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Das politische Testament von 1752

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Einleitung

Die erste Bürgerpflicht ist, seinem Vaterlande zu dienen. Ich habe sie in allen verschiedenen Lagen meines Lebens zu erfüllen gesucht. Als Träger der höchsten Staatsgewalt habe ich die Gelegenheit und die Mittel gehabt, mich meinen Mitbürgern nützlich zu erweisen. Meine Liebe zu ihnen gibt mir den Wunsch ein, ihnen auch nach meinem Tode noch einige Dienste zu leisten. Zwar bin ich nicht so anmaßend, zu glauben, daß mein Verhalten denen, die meinen Platz einnehmen werden, zur Richtschnur dienen soll. Ich weiß, daß der Augenblick des Todes den Menschen und seine Pläne vernichtet und daß alles in der Welt dem Gesetz der Veränderung unterliegt. Ich verfolge mit der Abfassung dieses politischen Testaments keine andre Absicht, als einem Piloten gleich, der die stürmischen Strecken des politischen Meeres kennt, meine Erfahrungen der Nachwelt mitzuteilen. Ich will die Klippen angeben, die sie zu meiden hat, und die Häfen, wo sie Zufiucht finden kann. Ich lasse mich nicht auf kleine Einzelheiten ein, sondern behandle alle Gegenstände im Großen, überzeugt, daß alle, die selbst die Regierung des Staates führen werden, mich zur Genüge verstehen.

Die Regierung beruht auf vier Hauptpfeilern: auf der Rechtspfiege, weiser Finanzwirtschaft, straffer Erhaltung der Mannszucht im Heere und endlich auf der Kunst, die geeigneten Maßnahmen zur Wahrung der Staatsinteressen zu ergreifen, das heißt, auf der Politik. Gehen wir diese verschiedenen Zweige der Reihe nach durch.

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Rechtspflege

In eigener Person Recht zu sprechen, ist eine Aufgabe, die kein Herrscher übernehmen kann, ein König von Preußen noch weniger als ein anderer. Das ungeheure Detail eines einzigen Rechtshandels würde die Zeit verschlingen, die er vorzugsweise anderen Zweigen der Regierung widmen muß. Spricht der Fürst aber auch nicht selber Recht, so folgt daraus nicht, daß er die Rechtspflege vernachlässigen darf. Ich habe in Preußen auf dem Gebiet des Zivilprozesses Gesetze vorgefunden, die, statt den Parteien zu helfen, die Rechtshändel verwirrten und die Prozesse in die Länge zogen. Daraufhin erteilte ich dem Großkanzler Cocceji118-1 den Auftrag zu einer Gesetzesreform auf der Grundlage der natürlichen Billigkeit. Der hochverdiente Beamte führte meinen Willen zur allgemeinen Zufriedenheit aus. Fest sieht, daß Ungerechtigleiten jetzt seltener als früher vorkommen, daß die Richter unbestechlicher, die Prozesse kürzer sind und daß nur wenig Rechtshändel bei den Gerichtshöfen schweben. Es wäre zu wünschen, daß die Herrscher ihr besonderes Augenmerk auf die gute Besetzung des Großtanzleramtes richteten und Männer von der Rechtschaffenheit, Geschicklichkeit und lauteren Gesinnung Coccejis dafür fänden. Nur so läßt sich das Gute, das er für den Staat geleistet hat, erhalten. Ja die Wahl dieser Persönlichkeit muß mit um so mehr Kenntnis und Überlegung erfolgen, als der Herrscher einen Teil seiner Autorität in ihre Hände legt und sie zum Schiedsrichter über Hab und Gut der Bürger macht.

Bei der Unvollkommenheit aller menschlichen Dinge sehen wir die besten Einrichtungen entarten. Daher muß von Zeit zu Zelt, wo es nötig ist, die bessernde Hand angelegt werden, damit die Einrichtungen ihren ursprünglichen Zweck wieder erfüllen118-2.

Ich habe mich entschlossen, niemals in den Lauf des gerichtlichen Verfahrens einzugreifen; denn in den Gerichtshöfen sollen die Gesetze sprechen und der Herrscher soll schweigen. Aber dies Stillschweigen hat mich doch nicht daran gehindert, die Augen offen zu halten und über die Aufführung der Richter zu wachen. Es ist die Einrichtung getroffen, daß zwei Räte des höchsten Gerichtshofes alle drei Jahre die Provinzen bereisen, die Aufführung der Richter prüfen und die, welche sich etwas zu<119>schulden kommen ließen, zur Anzeige bringen. Man darf mit den Pflichtvergessenen kein Erbarmen haben: die Stimme der Witwen und Waisen fordert Vergeltung, und Sache des Fürsten ist es, die Beamten zu ihrer Pflicht anzuhalten und streng gegen die vorzugehen, die seine Autorität mißbrauchen und das öffentliche Vertrauen unter dem Vorwand von Recht und Gerechtigkeit täuschen. Gerade gegen solche Art von Pflichtvergessenheit muß ich die äußerste Strenge anraten; denn der Herrscher macht sich gewissermaßen zum Mitschuldigen an den Verbrechen, die er unbestraft läßt.

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Finanzwirtschaft

Soll das Land glücklich sein, will der Fürst geachtet werden, so muß er unbedingt Ordnung in seinen Finanzen halten. Noch nie hat eine arme Regierung sich Ansehen verschafft. Europa lachte über die Unternehmungen Kaiser Maximilians, der habgierig zusammenraffte und verschwenderisch ausgab und daher nie Geld hatte, wenn er etwas unternehmen wollte. Die Italiener, die ihn kannten, sie nannten ihn Massimiliano senza denari. In unseren Tagen haben wir gesehen, wie die Zerrüttung der Finanzen beim Tode Karls VI. die Königin von Ungarn zur Annahme von englischen Subsidien nötigte. Das brachte sie in die Knechtschaft König Georgs und kostete ihr die Abtretung mehrerer schöner Provinzen an Preußen und Sardinien120-1. Die kluge Fürstin, die gesehen hat, wie sehr der Geldmangel ihren Angelegenheiten schadete, arbeitet jetzt mit stetem Fleiß an der Reform dieser Mißwirtschaft. Wären Sachsens Finanzen gut verwaltet gewesen, so hätte es in dem Kriege, der im Jahre 1740 ausbrach, eine Rolle spielen können. Da es aber stark verschuldet war, so verdingte es sich an den Meistbietenden und war allenthalben unglücklich. August III. gewann nichts im Bunde mit uns und den Franzosen und wurde zu Boden geschmettert, als ihn die englischen Subsidien zum Kriege gegen Preußen gebracht hatten. Wären seine Kassen gefüllt gewesen, so hätte er seine Interessen nicht für so mäßige Summen zu verkaufen brauchen. Holland, welches das Joch seiner Tyrannen abschüttelte und von da an bis nach dem Spanischen Erbfolgekrieg eine so große Rolle in Europa spielte, zählt heute kaum noch zu den Großmächten, weil die Regierung tief in Schulden steckt und, was noch schlimmer ist, keinen Kredit hat. Fährt Frankreich mit seiner jetzigen Mißwirtschaft fort, so kann es trotz seiner Machtfülle in Verfall geraten und seinen Nebenbuhlern verächtlich werden.

Diese Beispiele zeigen, daß keine Macht sich ohne geregeltes Finanzwesen Ansehen zu verschaffen vermag. Wenn schon Holland, Sachsen und Frankreich sich infolge ihrer schlechten Wirtschaft zugrunde richten, so wäre es um Preußen für immer geschehen, wenn es ihrem Vorgange folgte, zumal seine Macht nicht auf innerer Kraft, sondern allein auf angestrengter Arbeit beruht. Es ist eine alte Wahrheit: Preußen<121> hat keine anderen Hilfsquellen als seine festen Einnahmen, und man kann im Falle der Bedrängnis vom eigenen Lande nur eine Anleihe von höchstens zwei Millionen erwarten. Wir besitzen weder ein Peru, noch reiche Handelskompagnien, noch eine Bank, noch soviel andere Hilfsquellen wie Frankreich, England und Spanien, aber durch angestrengte Arbeit können wir dahin gelangen, neben ihnen eine Rolle zu spielen121-1.

Die Finanzwirtschaft beruht auf Pünktlichkeit in den Einnahmen und auf Ordnung in den Ausgaben.

Einnahmen

Die Finanzeinnahmen umfassen sehr verschiedene Zweige. Alles, was Akzise und Kontribution heißt, gehört zum Bereich der Kriegskasse121-2.

Die Einnahmen der Kriegskasse und ihre Verwaltung

Die Kontributionen sind Auflagen, welche die Grundherren und Bauern entrichten121-3. Sie sind für das ganze Land nach abgestuften Taxen geregelt. Jeder Kreis zahlt sie in der nächsten Stadt, von wo die Gelder zum Provinzialeinnehmer geschickt werden. Also hat in jeder Provinz der Einnehmer das Geld aus der Kontribution in seiner Kasse. Damit er das Land nicht bestehlen kann, wird seine Kasse alle Monate revidiert, und ergibt sich der geringste Betrug von seiner Seite, so wird er auf der Stelle verhaftet, und seine Kaution wird beschlagnahmt. So erleidet das Land niemals Verluste. Was es bezahlt, dient zum Unterhalt der Truppen. Ich habe diese Kassen in ziemlich großer Unordnung vorgefunden. Die Einnehmer legten niemandem Rechnung, und wenn sie gestohlen hatten, so bürdeten sie den Provinzen aus eigener Machtvollkommenheit einen Kontributionsmonat mehr auf, als sie zu bezahlen hatten. Jetzt ist es bei Todesstrafe verboten, einen Groschen Kontribution mehr ohne einen Befehl von meiner Hand aufzuerlegen, und den Befehl hüte ich mich wohl zu geben; denn der Edelmann und der Bauer dürfen niemals bedrückt werden. Im Gegenteil ist<122> es Pflicht, ihre Lage möglichst aufzubessern. Nur in einem einzigen Falle dürfen die Kontributionen erhöht werden, wenn nämlich der Preis für die Lebensmittel dauernd auf das Doppelte ihres jetzigen Marktwertes steigt. Dann wäre man genötigt, den Sold der Soldaten zu erhöhen und die Gehälter zu vermehren. Das aber wäre undurchführbar ohne Vermehrung der Staatseinkünfte.

Die Akzise122-1 ist der zweite Fonds der Kriegskasse. Sie ist von allen Auflagen die billigste. Sie belastet die Armen nicht: Brot, Fleisch, Bier müssen wohlfeil sein. Sie trifft nur den Luxus der Wohlhabenden. Jede Provinz hat ihren Tarif, der für die Steuerbeamten maßgebend isi. Da aber die Akzise, wenn sie schlecht aufgelegt wird, den Handel und die Manufakturen schwer schädigen kann, so habe ich die Tarife ungefähr nach folgenden Grundsätzen verbessert: Freie Einfuhr für die Rohstoffe, die unsere Manufakturen verarbeiten, wie ausländische Wolle, Seide usw. Zollfreie Ausfuhr für alle bei uns hergestellten Produkte, um ihren Absatz im Ausland zu steigern und entsprechend mehr Arbeiter bei uns zu halten. Hohe Zölle auf ausländische Produkte und Fabrikwaren, die wir entbehren können, wie Tuche, Stoffe, Etamin, Strümpfe, Hüte, Gläser, Spiegel, Tressen, Eisen- und Goldschmiedewaren usw., weil diese im Lande selbst angefertigt werden; auf Produkte wie ausländisches Getreide, Bier, Kaffee, Zimt, bestimmte Weine usw. Diese Aussagen belasten nur die Wohlhabenden, verhindern stillschweigend die Ausfuhr von Geld und beleben die Manufakturen. Auf Ermunterung der Manufakturen besiehe ich so sehr aus folgenden Gründen:

1. Wird das, was man sonst von den Nachbarn kaufen müßte, im Inlande hergestellt, so bleibt das Geld im Lande.

2. Eigne Erzeugnisse können an die Nachbarn geliefert werden, z. B. an Polen, Rußland, Schweden, Dänemark. Dadurch legt man ihnen eine Art freiwilliger Steuer auf, die sie der heimischen Industrie zahlen.

3. Man zieht Leute, die Untertanen der Nachbarn waren, ins Land und läßt sie von Fremden ernähren.

4. Durch eignen Gewerbefleiß bringt man alljährlich beträchtliche Summen ins Land.

5. Man bevölkert die Städte und gewinnt neue Untertanen. Die Untertanen aber sind der wahre Reichtum der Fürsten.

6. Man vermehrt die Einkünfte der Akzise durch den Konsum der neuen Arbeiter; doch das nur nebenbei.

Die Akzise der Städte gehört zum Bereich der Kammer in jeder Provinz und bildet nebsi der Kontribution den Fonds, aus dem die Truppen in jeder Provinz bezahlt werden. Die Präsidenten der Kriegs- und Domänenkammern sehen den Akzisebeamten dauernd auf die Finger, um Veruntreuungen zu verhüten. Seit 1746 hat<123> Wachsamkeit im Verein mit den guten Erträgen der letzten Jahre zu einer Vermehrung der Einnahmen um 140 000 Taler geführt. Die Folge ist, daß das Einkommen der Kriegstasse, sowohl in den alten Provinzen wie in Schlesien, 7 Millionen übersteigt. Außerdem braucht die Kriegskasse einen Fonds von 680 000 Talern, um der Armee, sobald sie ins Feld rückt, einen Monat Sold vorschießen zu können. Dieser Fonds muß wie ein Heiligtum unantastbar bleiben.

Domänenkasse

Die Einkünfte aus den Krongütern (die mein Vater stark vermehrt hat), aus Salinen, Forsten, Zöllen, Post und Münze, alles zusammen bildet den Fonds, über den die Domänenkasse verfügt. Die Domänen sind auf alle Provinzen verteilt und als Ämter organisiert. Als Regel gilt, sie alle sechs Jahre neu zu verpachten, weil man bei jedem neuen Abschluß den Pachtzins erhöht. Bei der Untersuchung der Güter findet sich stets hier und dort neues urbar gemachtes Land, das zur Erhöhung der Einkünfte beiträgt. Das würde man verlieren, wenn man den Kontrakt auf zwölf Jahre verlängerte, wie die Pächter es wünschen.

Bei der Verwaltung der Krongüter ist streng darauf zu sehen, daß der Amtmann die Bauern nicht drückt und daß er auf den von ihm gepachteten Gütern nicht despotisch schaltet. Ich würde der Nachwelt zur Vermehrung der Ämter nicht raten. Diese Politik mag für kleine Fürsten gut sein, taugt aber nichts für den König von Preußen, der für den Heeresdienst einen zahlreichen Adel braucht. Man wende mir nicht ein, daß man Ausländer heranziehen kann. Auf den Einwand kann ich aus eigner Erfahrung erwidern, daß der fremde Adel niemals mit dem gleichen Eifer dient wie der einheimische, daß die Ausländer in einem so strengen Dienste, wie dem preußischen, schnell die Lust verlieren, ihn aus den frivolsten Gründen quittieren und in fremde Dienste gehen, die sie mit den bei uns erworbenen Kenntnissen bereichern.

Das bedeutende Einkommen aus den Salinen stießt ebenfalls in die Domänenkasse. Die Salinen befinden sich zum Teil in Halle und Salze; ich habe auch noch andre in der Grafschaft Mark und im Fürstentum Minden angelegt. Alle Provinzen, Schlesien einbegriffen, erhalten von ihnen ihr Salz. Wir haben ferner als Absatzgebiete Sachsen, einen Teil von Böhmen (durch Schmuggel), Mecklenburg, Franken und einen kleinen Teil des Münsterlandes. Eine große Zahl von Beamten ist angestellt, um die Einfuhr ausländischen Salzes in die Provinzen zu verhindern. Die beste Maßregel aber, die man sich gegen den Schmuggel ausgedacht hat, besteht darin, daß man das Salz auf die Familien nach ihrer Kopfzahl verteilt, was sie sicher davon abhält, es anderswo zu kaufen.

Der Holzverkauf bildet eine gute Einnahmequelle in Pommern, in der Alt-, Mittel- und Neumark. Es ist Fürsorge getroffen, alle Jahre neu aufzuforsten. Dadurch bleiben in den Wäldern, auch wenn man genug Weideland für die Schafe<124> läßt, die Baumarten, die mit Ausnahme der Eichen schnell wachsen, dauernd erhalten. Der Verkauf dieser Hölzer bringt aus Frankreich, Dänemark und Schweden alljährlich über 100 000 Taler ein.

Auch die Stromzölle der Memel, des Pregels, der Oder, der Elbe, der Weser, des Rheins und der Maas bilden einen einträglichen Zweig der Domänenkasse. Diese Zölle haben großen Einfluß auf den Handel. Sind sie schlecht geregelt, so ist die Folge die gleiche wie bei der Akzise: sie legen den Kaufleuten Fesseln an und ersticken die Industrie. Ich habe eine Bilanz der Elb- und Oderzölle aufstellen lassen. Um den Stettiner Handel zum Schaden des hamburgischen zu begünstigen, habe ich die Taxe für die (nicht verbotenen) Waren, die auf der Oder kommen, herabsetzen lassen, sodaß die französischen Weine, Gewürze und Farben für die Färbereien über Stettin billiger kommen als über Hamburg. Das wird unbedingt dahin führen, daß der ganze Handel in die Hände unserer Kaufleute gelangt, die dann mit der Zeit die Zwischenhändler von Sachsen, Polen und Böhmen werden können. Im übrigen werden bei der Auflage der Zölle die gleichen Regeln befolgt wie beim Akzisetarif.

Die Post ist für Preußen sehr wichtig, well wir den ganzen Kurs von Memel bis Geldern besitzen, ungerechnet den von Magdeburg nach Hamburg und die Querlinien. Bei viel Sorgfalt und Aufmerksamkeit kann sie noch sehr ausgestaltet werden, sobald man neue Linien hinzufügt, was wohl möglich ist, wenn man es richtig anfaßt.

Die Münze ist eigentlich erst durch meine Bemühungen errichtet worden. Wir hatten niemanden, der die nötigen Kenntnisse der Finanzwissenschaft besaß. Ich hörte von Graumann reden und ließ ihn daraufhin kommen124-1. Seine Grundsätze sind folgende: Die Metalle sind eine Ware. Der Staat, der sie am höchsten bezahlt, kann am meisten davon bekommen. Wer den Preis der Mark Silber bis 15 Taler hinauftreibt, wird der einzige sein, der Silber prägt. Und vermittelst der Münze wird er Gold erhalten, soviel er will. Das wirkliche Verhältnis von Gold zu Silber ergibt sich dadurch, daß man alle Wechselkurse von Europa vergleicht und eine Zahl ausmittelt, die in allen Fällen paßt. Das ist die Mark zu 15 Talern. Nach diesem Plan arbeiten wir. Es ist geplant, Münzstätten in Königsberg, Stettin, Breslau, zwei in Berlin, eine in Magdeburg, eine in Cleve, eine in Aurich und eine in Neu-châtel zu errichten. Die kleine Berliner Münze prägt nur kleine Geldsorten mit neun Prozent Gewinn. Dafür kauft man Gold und Silber zu höherem Preise, wodurch man noch 5 vom Hundert gewinnt. Sobald diese Münzstätten alle eingerichtet sind, wird man jährlich 20 Millionen prägen können, also etwa soviel wie die Bilanzen, die Portugal und Spanien jährlich an Europa zahlen. Die Folgen dieser<125> Einrichtung sind, daß wir den Wechselkurs an uns ziehen, da wir die einzigen sind, die Münzen prägen. Wer Silbersendungen zu machen hat, wird sich an uns wenden müssen, und nota bene, dieser günstige Wechselkurs ist das allerhöchste Glück für einen Staat. Aus diesem einzigen Zweige gewinnt der Herrscher eine Million und mehr an Einkünften, ungerechnet den Gewinn der Kaufleute, der halb soviel betragen kann. Alle diese verschiedenen Einnahmen stießen in die Domänenkasse, die 360 000 Taler im voraus braucht, um die Pensionen und Gehälter pünktlich zu zahlen und am letzten Tage des Rechnungsjahres, der ins Trinitatisquartal fällt, ihren Abschluß zu machen. Gegenwärtig sind 160 000 Taler in der Domänenkasse. Die noch fehlenden 200 000 werden im Jahre 1755 darin sein, wenn ich am Leben bleibe.

Ratschläge für die Verwaltung der Domänenkammern

In jeder Provinz gibt es eine Domänenkammer, bestehend aus einem Präsidenten und einer bestimmten Anzahl von Räten. Sie haben teils die Pachtverträge für die Ämter abzuschließen, teils führen sie die Aufsicht über die Holzverkäufe, über die Deiche, Chausseen und Gewässer, teils über die Städte, die Akzise, die Polizei und die Manufakturen. Alle Kammern haben den Etat von den Einnahmen ihrer Provinz, und ihre Mitglieder sorgen dafür, daß die Erhebung genau, pünktlich und ordnungsmäßig erfolgt. Jede Kammer hat eine Instruktion, die als Richtschnur dient, von der sie nicht abzugehen wagt. Da alle Instruktionen sich in den Händen der Präsidenten befinden, so erspare ich mir die Wiedergabe ihres Inhaltes.

Alle diese Provinzialbehörden unterstehen mit Ausnahme der von Schlesien dem Generaldirektorium, das alle Sachen von geringer Bedeutung selbst regelt, die wichtigsien aber dem König einsendet und ihm den Sachverhalt mit Angabe von Für und Wider darlegt. Das Generaldirektorium hat einen Fonds von 150 000 Talern für Erlassungen an die Provinzen, für den Wiederaufbau von verbrannten GeHöften, für den Wiederankauf von eingegangenem Vieh in den Ämtern, für den Aufbau von verbrannten Mühlen, Kirchen, Dörfern usw. Außer diesen 150 000 Talern haben Ostpreußen und Litauen noch 140 000 Taler für den gleichen Zweck. Die Provinzialbehörden erstatten dem König jeden Monat eingehenden Bericht über die Lage der Provinz und den Stand der Kasse und stellen eine Bilanz über die Einnahmen an Zoll und Akzise während des letzten Monats und des gleichen Monats im Vorjahre auf. Alle Jahre nach Trinitatis übersenden sie eine Handelsbilanz auf Grund der Akzisenliste, aus der die Ein- und Ausfuhr der verschiedenen Warengattungen hervorgeht. Daraus ersehen wir, welche Manufakturen bei uns fehlen und welche neu errichtet werden können. Ferner ist nach der Bilanz des aus dem Lande gehenden und des einkommenden Geldes der Zustand unseres Handels und der der Provinzen mit Sicherheit zu beurteUen. Man sieht, daß Preußen von den Nachbarn im ganzen 6 Millionen und einige hunderttausend Taler gewinnt. Ferner kann<126> man beurteilen, ob die einzelnen Provinzen bestehen können. So bezahlt die Neumark alles in allem, Akzise, Kontribution und Domänen, 700 000 Taler. Davon bleiben 520 000 Taler in der Provinz zur Bezahlung der Gerichte und Truppen; 180 000 Taler werden nach Berlin geschickt. Aus der Handelsbilanz ergibt sich, daß die Provinz 445 000 Taler dabei gewonnen hat. Zieht man also die Ausfuhr und die an die Krone bezahlten Summen ab, so bleiben noch jährlich 265 000 Taler, um die die Neumark reicher wird. Folglich kann sie bestehen, ja noch zunehmen. Man muß den Dingen auf den Grund gehen, um gut zu regieren.

Ebenso erhält der Herrscher jährlich eine Liste der Sterbe- und Taufregister von jeder Provinz. Daraus läßt sich die Zahl der Einwohner berechnen, was zu wissen sehr wichtig ist.

Am Schlusse des Rechnungsjahres schickt mir jede Provinz und jede Kasse ihre Generalabrechnung, in der alle Einkünfte, die Rückstände und die Überschüsse verzeichnet sind. Gegen den Monat Mai stellt das Direktorium den neuen Etat auf. Aus ihm sind alle Einnahmen, der Ertrag der Meliorationen der verschiedenen Provinzen und ihre Bestimmung zu ersehen. Da ich über den Etat in dem Abschnitt über die Ausgaben sprechen werde, so begnüge ich mich hier mit der bloßen Erwähnung.

Zur Besetzung aller dieser Finanzämter sind mehr Ehrenmänner erforderlich, als der Staat gewöhnlich hervorbringt. Zu glauben, die Welt sei von Bösewichtern bevölkert, heißt denken wie ein Menschenfeind. Sich einbilden, alle zweibeinigen Wesen ohne Federn seien Ehrenmänner, heißt sich wie ein Dummkopf täuschen. Ein Herrscher muß so viel Menschenkenntnis besitzen, um wenigstens an die Spitze der Provinzen ehrliche Männer zu stellen. Da ihre Zahl klein ist, so findet man sie leichter. Ich habe alte ausgediente Offiziere zu Präsidenten gemacht, und ich bin mit ihnen besser gefahren als mit den in der Beamtenlaufbahn Emporgekommenen. Die Offiziere verstehen zu gehorchen und sich Gehorsam zu verschaffen, und wenn man ihnen irgend etwas zur Prüfung übergibt, führen sie es selber aus und mit größerer Zuverlässigkeit als die anderen. Aber damit ist nicht gesagt, daß jeder Offizier sich schlechthin für diese Ämter eignet. Der Herrscher kann unmöglich alle kennen, die man ihm zu Domänenräten vorschlägt. Er muß sich auf die verlassen, die sie vorschlagen, und alle fortjagen, die der Untreue überführt sind. Bei Gelegenheit kann er solche Posten auch Offizieren geben, die von der Pike auf gedient haben, aber kränklich sind.

