<VI>taire das Manuskript sandte. Die andere veranstaltete der Franzose selber1, nachdem er die Abhandlung einer neuen Umarbeitung unterzogen hatte. Diese fand aber so wenig den Beifall Friedrichs, daß er daran dachte, eine neue Ausgabe unter seinen eigenen Augen herstellen zu lassen. Da starb Kaiser Karl VI. Sofort ließ er seine literarischen Pläne fallen. „Der Tod des Kaisers“, so schrieb er am 28. Oktober 1740 an den Grafen Algarotti, „macht aus mir einen sehr schlechten Textverbesserer. Er ist verhängnisvoll für mein Buch, vielleicht aber glorreich für mich selbst.“ Damit war der „Antimachiavell“ für den König abgetan.
Wie stellte sich nun Friedrich zu der Schrift des Florentiners, der das Wesen der politischen Macht ergründen, der die Grundsätze festlegen will, wie Fürsten Staaten erwerben und sich in ihrem Besitz behaupten sollen? Ihm lag es fern, das Buch auf die Zustände von Italien, auf die besonderen Umstände zurückzuführen, aus denen es hervorgegangen war. Er sah in der Schrift nur einen politischen Katechismus voller Ruchlosigkeit, dem er nun nach dem treffenden Worte Voltaires einen „Katechismus der Tugend“ entgegensetzte; denn der „Antimachiavell“ ist ein philosophisch, moralischer Traktat. Will Machiavell keine Moral in der Politik gelten lassen, so er, klärt der Prinz, daß es für ihn keine doppelte Moral gäbe. Friedrich wird nicht müde, ihm immer wieder in heftigen Anklagen, pathetischen Deklamationen seine sittliche Verkommenheit vorzuwerfen. Erst im letzten Drittel gewinnt die Schrift einen an, deren Charakter. Da entwirft Friedrich das Idealbild des Herrschers, wie es ihm vorschwebt, ein Bild der Pflichten, die der Fürst auf sich zu nehmen hat, gleichsam das Programm, das er dann selbst während seiner Regierung zu verwirklichen strebte.
Wieweit der „Antimachiavell“ von fremden Gedanken beeinflußt ist, bedarf im einzelnen noch der genaueren Untersuchung. So viel ist jedoch gewiß, daß Friedrich im Bannkreis der Aufklärungsphilosophie mit ihren Humanitätsidealen sieht, daß ferner vor allem drei Männer, drei Schriften tief auf ihn eingewirkt haben. Von Voltaire und seinem Heldengedichte, der „Henriade“, hörten wir schon. Die beiden anderen Persönlichkeiten sind Kaiser Mark Aurel und dessen „Selbsibetrachtungen“, sowie Fénelon mit seinem Fürstenspiegel, den „Abenteuern des Telemach“, auf die wiederholt direkt Bezug genommen wird2. Trotz dieser Einschränkung bleibt der „Antimachiavell“ ein hervorragendes Dokument für die Geisiesentwicklung Friedrichs.
Aus diesem Gesichtspunkte war es geboten, für die Übertragung auf die ersten eigenhändigen Niederschriften zurückzugehen, die der Voltaireschen Feile noch ganz entbehren. Eine Ausnahme macht allein das zweite Kapitel, dessen frühere Fassungen uns nicht erhalten sind. Aus dem gleichen Grunde durfte von der Gegenüberstellung
1 Der Titel der bei van Duren erschienenen Schrift lautet: „Examen du prince de Machiavel avec des notes historiques et politiques“ (Haag 1741), der von Voltaire veranstalteten Ausgabe: „Antimachiavel ou Essai de critique zur le prince de Machiavel“ (Haag 1740).
2 Auch ein Einfluß der Schriften Montesquieus, besonders seiner „Betrachtungen über die Ursachen der Größe der Römer und ihres Niederganges“, läßt sich im „Antimachiavell“ nachweisen.