, seine Entscheidung auf den ersten Blick zu treffen, vorausgesetzt, daß er sich die Mühe gibt, die vorgetragenen Sachen gründlich und mit Verständnis zu lesen. Ein klarer Kopf erfaßt den Kernpunkt einer Frage mit Leichtigkeit. Diese Methode der Geschäftsführung verdient den Vorzug vor der sonst üblichen, wo der Herrscher im Ministerrate präsidiert; denn aus großen Versammlungen gehen keine weisen Beschlüsse hervor. Auch sind die Minister, die meist gegeneinander intrigieren, uneins; Persönliches, Haß und Leidenschaft wird in die Staatsangelegenheiten hineingetragen; die mündliche Debatte mit ihrem oft heftigen Widerstreit der Meinungen verdunkelt die Sachlage, die sie aufklären soll, und schließlich bleibt das Geheimnis, die Seele der Geschäfte, bei so vielen Mitwissern nie völlig gewahrt.
In schwierigen Fällen kann es sich empfehlen, einen Minister, den man für den klügsten und sachverständigsten hält, um Rat anzugehen. Will man noch einen zweiten befragen, so geschehe das getrennt, um nicht durch Bevorzugung der Ansicht des einen ewige Zwietracht zwischen beiden zu säen. Ich verschließe mein Geheimnis in
1 Vgl. S. 6.
2 Vielmehr Philipp von Mazedonien.