Was das Generaldirektorium betrifft, so ist es besser, daß Leute von Verstand, wenn auch von zweifelhafter Redlichkeit, darin sitzen als dumme, aber ehrliche Leute. Sobald der Herrscher sie kennt, kann er sie im Zaum halten und sie zur Rechtschaffenheit zwingen. Sind sie aber einfältig, so kann er mit ihnen nichts anfangen. Auch das ist zu beachten, daß man die Ämter mit den richtigen Leuten besetzt und einen jeden nach seinen Talenten verwendet: den Kenner der Landwirtschaft für Pachtsachen, den Mann der Ordnung für die Einrichtung der großen Kassen, den Gewerbekundigen bei der Errichtung der Manufakturen usw.

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Die zahlreichen Provinzen, aus denen der Staat besieht, erstrecken sich der Länge nach über mehr als halb Europa. Da sie unter verschiedenen Himmelsstrichen liegen und ihre Lage Handel, Sitten und Gebräuche bedingt, so wäre es unmöglich, sie bis ins einzelne nach gleichen Grundsätzen zu regieren.

Ostpreußen bringt eigentlich nur Getreide und Flachs hervor; die Krone besitzt hier eine große Anzahl von Pachtämtern. Da aber das rauhe Klima und die Überschwemmungen, denen die Provinz ausgesetzt ist, die Ernten oft vernichten, so muß man unaufhörlich in den Säckel greifen, um den Schaden zu vergüten. Die Provinz ist fast ohne jede Industrie und hätte viele gute Manufakturen nötig.

Die Kurmark, Pommern, Magdeburg und Halbersiadt haben beinahe die gleichen Erzeugnisse und die gleiche Industrie. Diese Provinzen und mit ihnen Schlesien sind stets das Hauptfeld meiner Tätigkeit gewesen, und zwar aus folgendem Grunde: Sie bilden ein zusammenhängendes Gebiet, sind das Herz des Staates und lassen sich militärisch behaupten, während die anderen Provinzen entfernt liegen und in bestimmten Fällen nicht verteidigt werden können. Pommern und die Kurmark verkaufen Holz, Getreide, Tuche und alle Sorten Wollenstoffe ans Ausland. Da ich aber weiterhin von den getroffenen und noch zu treffenden Maßnahmen zu sprechen beabsichtige, so sage ich hier nichts mehr.

Schlesien hat ganz abweichende Einrichtungen. Die Krone besitzt dort nur wenig Pachtämter. Die Kontributionen sind auf einem anderen Fuße geregelt. Geistlichkeit und Adel bezahlen hier im Verhältnis viel mehr als in irgendeiner anderen Provinz, und der Bauer weniger. Aus politischen Rücksichten ist der Bauer geschont worden, weil er die große Masse ausmacht, aber der Adel ist belastet, um sich bestimmte Magnaten vom Halse zu schaffen, die dem Hause Österreich anhingen. Sie haben ihre Güter in Schlesien denn auch größtenteils vertauft. Der Leinen- und Tuchhandel dieser schönen Provinz verdient Ermutigung durch die Herrscher. Die Leinwand bringt Schlesien fast ebensoviel ein wie Peru dem König von Spanien. Ich möchte der Nachwelt raten, nicht ohne triftige Gründe an die von mir in Schlesien getroffenen Einrichtungen zu rühren.

Eleve hat keinerlei Ähnlichkeit weder mit Schlesien noch mit der Kurmark, noch mit Ostpreußen. Die Bevölkerung ist sehr träge. Da das Holz dort selten wird, findet man schöne Kulturen. Fremde, die sich während meiner Regierung im Clevischen niederließen, haben gute Manufakturen eingeführt. Die Bauernhöfe liegen alle zerstreut und bilden nicht Dörfer wie hier und im Reich. Das Fürstentum Minden ähnelt den hiesigen Provinzen mehr. Die Gebräuche sind fast die gleichen. Die Leinenmanufakturen blühen, sind aber viel unbedeutender als in Schlesien. Die Herrschaft Emden ernährt sich allein von ihrem Vieh und bezieht viel Geld aus dem Ausland durch den Verkauf von Pferden, Kühen, Milch, Käse und Ziegeln, die nach dem ganzen Norden gehen.

Auf Grund eingehender Kenntnis aller dieser Gebiete ist für jede Provinz die Instruktion für den Präsidenten und für die Domänenkammer verfaßt. Alle nach den<128> gleichen Gesetzen regieren wollen, hieße die Provinzen mutwillig verderben. Daher möchte ich der Nachwelt raten, an den bestehenden Grundsätzen nichts zu ändern, ohne sie genau zu prüfen und die aus veränderten Maßnahmen sich ergebenden Nachteile zu bedenken. Jedoch ist es gut, die Instruktionen von Zeit zu Zeit zu revidieren und sie beim Wechsel der Konjunkturen zu erneuern, sei es, daß Mißwirtschaft unsere Nachbarn zugrunde richtet, sei es, daß durch Nachlässigkeit der Präsidenten die Industrie bei uns zurückgeht oder daß man irgendwelche neuen Einrichtungen plant. Die Instruktionen sind also der Zeit und den Umständen anzupassen, die Mittel zur Heilung der Schäden der betreffenden Provinz anzugeben oder die Wege vorzuschreiben, wie aus dem Verfall der Nachbarmächte Vorteil zu ziehen ist. Bei solchen Anlässen halte ich eine Änderung der Instruktionen für sehr nützlich. Aber man soll nicht an den Grundsätzen der Regierung rütteln, durch die wir Ordnung und Wohlstand aufrechterhalten.

Ausgaben

Die festen Einnahmen des Staates belaufen sich auf 12 150 000 Taler und 1 Million von der Münze. Davon bezahlt Schlesien 3 400 000 Taler und die anderen Provinzen 8 750 000 Taler. Der Etat setzt sich folgendermaßen zusammen. Die Kriegskasse bezahlt die Regimenter, die aus 135 600 Mann bestehen. Sie bestreitet den Unterhalt der Festungswerke, die Kosten für die Uniformen der Armee, für die Remonten der Kavallerie, für die Pulverfabrik, die jährlich 4 000 Zentner Pulver herstellt. Sie bezahlt ferner die Gehälter für die Gouverneure, Kommandanten und einige andere Offiziere. Die Pferde- und Montierungskasse wird von General Massow128-1 so trefflich verwaltet, daß sie jährlich eine Ersparnis von 150 000 Talern erzielt. Dieser Fonds beträgt infolge dessen jetzt 765 000 Taler. Das ist aber nicht genug. Man muß mit den Ersparnissen einige Jahre fortfahren, um nicht allein<129> 900 000 Taler in barem Gelde, sondern auch noch viele Vorräte, Wehrgehänge, Waffen, Zelte usw. fertig in den Zeughäusern zu haben. Davon werde ich im Abschnitt über das Heerwesen sprechen.

Die Domänenkasse zahlt jährlich 1700 000 Taler an die Kriegskasse, die ohne dies die Truppen nicht bezahlen könnte. Sie bestreitet die Iahrgehälter, die Besoldung für die Gerichte und liefert einiges Geld an den Herrscher. Nach Bezahlung aller Kosten und Bestreitung aller Ausgaben bleibt von den Domänen ein Überschuß von 1 300 000 Talern nebst einer Million von der Münze, also im ganzen 2 300 000 Taler, um die der Staatsschatz jährlich vermehrt wird. Er ist für den Fall eines Unglücks, eines Krieges oder einer öffentlichen Not bestimmt.

Der Wert unserer Einrichtungen besieht darin, daß die Kassen niemals vermengt werden. Infolgedessen leben wir nicht auf Vorschuß, sondern legen jedes Jahr zurück. Unsere Zahlungen werden nicht auf Grund liederlicher Rechnungen oder mit Papier, sondern in guter Münze geleistet, und wir ändern im Laufe des Jahres nichts an der Ordnung des zu Beginn des Rechnungsjahres festgestellten Voranschlages.

Meine Einnahmen

Da das Gehalt, das ich vom Staate beziehe129-1, für die militärischen Ausgaben, wie der hohe Sold des dritten Bataillons Garde129-2, meine Überzähligen129-3, die Uniformen und Tischgelder der Offiziere, fast ganz verbraucht wird, so habe ich meine Zuflucht zu anderen Fonds genommen, die alle zusammen beträchtliche Summen ausmachen und nicht in den Staatseinkünften einbegriffen sind. Ich habe mir 100 000 Taler aus Ostftriesland vorbehalten und die Einnahme aus den Forsten auf 180 000 Taler Überschuß gesteigert. Die Einkünfte aus der Post sind in diesem Jahre auf 110 000 Taler, mehr als sie je betrugen, gebracht worden. Die Akzisen und Zölle aus Schlesien, der außerordentliche Verkauf von Salz und das Geld aus verschiedenen Fonds, das bei der Ausgabe gespart wurde, haben die Summe von 260 000 Talern ergeben. Die ostpreußischen Häfen haben 56 000 Taler über den Etat eingebracht. Die Ersparnisse bei den Domänenkammern belaufen sich, wenn es keine Unglücksjahre gibt, in Ostpreußen auf 30 000 Taler und in Litauen auf 20 000. Fügt man zu allen diesen Einnahmen, die unter meinem Vater nur sehr gering waren, einige außerordentliche Beträge aus den Domänen, so können sie jährlich auf durchschnittlich 700 000 Taler gebracht werden. Davon habe ich für mich 120 000 Taler genommen, die ein monatliches Gehalt von 10 000 Talern ausmachen. Alles übrige<130> habe ich zum Wohle des Staates verwendet, teils für Festungsbauten, für die Artillerie, für die Remontekasse, teils für nützliche Einrichtungen im Lande. Ja, ich habe daraus sogar Zuwendungen an den Staatsschatz gemacht, zur Abrundung seines Bestandes und zum Ersatz für schlechte Münzen.

Die Landschaft

Die „Landschaft“ ist die Gesamtheit der Ritterschaft130-1. Sie erhielt als Sicherheit für ihre Geldvorschüsse an die alten Kurfürsten die sogenannte Ziese, eine Auflage auf das Bier, nebst einigen anderen ähnlichen Fonds, die sie selbst verwaltet und zu ziemlicher Bedeutung gebracht hat. Während des Krieges von 1744 nahm ich meine Zuflucht zum Kredit dieser Körperschaft, und ich hatte allen Anlaß, den Eifer und die Anhänglichkeit des würdigen Adels zu rühmen. Er gab mir die Mittel zur Weiterführung des Krieges. Ohne ihn war ich bei dem völligen Mangel an Geld und bei der Unmöglichkeit, anderswo Hilfsquellen zu finden, verloren.

Die Schulden der „Landschaft“ an Privatleute belaufen sich alles in allem auf fünf Millionen Taler. Nach meiner Ansicht darf man diese Schuld nicht abtragen. Sonst wüßten die Privatleute nicht, wo sie ihre Kapitalien anlegen sollen, und gingen mit ihrem Vermögen, mit dem sie bei uns nichts anfangen könnten, ins Ausland. Ich würde aber auch nicht zur Vermehrung dieser Schuld raten; denn die Kasse des Herrschers würde durch die dann zu zahlenden Zinsen überlastet. Außerdem muß man bei allen Kreditfragen eine gewisse Mittelstraße innehalten; verläßt man sie, so entsteht Unordnung. Bis jetzt zahlt die „Landschaft“ pünktlich die Zinsen ihrer Schulden und erstattet die Kapitalien bei Verfall der Verschreibungen zurück. Stiege die von ihr zu entrichtende Summe also beträchtlich, wie könnte sie dann die Menge der Kapitalien auszahlen, die sie auf einmal zu erstatten hätte? Und käme sie ihren Verpflichtungen nicht nach, wo bliebe ihr Kredit? Immerhin könnte man im Falle der Not, wie in einem Kriege, bis zu zwei Millionen bei ihr aufnehmen, müßte die Summe aber nach Friedensschluß sofort zurückzahlen.

Dieser würdige und treue Adel, der bei allen Gelegenheiten Beweise seiner Anhänglichkeit an die Regierung gegeben hat, verdient mit besonderer Auszeichnung behandelt zu werden. Deshalb muß ihm die freie Wahl seines Direktors überlassen bleiben. Da der Direktor jederzeit den Charakter eines Staatsministers gehabt hat, ist es Sache des Herrschers, ihm nach der Wahl diesen Titel zu verleihen. Er darf sich aber nicht in die Verwaltung der an die „Landschaft“ verpfändeten Fonds mischen; denn seit die sächsische Regierung an die Verwaltung der Steuerkasse gerührt hat, haben solche Verschreibungen ihren Kredit verloren.

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Begonnene Maßnahmen

Ich habe es für meine Pflicht gehalten, auf jede Weise für das Wohl des Staates zu sorgen. Der Dreißigjährige Krieg, dieses entsetzliche Unglück, hatte die ganze Mark, Pommern und Magdeburg verheert. Die drei Provinzen waren so völlig zugrunde gerichtet, daß drei Regierungen, von denen zwei ganz im Frieden verliefen, sie nicht wieder auf die alte Höhe zu bringen vermochten. Infolge so vieler Not waren die Provinzen im Jahre 1740 noch weit von dem Zustande eines wohlgeordneten und blühenden Landes entfernt. Nach dem Frieden nahm ich mir vor, alle verschiedenen Zweige der Verwaltung durchzugehen, um herauszufinden, durch welche Maßnahmen man den Provinzen aufhelfen und sie so glücklich machen könnte, als ihre Lage und das Los der Menschen es erlaubt. Zu diesem Zweck habe ich für jeden einzelnen Zweig das Folgende kurz entworfen.

Urbarmachung

Längs der Oder und der Netze, einem kleinen Fluß in der Neumark, zog sich ein Streifen unangebauten, wilden und unzugänglichen Sumpflandes. Ich begann damit, die Sümpfe von Damm bei Stettin zu entwässern. Durch einen Deich wurde die Oder eingedämmt und das neue Land an die Erbauer der dort angelegten Dörfer verteilt. Dieses Werk wird im nächsten Jahre vollendet und das Land mit ungefähr 4 000 Seelen besiedelt sein. Zwischen Freienwalde und Küsirin überschwemmte die<132> Oder die schönsten Wiesen und setzte unaufhörlich ein herrliches Gebiet unter Wasser, das dadurch unbrauchbar wurde. Zunächst erhielt die Oder ein neues Bett durch einen Kanal, der die Windungen abschneidet und die Schiffahrt um vier Meilen verkürzt. Der Kanal wird im kommenden Jahre fertig. Durch die Eindämmung des Flusses wird ein Gebiet gewonnen, wo 6 000 Seelen ihre Nahrung, Ackerland und Viehweiden finden. Wenn ich am Leben bleibe, wird die ganze Besiedelung im Jahre 1756 beendet sein. Die Netzesümpfe sind ebenfalls ausgetrocknet und mit Polen bevölkert, die sich auf eigene Kosten angesiedelt haben. Ferner habe ich alles Brachland der Kurmark urbar machen lassen und dort zwölf neue Dörfer errichtet. Ebenso zeigte es sich, daß die Städte in Pommern viel mehr Land besaßen, als sie anbauen konnten. Überall sind Dörfer angelegt worden, die in der Mehrzahl bereits fertig sind. In der Priegnitz besaßen die Edelleute ausgedehnte Ländereien, die sie nicht bewirtschaften konnten. Die Notwendigkeit ihrer Besiedelung wurde ihnen nachgewiesen, und in diesem Jahre erbauen sie dort acht neue Dörfer und im kommenden Jahre zwölf weitere. Im Halberstädtischen sind fünf Dörfer angelegt worden. Wenn ich alles seit dem Jahre 1746 zusammenzähle, bin ich jetzt beim 122. Dorfe angelangt.

Fertige Kanäle

Zur Abkürzung der Schiffahrt und zur Verbindung der großen Flüsse, der Oder, Havel und Spree, sind drei Kanäle gebaut, nämlich der Mietzelkanal, der den Holztransport aus der Neumark erleichtert, der Finowkanal, der die Oder mit der Havel verbindet, und der Plauensche Kanal, der das Dreieck bei Havelberg abschneidet. Der Plauensche Kanal beginnt bei Plauen und verbindet Havel und Elbe. Er erleichtert den Handel von Magdeburg nach Berlin und spart wenigstens acht Tage Schiffahrt für das Salz. Es geht jetzt auf dem Plauenschen Kanal nach Ostpreußen, Pommern und Schlesien, wahrend es früher über den Friedrich-Wilhelms-Kanal nach Frankfurt geschafft wurde. Das für Pommern und Preußen bestimmte Salz geht durch den Finowkanal in die Oder und von da an seinen Bestimmungsort. Umgekehrt wandert das Holz aus der Neumark, das in den Wäldern verfaulte, von der Mietzel durch die Oder, den Finowkanal, die Havel und Planen nach der Elbe, schwimmt von da die Saale hinauf und findet in Halle in den Salzsiedereien Verwendung. Seit der Anlage dieser Kanäle hat Stettin seinen Handel mit Leder aus Rußland beträchtlich vermehrt. Das Leder geht nach Magdeburg und verbreitet sich von da aus über das ganze Reich.

Seidenbau

Der Große Kurfürst hat auf fast allen Kirchhöfen der Mark eine große Anzahl von Maulbeerbäumen pflanzen lassen. Sie haben die Winter von 1709 und von 1740 überstanden, und einige Privatleute haben Seide hergestellt. Daraus ergab sich leicht,<133> daß der Frost die Maulbeerbäume keineswegs vernichtet, und daß, was einzelne Privatpersonen im kleinen ausführten, im großen gelingen kann. Daraufhin sind Maulbeerbäume angepflanzt worden. Alle Gemeinden wurden dazu angehalten, und die Amtmänner wurden bei Erneuerung ihres Pachtkontraktes verpflichtet, eine bestimmte Anzahl zu pflanzen. Jetzt gibt es im Lande über 400 000 große und kleine Maulbeerbäume, außer denen, die noch gepflanzt werden. Anstatt 200 Pfund Seide, die früher gewonnen wurden, stellen wir jetzt 2 000 Pfund her, und das muß noch beträchtlich zunehmen. Aus den Akziselisten ergibt sich, daß alle Provinzen jährlich für mehr als 400 000 Taler Seide verbrauchen. Wenn wir also 40- oder 50 000 Pfund Seide gewinnen, wird der Staat jährlich um 250 000 Taler reicher, und ohne neue Erwerbungen, allein durch eine bisher nicht gebräuchliche Industrie, erhöhen die Privatleute ihren Wohlstand. Zur Ermunterung dieser schwachen Anfänge lasse ich die bei uns erzeugte Seide ebenso teuer bezahlen wie die italienische, gebe den Landpfarrern, die am meisten Seide hergestellt haben, Prämien und denen, die Maulbeerbäume anpflanzen, Vergünstigungen.

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Seidenmanufakturen

Damit alles planvoll zum Ausschwung des Landes beiträgt, habe ich zugleich mit der Einführung des Seidenbaues Stoff- und Sammetmanufakturen eingerichtet. Die Ansiedlung der Arbeiter hat mir große Ausgaben verursacht. Um sie mit der Zeit zu vermindern und die fremde Kunstfertigkeit einzubürgern, halte ich den Arbeitern vierzig Lehrlinge auf meine Kosten und ersetze sie durch andere, sobald sie Meister werden. Wir haben gegenwärtig 500 Seidenwebstühle in Berlin und in Potsdam. Das ist aber erst ein schwacher Anfang.

Wollmanufakturen

Die Wollmanufakturen sind für Preußen die natürlichsten, well der Rohstoff zu den Hauptprodukten des Landes zählt. Mein Vater hatte das Lagerhaus eingerichtet, das großen Aufschwung nahm, seitdem dort Tuche wie die Aachener hergestellt wurden. Durch die Anfertigung solcher feinen Stoffe ist die nützliche Manufaktur um 300 Webstühle vergrößert worden. Ein Kaufmann Wegeli hatte schon zur Zeit meines Vaters eine bedeutende Manufaktur für Etamin, Serge und kleine Zeuge begründet. Seither hat er sie ums Doppelte vergrößert, und viele andere Kaufleute haben ähnliche Manufakturen errichtet. Seit kurzer Zeit wird viel Baumwollenzeug in Berlin angefertigt, und alle Jahre sehen wir neue Fortschritte in dieser Industrie. Zur Erleichterung für die Tuchmacher in den kleinen Städten, die alle arm sind und keine Auslagen machen können, habe ich einige Wollmagazine auf dem stachen Lande geschaffen, aus denen ihnen der Rohstoff auf Kredit geliefert wird. Sie bezahlen ihn erst, wenn die von ihnen hergestellten Tuche verkauft sind. Die Methode der Wollmagazine für die kleinen Arbeiter und der Seidenmagazine für die Seidenweber ist sehr gut und fast die einzige, mit der man solche Manufakturen in die Höhe bringen kann. Aus den Akziselisten habe ich ersehen, daß uns Wattearbeiter fehlen. Gegenwärtig bin ich damit beschäftigt, eine Wattemanufaktur in Brandenburg einzurichten. Dabei ist zu beobachten: will man irgendeine Manufaktur anlegen, die Bestand haben soll, so muß vor allem ein Kaufmann ausfindig gemacht werden, der sie übernimmt; denn der Fabrikant kann nicht arbeiten und zugleich seine Ware verkaufen. Ferner richtet der kaufmännische Unternehmer das Augenmerk darauf, daß der fertige Stoff den Vorschriften entspricht, was den Absatz erleichtert. Nichts schädigt den Handel so sehr wie der Mangel an Reellität, falsches Ellenmaß und dergleichen Schwindeleien. Um möglichst zu verhüten, daß die Arbeiter das Publikum und das Ausland betrügen, gibt es im ganzen Lande Fabrikinspektoren, die die Waren prüfen und alles Minderwertige unerbittlich zurückweisen. Diese Aufsicht ist von großer Bedeutung, zumal für den Absatz nach dem Ausland.

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Wollspinnerei

Bei Prüfung der Lage der Wollmanufakturen habe ich in Erfahrung gebracht, daß die Unternehmer allgemein über Mangel an Spinnern klagten. Um dem abzuhelfen, lassen sie in Sachsen für sich arbeiten, sodaß alle Jahre eine große Masse Spinnwolle aus Sachsen ins Land kommt. Um gründlich zu verfahren, stellte ich Ermittelungen über diese Verhältnisse und über die Zahl der Wollspinner an, die bei uns leben könnten. Alles in allem ergab sich eine Zahl von 60 000 Seelen. Ich war über diese Entdeckung erfreut. Hier bot sich ein Mittel zur Bevölkerung des Landes. Sofort traf ich Maßnahmen, um Wollspinner zu bekommen und anzusiedeln. Sollen sie ihr Auskommen haben, so müssen sie ein Haus, ein Gärtchen und genug Weideland besitzen, um zwei Kühe zu halten. Ich habe Kolonisten aus Sachsen, aus Polen und selbst aus Mecklenburg herangezogen, habe sie angesiedelt bei Potsdam und Köpenick, in der Neumark, in Pommern, bei Oranienburg und mit Hilfe der Amtleute in vielen Dörfern. Alles, was ich tun kann, ist, jährlich 1 000 Familien anzusiedeln. Die Familie zu fünf Köpfen gerechnet, sind zwölf Jahre erforderlich, um die Zahl von 60 000 zu erreichen. Sobald solche Arbeiter angesiedelt sind, kommt es zuerst darauf an, sie mit einem Kaufmann in Verbindung zu bringen, der ihnen ständige Arbeit verschafft.

Ebenso habe ich gefunden, daß es an Maurergesellen und Zimmerleuten fehlte. Zu dem Zweck habe ich 40 Familien hier in Potsdam und 20 bei Berlin angesiedelt. Im Magdeburgischen mußten die Edelleute und Amtmänner sich aus Mangel an Einwohnern mit Thüringern behelfen. Sie kamen alle Jahre, besorgten die Ernten und kehrten mit unserem Gelde in ihre Heimat zurück. Um diesem Mißstand abzuhelfen, habe ich in den magdeburgischen Dörfern 600 Familien angesiedelt, die jetzt für die Ernte genügen.

Die Emdener Kompagnie

Nach dem Frieden von 1746 baten mich viele Kaufleute um Bewilligung eines Privilegs für eine Orientkompagnie, die sie in Emden zu gründen beabsichtigten. Schließlich gewährte ich es ihnen:

1. Weil das den Privatleuten die Möglichkeit verschafft, ihre Kapitalien mit 20, ja selbst mit 50 Prozent Gewinn anzulegen.

2. Weil infolge dieses Handels die Pfandbriefe der Kompagnie, sobald sie in Umlauf kommen, die Zahlungsmittel verdoppeln.

3. Weil es ein Zweig des holländischen Handels ist, den wir damit an uns reißen.

4. Well wir durch die Kompagnie alle indischen Waren, die wir jetzt aus zweiter Hand kaufen, billiger bekommen können.

5. Weil die Unternehmungen unserer Kaufleute bei Verbindung des Emdener und Stettiner Handels viel bedeutender werden und Stettin einen Teil des Hamburger Handels in Polen, Böhmen und Mähren in seine Hand bekommen kann.

