<34>für: die Bilder solcher Vorgänge verblassen leichter im Bewußtsein der Menge als der Eindruck fürstlicher Gewalttaten, der sich immer wieder erneut, Gewalttaten, die ihr ganzes Leben hindurch den Ruf von ihrer Roheit, ihrer Barbarei wach halten — als wäre es nicht ebenso verwerflich und abscheulich, tausend Menschen an einem Tage umzubringen oder sie in längeren Zeiträumen erwürgen zu lassen! Die entschlossene, rasch zugreifende Wildheit der ersteren verbreitet in höherem Grade Schrecken und Furcht; die Gemeinheit der zweiten, die langsamer und berechneter ihren Weg geht, stößt dagegen mehr Abscheu und Entsetzen ein. An des Kaisers Augustus Leben hätte Machiavell erinnern sollen, der noch triefend vom Blute der Bürger, noch im Schmutze der Niedertracht seiner Proskriptionen den Thron bestieg, aber dann nach dem Rat Mäcens und Agrippas auf die Zeit der Bluttaten eine Zeit der Gnade folgen ließ, sodaß es von ihm hieß, er hätte entweder niemals geboren werden oder niemals sterben sollen. Vielleicht war es nicht nach dem Geschmack Machiavells, daß Augustus' Herrschaft besser endete, als sie begonnen, und er hat ihn aus diesem Grunde nicht für würdig befunden des Platzes unter seinen Großen.
Welch ein Abgrund, die Staatslehre dieses Autors! Mag's den Umsturz der Welt kosten: der Vorteil eines einzigen gilt! Seine Ehrgier braucht nur zu wählen, welche Niedertracht ihr recht ist, sie allein entscheidet, ob's in Gutem gehn soll, ob auf dem Wege des Verbrechens. Pfui über die Bedachtsamkeit eines Ungeheuers, das nur sich kennt, nur sich liebt in der weiten Welt und jegliche Pflicht der Gerechtigkeit und Menschlichkeit mit Füßen tritt, hingerissen vom Wahnwitz seiner zügellosen Launen!
Doch damit ist's nicht getan, die haarsträubenden sittlichen Begriffe Machiavells zurückzuweisen; auch der Entstellung und Unehrlichkeit haben wir ihn obenein zu überführen.
Falsch ist zunächst die Angabe Machiavells, Agathotles habe in Frieden die Frucht seiner Verbrechen genossen: er hat fast beständig mit den Karthagern im Kriege gelegen, wurde sogar gezwungen, sein Heer w Afrika zu verlassen, das dann nach seinem Abgang seine Kinder niedermachte, und starb selbst an einem Gifttrank, den sein Enkel1 ihm reichte. Oliverotto da Fermo fand sein Ende durch den Verrat des Borgia — ein wohlverdienter Lohn seiner Untaten; und dieser sein Fall, der ihn schon ein Jahr nach seiner Erhebung ereilte, scheint in seiner Beschleunigung nur der Strafe zuvorgekommen zu sein, die ihm der Haß des Volkes zugedacht hatte.
Dieses letzte Beispiel also hätte sich der Autor schenken können, es beweist nichts. Denn das Verbrechen soll ja vom Glück begünstigt werden; wo fände sonst Machiavell einen vernünftigen Grund, sich zu seinem Anwalt zu machen, oder wenigstens ein Beweismittel, das sich hören ließe?
Doch nehmen wir einmal an, ein Verbrechen ließe sich in voller Sicherheit ausführen und ein Tyrann wäre in der Lage, ungestört sein ruchloses Wesen zu treiben:
1 Archagathos.