<64> Kreislaufe durch den gesamten Organismus. Verfiele nun ein ungeschickter Staatsmann auf den Gedanken, den Luxus aus einem großen Reiche zu verbannen, die Folge wäre eine bedenkliche Entkräftung und Schwächung dieses Staatskörpers; das Geld, überflüssig geworden, verbliebe in den Truhen der Reichen, der Handel schliefe ein, die Fabriken verfielen aus Mangel an Absatz, die Industrie ginge zugrunde, die reichen Familien blieben andauernd reich, für die Bedürftigen gäb's keine Aussicht, sich jemals aus ihrem Elend emporzuarbeiten.
Derselbe Luxus würde auf der anderen Seite für einen kleinen Staat geradezu ein Fluch sein: die Bürger richten sich durch Aufwand zugrunde, und da mehr Geld aus dem Lande herausströmt als sich durch Eingang ersetzt, so muß der zarte Körper schwindsüchtig werden und schließlich notwendig an Auszehrung eingehen. Es bleibt demnach ein unerläßliches Gebot für jeden Staatsmann, niemals kleine und große Staaten einheitlich zu behandeln, und das ist der grobe Verstoß Machiavells in diesem Kapitel.
Der erste Fehler, den ich tadeln muß: er gebraucht das Wort Freigebigkeit in einem zu unbestimmten Sinne. Es besieht doch ein merklicher Unterschied zwischen einem verschwenderischen und einem freigebigen Menschen. Jener verschleudert sein Gut mit vollen Händen ohne Ordnung und zur Unzeit — ein verdammenswertes Zuviel, eine Art Tollheit, ein Zeichen unklaren Denkens; weshalb ein verständiger Fürst sich vor jeglicher Verschwendung hüten wird. Der Freigebige hingegen ist ein Mann, der das Herz auf dem rechten Fleck hat; ihn leitet in allem die Vernunft, und so bildet die Einnahme den Gradmesser für die Ausgabe; so sehr er sich vernünftiger Wohltätigkeit befleißigt, gerade sein Erbarmen mit dem Elend lehrt ihn, sich einschränken, lehrt ihn das Überflüssige entbehren, damit er anderen hilfreich geben könne. Nur in seinen Mitteln findet seine Herzensgüte ihre Grenze. Das ist nach meiner Überzeugung eine Haupteigenschaft für einen großen Fürsten und für jeden, den seine Geburt zur Hilfeleistung, zur Erleichterung des Elends seiner Nebenmenschen verpflichtet.
Der zweite Fehler, den ich Machiavell vorwerfe, ist eine Verirrung aus angeborener Denkweise. So nenne ich das mangelnde Unterscheidungsvermögen, mit dem er ruhig der Freigebigkeit Fehler anhängt, die der Habsucht eigen: „Um sich den Ruf der offenen Hand zu erhalten, wird ein Fürst“, so meint er, „seine Untertanen mit Steuern überlasten, wird nach Handhaben suchen, ihre Habe für sich einzuziehen, und wird auf alle möglichen unwürdigen Mittel angewiesen sein, seine Truhe zu füllen.“ Das ist der Habsüchtige, wie er im Buche sieht! Vespasian war's, nicht Trajan, der dem römischen Volke Steuern auferlegte. Habsucht ist ein verzehrender Hunger, der nimmer Sättigung findet, ist wie ein Krebsschaden, der vernichtend um sich frißt. Ein Habsüchtiger begehrt nach Reichtümern, neidet sie jedem Besitzer und bringt sie, wenn er kann, in seine Gewalt; Begehrlichkeit ist leicht durch den Köder des Gewinns in Versuchung zu führen, wie denn bei habgierigen Richtern