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Zur Erleichterung des Stettiner Handels habe ich mit den Arbeiten für einen Hafen bei Swinemünde begonnen. Das war unumgänglich nötig; denn bisher haben die Kaufleute große Verluste erlitten, da ihre Schiffe nicht sicher überwintern konnten.

Das sind ungefähr die Dinge, an die ich auf verschiedenen Gebieten die erste Hand gelegt habe. Aber man glaube nicht, damit sei alles vollendet. Ich habe einen beschwerlichen Krieg hinter mir. Ich habe die Staatseinkünfte für die dringendsten Bedürfnisse verwenden müssen. Die Armee mußte auf den alten Stand gebracht, Festungen gebaut, der Staatsschatz gefüllt, die Artillerie vermehrt und mit allem versehen werden (was viele Einzelheiten erfordert). Außerdem waren die englischen Schulden zu bezahlen136-1. Für diese verschiedenen Ausgaben konnte ich nur meine kleinen Ersparnisse verwenden. Da das Leben kurz und meine Gesundheit schlecht ist, so nehme ich nicht an, daß ich irgendeinen meiner Pläne zur Verwirklichung bringen kann. Aber ich muß der Nachwelt Rechenschaft davon ablegen, well ich alle diese verschiedenen Gegenstände habe prüfen lassen und weU ich jetzt genug darüber weiß, um die Mittel und Wege anzugeben, wie sich Preußen zu einem der volkreichsten und blühendsten Staaten Europas machen läßt.

Was noch zu tun bleibt

Urbarmachung des Landes

Pommern ist als halb unbebautes Land zu betrachten. In Vor- und Hinterpommern bleibt noch eine große Zahl von Sümpfen auszutrocknen, wo man hunderttausend Seelen ansiedeln kann. Zunächst am Madü-See und an den Oderbrüchen. Im Besitz des Adels befinden sich noch so viele Morgen Brachland, daß sich hundert Dörfer anlegen ließen. Selbst im Umkreis der Städte könnte man noch viel mehr Menschen ansiedeln, als heute dort leben. Aufgabe des Herrschers ist es, Urbarmachungen auf den Krongütern zu veranlassen. Er kann die Edelleute zu solchen Unternehmungen anspornen, indem er Sachkundige zu ihnen schickt, die den Plan dazu entwerfen und ihnen den Vorteil vorrechnen. Die Städte haben mit diesen neuen Maßnahmen den Anfang gemacht, bedürfen aber auch fernerhin der Ermutigung, in ihrem Werke fortzufahren. Auf allen königlichen Pachtgütern müssen die Pächter sich bei Erneuerung des Kontraktes verpflichten, anstatt der Erhöhung des Pachtzinses eine bestimmte Zahl von Halbbauern, sogenannte Häusler, anzusetzen.

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In der Neumark eignen sich die Warthebrüche und ganz dicht bei Küstrin nach Sonnenberg zu ein prachtvolles Gebiet zum Urbarmachen, wo man über 1200 Familien ansiedeln kann. Das gleiche wie für die pommerschen Edelleute gilt für die Neumark. Sie kann noch viel stärker bevölkert werden.

Unter den genannten Provinzen kenne ich die Altmark am wenigsten, weiß aber, daß es in den großen Forsten bei Gardelegen noch Sümpfe zu entwässern gibt. In der Mittelmark wird man keine Dörfer anlegen können, ohne Vorwerke zu opfern und Bauern dafür hinzusetzen; es bringt zwar weniger ein, verdient aber bei alledem den Vorzug. Das Magdeburger und Halbersiädter Gebiet ist so stark bevölkert, daß meiner Ansicht nach auf dem platten Lande nicht mehr viel zu tun ist. Aber in Pommern, in der Neu- und der Altmark können die Schafherden noch bedeutend vermehrt werden, sowohl die des Adels wie die der Städte, besonders in der Gegend von Stolp, Körlin, Köslin und in der Neumark nach Landsberg und der polnischen Grenze zu. Was die Städte betrifft, so sollten alle Häuser massiv gebaut werden, sowohl der Holzersparnis wegen wie zur Verringerung der Feuersgefahr. Überdies ist ja auch nur der Stein dauerhaft.

Kanäle

Man hat mir vorgeschlagen, in Pommern die Rega, in Ostpreußen die Angerapp schiffbar zu machen und in Schlesien die Oder zwischen Breslau und Glogau einzudämmen und ihr einen geraden Lauf zu geben. Da ich aber keine Mittel hatte, war ich genötigt, diese Entwürfe liegen zu lassen. Vor ihrer Ausführung muß reiflich geprüft werden, ob die Sache möglich ist, ob das Land großen Vorteil davon hat und ob das Geld nicht mit Verlust angelegt wird.

Seidenbau

Der Seidenbau liegt noch in der Wiege. In sechs Jahren, wenn die Bäume kräftig genug sein werden, daß man ihre Blätter pflücken kann, muß eine hinreichende Masse von Eiern der Seidenraupe beschafft werden, um sie dem Publikum ausgiebig liefern zu können. Dann müssen auch Vorschriften, wie man die Seidenwürmer zieht und Seide, Organsin, Tramseide, Florettseide usw. herstellt, gedruckt und eine Art Lehranstalt muß eingerichtet werden, wo die Mägde und Landleute lernen können, wie und wann man die Würmer ausschlüpfen läßt, wie man sie ernährt und wie man die Kokons abhaspelt. Ein Prediger in Berlin137-1 hat eine Lehransialt gegründet, die sogenannte Realschule, wo er alle Lehrer in der Herstellung der Seide unterrichtet. Er braucht sie nur später als Küster auf die Dörfer zu schicken, und der Adel und die Amtleute der Umgegend werden von ihnen lernen, wie man diesen nützlichen Gewerbs<138>zweig fördert. In unserem kalten Klima besieht die große Kunst darin, daß man die Raupen weder zu früh noch alle auf einmal ausschlüpfen läßt und ihnen keine taufeuchten Blätter gibt, da sie davon sofort wassersüchtig werden.

Seidenmanufakturen

Zur Förderung der Seidenmanufalturen müssen nicht allein die im Lande Herzgestellten Stoffe freie Ausfuhr haben, sondern man muß auch (wie es in England geschieht) den Kaufleuten, die sie im Ausland absetzen, bestimmte Prämien bewilligen. Da wir bei weitem nicht so viel Webstühle besitzen, wie nötig sind, so wird der Herrscher die Seidenmanufaktur nur dann zur Blüte bringen, wenn er den Kaufleuten, die sich damit befassen, große Summen verabfolgt, sollte diese Ausgabe auch jährlich bis auf 100 000 Taler gehen. Ferner wird es nötig sein, die Zahl der auf Kosten des Herrschers unterhaltenen Lehrlinge einige Jahre lang auf 200 bis 300 zu erhöhen. Dann werden wir im ganzen 2 000 Webstühle aufstellen können. Ich habe ferner in Berlin ein großes Seidenmagazin errichtet, dessen Fonds ich bis auf 100 000 Taler zu vermehren hoffe, sodaß unsere Arbeiter, wenn die Seide teurer wird, zum selben Preise arbeiten, ja denen in Leipzig, Hamburg und sogar in Holland den Rang ablaufen können.

Wollmanufakturen

Ich glaube, an den Wollmanufakturen gibt es fast nichts mehr zu verbessern, und es handelt sich nur darum, sie auch fernerhin zu ermutigen und noch eine größere Anzahl in Ostpreußen einzurichten.

Spinner

Ich habe oben gesagt, daß unsere Manufakturen 60000 Spinner unterhalten können. Die müssen wir kommen lassen. Die Ansiedlung einer Familie kostet 60 Taler. Bei einer jährlichen Ausgabe von 60 000 Talern können 1 000 Familien angesiedelt werden. Also würde in zwölf Jahren nichts mehr an jener Zahl fehlen. Die Neu-, Mittel- und Altmark und Pommern haben unangebaute Stellen genug, um sie dort unterzubringen.

Fehlende Manufakturen

Dieser Artikel ist umfangreicher, als man denkt. Die Messer- und Scherenfabrik in Neustadt ist nicht so ausgedehnt, wie sie sein könnte, und verdient, um das Dreifache vergrößert zu werden. Wenigstens 200 Webstühle für Watte sind im Lande nötig. Wir haben keine Nähnadeln. Sie können bei uns ebensogut hergestellt werden wie in Aachen, und eine solche Manufaktur kann vielen Menschen Unterhalt verschaffen. Uns fehlt gutes Papier. Eine große Papiermühle kann in Pommern ein<139>gerichtet werden, bei einem kleinen Bach, der sich in Hinterpommern in die Oder ergießt und genug Gefälle besitzt, um die Räder zu treiben. Von den Friesen können Lumpen aller Art gekauft werden, die sie jetzt an die Holländer verkaufen und die sich über Stettin wohlfeil zur Papiermühle schassen ließen. Die Baumwollenmanufakturen können beträchtlich vermehrt werden, ebenso die Manufakturen für grobes Leinen auf dem platten Lande. Zahlreiche Manufakturen können eingerichtet werden für seidene Taschentücher, für Bänder, die in Mühlen hergestellt werden, für russisches Leder, für Leder aus England, aus dem man Schuhsohlen macht. Die Knopft- und Handschuhmacher können vermehrt werden, indem man ihnen durch die Frankfurter Messe den Absatz nach Polen verschafft, den gegenwärtig die Hamburger haben. Man kann die Druckereien fördern, was einen beträchtlichen Posten ausmacht, sowohl durch den Papieroerbrauch wie durch einen Gewerbszweig, an den der Norden noch nicht gedacht hat: ich meine den Nachdruck. Mit einem einzigen Exemplar, das der Buchhändler kauft und von neuem druckt, erspart er es den Mitbürgern, ihr Geld ins Ausland zu schicken; denn sie können das Buch im Lande bekommen. So werden alle guten Bücher, die irgendwo gedruckt werden, zu Manuskripten für unsere Buchhändler. Aber das alles erfordert Vorschüsse von seilen der Regierung, und das hat mich bisher verhindert, es so energisch zu betreiben, wie ich gewünscht hätte.

Getreidemagazine

Wir haben zwei Sorten Getreidemagazine. Die einen sind für die Armee; davon werde ich später sprechen139-1. Der Zweck der anderen ist, das Gleichgewicht zwischen den Städten und dem stachen Lande zu erhalten, in den Städten zu verkaufen, wenn das Korn zu teuer ist, und auf dem Lande einzukaufen, wenn der Preis dafür zu niedrig sieht. Sie dienen auch zu Vorschüssen an die Edelleute und Bauern, die irgendwelche Not erlitten haben und zugrunde gerichtet wären, wenn man ihnen nicht auf diese Weise umgehend Erleichterung schaffte. Die für das Land besiimmten Getreidemagazine enthalten jetzt 8 000 Wispel Korn. Als Regel gilt, daß das Korn in Berlin nicht über einen Taler steigen und auf dem Lande nicht unter den von der Kammer angesetzten Preis sinken darf. Dieser Preis beträgt in der Kurmark 16, in der Neumark und bei Stettin 14 und in Ostpreußen und Lauenburg 12 Groschen.

Regeln für Handel und Manufakturen

Beim Handel und bei den Manufakturen muß grundsätzlich verhindert werden, daß das Geld außer Landes geht, dagegen bewirkt werden, daß es ins Land kommt. Das Hinausgehen des Geldes wird verhindert, indem man alles im Lande herstellt,<140> was man früher von auswärts bezog. Das ergibt sich aus den Akziselisten, die alle hereinkommenden und im Staate Absatz findenden Waren vermerken. Nach diesen Listen läßt sich leicht beurteilen, welche Fabriken vermehrt und welche neuen eingeführt werden können. Zweitens verhindert man ein Hinausstießen des Geldes in dem Maße, als es sonst der Fall wäre, indem man sich alle unentbehrlichen Dinge am Ursprungsorte holt und den Handel selbst in die Hand nimmt. Das hat zur Folge, daß die Ware, die beim Einkauf in Hamburg mit einem Taler bezahlt wird, nur noch einen Gulden kostet, wenn man sie aus Spanien bezieht. Durch solche Herabminderung des Preises ergibt sich ein beträchtlicher Gewinn, ganz abgesehen von dem Gewinn, den die Kaufleute des eigenen Landes erzielen und der einen ebenso großen Verlust für die Hamburger und Holländer bedeutet. Durch die Manufakturen kommt natürlich viel bares Geld ins Land. Sie können uns aber wegen der Nachbarschaft von Polen und Rußland noch viel mehr einbringen; denn diese Länder haben keine eigene Industrie und sind somit gezwungen, die Industrie ihrer Nachbarn zu bezahlen. Aus diesen Gründen muß der Herrscher die Fabrikanten und Kaufleute ermutigen, sei es durch Bewilligung jeder Art von Privilegien und Steuerfreiheiten, sei es durch Unterstützung mit Geld, damit sie zu großen Unternehmungen imstande sind. Ferner muß er ein Auge auf die Juden haben, ihre Einmischung in den Großhandel verhüten, das Wachstum ihrer Volkszahl verhindern und ihnen bei jeder Unehrlichkeit, die sie begehen, ihr Asylrecht nehmen. Denn nichts ist für den Handel der Kaufleute schädlicher als der unerlaubte Profit, den die Juden machen. Ich habe ferner eingeführt, daß allen Kaufleuten die Listen über den Warenimport gezeigt werden, damit sie ihren Handel leichter ausdehnen und sich ein Bild machen können, in welcher Richtung und wodurch er sich vermehren läßt. Vom Emdener und Stettiner Handel war bereits die Rede140-1. Ich brauche das dort Gesagte hier also nicht zu wiederholen. Das Projekt kann sehr bedeutend werden, wenn es sich verwirklichen läßt. Ich werde seine Vollendung niemals erleben, wohl aber die Nachwelt, wenn sie den gleichen Plan befolgt und die geeigneten Mittel zu seiner Ausführung findet.

Ermäßigung einiger Auflagen

Ich rate den künftigen Herrschern nicht, irgendeine Aussage zu erhöhen, wohl aber zwei zu erniedrigen, bei denen mein Herz blutet, wenn ich daran denke. Die eine wird vom stachen Lande erhoben und heißt Reiterverpflegung (Kavalleriegeld)140-2. Bei ihrer Abschaffung würde es sich um jährlich 150 000 Taler handeln. Das würde viel zur Erleichterung der Landbevölkerung beitragen, ein Werk, das eines guten Fürsten würdig ist. Die andere ist das „Servis“, das die Städte bezahlen140-3. Pommern,<141> Magdeburg und besonders Schlesien werden dadurch übermäßig belastet. Auch hier würde es sich um 150 000 Taler handeln, die den Städten zugute kämen. Das Servis ist eine Auflage, die die Bürger drückt und das Aufblühen vieler kleiner Städte tatsächlich verhindert.

Wer dies liest, wird zweifellos sagen: Es ist sonderbar von ihm, seinen Nachfolgern Ratschläge zu erteilen, wenn er sie selber zur Ausführung bringen kann. Auf diesen Einwurf antworte ich: Ich bin nicht Herr, zu tun, was mir gefallt. Ich habe einen sehr kostspieligen Krieg hinter mir. Nach dem Friedensschluß bestand die hauptsorge darin, den Staatsschatz aufzufüllen, die Armee wieder in den alten Stand zu bringen, die Festungen auszubauen, Magazine anzulegen und schließlich wieder Ord, nung in die Kassen zu bringen. Es wäre unklug, irgend etwas an dieser Methode zu ändern, bevor die Staatskassen gefüllt sind. Nach unseren Finanzeinrichtungen bleibt alle Jahre ein Überschuß von ungefähr 2 Millionen und 300 000 bis 400 000 Talern. Aber aus den angeführten Gründen habe ich nicht daran rühren können. Kommen wir jemals in die Lage, diese Auflagen herabzusetzen, so muß es geschehen, wenn man neue Einnahmen bekommt, die den Ausfall wettmachen.

Kurze Rekapitulierung

Aus allem, was ich über den Stand der Finanzen lang und breit auseinandergesetzt habe, folgt, daß der Herrscher seine Einnahmen noch beträchtlich vermehren kann, nicht durch Bedrückung seines Volkes und Auflage neuer Steuern, sondern durch Gewährung von Erleichterungen an seine Untertanen und mit Hilfe von löblichem Gewerbefleiß, durch den man sich bereichert. Bei den allgemeinen Kassen besieht die Hauptsache darin, daß die Kontribution vom Volke und die Pacht von den Pächtern pünktlich entrichtet wird, damit das Militär, die Richter, die Finanzbeamten, die Apanage des Fürstenhauses und alle Staatsausgaben regelmäßig bezahlt werden können. Die Einnahmen der verschiedenen Kassen dürfen weder vermengt noch in Unordnung gebracht, und niemals darf das ganze Jahreseinkommen verausgabt werden, damit der Überschuß und der Staatsschatz stets hinreichen, um einen Krieg wenigstens vier Jahre lang auszuhalten und allen Notlagen, in die der Staat geraten kann, gewachsen zu sein. Die Finanzbeamten müssen sorgsam ausgewählt und in militärischer Unterordnung gehalten werden. Dabei ist weniger auf Erteilung neuer Weisungen als auf sorgfältige Befolgung der bestehenden zu achten. Es gibt Verordnungen, die alle drei Jahre wiederholt werden müssen, und es gibt Fiskale, die unablässig zu ihrer Pflicht und zur Kontrolle derer anzutreiben sind, die die Verordnungen nicht beachten.

Von der Urbarmachung, vom Handel und von den Manufakturen habe ich ausreichend gesprochen. Ich habe nur noch ein Wort über die Pflichten des Herrschers hin<142>zuzufügen. Er soll das Volk lieben und bei allen Gelegenheiten, soweit es von ihm abhängt, sein Los erleichtern, indem er ihm Zahlungen erläßt oder die allzu harten Steuern mildert, indem er den Adel und seine Privilegien aufrechterhält, desgleichen die Städte, und die Domänenkammern und Fiskale bestraft, die gegen Adlige, Städte und Bauern böswillig Prozesse anstrengen. Der Herrscher soll es als seine Pflicht betrachten, den Adel zu schützen, der den schönsten Schmuck seiner Krone und den Glanz seines Heeres bildet. Darum soll er ihn nicht allein unbehelligt lassen, sondern danach trachten, seine Lage zu verbessern und, soweit es von ihm abhängt, ihn zu bereichern. Es gibt eine Art Müßiggänger und Nichtstuer, die man Projektenmacher nennt. Der Herrscher hat allen Anlaß, sich vor ihren schlechten Vorschlägen zu hüten. Sie führen zwar immerfort den Vorteil des Herrschers im Munde, aber recht besehen deckt sich dieser Vorteil mit dem Verlust und Ruin seiner Untertanen. Aus meiner Zeit kenne ich keinen Fürsten, der nicht von solchen Spitzbuben hinters Licht geführt worden ist, aber keiner so grob wie der König von Polen.

Ein Fürst, der seine Angelegenheiten in gute Ordnung gebracht hat, könnte noch allerlei schöne Einrichtungen treffen, die eines Vaters des Volkes würdig sind. Zunächst die Gründung und Sicherstellung eines Hauses für 200 Offizierswitwen; das würde 25 000 bis 30 000 Taler erfordern. Ferner in allen großen Städten die Errichtung von Ansialten zur Erziehung der Findelkinder auf Kosten des Staates. Und schließlich eine Akademie (die man in Berlin begründen könnte), um zwanzig junge Edelleute im Studium der Wissenschaften und in allen Leibesübungen heranzubilden, die sich für Leute von Stand geziemen142-1. Diese Projekte habe ich längst gefaßt, werde aber vielleicht nie das Glück haben, sie zur Ausführung zu bringen.

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Politik

Die Politik ist die Kunst, mit allen geeigneten Mitteln stets den eigenen Interessen gemäß zu handeln. Dazu muß man seine Interessen kennen, und um zu dieser Kenntnis zu gelangen, bedarf es des Studiums, geistiger Sammlung und angestrengten Fleißes. Die Politik der Herrscher zerfällt in zwei Teile. Der eine betrifft die innere Verwaltung; er umfaßt die Interessen des Staates und die Erhaltung des Regierungssystems. Der zweite Teil schließt das ganze politische System Europas in sich und verfolgt das Ziel, die Sicherheit des Staates zu befestigen und, soweit möglich (auf gewohnten und erlaubten Wegen), die Zahl der Besitzungen, die Macht und das Ansehen des Fürsten zu mehren.

Die innere Politik

Die Einrichtung der Finanzen, die ich soeben dargelegt habe, bildet einen Teil der inneren Politik. Aber das ist nicht alles. Es ist noch mancherlei zu beachten. Zunächst gilt es, den Geist der Völker, die man regieren will, zu erfassen, damit man weiß, ob sie mild oder streng regiert werden müssen, ob sie rebellisch sind, ob sie zu Unruhen, Intrigen, zur Spottlust usw. neigen, worin ihre Talente bestehen und zu welchen Ämtern sie sich am meisten eignen. Die nachfolgenden Urteile über die Völker, die ich zu regieren die Ehre habe, beziehen sich nur auf den Durchschnitt. Davon sind stets Einige auszunehmen, die edler oder lasterhafter veranlagt sind als ihre Mitbürger.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Ostpreußen feinen und gelenken Geistes sind, daß sie Geschmeidigkeit besitzen (die in Abgeschmacktheit ausartet, sobald sie nicht aus ihrer Provinz herauskommen). Man beschuldigt sie der Falschheit, aber<144> ich glaube nicht, daß sie falscher sind als andere. Viele Ostpreußen haben gedient und dienen noch mit Auszeichnung, sowohl im Heere wie in der Verwaltung. Aber ich würde wider besseres Wissen reden, wollte ich einen einzigen von denen, die ich persönlich kennen gelernt habe, der Falschheit bezichtigen144-1.

Die Pommern haben einen geraden und schlichten Sinn. Unter allen Provinzen hat Pommern die besten Untertanen für den Kriegsdienst wie für alle anderen Ämter hervorgebracht. Nur mit diplomatischen Verhandlungen möchte ich sie nicht betrauen, well ihr Freimut sich nicht für Geschäfte eignet, bei denen man der Schlauheit mit Schläue begegnen muß144-2.

Der Adel der Kurmark144-3 ist genußsüchtig. Er besitzt weder den Geist der Ostpreußen noch die Solidität der Pommern. Der magdeburgische Adel besitzt mehr Scharfsinn und hat einige große Männer hervorgebracht144-4.

Die Niederschlesier sind das, was man brave Menschen nennt, etwas beschränkt: das ist aber nur die Folge ihrer schlechten Erziehung. Sie sind eitel, lieben Luxus, Verschwendung und Titel, hassen andauernde Arbeit und den zähen Fleiß, den die militärische Zucht erfordert. Wer dem schlesischen Adel eine bessere Erziehung beibringt, wird ihn wie Prometheus mit himmlischem Feuer erfüllen. Der oberschlesische Adel besitzt die gleiche Eitelkeit, dabei mehr Geist, aber auch weniger<145> Anhänglichkeit an die preußische Regierung, da er stockkatholisch ist und die Mehrzahl seiner Verwandten unter österreichischer Herrschaft steht145-1.

Die Edelleute der Grafschaft Mark und des Mindener Landes145-2 haben dem Staate gute Untertanen geliefert. Bei ihrer etwas groben Erziehung fehlt ihnen der Schliff des Weltmanns. Aber sie haben dafür ein Talent, das höher sieht: sie machen sich dem Vaterlande nützlich.

Der Clevesche Adel ist dumm, wirr und im Rausche gezeugt. Er besitzt weder angeborene noch erworbene Talente145-3.

Im großen und ganzen stellt der Adel eine Körperschaft dar, die Achtung verdient. Besonders hebe ich den pommerschen, osipreußischen, märkischen und magdeburgischen Adel, sowie den Adel von Minden und der Grafschaft Mark hervor. Dieser würdige Adel hat Gut und Blut im Diensie des Staates geopfert. Seine Treue und seine Verdienste müssen ihm den Schutz aller Herrscher sichern. Es ist ihre Pflicht, die verarmenden Familien zu unterstützen und sie im Besitze ihrer Güter zu erhalten. Denn der Adelsstand bildet die Grundlage und die Säulen des Staates.

In Preußen sind keine Partelungen und Empörungen zu befürchten. Der Herrscher braucht nur mUde zu regieren und sich vor einigen verschuldeten oder unzufriedenen Edelleuten oder vor einigen Domherren und Mönchen in Schlesien zu hüten. Aber<146> auch die sind keine offenen Feinde: ihre Machenschaften beschränken sich auf Spionen-diensie für unsere Feinde.

Nur bei wenigen Anlässen ist Strenge geboten. Ich habe bisher das Glück gehabt, mehr über Mangel an Belohnungen für verdiente Männer als über Mangel an Gefängnissen zur Einsperrung von Missetätern klagen zu müssen. General Walrave ist der einzige, den ich in Haft setzen mußte146-1, weil er zu den Österreichern übergehen und ihnen die Pläne meiner Festungen ausliefern wollte.

