<220> allem erst erfahren, ob England nach dem Friedensschluß1 imstande sein wird, seinen Verbündeten beizustehen, oder ob der Staat durch seine Erschöpfung, gleichsam durch politische Lähmung, zu völliger Untätigkeit verdammt wird. Sollte England nicht gänzlich entkräftet sein, so könnte es uns die Unterstützung durch hannöversche, hessische und braunschweigische Truppen verschaffen. Die könnten dann den Unternehmungen entgegengestellt werden, die Österreich mit Hilfe des Kurfürsten von Köln vielleicht gegen den preußischen Besitz am Rhein und in Westfalen richten würde. Andrerseits wird Frankreich nach dem Ende dieses Krieges ebenfalls eine sparsame Finanzwirtschaft nötig haben, um die übermäßigen Kosten auszugleichen, die ihm der Krieg verursacht hat.

Der Krieg, den ich voraussehe, wird also in der Hauptsache zwischen Preußen einerseits, Österreich und Rußland andrerseits zu führen sein, vorausgesetzt, daß nicht mittlerweUe günstige Ereignisse eintreten, die unsere Lage vorteilhafter gestalten, sei es, daß Frankreich und Österreich sich entzweien, sei es, daß der Kaiserin von Rußland die Augen aufgehen, der Kaiser oder die Großfürstin stirbt oder irgend etwas Ähnliches sich begibt.

Auf unverhoffte Vorgänge darf man aber niemals zählen. Ohne auf Glücksfügungen zu bauen, wollen wir lediglich mit den Hilfsmitteln rechnen, wie kluge Staatskuns sie uns zu bieten vermag, um uns wieder in gute Verfassung zu bringen. Ich gebe hier ein paar Ideen. Wenn das österreichische Delirium auch nach dem allgemeinen Friedensschluß fortfahren sollte, in Versailles die Köpfe zu verwirren, so müßten wir auf diese Leute2 verzichten, immerhin aber ohne völlig mit ihnen zu brechen. Wir könnten ihnen sogar Artigkeiten sagen, auch wenn wir bei unserem Bedürfnis nach Bundesgenossen gezwungen sein sollten, uns an England zu wenden. Die Allianz mit England wäre auf alle Fälle nur ein Notbehelf; doch könnte man immerhin einige Vorteile in Deutschland daraus ziehen. Warum sollten wir dann nicht auf einen Dreibund zwischen uns, den Türken und den Engländern hinarbeiten? Liegen wir mit Rußland und Österreich im Krieg, so können wir uns keine günstigere Diversion erhoffen, als von seilen der Türken. Diese Nation ist uns wohlgeneigt, und ich glaube, in Ermangelung eines Besseren fänden wir da eine Unterstützung, die keineswegs zu verachten wäre.

Jedenfalls ist es noch nicht an der Zeit, zu handeln, sofem man nicht von den bösen Absichten der Kaiserin überzeugt ist. Handeln wir zu geschwind, so arbeiten wir nur für den Kaiser und liefern ihm einen Vorwand, uns die Kaiserin vollends zu entfremden; das wäre ein äußerst unkluges Vorgehen. Um jedoch für den Notfall Fürsorge zu treffen, habe ich das Erforderliche eingeleitet, unserer Korrespondenz nach Konstantinopel ewen neuen Weg zu bahnen: unsere wichtigen Briefe werden über Warschau an den Pascha von Chozim gelangen, der sie auf Befehl der


1 Mit den Kolonien in Amerika.

2 Die Franzosen.