Zu diesen allgemeinen und allzu unbestimmten Kenntnissen muß der Herrscher Menschenkenntnis fügen und die Leute ergründen, deren er sich bedienen will. Er muß ihre Verdienste, ihre starken und schwachen Seiten in Erfahrung bringen, um jeden seinen Fähigkeiten entsprechend zu verwenden. Herrscher, die ihre Minister und Generale allein nach ihrer äußeren Erscheinung beurteilen, übertragen die Verwaltung ihrer Finanzen einem Schurken von liebenswürdigem Äußern, eine kühne Unternehmung im Felde einem langsamen General, den sie für tatenlustig hielten, einen Auftrag, der Klugheit erheischt, einem Leichtfuß, der die Ehre genießt, ihnen Kuppeldienste zu leisten. Dadurch verderben sie alles. Nur wenige Menschen sind ohne Talent geboren. Jeden auf den rechten Platz stellen, heißt doppelten Vorteil aus allen ziehen. Dann täuscht man sich nicht und gibt dem Staatskörper erhöhte Kraft und Stärke, weil alles in seinem Dienste steht und alles nützliche Diensie zu leisten vermag.

Einige politische Maximen, den Adel betreffend

Ein Gegenstand der Politik des Königs von Preußen ist die Erhaltung seines Adels. Denn welcher Wandel auch eintreten mag, er wird vielleicht einen reicheren, aber niemals einen tapfereren noch treueren Adel bekommen. Damit der Adel sich in seinem Besitz behauptet, ist zu verhindern, daß die Bürgerlichen adlige Güter erwerben, und zu veranlassen, daß sie ihre Kapitalien im Handel anlegen, sodaß, wenn ein Edelmann seine Landgüter verkaufen muß, nur Edelleute sie erwerben.

Ebenso ist zu verhindern, daß der Adel in fremde Dienste geht. Vielmehr muß ihm patriotischer Sinn und Standesbewußtsein eingeflößt werden. Daran habe ich gearbeitet und während des Ersten Schlesischen Krieges mir alle mögliche Mühe gegeben, den gemeinschaftlichen Namen Preußen in Aufnahme zu bringen, damit die Offiziere lernen, daß sie alle, aus welcher Provinz sie auch stammen, als Preußen zu gelten haben und daß aus dem gleichen Grunde alle Provinzen, obwohl voneinander getrennt, doch nur ein einziges Staatsgebilde ausmachen.

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Es gehört sich, daß der Adel seine Dienste lieber dem Vaterlande als irgendeiner anderen Macht widmet. Aus diesem Grunde sind gegen die Edelleute, die ohne Erlaubnis in fremde Dienste gehen, strenge Verordnungen erlassen. Da aber viele Edelleute Müßiggang und schlechtes Leben dem Waffenruhm vorziehen, so sind denen, die dem Staate dienen, Auszeichnungen und Vorrechte zu verleihen; denen aber, die nicht dienen, sind sie vorzuenthalten. Von Zeit zu Zeit sind die jungen Edelleute in Pommern, Ostpreußen und Oberschlesien zu versammeln, um sie unter die Kadetten zu stecken und darauf in die Armee einzustellen.

Städte und Bürger

Ich habe den Städten in den alten Provinzen die Freiheit gelassen, ihren Magistrat zu wählen, und mich in diese Wahlen nur dann eingemischt, wenn sie Mißbrauch damit trieben und einzelne Familien zum Nachteil der anderen alle Gewalt an sich rissen. In Schlesien habe ich ihnen das Wahlrecht genommen, damit sie die Schöffenstühle nicht mit Leuten besetzen, die dem Hause Österreich ergeben sind. Mit der Zeit und sobald die gegenwärtige Generation ausgestorben ist, kann man den Schlesiern ihr Wahlrecht unbesorgt wiedergeben.

Die Bauern

Ich habe den Bauern die Frondienste erleichtert, die sie ehedem zu leisten hatten. Statt sechs Tage in der Woche, wie früher, haben sie jetzt nur drei Tage zur Frone zu arbeiten. Das hat die dem Adel gehörenden Bauern aufgebracht, und sie haben sich an vielen Orten ihren Herren widersetzt. Der Herrscher soll das Gleichgewicht zwischen Bauer und Edelmann erhalten, sodaß sie einander nicht zugrunde richten. In Schlesien, mit Ausnahme von Oberschlesien, geht es dem Bauern sehr gut. In Oberschlesien ist er ein Sklave. Man müßte ihn mit der Zeit frei zu machen suchen. Ich habe auf meinen Domänen das Beispiel gegeben und damit begonnen, ihn auf gleichen Fuß mit dem niederschlesischen Bauern zu setzen. Den Bauern ist zu verwehren, daß sie Ländereien von Adligen kaufen, und die Adligen sind am Bauernlegen zu verhindern. Denn die Bauern können nicht als Offiziere im Heere dienen, und die Adligen vermindern durch Erwerbung von Bauernland die Zahl der Einwohner und Ackerbauer.

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Die Geistlichen und die Religion

Katholiken, Lutheraner, Reformierte, Juden und zahlreiche andere christliche Sekten wohnen in Preußen und leben friedlich beieinander. Wenn der Herrscher aus falschem Eifer auf den Einfall käme, eine dieser Religionen zu bevorzugen, so würden sich sofort Parteien bilden und heftige Dispute ausbrechen. Allmählich würden Verfolgungen beginnen, und schließlich würden die Anhänger der verfolgten Religion ihr Vaterland verlassen, und Taufende von Untertanen würden unsere Nachbarn mit ihrem Gewerbfleiß bereichern und deren Volkszahl vermehren....

Die Hauptmasse der Katholiken sitzt in Schlesien. Man läßt ihnen die freie AusÜbung ihrer Religion. Damit aber die Klöster mit ihrem Zölibat die Hoffnungen der Familien nicht begraben, darf niemand vor erfolgter Großjährigkeit Mönch oder Nonne werden. Sonst lasse ich den Geistlichen jede Freiheit und die ihnen zustehenden Rechte. Die Priester sind ziemlich zuverlässig, die Mönche neigen mehr zum Hause Österreich. Aus diesem Grunde lasse ich sie 30 Prozent ihrer Einnahmen an den Staat entrichten, damit sie doch zu etwas nütze sind. Die Jesuiten, die gefährlichste Gattung unter allen Mönchen, gehören in Schlesien zu den ganz fanatischen Anhängern des Hauses Österreich. Um Altar gegen Altar zu setzen, habe ich gebildete französische Jesuiten kommen lassen, die den schlesischen Adel erziehen. So vereitelt die Erbitterung zwischen den ftanzösischen und deutschen Mönchen die Ränke zugunsten des Hauses Österreich, deren sie sonst fähig wären. Die fanatische Parteilichkeit der Dom<149>Herren für die Königin Maria Theresia hat mich gezwungen, darauf zu sehen, daß alle erledigten Stellen nur mit friedfertigen Männern besetzt werden.

Ich bin gewissermaßen der Papst der Lutheraner und das kirchliche Haupt der Reformierten. Ich ernenne Prediger und fordere von ihnen nichts als Sittenreinheit und Versöhnlichkeit. Ich erteile Ehedispense und bin in diesem Punkte sehr nachsichtig, da die Ehe im Grunde nur ein bürgerlicher Vertrag ist, der gelöst werden kann, sobald beide Parteien damit einverstanden sind. Außer wenn es sich um Bruder und Schwester, Mutter und Sohn, Tochter und Vater handelt, erlaube ich nachsichtig, daß man sich nach Herzenslust heirate; denn diese Verbindungen stiften keinerlei Schaden.

Alle anderen christlichen Sekten werden in Preußen geduldet. Dem ersten, der einen Bürgerkrieg entzünden will, schließt man den Mund, und die Lehren der Neuerer werden der verdienten Lächerlichkeit preisgegeben. Ich bin neutral zwischen Rom und Genf. Will Rom sich an Genf vergreifen, so zieht es den kürzeren. Will Genf Rom unterdrücken, so wird Genf verdammt. Auf diese Weise kann ich dem religiösen Haß steuern, indem ich allen Parteien Mäßigung predige. Ich suche aber auch Einigkeit unter ihnen zu stiften, indem ich ihnen vorhalte, daß sie Mitbürger eines Staates sind und daß man einen Mann im roten Kleide ganz ebenso lieben kann wie einen, der ein graues Gewand trägt.

Ich suche gute Freundschaft mit dem Papst zu halten, um dadurch die Katholiken zu gewinnen und ihnen begreiflich zu machen, daß die Politik der Fürsten die gleiche bleibt, auch wenn die Religion, zu der sie sich bekennen, verschieden ist. Indessen rate ich der Nachwelt, dem römischen Klerus nicht zu trauen, ohne zuverlässige Beweise seiner Treue zu besitzen.

Die Prinzen von Geblüt

Es gibt eine Art Zwitterwesen, die weder Herrscher noch Privatleute sind und die sich bisweilen sehr schwer regieren lassen: das sind die Prinzen von Geblüt. Ihre hohe Abstammung stößt ihnen einen gewissen Hochmut ein, den sie Adel nennen. Er macht ihnen den Gehorsam unerträglich und jede Unterwerfung verhaßt. Sind irgendwelche Intrigen, Kabalen oder Ränke zu befürchten, von ihnen können sie ausgehen. In Preußen haben sie weniger Macht als irgendwo sonst. Aber das beste Verfahren ihnen gegenüber besieht darin, daß man den ersten, der die Fahne der Unabhängigkeit erhebt, energisch in seine Schranken weist, alle mit der ihrer hohen Herkunft gebührenden Auszeichnung behandelt, sie mit allen äußeren Ehren überhäuft, von den Staatsgeschäften aber fernhält und ihnen nur bei genügender Sicherheit ein militärisches Kommando anvertraut, das heißt, wenn sie Talent besitzen und wenn man sich auf ihren Charakter verlassen kann.

Was ich von den Prinzen sage, erstreckt sich auf die Prinzessinnen, die sich nie und unter keinerlei Vorwand in die Regierung einmischen dürfen.

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Strafen und Belohnungen

Zwei Hauptbeweggründe regieren die Menschen: Furcht vor Strafe und Hoffnung auf Belohnung. Wer sie recht leiten will, hindert sie durch Androhung strenger Justiz an der Übertretung der Gesetze der Gesellschaft, in der sie leben, ermuntert sie aber zu löblichen Handlungen und feuert sie an mit der Lockspeise der Glücksgüter. Preußens Herrscher haben zum Glück selten Strenge nötig. Nur Hochverrat verdient harte Bestrafung. Jedoch läßt sich oft verhüten, daß Menschen sich zu solchen Schandtaten verführen lassen. Im letzten Kriege erfuhr ich, daß der Abt von Grüssau mit einigen Geistlichen und Edelleuten eine Verschwörung zugunsten des Wiener Hofes anzettelte. Ich ließ sie gefangen setzen oder verbannte sie während der Kriegswirren in andere Provinzen. Dadurch wurde ihnen die Möglichkeit genommen, sich schuldig zu machen, und sie entgingen Bestrafungen, die sie unfehlbar getroffen hätten, wenn sie frei ihrer Neigung hätten folgen dürfen. Nach dem Frieden kehrten sie ruhig in ihre Heimat und zu ihren Geschäften zurück, und die Vernünftigen unter ihnen müssen mir Dank dafür wissen, daß ich sie gezwungen habe, ihre Unschuld zu bewahren.

Ich sagte es schon und wiederhole es: In Preußen ist man häufiger in Verlegenheit, alle verdienstvollen Handlungen gebührend zu belohnen, als in der Zwangslage, schlechte zu bestrafen. Man kann die Tugend nicht hoch genug achten, noch die, die sie üben, genug ermutigen. Das Staatsinteresse verlangt, daß alle Bürger sich der Tugend befleißigen. Von der Tugend soll man sprechen, wackere Taten sind herauszustreichen, damit sie womöglich noch größeren Glanz erhalten und die für sie empfänglichen edlen Seelen zur Nacheiferung anspornen. Ja, sollte auch ein Mensch den seelischen Schwung der edlen Geister nicht von der Natur empfangen haben und aus Gier nach Ehre und Belohnungen doch eine schöne Tat vollbringen, so wäre damit schon viel gewonnen. Mag auch das Motiv der Tat an sich niedrig sein, die wackere Tat gereicht der Allgemeinheit trotzdem zum Vorteil. Die nützlichsten Bürgertugenden sind Menschlichkeit, Billigkeit, Tapferkeit, Wachsamkeit und Arbeitslust. Sie schaffen Menschen, die für den Zivildienst wie für das Heer gleich nützlich sind. Derartige Eigenschaften müssen belohnt werden.

Einen Mann ohne Verdienst nur aus Gunst bereichern, heißt ebenso blind sein wie das Glück. Einen Kuppler mit Wohltaten überhäufen, heißt der Öffentlichkeit sagen: Kommt, leistet dieselbe Gefälligkeit, und ihr werdet Belohnungen ernten. Einen Jäger zu hohen Würden erheben, heißt bezeugen, daß die Jagd der erste Beruf, das erste Handwerk im Staate ist, und den Adel ermutigen, vorzugsweise dieses Gewerbe zu ergreifen. Was ist aber die Folge solcher falschen Auszeichnungen? Das Verdienst welkt in Vergessenheit dahin, die Tugend genießt die ihr schuldige Achtung nicht, und weil der Wettstreit und der Ansporn fehlt, werden viele Menschen, die zum Guten neigen, nachlässig und leisten dem Staat nicht alle Dienste, die er von ihnen erwarten kann. Zu den Leuten, die belohnt werden müssen, zählen unbestechliche Richter, Finanz<151>beamte, die die Einnahmen der Krone durch ihren Fleiß vermehrt haben, ohne das Volk zu bedrücken, Diplomaten, die in kritischen Zeiten mit Treue und Geschicklichkeit gedient haben, Militärs, die hochherzig ihr Leben für das Vaterland auf das Spiel gesetzt haben, die wegen ihrer langen Dienste oder ihrer Verwundungen Belohnungen verdienen, erfahrene Offiziere, die künftig gute Dienste zu leisten vermögen, andere, die ihre Gesundheit eingebüßt haben und nicht mehr imstande sind, ihr Amt zu versehen, und denen in ihrer Not nicht beizustehen undankbar wäre. Kurz, für wen sollten die Belohnungen bestimmt sein, wenn nicht für Offiziere, die sich im Kriege durch glänzende, mit Geschick geleitete und mit Kühnheit ausgeführte Taten auszeichnen? Für die große Zahl von Männern, die mit Recht nach Belohnungen streben, haben wir nur zwei Ordenszeichen151-1, die mit keinerlei Pension verbunden sind, 40 Amtshauptmannschaften, Pfründen in den Domkirchen von Magdeburg, Halbersiadt, Minden, Brandenburg und Kamin, einige Gouverneurstellen mit geringen Bezügen, Pensionen aus den Pfründen von Schlesien und aus den Komtureien des Malteserordens, außerdem noch einige Pensionen von der Domänenkasse. Wie gering auch diese Belohnungen sind, sie müssen doch geschickt verwendet werden, und die Art und Weise der Verleihung muß den Wert dessen, was man gibt, erhöhen. Hat die Gunst bei der Anstellung dieser Wohltaten keinerlei Anteil und wird nur das Verdienst belohnt, so ist das sicher das unfehlbarste Mittel zur Ermutigung der Tugend. Auch erreicht man dadurch, daß viele Menschen die Tugend wenigstens äußerlich zur Schau tragen, während sie unter jeder anderen Regierung ihren Lastern freien Lauf lassen würden. Jeder Staat, in dem die Tugend überwiegt, ist den anderen auf die Dauer überlegen. In ihm werden wackere Taten in größerer Zahl vollbracht als bei allen Nachbarn, und daher wird auch die Zahl der großen Männer bedeutender sein als bei anderen Völkern. Da alle Menschen aus angeborener Unruhe unablässig nach Verbesserung ihrer Lage streben, so muß man die Belohnungen sparsam verteilen, um stets irgendwelche Auszeichnung übrig zu haben, mit der man die Unersättlichsten befriedigt. Wenig und oft geben, ist ein untrügliches Mittel, die Menschen glücklich zu machen.

Eine schöne Eigenschaft des Herrschers ist es, daß er das Verdienst im Verborgenen aufsucht und eine wackere Tat belohnt, die ohne Zeugen vollbracht ist. Darauf soll er sein Augenmerk lenken und ebenso viele Spione halten, um die guten Eigenschaften der Bürger zu ermitteln, wie die Tyrannen, um Verschwörungen aufzudecken, die man gegen sie anzettelt.

Soll ein Fürst geizig oder verschwenderisch sein151-2?

Ich glaube, es ist für den Herrscher ebensowenig ratsam, geizig wie verschwenderisch zu sein. Er soll vielmehr sparsam und freigebig sein. Sparsam, well er die Güter des Staates verwaltet, well das Geld, das er empfängt, Blut und Schweiß des Volkes<152> ist und er es zum Besten des ganzen Staatskörpers verwenden muß. Wer dieses Geld im Frieden zur Unzeit ausgibt und im Kriege für große Dinge nichts übrig hat, wer alle seine Einnahmen ohne Rücksicht auf die Zukunft vergeudet und das Volk durch neue Austagen bedrücken muß, wenn der Staat angegriffen wird, der handelt unvernünftig und eher wie ein Tyrann als wie ein Vater des Volkes. Ein Staatsmann darf niemals sagen: ich habe nicht geglaubt, daß dieses oder jenes geschehen könnte. Sein Beruf verlangt, daß er alles vorhersieht und auf alles gerüstet ist. Wer also in Preußen, das sich nur durch seinen Gewerbfleiß behauptet, das Regiment führt, muß unverzüglich erkennen, daß er keine anderen Geldmittel besitzt als die, welche er während des Friedens sammelt. Er muß taub gegen das sein, was die Öffentlichkeit sagt, und ihr nichtiges Urteil verachten. Wenn sie Euch beschuldigt, geizig oder knauserig zu sein, was liegt daran? Sie urteilt nach falschen Begriffen und würde Eure Ansicht teilen, wenn ihr Eure Gründe bekannt wären. Man muß das einmal als richtig erkannte System befolgen, ohne sich durch das Gezirpe der Grillen oder durch das Gequake der Frösche von seinem Wege abbringen zu lassen.

Wir brauchen etwa fünf Millionen zur Bestreitung eines Feldzugs. Die Kosten für vier Feldzüge betragen also zwanzig Millionen. Diese zwanzig Millionen anzuhäufen und die anderen Kassen nach dem im Abschnitt über die Finanzen entwickelten Plane152-1 zu füllen, ist eine Pflicht des Herrschers, eine Sorge, von der er sich nicht lossagen kann und für die das Volk ihm Dank weiß, wenn es in Kriegszeiten nicht mit neuen Austagen bedrückt wird.

Ein sparsamer Fürst ist weise und vorausschauend. Er bereitet sich im voraus Hilfsquellen und sammelt durch Beschränkung seines Aufwandes und seiner Ausgaben die Gelder, die er bei gegebener Zeit zu Erleichterungen für sein Volk bestimmt. Ein verschwenderischer Fürst gleicht einem Körper mit stets verdorbenem Magen, der mit Gier ißt, dem aber selbst die nahrhaftesten Speisen nichts nützen. Ein freigebiger Fürst gleicht einem gesunden Körper, der sich mit Maß nährt und allen seinen Gliedern gleichmäßige Kraft und Stärke durch die Adern zuführt. Ein verschwenderischer Fürst ist wie ein Narr, der unnütze Ausgaben macht und darüber das Notwendige vernachlässigt....

Die Freigebigkeit ist eine scharfsichtige Tugend, die mit Sachkenntnis handelt. Sie ist bereit, den Unglücklichen zu helfen, Hab und Gut mit ihnen zu teilen. Sie belohnt mit voller Hand die Dienste. Sie ist die letzte Rettung und die Zuflucht aller, deren einzige Hoffnung der Beistand des Fürsten ist. Sie kommt den Bedürfnissen zuvor, lindert, wo sie kann; und wenn sie aus dem Herzen kommt, so ist sie bescheiden, milde, fordert keinerlei Anerkennung und hat es nicht eilig, die Welt von ihren Wohltaten zu unterrichten. Wenig für sich verbrauchen, im rechten Augenblick und hinlänglich geben, beizeiten Erleichterung schaffen, den Hilfsbedürftigen zuvorkommen, mit den<153> Staatsgeldern haushälterisch umgehen, sie ordentlich und sparsam verwalten: das sind königliche Eigenschaften, die dem Geize wie der Verschwendung in gleichem Maße fernbleiben.

Preußen ist zu arm, um große Pensionen an Müßiggänger zu bezahlen. Man muß nach Möglichkeit gute, arbeitsame und tätige Untertanen anstellen und sie so besolden, daß sie davon anständig leben können. Wer keine Talente besitzt, darf auch keinerlei Fortkommen für seine Person erwarten.

Soll ein Fürst selber regieren?

In einem Staate wie Preußen ist es durchaus notwendig, daß der Herrscher seine Geschäfte selbst führt. Denn ist er klug, wird er nur dem öffentlichen Interesse folgen, das auch das seine ist. Ein Minister dagegen hat, sobald seine eigenen Interessen in Frage kommen, stets Nebenabsichten. Er besetzt alle Stellen mit seinen Kreaturen, statt verdienstvolle Leute zu befördern, und sucht sich durch die große Zahl Derer, die er an sein Schicksal kettet, auf seinem Posten zu befestigen. Der Herrscher dagegen wird den Adel stützen, die Geistlichkeit in die gebührenden Schranken weisen, nicht dulden, daß die Prinzen von Geblüt Ränke spinnen, und das Verdienst ohne jene eigennützigen Hintergedanken belohnen, die die Minister bei allen ihren Handlungen hegen.

Ist es aber schon notwendig, daß der Herrscher die inneren Angelegenheiten seines Staates selber lenkt, um wieviel mehr muß er dann seine äußere Politik selbst leiten, die Allianzen schließen, die ihm zum Vorteil gereichen, seine Pläne selber entwerfen und in bedenklichen und schwierigen Zeitläuften seine Entschlüsse fassen.

Bei dem innigen Zusammenhang zwischen Finanzen, innerer Verwaltung, äußerer Politik und Heerwesen ist es unmöglich, einen dieser Zweige ohne Rücksicht auf die anderen zu behandeln. Sobald das geschieht, fahren die Fürsten schlecht. In Frankreich regieren vier Minister das Königreich: der Finanzminister unter dem Namen des Generalkontrolleurs, der Marineminister, der Kriegsminister und der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Diese vier Könige verständigen und vertragen sich nie. Daher kommen all die Widersprüche, die wir in der französischen Regierung sehen. Eifersüchtig stößt der eine um, was der andere mit Geschick aufbaut. Da gibt es kein System, keinen Plan, der Zufall herrscht, und alles ist in Frankreich der Spielball der Umtriebe am Hofe153-1. Die Engländer erfahren alles, was in Versailles vorgeht. Da gibt es kein Geheimnis, und folglich läßt sich auch keine Politik treiben.

Eine gut geleitete Staatsregierung muß ein ebenso fest gefügtes System haben wie ein philosophisches Lehrgebäude. Alle Maßnahmen müssen gut durchdacht sein, Finanzen, Politik und Heerwesen auf ein gemeinsames Ziel steuern: nämlich die Stär<154>kung des Staates und das Wachstum seiner Macht. Ein System kann aber nur aus einem Kopfe entspringen; also muß es aus dem des Herrschers hervorgehen. Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit: diese drei Ursachen hindern die Fürsten an ihrem edlen Berufe, für das Glück ihrer Völker zu wirken. Solche Herrscher machen sich verächtlich, werden zum Spott und Gelächter ihrer Zeitgenossen, und ihre Namen geben in der Geschichte höchstens Anhaltspunkte für die Chronologie ab. Sie vegetieren auf dem Throne, dessen sie unwürdig sind, und denken nur an das liebe Ich. Ihre Pflichtvergessenheit gegen ihre Völker wird geradezu strafbar. Der Herrscher ist nicht zu seinem hohen Rang erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Verweichlichung dahinlebe, sich vom Mark des Volkes mäste und glücklich sei, wahrend alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates154-1. Er wird gut besoldet, damit er die Würde seiner Stellung aufrechterhalte. Man fordert aber von ihm, daß er werktätig für das Wohl des Staates arbeite und wenigstens die Hauptgeschäfte mit Sorgfalt leite. Er braucht zweifellos Gehilfen. Die Bearbeitung der Einzelheiten wäre zu umfangreich für ihn. Aber er muß ein offenes Ohr für alle Klagen haben, und wem Vergewaltigung droht, dem muß er schleunig sein Recht schaffen. Ein Weib wollte einem König von Epirus154-2 eine Bittschrift überreichen. Hart fuhr er sie an und gebot ihr, ihn in Ruhe zu lassen. „Wozu bist du denn König“, erwiderte sie, „wenn nicht, um mir Recht zu schaffen ?“ Ein schöner Ausspruch, dessen die Fürsten unablässig eingedenk sein sollten.

Wir haben in Preußen das Generaldirektorium, die Justizbehörden und die Kabinettsminister. Tag für Tag senden sie an den König ihre Berichte mit eingehenderen Denkschriften über die Gegenstände, die seine Entscheidung erfordern. In strittigen oder schwierigen Fällen erörtern die Minister das Für und Wider selbst. Damit setzen sie den Herrscher in den Stand, seine Entscheidung auf den ersten Blick zu treffen, vorausgesetzt, daß er sich die Mühe gibt, die vorgetragenen Sachen gründlich und mit Verständnis zu lesen. Ein klarer Kopf erfaßt den Kernpunkt einer Frage mit Leichtigkeit. Diese Methode der Geschäftsführung verdient den Vorzug vor der sonst üblichen, wo der Herrscher im Ministerrate präsidiert; denn aus großen Versammlungen gehen keine weisen Beschlüsse hervor. Auch sind die Minister, die meist gegeneinander intrigieren, uneins; Persönliches, Haß und Leidenschaft wird in die Staatsangelegenheiten hineingetragen; die mündliche Debatte mit ihrem oft heftigen Widerstreit der Meinungen verdunkelt die Sachlage, die sie aufklären soll, und schließlich bleibt das Geheimnis, die Seele der Geschäfte, bei so vielen Mitwissern nie völlig gewahrt.

In schwierigen Fällen kann es sich empfehlen, einen Minister, den man für den klügsten und sachverständigsten hält, um Rat anzugehen. Will man noch einen zweiten befragen, so geschehe das getrennt, um nicht durch Bevorzugung der Ansicht des einen ewige Zwietracht zwischen beiden zu säen. Ich verschließe mein Geheimnis in<155> mir selbst. Nur einen einzigen Sekretär155-1, von dessen Treue ich überzeugt bin, ziehe ich heran. Wofern man mich also nicht selbst besticht, ist es unmöglich, meine Absichten zu erraten. Die Minister sind nur mit den Angelegenheiten betraut, die das Deutsche Reich bettessen. Alle wichtigen Verhandlungen, Verträge oder Allianzen gehen durch meine Hände.

Das Zeremoniell

Die meisten Könige Europas haben sich selbst eine Art von Ketten geschmiedet, unter deren Last sie oft seufzen. Mein Vater besaß den Mut, die seinen zu brechen, und seinen Spuren folgend, habe ich das mir überlieferte Maß der Freiheit getreulich bewahrt. Ich habe ihn sogar noch überboten, indem ich mir die fremden Gesandten, soweit wie nur irgend möglich, vom Leibe hielt. Es gibt in Preußen keine Rangstufen, keine Etikette, keine Botschafter. Dadurch sind wir gesichert vor allen Streitigkeiten um den Vortritt und vor allen aus dem Stolze der Könige entspringenden Schikanen, die an anderen Höfen ernste Aufmerksamkeit beanspruchen und eine Zeit verschlingen, die man nützlicher für das Allgemeinwohl anwenden kann.

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Die äußere Politik

DProvinzen der preußischen Monarchie sind fast alle voneinander getrennt. Der Körper des Staates, in dem seine Kraft ihren Sitz hat, ist die Kurmark, Pommern, Magdeburg, Halbersiadt und Schlesien. Diese Provinzen, das Herz des Königreichs, verdienen hauptsächlich die Aufmerksamkeit des Fürsten, weil man hier sowohl für das Innere wie für die Verteidigung dieser Provinzen sichere Anordnungen treffen kann. Preußen, durch das polnische Preußen von Pommern getrennt, ist mit Polen und mit Rußland benachbart, dessen Kaiserin in Kurland allmächtig ist. Das Herzogtum Cleve und Friesland berühren Holland. Schlesien grenzt an Böhmen, Mähren und sogar an Ungarn. Die Kurmark und das Gebiet von Magdeburg liegen um Sachsen herum. Pommern ist nur durch die Peene von den deutschen Besitzungen des Königs von Schweden getrennt, und das Fürstentum Minden ist mit Land von Hannover, Münster, Kassel, Hildesheim und Braunschweig untermischt.

Ihr seht, daß wir durch diese geographische Lage Nachbarn der größten Fürsten Europas sind. Alle diese Nachbarn sind ebenso viele eifersüchtige oder ebenso viele geheime Feinde unserer Macht. Die örtliche Lage ihrer Länder, ihr Ehrgeiz, ihre Interessen, alle diese verschiedenen Verbindungen bilden die Grundlage ihrer mehr oder weniger versteckten Politik, je nach Zeit und Umständen.

Österreich hat Schlesien nicht vergessen, und Maria Theresia wird, sobald sie ihren inneren Staatshaushalt geordnet, ihre Armee wiederhergestellt hat und ihre politische Lage gesichert ist, zum Angriff schreiten, um Schlesien wiederzuerobern.<157> Sie wird den Anlaß von den polnischen Angelegenheiten nehmen157-1, in Verbindung mit Rußland und selbst mit dem König von England, der des Wiener Hofes wegen seiner hannöverschen Angelegenheiten bedarf)157-2...

Rußland darf nicht unter die Zahl unserer wirklichen Feinde gerechnet werden. Zwischen ihm und Preußen gibt es keine Streitfragen. Nur der Zufall macht es zu unserem Feinde. Ein von England und Österreich bestochener Minister157-3 hat mit großer Mühe einen scheinbaren Vorwand für die Entzweiung unserer beiden Höfe gefunden157-4. Mit dem Sturze dieses Ministers müssen die Dinge wieder in ihre natürliche Lage zurückkehren157-5 ...

Frankreich gehört zu unseren mächtigsten Verbündeten. Die Geschäfte werden in diesem Lande, dessen Gottheit das Vergnügen ist, oberflächlich behandelt. Ein schwacher Fürst redet sich ein, daß er diese Monarchie regiert, während seine Minister sich in seine Autorität teilen und ihm nichts als einen unfruchtbaren Namen lassen. Eine Mätresse, die nur auf ihre Bereicherung hinarbeitet157-6, Verwaltungsbeamte,<158> welche die Truhen des Königs plündern, viel Unordnung und viel Räuberei stürzen diesen Staat in einen Abgrund von Schulden....Trotz aller dieser Mißbräuche ist Frankreich das mächtigste Königreich in Europa.... Seine Vergrößerungspläne sind auf die Ausdehnung seiner Grenzen bis zum Rhein gerichtet... (Französisches Vertragsprinzip ist, den Bundesgenossen alle Last des Krieges aufzubürden) und sich freie Hand zu bewahren.... Man muß bei dieser Macht auf seiner Hut sein....

Zur Schande meiner Nation bin ich genötigt, einzugestehen, daß niemals das öffentliche Interesse dem Privatinteresse in höherem Grade aufgeopfert worden ist als jetzt. (Die deutschen Fürsten sind Kaufleute geworden.) Sie verhandeln das Blut ihrer Untertanen, sie verhandeln ihre Stimmen im Fürstenrat und im Kurfürstenrat; ich glaube, sie würden ihre eigene Person verhandeln, fände sich jemand, der sie bezahlen wollte....

Wir haben niemals von irgend jemand Subsidien erhalten. (Strengen Tadel verdient der erste König, der im Spanischen Erbfolgekrieg anders verfahren ist.) Laßt Euch gesagt sein, daß jede Macht, die im Solde einer andern sieht, sich die Hände bindet und nur eine Nebenrolle spielt. Sie befindet sich stets in Abhängigkeit von der zahlenden Macht und muß sich beim Friedensschluß alles gefallen lassen, was der allzu mächtige Alliierte verlangt....

Der König von Sardinien ist ein Krebs, der an der Lombardei nagt. Um König der Lombardei zu werden, wird er bald die Partei Frankreichs, bald die Öfterreichs ergreifen, vorausgesetzt, daß er dabei etwas gewinnt158-1....

Das christliche Europa ist wie eine Republik von Souveränen, die sich in zwei mächtige Parteien teilt. England und Frankreich haben seit einem Jahrhundert zu allen Bewegungen den Anstoß gegeben. Wollte ein kriegerischer Fürst etwas unternehmen, wenn jene beiden einverstanden sind, den Frieden zu erhalten, so würden sie ihm ihre Vermittlung anbieten und ihn nötigen, sie anzunehmen. Einmal bestehend, hindert das politische System alle großen Eroberungen und macht die Kriege unfruchtbar, wenn sie nicht mit überlegener Macht und unausgesetztem Glück geführt werden.

Preußen wird es nie an Alliierten fehlen; sie richtig zu wählen, muß man sich alles persönlichen Hasses, aller Vorurteile, der günstigen wie der ungünstigen, entkleiden. Das Interesse des Staates allein darf im Rate des Regenten entscheiden...

(Lothringen und Schlesien sind wie zwei Schwestern, von denen die eine den König von Preußen, die andere den König von Frankreich geheiratet hat158-2....)

(Frankreich kann eine Wiedereroberung von Schlesien nicht begünstigen noch dulden, weil Österreich ihm dadurch zu stark werden würde. Frankreich hat ein Interesse gegen England wie Preußen gegen Hannover; es kann Preußen durch Diversionen zu Hilfe kommen. Die Allianz mit Frankreich ist eine solche, die nicht auf<159> Unterhandlungen, sondern auf der Natur der Sache beruht. Nur dieses Bündnis ist für Preußen natürlich und auch vorteilhaft,) well wir, mit Frankreich vereint, im Falle eines glücklichen Krieges auf Erwerbungen hoffen können. Hingegen in Verbindung mit England und Österreich können wir uns keine Vergrößerung versprechen. Was wir auch vom Kriege erwarten können, mein gegenwärtiges System besieht darin, den Frieden zu verlängern, solange es geschehen kann, ohne die Majestät des Staates zu verletzen. (Durch ihre innere Unordnung wird es der französischen Macht unmöglich, mit der Energie, die ihr zukäme, auf dem Kriegsschauplatze zu erscheinen.) ... Es frommt uns nicht, den Krieg wieder anzufangen. Ein kecker Streich, wie die Eroberung Schlesiens, gleicht den Büchern, die im Original einschlagen, deren Nachahmungen aber abfallen. Wir haben durch die Erwerbung Schlesiens den Neid von ganz Europa auf uns gelenkt. Das hat alle unsere Nachbarn alarmiert: keiner, der uns nicht mißtraute. Mein Leben wird zu kurz sein, um sie in die beruhigte Stimmung zurückzuversetzen, wie sie unsern Interessen vorteilhaft ist. Sollte uns wohl ein Krieg anstehen, während Rußland gewaltig gerüstet an unfern Grenzen sieht und nur den günstigen Augenblick abwartet, um Preußen anzugreifen (was es indessen nur mit Hilfe englischer Subsidien tun kann), und während eine Diversion der Russen sofort alle unsere Projekte vom Anfang unserer Operationen an umstürzen würde? In Lagen wie die jetzige ist das sicherste, im Frieden zu verharren und in fester Haltung neue Ereignisse abzuwarten. (Solche würden sein: der Sturz des an Österreich verkauften Bestushew in Rußland, die Gewinnung seines Nachfolgers, der Tod des jetzigen Königs von England, dieses Land in den Unruhen einer vormundschaftlichen Regierung159-1, ein Soliman auf dem Thron von Konstantinopel und in Frankreich ein ehrgeiziger und allmächtiger Minister.) Dann und bei ähnlicher Gestaltung der Dinge ist es Zeit zu handeln, obgleich es auch dann nicht notwendig ist, gleich zuerst auf der Bühne zu erscheinen. (Vielmehr soll man warten, bis die Gegner vom Kampfe erschöpft sind.)...

Künftige Politik gegenüber den Mächten Europas

. .. (Erforderlich ist, verschwiegen zu sein, sich selbst zu beobachten, der eigenen Affekte Herr zu sein, seine Absichten zu verdecken, seinen Charakter zu verhüllen und nichts sehen zu lassen als eine gemessene Entschlossenheit, durch Rechtsgefühl gemildert. ...

Im diplomatischen Verkehr mit den Franzosen bedarf es großer Rücksichten auf die Eigenliebe der französischen Nation und auf die überlegene politische Einsicht, die sie als ihr Teil betrachten. Ich gönne ihnen deshalb die Ehre aller meiner Entwürfe, als wären es ihre eigenen Ideen, denen ich nur folge.)...

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Über große politische Entwürfe

... Die Politik besieht mehr darin, aus günstigen Konjunkturen Nutzen zu ziehen, als sie von langer Hand herbeizuführen. Aus diesem Grunde rate ich Euch, leine Verträge zu schließen, die sich auf unsichere künftige Ereignisse beziehen, sondern Euch freie Hand zu bewahren, damit Ihr Euern Entschluß nach Zeit, Ort und Lage Eurer Angelegenheiten fassen könnt: mit einem Wort, wie es Euer Interesse dann von Euch erheischen wird. Ich bin gut dabei gefahren, als ich im Jahre 1740 so handelte, und ich mache es jetzt ebenso hinsichtlich der Dinge in Polen. Ich unterrichte Frankreich von den Absichten des Hauses Österreich160-1 dränge es, die Türken wachzurufen, hüte mich aber wohl, mich durch Verträge zu binden, und warte das Ereignis ab, um dann meinen Entschluß zu fassen.

Politische Träumereien

Soviel über das Tatsächliche und über die Grundlinien der Haltung, die in Preußen zu beobachten sind. Gehen wir jetzt zum Chimärischen über. Auch die Politik hat ihre Metaphysik. Wie es keinen Philosophen gibt, der nicht sein Vergnügen daran gehabt hätte, sein System aufzustellen und sich die abstrakte Welt seinem Denken gemäß zu erklären, so darf auch der Politiker in dem unendlichen Gefilde chimärischer Entwürfe lustwandeln. Können sie doch bisweUen zur Wirklichkeit werden, wenn man sie nicht aus den Augen verliert, und wenn einige Generationen nacheinander, auf dasselbe Ziel losschreitend, Geschicklichkeit genug besitzen, ihre Absichten vor den neugierigen und scharfen Augen der europäischen Mächte gründlich zu verbergen.

Machiavell sagt160-2, eine selbstlose Macht, die zwischen ehrgeizigen Mächten sieht, müßte schließlich zugrunde gehen. Ich muß leider zugeben, daß Machiavell recht hat. Die Fürsten müssen notwendigerweise Ehrgeiz besitzen, der aber muß weise, maßvoll und von der Vernunft erleuchtet sein. Wenn der Wunsch nach Vergrößerung dem fürstlichen Staatsmann auch keine Erwerbungen verschafft, so erhält er doch wenigstens seine Macht; denn dieselben Mittel, die er zum offensiven Handeln bestimmt, sind stets zur Verteidigung des Staates bereit, falls sie notwendig ist und er dazu gezwungen wird.

Es gibt zweierlei Arten der Vergrößerung: durch reiche Erbschaften oder durch Eroberungen.

Erbschaften, die dem königlichen Hause zufallen können.
[Ansbach-Bayreuth und Mecklenburg stehen in Frage.]

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Über Eroberungen.

(Sachsen, Polnisch-Preußen und Schwedisch-Pommern kommen in Betracht.) Nur so kann der preußische Staat den nötigen Zusammenhang und eine gute Grenze gewinnen.

(Sachsen: Es ist möglich, im Falle eines siegreichen Krieges gegen Österreich Böhmen zu erobern und es gegen Sachsen einzutauschen. Plan der Ausführung: Nach der Unterwerfung Sachsens sofort die entschiedenste Offensive gegen Mähren, daselbst eine große Entscheidungsschlacht, den Krieg der feindlichen Hauptstadt genähert. Im zweiten Jahre Aufwiegelung der Ungarn und Besetzung des wehrlosen Böhmens durch die in Sachsen ausgehobenen Truppen. Ferner empfiehlt sich militärische Unterstützung durch in Sold zu nehmende Truppen deutscher Fürsten und, wenn nötig, durch französische Subsidientruppen gegen Hannover, während die russischen Streitkräfte durch die Türken, ein Teil der österreichischen durch die Franzosen, die mit Flandern zu belohnen sind, und durch die Sardinier gefesselt werden müssen. Auf das Bedenken, daß der Anschlag auf Sachsen am Ende doch mißlingen könne, ist zu erwidern, daß dies kein Schade ist, wenn es nur glückt, ihn geheimzuhalten.)

Die Hauptsache wäre, daß Rußland und die Königin von Ungarn einen Krieg gegen die Türken, Frankreich und den König von Sardinien zu bestehen hätten.

(Polnisch-Preußen wird besser nicht durch Waffen erobert, sondern im Frieden verspeist, in der Weise einer Artischocke, Stück für Stück: gerade so, wie der König von Sardinien sich das Herzogtum Mailand aneignet. Polens Wahlmonarchie wird die Gelegenheit dazu geben. Preußen kann seine Neutralität in den polnischen Wirren verkaufen, indem es sich durch eine Stadt nach der andern, einen Distrikt nach dem andern bezahlen läßt, mit Danzig zuletzt, denn es wird als Emporium des Getreidehandels das größte Geschrei bei den Polen verursachen161-1.

<162>

Schwedisch-Pommern: Wenn Schweden versucht, Livland von Rußland zurückzuerobern, so kann Preußen sich Schwedisch-Pommern als Preis seines Beistandes ausmachen.)

Das Ziel, das man sich setzen muß, um die Macht des Staates zu konsolidieren

Unserem Staate fehlt noch die innere Kraft. Alle preußischen Provinzen umfassen nur fünf Millionen Seelen. Das Heer ist ansehnlich, aber nicht stark genug, um den Feinden, die uns umgeben, zu widerstehen. Unsere Einnahmen sind beträchtlich, aber es fehlt uns im Falle der Not an Hilfsquellen. Mühsam ziehen wir uns aus der Verlegenheit, indem wir unsere Truppen zweimal soviel manövrieren lassen als der Feind und ihm stets dieselben Leute entgegenstellen, von welcher Seite er auch komme. Das ermüdet sie sehr und setzt bei ihrem Führer große Wachsamkeit voraus. Unsere Finanzen drehen sich ganz um Ersparnisse und dienen uns zur Kriegführung, ohne daß wir andere Hilfsmittel besitzen als Klugheit bei ihrer Verwaltung. Soll also das Schicksal des Staates gesichert sein, so darf sein Wohl nicht von den guten oder schlechten Eigenschaften eines Einzelnen abhängen. Um sich aus eigener Kraft zu erhalten, müßten Heer und Finanzen etwa auf folgenden Stand gebracht werden. Ich wünschte, daß wir Provinzen genug besäßen, um 180 000 Mann, also 44 000 mehr als jetzt, zu unterhalten162-1. Ich wünschte, daß nach Abzug aller Ausgaben ein jährlicher Überschuß von 5 Millionen erzielt würde. Sie müßten aber nicht auf feste Ausgaben angewiesen werden, sondern der Herrscher müßte nach freiem Belieben über sie verfügen können, nachdem er 20 Millionen in den Staatsschatz gelegt hat. Diese 5 Millionen machen ungefähr die Kosten eines Feldzugs aus162-2. Mit ihnen könnte man den Krieg aus eigenen Einkünften bestreiten, ohne in Geldverlegenheiten zu geraten und irgend jemand zur Last zu fallen162-3. In Friedenszeiten könnte diese Einnahme zu allen möglichen nützlichen Ausgaben für den Staat verwandt werden.

Veränderungen, die in Europa eintreten können

Wir sind nun einmal im Zuge, uns dem Spiel unserer Phantasie zu überlassen... (Die Eifersucht sowohl der Glieder des Deutschen Reiches wie der benachbarten Mächte ist Bürgschaft für dieses traurigen Reiches Fortdauer.)...

<163>

Nächst Deutschland ist Frankreich die mächtigste Monarchie in Europa. Aber die Staaten sind nur das, was die Männer, die sie regieren, aus ihnen machen.... Nachlässigkeit und die Mißbräuche, die in diesem Reiche herrschen, werden stets dahin führen, daß die Nation grobe Fehler begeht....

Die Könige von Sardinien sind vom Vater auf den Sohn große Männer gewesen163-1....

Die Königreiche sind von den Männern abhängig, die sie regieren. Erinnert Euch, daß England unter Cromwell geachtet, unter Karl II. verachtet wurde....

Schließt Bündnisse nur mit denen, die genau die gleichen Interessen mit Euch haben. Schließt niemals Verträge, um Maßnahmen für ferne Ereignisse zu treffen. Wartet stets den Eintritt der Ereignisse ab, um Euern Entschluß danach zu fassen und entsprechend zu handeln. Hütet Euch wohl, Euer Vertrauen auf die Zahl und die Treue Eurer Verbündeten zu setzen. Rechnet nur auf Euch selbst. Dann werdet Ihr Euch nie täuschen, und seht Eure Verbündeten und Eure Verträge nur als Surrogat an. Eine große Zahl von Verträgen bringt mehr Schaden als Nutzen. Schließt nur wenige, aber stets im rechten Augenblick, und seht darauf, daß aller Vorteil auf Eurer Seite ist, während Ihr Euch so wenig wie möglich aussetzt.... Scharfsinnige Köpfe ziehen aus gleichförmiger Haltung ihre Schlüsse. Daher muß man nach Möglichkeit sein Spiel ändern, es verbergen und sich in einen Proteus verwandeln, bald lebhaft, bald langsam, bald kriegerisch und bald friedfertig erscheinen. Auf diese Weise leitet Ihr Eure Feinde irre. (ch empfehle meinen Nachfolgern, in den Unterhandlungen so verbindlich wie möglich zu sein, nie stolze oder beleidigende Worte zu gebrauchen, nie zu drohen.) Seid verschwiegen in Euren Geschäften, verheimlicht Eure Absichten. Wenn die Ehre des Staates Euch zwingt, den Degen zu ziehen, dann falle auf Eure Feinde Blitz und Donner zugleich....

Vormundschaften

Wenn die Gottheit sich um die menschlichen Erbärmlichkeiten kümmert, wenn die schwache Menschenstimme bis zu ihr dringen kann, dann wage ich dieses unbekannte und allmächtige Wesen anzustehen, Preußen vor der Geißel einer Minorennitätsregierung gnädig zu bewahren. Es gibt kein Beispiel dafür, daß eine vormundschaftliche Regierung glücklich gewesen ist. Alle Beispiele, die uns die Geschichte liefert, erhalten ihre Signatur durch die Leiden der Völker, durch Spaltungen und oft durch auswärtige oder innere Kämpfe. Preußen braucht während der Herrschaft eines minorennen Fürsten keine Bürgerkriege zu befürchten, wohl aber eine schwache<164> Regierung, schlechte Verwaltung der Finanzen, schwankende Politik, Lockerung der Mannszucht und Verfall der Ordnung im Heere, die die Truppen bisher unbesieg-lich gemacht hat. Was in dieser Zeit der Schwäche vor allem zu befürchten stände, das wäre ein Krieg. Das Haus Österreich würde sich beeilen, daraus Vorteil zu ziehen, und wenn sich je die Gelegenheit böte, wäre das der Augenblick, um die heranwachsende Macht unseres Staates niederzuwerfen.

Es liegt indessen in der Natur der Dinge, daß der Fall im Laufe der Zeit einmal eintritt. Da ich die künftige Generation nicht kenne, so vermag ich keine Ratschläge zu geben, wie man sich in solch traurigen Zeitläuften verhalten soll. Ich glaube jedoch, es wäre für den Staat vorteilhafter, den nächsten männlichen Anverwandten des jungen Königs zum Vormund zu wählen und ein so schwieriges Amt niemals einer Frau anzuvertrauen. Meine Gründe sind folgende: In der Regel läßt sich ein Mann bei seinen Handlungen mehr von der Überlegung leiten als eine Frau. Er ist mehr zur Arbeit geschaffen und infolgedessen zur Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung in allen Zweigen der Regierung besser befähigt als eine Königin-Witwe. Ihr sind die Geschäfte neu, sie neigt dazu, sich von den Ministern beherrschen zu lassen, und ist unfähig, das Heerwesen gut zu verwalten. Ihr werdet mir vielleicht einwerfen, daß es für den jungen König sehr gefährlich wäre, in der Abhängigkeit eines ehrgeizigen Onkels oder Vetters zu stehen. Darauf erwidere ich: die Zeiten, da man mit Gift arbeitete, sind vorüber. Das Heer und das ganze Land haben dem jungen König den Treuschwur geleistet. Der Vormund muß sich innerhalb der ihm vorgeschriebenen Grenzen halten, und ebenso wie nur ein Einzelner einen Staat mit sicherer Hand zu leiten vermag, bedarf es auch eines unumschränkten Vormundes, damit ein für den Thron bestimmter Fürst eine gute Erziehung erhält. Der Vormund kann ihn wie seinen Sohn erziehen, die Schmeichler, die die Tugend der Fürsien verderben, von seiner Wiege fernhalten, seinen Hochmut unterdrücken und ihn zwingen, sich die Fähigkeiten anzueignen, die zur guten Regierung notwendig sind. Wie man einem geschickten General Vollmacht erteilt, die für das Staatswohl nützlichsten Operationen auszuführen, ebenso muß auch der Vormund während seiner Regentschaft eine unbeschränkte Herrschaft führen und nicht an die Zustimmung eines Ministerrates gebunden sein. Der würde ihm nur zu unrechter Zeit Hindernisse in den Weg legen oder Anlaß zur Bildung von Parteien geben.

Schlußbetrachtungen

Aus all diesen schon zu weitläufig behandelten Einzelheiten erseht Ihr jedenfalls, wie wichtig es ist, daß der König von Preußen selbständig regiert. Sowenig Newton in gemeinsamer Arbeit mit Leibniz und Descartes sein Gravitationsgesetz hätte<165> entdecken können, sowenig kann ein politisches System aufgestellt werden und sich behaupten, wenn es nicht aus einem einzigen Kopfe hervorgeht. Es muß aus dem Geiste des Herrschers entspringen wie die gewaffnete Minerva aus Jupiters Haupt: das heißt, der Fürst muß sein System entwerfen und es selbst zur Ausführung bringen. Denn da seine eigenen Gedanken ihm mehr am Herzen liegen als die der andern, so wird er seine Pläne mit dem Feuer betreiben, das zu ihrem Gelingen nötig ist, und so wird seine Eigenliebe, die ihn an sein Werk fesselt, auch dem Vaterlande zum Nutzen gereichen.

Alle Zweige der Staatsverwaltung stehen in innigem Zusammenhang. Finanzen, Politik und Heerwesen sind untrennbar. Es genügt nicht, daß eins dieser Glieder gut verwaltet werde; sie wollen es alle gleichermaßen sein. Sie müssen in gradgestreckter Flucht, Stirn an Stirn, gelenkt werden, wie das Viergespann im olympischen Wettkampf, das mit gleicher Wucht und gleicher Schnelle die vorgezeichnete Bahn zum Ziele durchmaß und seinem Lenker den Sieg gewann. Ein Fürst, der selbständig regiert, der sich sein politisches System gebildet hat, wird nicht in Verlegenheit geraten, wenn es einen schnellen Entschluß zu fassen gilt; denn er verknüpft alles mit dem gesteckten Endziel. Zumal in den Einzelheiten des Heerwesens muß er sich die denkbar größten Kenntnisse erworben haben. Vom grünen Tisch aus entwirft man schlechte Feldzugspläne, und wohin führen die schönsten Pläne, wenn sie durch die Unwissenheit des mit ihrer Ausführung Betrauten scheitern? Wer die Bedürfnisse einer Armee nicht kennt, wer sich um die zahllosen Einzelheiten ihrer Verpflegung nicht kümmert, wer nicht weiß, wie man ein Heer mobil macht, wer die Regeln der Kriegskunst nicht kennt, wer es nicht versteht, die Truppen in der Garnison zu schulen und im Felde zu führen, der wird, und wäre er sonst auch der geistvollste Mensch, der beste Volkswirt, der schlaueste Politiker, niemals Großes ausrichten, wenn er nicht selber Feldherr ist. Ich gedenke, im folgenden Abschnitt auf zahlreiche Einzelheiten der Kriegswissenschaft einzugehen. Hier will ich Euch nur überzeugen, daß der König von Preußen den Krieg unbedingt zu seinem Hauptsiudium machen und den Eifer derer anfeuern muß, die den edlen und gefährlichen Waffenberuf ergriffen haben.

Preußen ist von mächtigen Nachbarn umgeben .... Ihr müßt daher auf häufige Kriege gefaßt sein. Es folgt daraus auch, daß das Militär in Preußen die erste Stelle einnehmen muß, genau wie bei den welterobernden Römern in der Periode ihres Aufstiegs, genau wie in Schweden, als Gustav Adolf, Karl X. und Karl XII. die Welt mit ihrem Ruhm erfüllten und der Ruf des schwedischen Namens bis in die fernsten Lande drang. Ämter, Ehren, Belohnungen, die man abwechselnd verleiht, spornen und feuern die Talente an. Lob, das dem Verdienst gezollt wird, erweckt in den Herzen des Adels edlen Wetteifer, treibt ihn dazu an, den Waffenberuf zu ergreifen und sich Kenntnisse zu erwerben, verschafft ihm Auszeichnungen und Vermögen. Die Offiziere verachten und von ihnen fordern, daß sie mit Ehren dienen, ist ein Widerspruch. Einen Beruf ermutigen, der die Macht des Königreichs bildet, die Säulen des<166> Staates (wenn ich mich so ausdrücken darf) achten, sie dem Geschlecht verweichlichter und schwachherziger Menschen vorziehen, die nur zur Dekoration eines Antichambres gut sind: das heißt, nicht allzu hohe Gunstbeweise erteilen noch launenhaft handeln, sondern dem Verdienst seine Krone geben, heißt ein schwaches Rauchopfer auf dem Altar der Offiziere darbringen, die jeden Augenblick bereit sind, ihr Blut für das Vaterland zu vergießen.

Ich habe selbst Krieg geführt und gesehen, daß Obersten biswellen über das Schicksal des Staates entschieden haben. Man kann nicht Krieg führen, ohne daß es zu entscheidenden Schlägen käme, die das Geschick der Reiche bestimmen. Der Gewinn oder Verlust einer Schlacht verleiht dem Sieger ftöhlichen Mut und schmettert den Besiegten zu Boden. Durch die Schlacht bei Ramillies (1706) verlor Frankreich ganz Flandern. Durch die Schlacht bei Höchstädt (1704) verlor der Kurfürst von Bayern sein Kurfürstentum und ganz Schwaben166-1. Die Schlacht bei Turin (1706) verjagte die Franzosen aus der Lombardei, und die Schlacht bei Villa-Viciosa (1710) setzte Philipp V. auf den spanischen Thron und zwang Karl VI. zum Verzicht auf Spanien. Daher sagte Heinrich l V.: eine Schlacht hat einen langen Schwanz. An solchen wichtigen und entscheidenden Tagen lernt man den Wert guter Offiziere schätzen. Da lernt man sie lieben, wenn man sieht, mit welch hochherziger Todesverachtung, mit welch unerschütterlicher Ausdauer sie den Feind zur Flucht zwingen und den Sieg und das Schlachtfeld behaupten. Es genügt aber nicht, ihnen in dem Augenblick Achtung zu zollen, wo man ihrer bedarf und wo ihre Taten Euch Beifall abringen. Auch in Friedenszeiten müssen sie das Ansehen genießen, das sie sich mit so großem Recht erworben haben. Ehren und Auszeichnungen gebühren denen, die ihr Blut für die Ehre und Erhaltung des Staates vergossen haben.

Alle Welt blickt in den Monarchieen auf den Herrscher. Die Öffentlichkeit schließt sich seinen Neigungen an und scheint bereit, jeder Anregung, die er gibt, zu folgen. Daher kam es, daß die römischen Prälaten unter Leo X. üppig und prachtliebend, unter Sixtus V. verschlagen und weltklug waren, daß England unter Cromwell zur Grausamkeit neigte und sich unter Karl II. einem galanten Leben ergab, daß unter dem anfeuernden Beispiel der Prinzen von Oranien die Niederlande, obwohl eine Republik, zur kriegerischen Nation wurden, daß das römische Reich, unter Titus und den Antoninen noch heidnisch, sich unter Konstantin, der als der erste den neuen Kult annahm, zum Christentum bekehrte. In Preußen muß der Herrscher das tun, was für das Staatswohl am ersprießlichsten ist; daher muß er sich an die Spitze des Heeres stellen. Auf diese Weise gibt er dem Waffenberuf Ansehen und erhält unsere vortreffliche Mannszucht und die bei den Truppen eingeführte Ordnung. Ich sage ausdrücklich: er erhält diese Ordnung; denn besitzt er keine Sachkenntnis, wie will er da über Ordnung und Mannszucht bei den verschiedenen Regimentern und<167> Truppenteilen urteilen? Wie kann er verbessern, was er selbst nicht versteht? Wie kann er die Obersten wegen begangener Fehler tadeln, wie ihnen sogleich angeben, worin sie es versehen haben, und sie belehren, wie und wodurch sie ihre Regimenter in guten Stand setzen können? Wenn er selber nichts von der Regiments- und Kompagniewirtschaft, von der Truppenführung und Manövrierkunsi versieht, wird er dann so unklug sein, sich hineinzumischen? Dann würde er sich ja durch seine sinnlosen Forderungen ebenso der Lächerlichkeit preisgeben, wie durch Anordnung falscher Truppenbewegungen. Alle diese Kenntnisse erfordern beständige Übung, die man nur erwerben kann, wenn man selber Soldat ist und mit ununterbrochenem Fleiße dem Heeresdienst obliegt.

Endlich wage ich die Behauptung, daß nur der Herrscher diese bewundernswerte Mannszucht im Heere einführen und erhalten kann. Denn oft muß er seine Autorität aufbieten, muß die einen ohne Ansehen der Person und des Grades sireng tadeln, die anderen freigebig belohnen, die Truppen soviel als möglich mustern und ihnen nicht die geringste Nachlässigkeit hingehen lassen. Der König von Preußen muß also notwendig Soldat und oberster Kriegsherr sein. Dies Amt, um das man sich in allen Republiken und Monarchieen mit Eifer und Ehrgeiz bewirbt, wird dennoch von den Königen Europas recht gering geschätzt. Sie glauben, ihrer Würde etwas zu vergeben, wenn sie ihre Armee selbst führen. Aber dem Throne gereicht es zur Schande, wenn verweichlichte und träge Fürsten die Führung ihrer Truppen den Generalen überlassen. Ja, sie stellen sich damit stillschweigend ein Zeugnis ihrer Feigheit oder Unfähigkeit aus.

In Preußen ist es gewiß ehrenvoll, in Gemeinschaft mit der Blüte des Adels und der Elite der Nation an der Befestigung der Mannszucht zu arbeiten. Erhält sie doch dem Vaterlande seinen Ruhm, verschafft ihm in Friedenszeiten Achtung und führt im Kriege den Sieg herbei. Man müßte ein ganz erbärmlicher Mensch, in Trägheit versunken, von lasterhaftem Leben entnervt sein, wollte man die Mühe und Arbeit scheuen, die die Erhaltung der Mannszucht im Heer erfordert. Wird man dafür doch sicher belohnt durch Eroberungen und den Ruhm, der für den Herrscher noch viel wertvoller ist als der höchste Gipfel der Erhabenheit und die größte Machtentfaltung.

<168>

Das Heerwesen168-1

Um während des Krieges brauchbar zu sein, verlangt das Heerwesen schon in Friedenszeiten die sorgfältigste Pflege. Im Frieden, sagt Vegetius, muß diese Kunst studiert und im Kriege angewandt werden.

Die Kriegskunst zerfällt in zwei Teile. Der erste bezieht sich auf den kleinen Dienst: die Zucht, Ausbildung und Ordnung der Truppen, Auswahl von Mannschaften und Pferden, die Wirtschaft des Soldaten, des Offiziers usw. Der zweite Teil umfaßt die Kenntnisse des Feldherrn: Feldzugspläne, Taktik, Belagerungen usw. Ich beschränke mich in diesem Kapitel auf Erörterung des ersten Teiles und behalte mir den zweiten für das folgende Kapitel vor168-2.

Der König-Connetable muß wissen, welche Wichtigkeit die Erhaltung straffer Mannszucht besitzt. Die Disziplin ist die Seele der Heere. Solange sie in Blüte sieht, erhält sich der Staat. Man braucht nur nachzulesen, was Vegetius168-3 von der römischen Miliz erzählt. Will man Beispiele aus jüngerer Vergangenheit, so finde ich zwei, die beide in meine Zeit fallen. Das erste ist der Untergang der Disziplin bei den Schweden, der den Mißerfolg des Krieges in Finnland168-4 herbeiführte. Die Offiziere hatten die Regeln der Kriegskunst vergessen. Die Soldaten, von Beruf Bauern, wußten nichts von Gehorsam gegen ihre Führer und verstanden nicht gegen den Feind zu manövrieren. Die Folge davon war der Verlust Finnlands. Das andere Beispiel, das ich erlebt habe, betrifft die Holländer. Unter allen oranischen Prinzen bildeten ihre Truppen das Muster für die europäischen Heere. Auch die Preußen haben von ihnen die Ordnung und Kriegskunst gelernt. Nach dem Tode König Wilhelms168-5 regierten die Amsterdamer Kaufleute unter dem Titel von Greffiers, Pensionären und Gene, ralstaaten. Sie machten ihre Ladendiener zu Offizieren und verachteten die Verteidiger der Republik. Alter und Tod rafften ihre guten Offiziere weg. (Die Obersten<169> wurden zu Pächtern ihrer Regimenter. Die Subalternoffiziere verweichlichten. Die Hefe des Volkes, der Auswurf der Nation ergriff das Waffenhandwerk, und da ihre Zahl nicht hinreichte, wurden Mietssoldaten angeworben. Niemand hatte ein Auge auf die Truppen. Da brach der Krieg aus169-1. Der jämmerliche Haufe republikanischer Miliz wurde gefangen genommen oder bedeckte sich durch Feigheit mit Schande. Flandern wurde von den Franzosen erobert, und Holland wäre Ludwig XV. zum Opfer gefallen, hätte er den Willen oder den Verstand gehabt, seinen VorteU auszubeuten.

Ihr seht also, wie wichtig es für jeden Staat und besonders für eine im Aufstieg begriffene Macht ist, daß der Fürst sein eigener Heerführer ist, auf straffe Mannszucht im Heere hält und sich durch kleinliches Detail die Lust nicht vergällen läßt.

Ich bin in der Armee aufgewachsen. Meine Wiege war von Waffen umgeben. Ich habe vom Kapitän aufwärts durch alle Grade gedient. Mein Vater hielt mich in meiner Jugend zu allem an, was die Mannszucht der Truppen, die Verpflegung, Ausbildung und alle zur Taktik gehörenden Übungen angeht. Ich kann also über diese Gegenstände mit Sachkenntnis zu Euch reden und Euch alle Punkte nennen, auf die Ihr Eure Aufmerksamkeit richten müßt, wenn Euch der edle Ehrgeiz beseelt, die Armee in ihrem gegenwärtigen gefürchteten Zustande zu erhalten.

Wir prüfen zunächst die Auswahl der Leute, aus denen die Regimenter bestehen.

Rekrutierung

Bei den alten Infanterieregimentern wollen wir im ersten Gliede keine Leute unter 5 Fuß 8 Zoll und im zweiten keine unter 6 Zoll, gut gemessen. Die von mir errichteten Regimenter haben in allen Gliedern einen Zoll weniger als die alten, aber die schlesischen werden in kurzem den alten Truppenteilen gleichkommen. Diese hohe Statur ist nötig; denn die groß gewachsenen Leute sind kräftiger als die anderen. Keine Truppe auf der Welt könnte ihrem Bajonettangriff widerstehen. Bei der Kavallerie sehen wir nicht sowohl auf großen Wuchs als auf breite Schultern, doch dürfen die Kürassiere und ebenso die Dragoner nicht unter 6 Zoll messen. Das genügt. Sie müssen so groß sein, um ohne Hilfe auf große Pferde hinaufzukommen. Bei den Husaren macht die Größe nichts aus, doch sieht man auf das Alter und duldet keine halbwüchsigen Burschen in den Regimentern.

Kantons

Alle Regimenter, sowohl Infanterie wie Kavallerie, haben Kantons. Die Kantons machen die TruppenteUe unsterblich, indem sie ihnen Rekruten liefern und in Kriegszeiten zur Komplettierung dienen. Die Schonung der Kantons ist einer der Gründe, aus denen wir bei der Infanterie hohen Wuchs fordern. Sie dürfen<170> in Friedenszeiten nicht entvölkert werden. Die Kompagnie Infanterie soll nicht über 60 Mann aus dem Kanton haben. Der Rest muß im Ausland angeworben werden. Die Kompagnie Kavallerie170-1 darf in Friedenszeiten nur 30 Mann aus dem Kanton bekommen. Infolge der guten Ordnung, die ich in den Kantons eingeführt habe, verfügt die Armee gegenwärtig über eine Hilfsquelle von 20 000 waffenfähigen Männern im Lande. Ein Teil davon hat bereits den Krieg mitgemacht und ist in die Dörfer heimgeschickt, der andere mißt 5 Fuß 4,5 oder 6 Zoll. Ferner sollen die Offiziere allen Enrollierten des Kantons170-2 und allen Soldaten, die Landeskinder sind, einen unentgeltlichen Heiratspermeß erteilen. Das geschieht, um das Land zu bevölkern und die Rasse, die vorzüglich ist, nicht aussterben zu lassen.

Jede Einrichtung ist Mißbräuchen ausgesetzt; so auch die der Kantons. Es handelt sich um folgendes. Die Offiziere lassen sich den Abschied, den sie den Enrollierten geben, bisweilen teuer bezahlen, oder sie nehmen unter verschiedenen Vorwänden Geld vom Kanton, oder sie heben Söhne von Kaufleuten oder Gewerbetreibenden oder einzige Söhne von Bauern aus. Die, welche sich Erpressungen zuschulden kommen lassen, verdienen sirenge Bestrafung. Auch darf nicht geduldet werden, daß die Offiziere Gewerbetreibende oder Söhne von Kaufleuten enrollieren: die müssen sie sofort wieder freigeben. Andrerseits ist aber auch darauf zu achten, daß die Edelleute, Amtmänner und Priester, besonders in Oberschlesien und Westfalen, die Enrollierung nicht verhindern. In solchen Fällen ist das Militär gegen das Land zu unterstützen. Unablässig muß der Herrscher eine Art Gleichgewicht zwischen den Soldaten und den Land- und Stadtbewohnern erhalten, damit alle in ihren Schranken bleiben.

Kommissarische Revuen, die der Herrscher abhalten muß

In den hiesigen Provinzen versammeln sich jedes Frühjahr, in Schlesien gegen den Herbst alle Regimenter zum Exerzieren. Sämtliche Offiziere müssen zur Stelle und die Kompagnien vollständig sein. Die Chefs haften dafür, daß alle Invaliden ausgemerzt sind, die an unheilbaren Wunden, schweren Beinschäden, an der Schwindsucht leiden oder durch Alter oder fehlende Zähne170-3 dienstuntauglich geworden sind. Sie alle könnten den ersten Feldzug nicht mitmachen. Man würde die Regimenter für vollzählig halten, wenn sie mitgeschleppt würden. Im folgenden Jahre würde man den Ausfall merken, der durch ihre Invalidität bei den Kompagnien entstände, und müßte sie dann doch fortschicken. Duldete man sie aber nur ein einziges Jahr, so würde ihre Zahl beträchtlich, und siatt daß man, wie es sich gehört, mit der Stärke der Regimenter rechnen könnte, ergäbe sich vom Ausbruch des Krieges an, auch ohne daß sie ins Gefecht gekommen wären, ein Abgang von einigen tausend Mann. Damit<171> also die Regimenter in gutem Zustand bleiben, muß der König-Connetable alle Jahre oder so oft als möglich Revue über sie halten, die Kompagnien, die Rekruten besich-tigen und sich vergewissern, ob die Gestorbenen und Invaliden durch gleich große und kräftige Leute ersetzt sind, streng die Offiziere tadeln, die in dieser Hinsicht ihre Pflicht vernachlässigt, und die belobigen, die sie erfüllt haben. Bei der Revue werden dem König auch die invaliden Soldaten vorgeführt. Es bestehen Fonds, auf die man ihnen Pension anweist. Andere versorgt man mit Neinen Anstellungen bei der Akzise, ebenso die Unteroffiziere, die bessere Posten erhalten.

Ferner werden bei den Revuen die neuen Unteroffiziere geprüft. Alle müssen alte Soldaten sein. Ich habe nicht gelitten, daß mir ein Student oder ein junger Mann, wofern er nicht von Adel war, als Unteroffizier vorgestellt wurde. Denn ein alter kriegstüchtiger und tapferer Soldat versieht sich bei der Mannschaft Respekt zu verschaffen, während ein Federfuchser nicht den Kommandoton besitzt und Strapazen nicht gewachsen ist.

Was ich von der Infanterie sage, gilt ebenso für die Kavallerie. Bei ihr ist ferner auf die Größe der Pferde zu sehen. Ich dulde bei den Kürassieren oder Dragonern keine unter 5 Fuß 2 Zoll. Ist ein Regiment schlecht beritten, so werden alle unlauglichen Gäule, die nicht mehr im Galopp gehen können, ausgemustert. Ferner ist es wichtig, ob die Regimenter gutes Zaum- und Sattelzeug haben und ob die Steigbügel gleichmäßig hoch geschnallt sind, damit die Leute nicht mit einem zu langen oder zu kurzen Bügel reiten.

Bei den kommissarischen Revuen werden die invaliden Offiziere verabschiedet und die fortgejagt, deren Betragen nicht ihrer Stellung entspricht und die sich nicht wie Ehrenmänner benehmen. Die Ausgeschiedenen sind durch Fähnriche des Regiments zu ersetzen. Unter ihnen wählt man die aus, die am gescheitesten sind, sich am besten geführt haben und die besten Zeugnisse von den Stabsoffizieren besitzen.

Der König muß vor allem darauf sehen, daß in der Armee gute Stabsoffiziere und ein gut zusammengesetztes Korps von Kapitänen sind. Die Kapitäne müssen ihre Kompagnie vollzählig erhalten; sie müssen mit Leib und Seele dienen. Die Stabsoffiziere müssen kluge Köpfe sein. Wird ein alter Kapitän allzu schwerfällig und unbehilflich, so befördert man ihn zum Major in ein Garnisonregiment und setzt einen anderen an seine Stelle. Mit noch mehr Aufmerksamkeit sind die Kommandeure der Regimenter171-1 auszusuchen. Wenn sie etwas taugen sollen, müssen sie Tapferkeit, Entschlossenheit, eigene Entschlußfähigkeit besitzen und streng auf die Beobachtung der Disziplin halten. Das ist die Schule für die Generale.

Die Generale müssen mit noch größerer Sorgfalt ausgewählt werden. Hätte ich Männer wie Turenne finden können, ich hätte nur solche angestellt. Von einem General verlangt man Tapferkeit, Kenntnis der Kriegskunst, Begabung und vor allem den<172> glücklichen Instinkt, sich sofort zu orientieren und sich mühelos zu entscheiden. Er muß einen Vorrat von Anordnungen im Geiste und von Hilfsmitteln in seiner Phantasie haben, muß, ohne die Einzelheiten zu vernachlässigen, die großen Zweige der Kriegskunst beherrschen, muß tatkräftig und wachsam sein. Da eine Armee viele Generale gebraucht, so können nicht alle gleich gut sein. Aber wenigstens hüte man sich vor der Wahl von Dummköpfen oder von Leuten, denen man Mangel an Tapferkeit vorwerfen kann, und bemühe sich, solche ausfindig zu machen, die mindestens so viel Verstand besitzen, daß sie die erteilten Befehle gut ausführen. Wenn also Regimentskommandeure oder Generale sterben, muß der König-Connetable aus dem ganzen Offizierkorps die auswählen, die sie zu ersetzen imstande sind. Die Ordnung und der gute Zustand der Regimenter hängt von der Tüchtigkeit ihrer Kommandeure ab und die gute Ausführung der Operationen eines Heeres von der Intelligenz und Tatkraft der Generale. Aus diesem Grunde kann der König nicht Sorgfalt genug auf ihre gute Auswahl verwenden.

Belohnungen für die Offiziere

Uns fehlen die Mittel zur Belohnung aller Offiziere, die sich ausgezeichnet haben. Die Ehrenzeichen sind der Schwarze Adlerorden, den nur Generalleutnants erhalten, und der Orden pour Ie mérite. Beide aber tragen nicht einen Groschen ein. Die Pensionen bestehen in ungefähr 25 000 Talern, die auf die Domänenkasse angewiesen sind, und in vierzig Amtshauptmannschaften, deren jede 500 Taler einbringt. Einige Pensionen für Offiziere habe ich von geistlichen Stiftern in Schlesien zahlen lassen. Ferner habe ich in allen Domkapiteln Pfründen zu vergeben und einige Gouverneursposten. In Wahrheit werfen alle diese Benefizien zwar so viel ab, um anständig davon zu leben, aber nicht genug, damit die Offiziere und Generale ihre Familien versorgen können. Das wäre indessen nicht nur für eine Zahl von verdienstvollen, aber wenig mit Glücksgütern gesegneten Militärs zu wünschen, sondern auch für den Staat selbst wäre es ehrenvoll, die geleisteten Diensie reichlich zu belohnen. Dann könnten in den Familien die Enkel der jetzt Lebenden sagen: Diesen Besitz hat unser Großvater im Staatsdienst erworben.

Disziplin

Die Mannszucht führt im Heer blinden Gehorsam ein. Sie ordnet den Soldaten dem Offizier unter, den Offizier seinem Kommandeur, den Obersten dem General und sämtliche Generale dem Höchstkommandierenden. Murrt ein Soldat gegen seinen Unteroffizier oder setzt er sich mit dem Säbel zur Wehr, zieht ein Offizier den Degen gegen seinen Kommandeur usw. — über alle diese ist die Todesstrafe verhängt. Ihnen gegenüber darf der Herrscher keine Gnade walten lassen. Das Beispiel wäre zu gefährlich! Die geringste Lockerung der Disziplin würde zur Verwilderung führen, diese zur<173> Aufsässigkeit, und schließlich würden die Chefs nicht Herr ihrer Untergebenen sein, sondern ihnen gehorchen müssen.

Aus dem Grunde besitzen die Generale und Obersien unbeschränkte Vollmacht über ihre Regimenter. Sie haften dem König für sie Mann für Mann. Der Chef empfängt seine Befehle, und der König ist sicher, daß sie zur Ausführung gelangen. Daher kommt es, daß Truppen, die vom Geiste straffer Disziplin erfüllt sind, keinen Ungehorsam, keine Widerrede, keine Klagen kennen. Ja, inmitten der größten Gefahren hören sie auf das Kommando und bieten dem Tode Trotz, wenn ihre Chefs es ihnen befehlen. Sie gehen, wohin sie geführt werden, und verrichten Wunder, wenn das Beispiel tapferer Offiziere sie anfeuert. Die Disziplin hält den Soldaten in Schranken und zwingt ihn zu vernünftiger und geregelter Lebensführung, hält ihn von jeder Gewalttat, von Diebstahl, Trunkenheit und Spiel zurück und nötigt ihn, beim Zapfenstreich in seinem Quartier zu sein. In einem gut disziplinierten Heere muß es ehrbarer zugehen als in einem Mönchskloster. Mit solcher strengen Subordination erreicht man, daß eine ganze Armee von der Führung eines einzigen abhängt. Der braucht, wenn er ein geschickter Feldherr ist, dann nur richtig zu denken und kann sicher sein, daß seine Ideen pünktlich ausgeführt werden.

Ordnung der Regimenter

Unter dem Worte Ordnung versieht man die Gleichmäßigkeit des Dienstes und die Genauigkeit im Exerzieren. Ist ein Regiment in guter Ordnung, dann muß eine Kompagnie der andern ähneln, dann muß Körperhaltung, Ausrüstung, Kleidung, ja selbst die Haltung der Waffen gleich sein. Die Ordnung stellt Exaktheit in den Bewegungen und Kriegsmanövern her und erstreckt sich auf alles, was in der Taktik mechanisch ausgeführt wird. Sie umfaßt gleichzeitig den Wachdienst für Posten und Patrouillen, die Pflichttreue des Offiziers, das Revidieren der Quartiere und Lazarette, alles so, wie es in den militärischen Reglements angeordnet ist, abgesehen von einigen kleinen Änderungen im Exerzieren, die ich eingeführt habe. Da ich die militärischen Reglements hier nicht abschreiben will, so verweise ich Euch darauf. Nur so viel bemerke ich: es ist notwendig, daß der Herrscher selbst ein Regiment führt, es in Zucht und Ordnung hält und es selber exerziert. Damit gibt er der Armee nicht nur ein Beispiel, sondern lernt auch selbst Fehler sehen und verbessern, und kann die Offiziere unterweisen, wie sie die Truppen ausbilden, in Ordnung halten und exerzieren sollen.

Exerzierübungen und Manöver

Die Regimenter versammeln sich alle Jahre auf zwei Monate zum Exerzieren. Diese Übungen haben lediglich den Zweck, die Soldaten auszubilden und ihnen Gewandtheit beizubringen. Ich habe den Brauch eingeführt, nach Ablauf der Exerzier<174>zeit die Truppen nach Provinzen in Lagern zu versammeln und manövrieren zu lassen, um die Offiziere heranzubilden und sie in der Übung der Truppenführung zu erhalten. Ich habe die Taktik zu vervollkommnen gesucht und die Truppen in den verschiedensten Evolutionen geübt, im Aufmarsch nach rechts oder links, nach der Mitte und aus verschiedenen Kolonnen, damit sie sich schneller formieren lernten als alle Truppen der Welt. Ich habe die Offiziere geübt, das Gelände zu beurteilen und richtig zu be-setzen, besonders sich die Flanken zu sichern. Ich habe sie dazu erzogen, im Geschwindschritt auf den Feind loszugehen, ohne zu schießen, nur mit dem Bajonett. Denn man wird den Feind bei kühnem Angriff unfehlbar in die Flucht jagen und viel weniger verlieren als bei langsamem Vorrücken. Eine Schlacht gewinnen, heißt, den Gegner zwingen, Euch seine Stellung zu überlassen. Geht Ihr ihm langsam entgegen, so bringt sein Feuer Euch starke Verluste bei. Rückt Ihr im Geschwindschritt gegen ihn vor, so schont Ihr Eure Soldaten. Eure feste Haltung schlägt ihn und zwingt ihn zu wilder Flucht. Ich habe auch die drei Glieder der Infanterie gleichmäßig ausgebildet. Sie marschieren alle auf ein Wort auf, und die beiden Hinteren Glieder sind ebensogut gedrillt wie das erste. Das ist um so nötiger, als das erste Glied im Kriege starke Verluste erleidet und die beiden anderen bald an seine Stelle treten. Dann aber ist zu ihrer Ausbildung keine Zeit mehr, es muß also vorher geschehen.

Ich habe die Kavallerie geübt, alle Arten von Attacken ungestüm zu reiten, in jedem Gelände zu kämpfen, sich geschwind zu formieren und sich schnell wieder zu sammeln, ihre Flanken zu decken und die des Gegners zu gewinnen. Darin besieht mit wenig Worten die ganze Wissenschaft der Kavallerieführer.

Von ihnen verlange ich rasche Entschlußfähigkeit: die kann ich ihnen nicht beibringen. Man kann wohl die natürlichen Anlagen der Menschen pflegen, aber es sieht nicht in der Macht der Könige, sie nach Belieben auszuteilen. Wenn ich große Kavalleriemassen zusammenzog, habe ich mich nicht damit begnügt, sie alle Arten von Attacken reiten zu lassen. Sie mußten auch die Deckung von Rückzügen übernehmen, auf Fouragierung von Grün- und Trockenfutter gehen und in verschiedenstem Gelände Arrieregardengefechte liefern. Ich habe sie von Husaren angreifen lassen, die bei uns während des Feldzugs den kleinen Krieg führen und in der Schlacht den Dienst der schweren Kavallerie versehen. Alle diese Dispositionen muß der König-Connetable selber entwerfen und auf ihre sorgfältige Ausführung halten. Wäre er nicht zugegen, so ließen die Generale sich gehen, und ihre Nachlässigkeit hätte zur Folge, daß die Armee bei den Manövern nichts lernte und die Zeit der Lagerübungen ungenutzt verstriche.

Artillerie

Die Artillerie erheischt in Friedenszeiten die gleiche Aufmerksamkeit wie die Kavallerie und Infanterie. Ich wiederhole nicht, was ich über die Auswahl der Offiziere gesagt habe. Die Artillerieoffiziere müssen vor allem das Ingenieurwesen studiert<175> haben und die allen Artilleristen Europas eigene Laune ablegen, zur Unzeit Schwierigkeiten zu machen.

Die Artillerie wird zu Schlachten und Belagerungen ausgebildet. Was die Schlacht betrifft, so übt man die Kanoniere im Laden, Zielen und raschen Schießen mit den kleinen Feldlanonen. Sie müssen sie ebenso geschwind ziehen175-1, wie die Infanterie marschiert. Was die Belagerungen angeht, so gewöhnt man sie, gut zu zielen und mit Kanonen jeden Kalibers auf Entfernungen von 12 000 bis 600 Schritt nach der Scheibe zu schießen. Dann läßt man Rikoschettbatterien errichten, um die Linien eines zu diesem Zwecke aufgeführten Polygons der Länge nach zu bestreichen. Die Kanoniere müssen lernen, ihre Batterien in einer Nacht zu erbauen und richtig abzuschätzen, wieviel Pulver zu Rikoschettschüssen gehört, um die Kugel zum Aufprallen zu bringen. Die Haubitzen sind dazu geeigneter. Ich ziehe sie den Kanonen vor. Desgleichen werden die Bombardiere ausgebildet, Bomben aufverschiedene Entfernungen an einen bestimmten Punkt zu werfen. Ich habe die Zimmerleute der Regimenter dem Artilleriekorps angegliedert, damit das Geschütz in der Schlacht besser bedient wird, und vor allem, um die Zahl der Artilleristen zu vermehren, die den Bedürfnissen des Heeres keineswegs entspricht. Desgleichen werden die Kanoniere in den Festungen exerziert, damit sich jeder auf sein Handwerk versieht. Ich habe zwei Mineurkompagnien errichtet, die alle Jahre entsprechende Übungen machen müssen. Man läßt sie gegeneinander arbeiten, damit sie lernen, den zurückgelegten Weg unter der Erde zu beurteilen und ihre Mine zur rechten Zeit springen zu lassen. In Bergen op Zoom175-2 haben sich alle französischen Mineure darin getäuscht. Sie ließen ihre Minen voreilig springen, und so wurden die der Feinde nicht zerstört. Auch läßt man Minen herstellen und laden. Man unterrichtet die Mineure über die verschiedenen Wirkungen des Pulvers, über die richtige Abmessung des Pulvers und der Verdämmungen beim Minenbau, damit die Mine beim Springen den beabsichtigten Erfolg erzielt.

In allen diesen Zweigen der Kriegskunst bedarf es fortwährender Übung. Wird nicht jeder in Friedenszeiten für das vorgebildet, was er während des Krieges leisten soll, so hat man lauter Menschen, die nur den Namen eines Berufes tragen, ihn aber nicht auszuüben wissen.

Pioniere

Mir fehlt ein Pionierkorps. Ich bin entschlossen, es zu bilden, sobald ich die Mittel dazu besitze. Ich möchte zwei Kompagnien haben, jede zu 140 Mann, 10 Unteroffizieren und 4 Offizieren. In dieses Korps sind Zimmerleute, Tischler, Schmiede usw. einzustellen. Es muß in Friedenszeiten ausgebildet werden, alle Arten von Erdarbeiten herzustellen, genau der Ausbildung der anderen Soldaten entsprechend.

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Festungen

Die Fürsorge des Königs-Connetable beschränkt sich nicht bloß darauf, die Truppen in guter Ordnung zu erhalten. Er muß sein Augenmerk auch all den großen Einrichtungen zuwenden, die die Ruhe seiner Staaten sichern und zur Führung eines Angriffs- oder Verteidigungskrieges notwendig sind. In erster Linie rechne ich dazu die Unterhaltung der Festungen und ihre Verproviantierung.

Die festen Plätze sind wie mächtige Nägel, die die Provinzen des Herrschers zusammenhalten. Im Kriege dienen sie als Stützpunkte der Armee, die in ihrer Nähe sieht. Sie sind die Kornkammern der Truppen. Ihr starker Befestigungsgürtel schirmt die Magazine, die Kranken und Verwundeten und die Munition der Armee. Die Grenzfestungen bilden die vordersten Quartiere, wo große Korps sich versammeln können, um zu überwintern oder den Krieg in Feindesland zu tragen, oder endlich, um in Sicherheit zu lagern, während man die Vereinigung mit anderen Truppen abwartet. Ich halte es nicht für angebracht, die Zahl der Festungen allzu stark zu vermehren. Ihr Bau, ihre Unterhaltung und besonders ihre Besatzung verursachen große Kosten. Der Fall, daß neue Festungen gebaut werden müßten, würde eintreten, wenn neue Provinzen durch Eroberungen zu den alten hinzukommen. Für die Anlage ihrer Verteidigungswerte könnte man sich, glaube ich, nach unseren jetzigen Festungen richten. Sie sind von großer Verschiedenheit, je nach der Natur des Geländes und nach den Zwecken, die man an den verschiedenen Orten verfolgt, sei es, daß man einen Einfall der Feinde fürchtet oder selbst in ihr Gebiet einfallen will. Die Hauptregeln bei der Anlage von festen Plätzen sind folgende.

Das Gelände, das man befestigen will, ist richtig zu benutzen durch Anlage geeigneter Werke, die von keiner Höhe beherrscht werden dürfen und sich mit ihren Flanken gegenseitig Hilfe leisten können. Es ist ein großer Fehler der Ingenieure, die Werke allzuweit in die Ebene vorzuschieben und sie so weitläufig und zahlreich zu bauen, daß zu ihrer Verteidigung eine ganze Armee nötig ist. Die große Kunst besieht darin, mit wenig Mitteln beträchtliche Wirkungen zu erzielen. Wie ein Kleid, das gut sitzen soll, sich der Figur des Bestellers genau anschmiegen muß, so müssen auch die Werke eines gut befestigten Platzes der Ausdehnung der Stadt entsprechen, die sie umgeben, und der Besatzung, die zu ihrer Verteidigung bestimmt ist. Wer dieses Verhältnis nicht beachtet, gerät in die mißliche Lage, daß er in kleinen Städten weder hinreichende Deckung für eine starke Besatzung findet, noch genügend Platz für die riesigen Proviant- und Munitionsmagazine, die eine große, mit Truppen angefüllte Festung<177> erfordert. Durch viele starke Besatzungen wird auch das Heer geschwächt und ist dann fast außerstand, im Felde zu operieren.

Prüfen wir also, welche Verteidigungsmittel anzuwenden sind, um mit wenig Mitteln eine gute Verteidigung zu erreichen. Ich finde vor allem zwei. Beide Elemente, Wasser und Feuer, jedes an der richtigen Stelle gebraucht, legen dem Belagerer die größten Schwierigkeiten in den Weg und schonen die Truppen des Belagerten sehr. Das Wasser benutzt man zu Überschwemmungen und Außengräben. Findet man ähnliche Becken wie das von Neiße, so kann man Außengräben, Schleusen und Überschwemmungen so anlegen, wie ich es getan habe. Bei Wassermangel muß man seine Zuflucht zum Feuer nehmen und den gedeckten Weg, das Glacis und die Werke gut minieren. Minen ziehen eine Belagerung sehr in die Länge und verteidigen den Platz besser als Festungswerke. Sie zwingen den Feind zu vorsichtigem Handeln, und sind sie in Höhe des Wasserspiegels angelegt, so kann er sie unmöglich zerstören. Eine gut angelegte Mine soll dreimal springen können: zunächst die Flattermine, dann die Kammer, die zehn Fuß unter der Erde liegt, und schließlich die eigentliche Mine, die sich oft in einer Tiefe von 25 und mehr Fuß befindet. Oft werden auch Haupt- und Zweigstellen gebaut, um die Galerien dem Feinde möglichst weit entgegenzutreiben. Als Muster für Minenanlagen können die auf dem Fort Preußen in Neiße und alle in Schweidnitz gelten.

Die Glacis der festen Plätze an den Grenzen der Kaiserin-Königin müssen noch besondere Verteidigungseinrichtungen erhalten. Das geschieht durch bombensichere Kaponnieren, die man am einspringenden Winkel des gedeckten Weges anlegt und mit je einem Unteroffizier und zwölf Mann besetzt. Solche Anlagen zur Bestreichung des Grabens bewähren sich vortrefflich bei Überfällen, die von leichten Truppen, Panduren und Kroaten bisweilen recht dreist versucht werden. Was die Festungswerke selbst betrifft, so glaube ich, die besten sind die doppelten gedeckten Wege, ähnlich wie in Wesel, die schmalen Enveloppen, die Ravelins mit Grabenscheren und zurückgebogenen Flanken, die Bastionen mit zurückgebogenen Flanken, an denen man Plätze freiläßt, von wo aus das Geschütz ungesehen den Graben bestreichen kann. Ich muß hier eine Erfindung hinzufügen, die ich in Glatz habe ausführen lassen. Sie besieht darin, daß man das Glacis nicht in geraden, sondern in gebrochenen Linien führt, um es vor der Längsbestreichung zu sichern. Traversen geben niemals hinreichenden Schutz dagegen. Ich glaube auch, daß Glatz zum Muster für Außenwerke genommen werden kann. Diese Anlagen sollen verhindern, daß die Festung von den umliegenden Höhen beherrscht wird. Was die Höhen um eine Stadt betrifft, so möchte ich niemals zu ihrer Befestigung raten. Wenn sie nicht aus Felsen bestehen, ist es billiger, den Gipfel allzu naher Berge abzutragen und Einsenkungen, die dem Gegner als Ansatz zu Laufgräben dienen könnten, auszufüllen, als eine Ebene bis ins Unendliche zu befestigen. Mit diesen Mitteln kann man gute Festungen anlegen und behält doch starke Armeen im Felde.

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Womit man eine Festung ausrüsten muß

Sind die Werte vollendet, so muß die Festung mit allem ausgerüstet werden, was zu einer Belagerung nötig ist. Liegt sie an der Grenze, so ist sie zur Verteidigung einzurichten und gleichzeitig mit Lebensmitteln und Munition zu versehen, um die Unternehmungen Eurer Armee gegen Eure Feinde zu erleichtern. Was den ersten Punkt betrifft, so können die Festungswerke als die geringste Ausgabe betrachtet werden. Alsdann sind große Kasernen zur Aufnahme zahlreicher Truppen zu errichten und mit Betten und anderen erforderlichen Utensilien auszustatten. Auch kann ein großes Lazarett zur sicheren Unterbringung der Kranken und Verwundeten erbaut werden. Ein Zeughaus mit zahlreichem Geschütz ist nötig, mit Zwölf, und VierundzwanzigPfändern für die Wälle, mit Drei- und Sechspfündern für den gedeckten Weg und mit Mörsern im Verhältnis zu den Werken. Der Bau der Pulvermagazine erfordert nicht weniger Aufmerksamkeit und Kosten. Gewöhnlich legt man sie in die Schultern der Ravelins an die Stelle, wo man am wenigsten einen Angriff befürchtet. Größere legt man sogar dicht bei Flüssen an und baut die Mauern auf der der Stadt abgewandten Seite schwächer, damit eine etwaige Explosion der Stadt und den Befestigungen nichts schaden kann. Sind die Werke einer Stadt mit Minen versehen, so braucht sie viel mehr Pulver als eine Festung ohne unterirdische Verteidigungsan, stalten. 8 000 Zentner Pulver sind für eine Stadt von mittlerer Größe nicht zuviel. Man rechnet 1 000 Kugeln auf das Geschütz, 500 Bomben auf jeden Mörser und einige Millionen Gewehrkugeln für das Infanteriefeuer. Alles in allem gerechnet, braucht der einzelne Mann der Besatzung 1800 Schüsse. Ebenso rechnet man drei Gewehre pro Kopf. Die Artilleriemagazine sind zu füllen mit Schwefel, Salpeter, Lunten, Blei, Eisen, Teer, Seilen, Hacken, Bellen, Schaufeln, Ersatzlafetten, Sattel, wagen, Sturmhaten und all den Werkzeugen, deren eine belagerte Stadt zu ihrer Ver<179>teidigung bedarf. Zu erbauen ist ferner ein großes Vorratsmagazin, das wenigstens so viel Mehl enthalten muß, um die Besatzung ein Jahr lang zu ernähren.

Das sind ungefähr und in großen Zügen die Haupterfordernisse für eine Festung. Handelt es sich um einen sogenannten Waffenplatz, von dem aus man einen Angriffskrieg unternehmen will, so müssen die Mehlmagazine beträchtlich genug sein, um den Unterhalt von 60 000 Mann auf vier Monate zu decken. Ferner muß ein Park von Belagerungsartillerie aufgestellt werden, bestehend aus 25 Mörsern, 30 Vierundzwanzigpfündern, 20 Zwölfpfündern und 12 Haubitzen mit doppelt soviel Kugeln, als zur Verteidigung eines Platzes gebraucht werden. Die Armee braucht 8 000 Zentner Pulver, einige Millionen fertiger und geladener Kartuschen, 30 bis 40 Pontons mit ihren Wagen, 15 000 bis 20 000 Gewehre, Schabracken, Sättel, Pistolen, Säbel, Zaumzeuge, Koppel, Patronentaschen usw., damit der Platz die Armee im Felde mit allem Erforderlichen versehen kann.

Wenn alle diese Vorbereitungen nicht im voraus getroffen sind, so bezahlt man im Bedarfsfall das Doppelte und bringt sie nicht zur rechten Zeit und an dem bestimmten Orte zusammen. Der Heerführer wird immerfort in seinen Unternehmungen aufgehalten, kann seine Vorteile nicht ausnutzen und wird nur einen schlechten und unglücklichen Krieg führen.

Waffen- und Gcschützmagazine für die Armee

Unsere Magazine für die Feldarmee befinden sich großenteils in Berlin, Breslau, Magdeburg und Stettin. Vorhanden sind 100 Schüsse pro Mann in jeder ProvinzHauptstadt für die dort in Quartier liegenden Truppen. Die Feldartillerie besieht aus zwei Dreipfündern für jedes Infanterie- und Grenadierbataillon. Sie ist auf Berlin und Breslau verteilt. Zu ihr gehört ein Part von schwerer Artillerie zur Verwendung im Felde, besonders in Schlachten, von kleinen Mörsern und einigen Haubitzen mit aller dazugehörigen Munition. 100 Kugeln pro Geschütz betrachten die Artilleristen als hinreichend für zwei Feldzüge. Ich lasse gegenwärtig an der Vermehrung dieser Munition arbeiten, um sie zu verdoppeln und so für alle Fälle gerüstet zu sein. Wir haben ferner drei Pontonbrücken, die größte in Berlin, die zweite in Magdeburg und die dritte in Neiße. Alles Blei, das in Berlin war, ist in Kugeln umgegossen. Ich habe die Festungen damit versehen und in der Hauptstadt nur so viel zurückbehalten, als für die Regimenter der Provinz und den Bedarf der Artillerie notwendig ist. Man muß sich im voraus mit Blei versorgen. Am billigsten kauft man es im Harz. Kanonenkugeln und Bomben werden bei uns nicht in genügender Menge hergestellt. Ich lasse sie aus Schweden kommen.

In Berlin ist ferner das allgemeine Magazin für die Armee. An Waffen und sonstigem Bedarf befinden sich im Zeughaus gegenwärtig 21 000 Gewehre (20 000 mehr sind nötig), Sättel für 3 000 Reiter, Koppel für acht Regimenter, Patronen<180>laschen, Säbel, Wehrgehänge usw. Das ist aber nur der Anfang des für die Armee erforderlichen Magazins, von dem ich bald noch zu reden haben werde. Wird eine beträchtliche Truppenvermehrung geplant, so sind dafür Vorbereitungen zu treffen und im voraus für die Kavallerie wie für die Infanterie Waffen, Säbel, Wehrgehänge, Patronentaschen, Pistolen, Sättel, Zaumzeug, Steigbügel, Gebisse, Koppel aufzuspeichern. Werden solche Vorkehrungen beizeiten getroffen, so wird der Krieg, wenn man ihn führen muß, weniger kostspielig, und das Verlorene läßt sich schneller ersetzen, als wenn man sich nicht im voraus gerüstet hat.

Das Ökonomiedepartement und die Beschaffung der Ausrüstung, Uniformen und Pferde

Die Bekleidung der Kavallerie, Infanterie und Husaren und das Geld, das der Staat für die Remonten bezahlt, gehört zu den drei Kassen, deren Leitung Generalleutnant von Massow180-1 hat. Die Uniform der Infanterie kostet jährlich 503 650 Taler. Für die Kavallerie180-2, Dragoner und Husaren bezahlt der Staat 255 686 Taler. Daran werden 40 000 Taler gespart. Die Remonten bezahlt der Staat mit 214 258 Talern. Die vakanten Rationen bringen 88 103, also beträgt die Ersparnis 127 000 Taler. Auf diese Weise werden bei den drei Kassen jährlich gut und gern 152 000 Taler erspart. Daraus hat sich ein Fonds von 668 000 Talern gebildet, aus dem der Armee Pferde für zwei Feldzüge geliefert werden können, und ein zweiter von 100 000 Talern, mit denen die Überzähligen beritten gemacht werden. Außerdem hat die Kasse für 100 000 Taler Kriegsbedarf an das Armeemagazin geliefert. Die Komplettierung dieses Magazins wird noch 300 000 Taler kosten. Außer obiger Ersparnis besitzt die gesamte Infanterie eine Reserveuniform. Das ist keine Knauserei, sondern kluge Vorsicht, um den letzten Taler in der Tasche zu haben und nicht die Waffen vor einem mächtigen Feinde sirecken zu müssen, der mehr Hilfsquellen besitzt und den Krieg nur in die Länge zu ziehen braucht, nach Art von Leuten, die einen Prozeß verschleppen, um ihren Gegner mattzusetzen und ihn zur Aufgabe des Kampfes zu zwingen, da er ihn aus Mangel an Mitteln zur Bestreitung der Kosten nicht fortsetzen kann.

Das Kriegskommissariat

Das Kriegskommissariat bildet die Grundlage der Armee: es ernährt sie. Zu dem Zweck habe ich außer den Getreidemagazinen, die für das Land in schlechten Jahren bestimmt sind180-3, in allen Provinzen Vorratsmagazine für das Heer eingerichtet. Der ganze Vorrat besieht aus 53 000 Scheffeln. Mit 40 000 Scheffeln kann man<181> 100 000 Menschen 17 Monate und 3 Tage ernähren. Die Getreidemagazine sind auf die festen Plätze und die Städte am Laufe der großen Flüsse verteilt, können also, nach welcher Seite der Krieg sich auch wendet, mühelos dorthin geschafft werden. Zwei Drittel dieser Magazine bestehen aus Mehl, weil es sich besser hält als Getreide und man in Kriegszeiten nicht Mühlen genug findet, um die erforderliche Menge für das Heer zu mahlen. Das letzte Drittel besieht aus Korn, das im Falle einer Haferteuerung als Pferdefutter zu verwenden ist. Der Kornvorrat wird alle drei Jahre ausgewechselt, damit er nicht schlecht wird. Dank dieser Maßnahme werden unsere Magazine nie durch Hitze, Mäuse und Ungeziefer verdorben.

Das Kommissariat führt die Aufsicht über die Proviantwagen der Regimenter. Um eine richtige Vorstellung davon zu geben, entwerfe ich eine gedrängte Schilderung unserer Provianteinrichtungen im Kriege. Ist eine etwas längere Unternehmung geplant, so bekommt jeder Soldat für 6 Tage Brot. Die Kompagniewagen führen Brot für weitere 6 Tage mit. Außerdem hat das Kommissariat Wagen, deren jeder drei Tonnen Mehl befördert. Die Wagen sind auf Königsberg, Berlin und Breslau verteilt und reichen hin, um für 10 Tage Mehl fortzuschaffen. Es ergibt sich also: der Soldat trägt für 6 Tage Unterhalt, die Kompagniewagen für 6 Tage und der große Fuhrpark für 10: im ganzen 22 Tage. Zur schnellen Vermehrung der Depots, die man in Feindesland anlegt, wo man allenthalben Getreide findet, habe ich für jede Kompagnie Handmühlen herstellen und sie an die ganze Armee verteilen lassen. Läßt man das Getreide dreschen und von Soldaten mahlen, so kann man in acht Tagen einen Mehlvorrat für 15 Tage bekommen, der mit dem Mehl des Kommissariats vermischt gutes Brot liefert.

Außer allen diesen Fuhrwerken führen wir bei der Armee noch eiserne Backöfen für die Bäckerei mit. Im Feldzuge von 1744 besaßen wir nicht genug davon: das hat mich in große Verlegenheit gebracht. Da Erfahrung vorsichtig macht, habe ich 48 anfertigen lassen: das genügt ungefähr für ein Heer von 100 000 Mann. In den früheren Kriegen waren wir gezwungen, die Kähne der Kaufleute mit Beschlag zu belegen. Da sich aber ergab, daß der Handel dadurch zu sehr litt, schlug man mir vor, geschlossene Kähne zum Transport von Korn und Futter bauen zu lassen. 30 davon sind fertig, 140 fehlen noch. Da sie aber während des Friedens verfaulen könnten, werde ich mich damit begnügen, das nötige Zimmerholz schneiden und Herrichten zu lassen und es in einem Magazin in Küstrin zu verwahren. Im Bedarfsfalle können die Kähne dann binnen drei Wochen fertiggestellt werden.

Ferner führt das Kommissariat Listen über alle Provinzen und über die Verteilung der Artillerie- und Trainpferde, der Knechte und Trainsoldaten der Armee. Die Artilleriepferde und Lebensmittel werden vom Havelland, vom Magdeburgischen, Halberstädtischen, dem Mindener Land und von Pommern geliefert. Die Kavallerieregimenter stellen die Artillerieknechte aus ihren Kantons. Ebenso bezieht jedes Regiment seine Troßknechte aus den in die Stammrolle eingettagenen Bauern seines<182> Kantons. Desgleichen sind die Pferde in Listen eingetragen und werden jährlich zweimal vom Landrat gemustert. Die Bagagepferde für die Offiziere bereiten die größte Schwierigkeit. Ich bezahle sie den Offizieren. Da sie aber Mühe hätten, sie schnell zusammenzubekommen, so habe ich einige tausend in Mecklenburg auflaufen lassen und sie statt des Geldes den Offizieren gegeben. Das war vorteilhafter.

Münchow182-1 hat eine Einrichtung in Schlesien getroffen, die sich in dringenden Fällen als sehr nützlich erweisen wird und die man in den übrigen Provinzen nachahmen kann. Sie besieht darin, daß die Kreise in Schlesien ständig eine bestimmte Menge Hafer, Stroh und Heu in Bereitschaft halten, genug, um die Pferde einer Armee von 60 cxx> Mann vier Wochen lang zu ernähren.

Servis und Quartier in Friedenszeiten

Das Servis der Städte besteht in einer bestimmten Geldsumme, die die Bürgerschaft an die Garnison zahlt. Dafür sucht die sich ihr Unterkommen und vergütet es den Bürgern. Die ganze Armee hat zehn Monate im Jahre viele Urlauber, damit der Kapitän von dem Gelde, das er dabei gewinnt, schöne Leute im Ausland anwerben kann, um seine Kompagnie zu heben und zu rekrutieren. Wegen dieser Urlauber zahlen die Städte nur für eine bestimmte Zahl von Soldaten. Das heißt, die großen oder die Hauptstädte der Provinzen entrichten das Servis nur für 90 Mann, für die Unteroffiziere und Offiziere, und nur während der beiden Exerziermonate für die volle Truppenstärke. Die Unterbringung des Soldaten und seine Verpflegung in Friedenszeiten erfordert gute Einrichtungen. Für seinen Unterhalt muß folgendes verlangt werden. Während der zehn Monate, wo die Urlauber nicht da sind, muß er in guten Betten schlafen. Es dürfen nicht mehr als vier Mann in einem Zimmer liegen. Keiner darf im Keller oder unter dem Dach, in schmutzigen und ungesunden Löchern einquartiert werden. Jeder Soldat hat drei wachfreie Nächte. Er wirtschaftet selber und gibt am Löhnungstage fünf Groschen von seiner Löhnung an den Kameraden ab, der die Wirtschaft führt und ihn ernährt. Der Soldat kocht am Herde des Bürgers, bei dem er wohnt. Durch diese Einrichtung erhält man den Soldaten gesund, kräftig und sauber. Die Sorge für die Wirtschaft verhindert ihn, liederlich zu leben. Er ist seiner Mahlzeit sicher, kann sich nicht alle Tage in Branntwein betrinken, macht Bekanntschaften in der Kompagnie und freundet sich mit seinen Kameraden an. Er wird seltener krank, und vor allem unterscheidet sich die Art seines Unterhalts in Friedenszeiten kaum von der im Kriege; denn er ist gewohnt, selbst zu kochen und seinen Haushalt zu besorgen.

Unsere ganze Infanterie sieht in den Städten. Es liegt sehr im Interesse der Ordnung und Mannszucht, daß die Regimenter an ein und demselben Orte in Garnison<183> sind. Dann kann man die Soldaten, die sich gegen ihre Wirte ungehörig betragen, sireng bestrafen. Der Bürger hat keinen Anlaß zur Klage über den Soldaten noch der Soldat Anlaß zur Klage über den Bürger. Ebenso sieht die Kavallerie in den Städten, aber nur wenige Regimenter liegen in einer Garnison zusammen. Die Regimenter Gensdarmes, Buddenbrock, fünf Estadrons von Schorlemer und fünf von Zielen genießen diesen Vorteil. Die übrigen sind alle mehr oder minder auf die kleinen Städte verteilt. Durchaus zusammengelegt werden müßten die Quartiere der Regimenter Markgraf Friedrich, Prinz von Preußen, Bredow und der Carabiniers. Die Schwierigkeiten, die sich in den Weg stellen, sind Mangel an Futter und an genügenden Stallungen. Die Kavallerie darf für gewöhnlich sechs Wochen lang 20 Pferde jeder Eskadron auf Weide schicken. Man muß sich jedoch wohl hüten, ihr in diesem Punkte den Zügel zu locker zu lassen.

Ich habe noch nicht von den Kasernen gesprochen. Sie sind gut in bestimmten Fällen und wenn man es nicht übertreibt. Gut ist es z. B. in großen Städten zur Erleichterung der Bürgerschaft, alle verheirateten Soldaten in Kasernen unterzubringen. Daher beabsichtige ich, in Berlin für jedes Regiment eine Kaserne erbauen zu lassen, die 100 Mann beherbergen kann. Übrigens verlieren die Regimenter, wenn sie die unverheirateten Soldaten in Kasernen legen. Notwendig aber werden die Kasernen in Grenzfestungen, in denen im Kriege eine beträchtliche Truppenmacht versammelt werden muß. Dann bewahrheitet sich das Sprichwort: Not kennt kein Gebot.

Alles oben Gesagte über die Wirtschaft und die Verpflegung des Infanteristen gilt ebenso für die Kavallerie.

Notwendigkeit dieser Fürsorge

Das ist ungefähr alle Fürsorge, die das Militär in Friedenszeiten erheischt. Wenn Europa sich bei meinem Tode in Ruhe befindet, wird sich das alles leicht in dem jetzigen Gang erhalten lassen, den es durch die Gewohnheit einiger Jahre bereits angenommen hat. Der Augenblick aber, wo ein Herrscher am meisten zu tun hat, ist die Zeit nach Beendigung eines Krieges. Er allein kann dann durch sein Beispiel und durch seinen Fleiß die Truppen und alle Geschäfte in den alten Zug bringen, zumal die Einzelheiten bei sehr viel Offizieren in Vergessenheit geraten sind oder von anderen als überflüssig betrachtet werden. Dann muß der König-Connetable dafür sorgen, daß bei seinen Truppen die alte Mannszucht zurückkehrt. Er muß sie exerzieren und manövrieren lassen, muß die Offiziere, die sich vernachlässigen, bestrafen und mit seiner ganzen Herrscherautorität auf pünktliche Pfiichterfüllung dringen. Er muß darauf bedacht sein, seine Kavallerie wieder gut beritten zu machen, die Feld- und Belagerungsartillerie zu ergänzen, die Ordnung in den Kassen herzustellen, die Wirtschaft und die Quartiere der Regimenter gut zu regeln, den Fuhrpark des Kommissariats zu erneuern, die Festungen instand zu setzen und zu ver<184>proviantieren oder neue zu bauen, soviel Geld als nur möglich auf gesetzmäßigem Wege in den Schatz zu legen und alles, was die Armee betrifft, auf den alten Fuß vor dem Kriege zu bringen. Ebenso muß er sich nach dem Kriege bemühen, den Charakter der im Felde beförderten Stabsoffiziere kennen zu lernen, damit er im Falle eines neuen Krieges weiß, wozu er sie verwenden kann. Ohne dieses Menschensiudium wird der Herrscher, der seine Armee selbst befehligt, entweder genötigt, seine Generale um Rat fragen zu müssen, so oft er eine Wahl zu treffen hat, oder schlecht wählen. Der erste Fall ist bedenklich, da die Generale menschlichen Leidenschaften unterworfen sind. Im zweiten Fall überläßt er sich dem Zufall. Der Herrscher muß also alles daransetzen, die Begabung der Offiziere kennen zu lernen, damit sie, wenn er ihnen Aufträge erteilt, zu deren Ausführung befähigt und imstande sind.

Der Generalstab der Armee

Will der Herrscher seine Armee selbst kommandieren, so muß er einen Generalstab bei sich haben. Der meine umfaßt gegenwärtig ungefähr folgende Personen: einen Generalquartiermeister, einen Quartiermeisterleutnant, fünf Ingenieure oder Zeichner (das genügt für eine Armee, aber je nach der Truppenzahl ist das Doppelte oder Dreifache nötig), ferner vier Kapitäne, die den Dienst von Brigademajors versehen, einen Adjutanten, der die Einzelheiten in der Armee unter sich hat, einige Generale und Obersten für besondere Kommandos, einige Oberstleutnants und Majors, die in Kriegszeiten die Grenadierbataillone184-1 führen sollen, und einige Flügeladjutanten. Ich stelle sie außerhalb der Armee; denn nähme ich sie während des Feldzugs aus den Regimentern, so würden ihre Kompagnien und der Regimentsdienst darunter leiden. Die Kapitäne haben für Herstellung von Wegen zu sorgen, die Bagage zu beaufsichtigen, damit sie in Ordnung marschiert, auch Transporte zu führen. Außerdem sieht Oberst Retzow184-2 an der Spitze des Kommissariats, unter ihm vier Offiziere, die das Detail dieses Dienstzweiges besorgen. Alle werden im Frieden stets zur selben Arbeit gebraucht, lernen also ihren Bemf gründlich kennen und verstehen sich im Kriege darauf.

Zukunftsphantasien184-3

... Wenn man in der Lage ist, das Heer zu vermehren, worin sollen dann die neuen Aushebungen bestehen? Das kommt auf das Land an, das Ihr erobert habt. In Sachsen könnt Ihr 40 Bataillone und 40 Schwadronen unterhalten, in PolnischPreußen zwei bis drei Husarenregimenter errichten, in Mecklenburg 10 Bataillone und10 Schwadronen Dragoner....

<185>

Angesichts der mächtigen Nachbarn Preußens wäre zu wünschen, daß die Armee auf folgenden Fuß gebracht würde: 180 Bataillone Infanterie und Grenadiere, 100 Schwadronen Kürassiere und 100 Schwadronen Husaren, 4 Bataillone Felds artillerie, 4 Bataillone Garnisonartillerie, 6 Kompagnien Mineure, 4 Kompagnien Pioniere, 200 Ingenieuroffiziere; Generalsiab, Kommissariat und das übrige im Verhältnis dazu. Mit einer so zahlreichen Armee könnte der Staat nach allen Seiten Front machen und sich gegen seine Feinde mit Überlegenheit behaupten.

Ich für mein Teil habe mit allen Kräften zur Vermehrung des Heeres und zur Stärkung des Staates beigetragen. Ich glaube, daß meine Zeit vorüber ist, und hinterlasse diese Projekte der Nachwelt, damit sie nicht denkt, in Preußen sei schon alles geschehen, und damit sie sieht, daß die bestehenden Einrichtungen in allen Zweigen der Staatsregierung nichts im Vergleich zu dem sind, was noch zu tun bleibt.

Man wird mir einwenden, daß ich immer nur von der Landmacht spreche, von der Seemacht aber schweige. Bis jetzt sind die Hilfsquellen des Staates kaum ausreichend, die Armee zu bezahlen und soviel im Schatz niederzulegen, wie nötig ist, um sie vor dem Feinde manövrieren zu lassen. Es würde jetzt ein großer politischer Fehler sein, wenn man daran denken wollte, unsere militärische Kraft zu zerrütten. Die Österreicher sind unsere wahren Feinde, sie haben nur Landtruppen, und an sie müssen wir bei allen unseren militärischen Maßnahmen denken. Rußland hat in der Tat eine Flotte und eine große Anzahl von Galeeren. Aber unsere Küsten sind zu Landungen für sie nicht geeignet. Ihre Flotte kann uns nichts weiter antun, als daß sie in dem neutralen Hafen von Danzig landet und dort Truppen ausschifft, um die Verbindung zwischen den Truppen in Pommern und Ostpreußen ab, zuschneiden.

Wären wir Herren von Polnisch-Preußen und besonders von Danzig, so würde die Sache sehr anders stehen. Dann würde ich raten, an die dreißig Galeeren und einige Fähren mit ansehnlichen Batterien zu halten, wie die Schweden, die damit zwischen ihren Inseln gleichsam ein Bollwerk bilden und die Galeeren auf der Reede verteidigen. Man könnte außerdem 8 bis 10 Fregatten halten, um die Galeeren dahin zu begleiten, wo man sie braucht. Ich würde nicht raten, Linienschiffe zu bauen, weil man sie in der Ostsee wenig brauchen kann und sie unermeßliche Kosten machen. Und wozu könnte man sie verwenden? Etwa zum Kriege gegen Rußland? Was kann man in diesen öden und barbarischen Gebieten der Zarin gewinnen? Sie für uns erobern wäre Torheit; sie für andere erobern wäre recht unnütz, und wenn es geschehen sollte, so müßten die, welche dieser Eroberungen sich erfreuen wollten, ihre Schiffe und ihre Flotte dazu leihen....

Es gibt andere, notwendigere Einrichtungen, die bei uns zum Vorteil der Armee getroffen werden müssen. Sie bestehen in der Ermunterung der Salpetermanufakturen, in der Vermehrung der Pulverfabriken, damit sie jährlich 10 000 Zentner liefern können, in der Vermehrung der Bomben- und Kugelgießereien, in der<186> Hebung der Waffenfabrik, deren Leistung so erhöht werden muß, daß sie jährlich 20 000 Gewehre, 10 000 Degen und 4000 Säbel herzustellen vermag.

Nachdem ich in diesem politischen Testament von allen Zweigen der Staatsverwaltung gesprochen habe, schließe ich es mit einigen Gedanken über die Erziehung, die einem Prinzen zuteil werden muß, damit er nach seiner Thronbesteigung all diese verschiedenen Geschäfte bewältigen kann.

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Prinzenerziehung

Angesichts der schlechten Erfolge der durchschnittlichen Erziehung der Prinzen souveräner Häuser habe ich mich oft gefragt, welche Wege einzuschlagen seien zur Heranbildung eines Mannes, der würdig ist, anderen zu gebieten. Der Grund für die schlechte Erziehung, die die Söhne der Könige erhalten, ist jedenfalls in der Politik der Minister und der Selbstsucht der Geistlichen zu suchen. Die finden ihre Rechnung dabei, wenn sie die Prinzen in Furcht und Abhängigkeit aufwachsen lassen. Eifersüchtig auf ihr Ansehen und ihre Macht, möchten die Minister den Herrschern nur die äußere Repräsentation lassen. Sie selbst wollen despotisch regieren, aber ihr Herr soll sich mit der leeren Prärogative begnügen, ihre Befehle in seinem Namen zu erlassen. Um einen Prinzen von klein auf an das Joch zu gewöhnen, das sie ihm zudenken, erziehen sie ihn unter dem Gepränge der Größe und Majestät und schließen ihn von der Gesellschaft unter dem Vorwande ab, daß sein hoher Rang ihm nicht gestatte, sich zum Niveau der Sterblichen herabzulassen. Sie flößen ihm eine so törichte hohe Meinung von seiner erlauchten Geburt ein, daß er sich wie ein göttliches Wesen vorkommt, dessen Wünsche Gesetze sind und das, wie die Götter Epikurs, in ewiger Untätigkeit dahinleben soll. Sie bringen ihm die Meinung bei, daß es seiner unwürdig sei, sich mit Einzelheiten abzugeben. Er brauche nur zu sagen, es werde Licht, und es wird Licht. Seinen Bedienten komme es zu, zu arbeiten, er aber habe in glücklichem Nichtstun die Frucht ihrer Mühen zu genießen. Zu allen diesen Chimären von seiner Herrlichkeit gesellt sich der Zwang der Etikette. Seine Schritte werden mit dem Zirkel des Zeremoniells abgemessen. Seine Äußerungen und Unterhaltungen sind von seinem Gouverneur diktiert. Seine Begrüßungen richten sich sklavisch nach dem Titel derer, die er empfängt. Seine Vergnügungen sind im Etikettenbuch verzeichnet, nebst Tag und Stunde, wo er sie genießen darf. Sein Gouverneur stößt ihm großes Mißtrauen gegen sich selbst ein. Er wagt nicht das kleinste zu unternehmen, ohne um Rat zu fragen und Erlaubnis einzuholen. Schließlich macht diese fortgesetzte Gewohnheit den Zögling verlegen gegenüber der Welt, die er nicht kennt, mißtrauisch gegen seine eigenen Kräfte, scheu, furchtsam. Er wird träge, die Geschäfte langweilen ihn, und statt ein Herr zu werden, wird er ein Sklave.

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Die Geistlichen ihrerseits trachten, ihn abergläubisch und bigott zu machen. Sie suchen ihn zu einem Wesen heranzubilden, das den Gründern der Mönchsorden gleicht. Seine geringfügigsten Handlungen rechnen sie ihm zum Verbrechen an, damit sein geängstigtes Gewissen in steter Furcht vor der ewigen Höllenqual schwebe und sich desto williger von ihnen beherrschen lasse. Sie prägen ihm tiefe Verehrung für das Priestertum ein, heiligen Abscheu gegen jede andere Religion als die seiner geistlichen Erzieher. Kurz, indem sie ihm geschickt den Teufel an die Wand malen, gelingt es den Priestern, ihn nach ihrem Gutdünken zu beherrschen.

Zu den ehrgeizigen und selbstsüchtigen Plänen der Minister und Geistlichen treten die guten Absichten seiner Eltern, die ihn vollends verderben. Sie wollen ihren Sohn zum Musterbild machen. Die guten Leute begreifen nicht, daß er ein Trottel wäre, wenn er keine Leidenschaften hätte. Trotzdem wünschen sie sehnlichst, daß er leidenschaftslos sei. Sie wollen ihn zum Gelehrten erziehen und pfropfen ihm wahllos Gelehrsamkeit in den Kopf. Damit verleiden sie ihm die Wissenschaften für immer oder machen ihn zum vollständigen Pedanten. Um seine Sitten zu bessern, unterdrücken sie tyrannisch seine kleinsten Wünsche. Sie verlangen, daß er mit fünfzehn Jahren die Geistesbildung und die Reife des Urteils besitze, die die Franzosen nicht vor dem vierzigsten Jahre erlangen. Ja, er soll sich sogar in dem Augenblick verlieben, wo sein Vater es wünscht, in die Person, die er ausgewählt hat, und gegen die übrigen Frauen so kühl bleiben wie Priamos gegen die schöne Helena. Die Folge solcher weisen Erziehung ist, daß der Prinz nach dieser Bevormundung ein ganz gewöhnlicher Mensch wird und nach seines Vaters Tode als Herrscher unter der Last der Regierung erliegt.

Dergleichen habe ich während meines Lebens oft gesehen. Ja, mit Ausnahme der Königin von Ungarn und des Königs von Sardinien188-1 deren Geist über ihre schlechte Erziehung triumphiert hat, sind alle Fürsten Europas nur erlauchte Trottel.

Prüfen wir nun, auf welche Weise man einen Staatsmann heranbilden muß, der alle Pflichten der Regierung zu erfüllen vermag. Ich nehme an, daß es sich um einen Knaben handelt, der gute geistige Anlagen besitzt und kein unausrottbares Lasier auf die Welt gebracht hat. Ihm muß ein Gouverneur mit festem und mUdem Charakter ausgesucht werden, der den vorgeschriebenen Erziehungsplan genau befolgt. Die gleiche Aufmerksamkeit ist der Wahl der Bedienten zu widmen, die zu seinem persönlichen Dienste bestimmt sind, damit er in seiner Jugend nur die Eindrücke in sich aufnimmt, die er empfangen soll. Vom sechsten bis zum zwölften Jahre muß er lesen, schreiben, rechnen lernen, einen kurzen Überblick über die alte Geschichte bekommen, Geographie und die moderne Geschichte von Karl V. bis auf unsere Tage gut kennen lernen. Der Unterricht in Geographie und Geschichte darf nicht trocken und geisttötend sein. Indem man das Gedächtnis eines Kindes anfüllt, muß man<189> gleichzeitig zu seinem Verstande sprechen. Eine pedantische Lehrmethode läßt nur Tat-fachen in seinem Gedächtnis zurück. Beim geographischen Unterricht kann er gleich, zeitig über die Interessen der Fürsien belehrt werden, über die Verschiedenheit der Regierungsformen, über die Hauptzweige des Handels, den jedes Volk treibt, über seine Erzeugnisse. Auch eine Beschreibung der Hauptstädte kann gegeben werden. Beim Geschichtsunterricht kann man ihm edlen Wetteifer einflößen, es großen Männern gleichzutun, und Abscheu gegen das Andenken der Fürsien, die in Trägheit versunken sind oder sich mit Verbrechen besteckt haben. Sind solche Betrachtungen kurz und dem kindlichen Verständnis angepaßt, so schlagen sie tiefe Wurzeln und zeitigen Früchte.

Da das Heerwesen die Grundlage Preußens bildet, so muß unumgänglich die Liebe zum Waffenberuf in dem Knaben erweckt werden. Auf sehr verschiedene Weise ist dies zu erreichen. Man muß es ihm in Gestalt von Spiel und Vergnügen beibringen und vom Militär nur mit jener heUigen Ehrfurcht sprechen, mit der die Priester von ihrer geheimnisvollen Offenbarung reden. Er soll nur mit seinen Lehrern und mit Offizieren verkehren und bisweilen Dienst tun. Dann ersetzt die Gewohnheit die natürliche Neigung, falls er nicht das lebendige Verlangen, den Drang spürt, der die vom Genius Erfüllten zur Ergreifung des Berufes treibt, für den die Natur ihnen ein ausgesprochenes Talent geschenkt hat.

Nichts ist wahrer als das italienische Sprichwort: die Fehler der Väter sind für die Kinder verloren. Jeder, der zur Welt kommt, scheint seinen kleinen Tribut an Torheiten bezahlen zu müssen. Daher ist es besser, der Knabe zahlt seinen Tribut und wird dafür bestraft, bevor er den Thron besteigt, als daß er auf Torheiten verfiele, während er seinem Volke das Beispiel der Weisheit geben soll. Deshalb wünschte ich, daß man dem Knaben die Freiheit ließe, alles zu tun, was er will, daß sein Gouverneur ihm nicht überall nachfolgte, aber seine Streiche tadelte oder streng bestrafte. Dann würde er Selbstbeherrschung lernen und aus Furcht vor den ihm drohenden Demütigungen auf eigene Kosten klug werden. Neigt er zum Jähzorn, so ist durch häufige Bestrafung dahin zu wirken, daß er Herr seiner ersten oder wenigstens seiner zweiten Wallung wird. Neigt er zu Verschwendung, so ist das ins Lächerliche zu ziehen und er ist mit Vernunftgründen zur Sparsamkeit anzuleiten. Liebt er Jagd, Musik, Tanz, Spiel usw., so möchte ich ihm diese Leidenschaften, einerlei, um welche es sich handelt, nicht verwehren, sondern ihn so viel davon kosten lassen, daß er sie selbst satt bekommt. Dann behält er das Vergnügen daran, und nur die Leidenschaft vergeht. Die Hauptsorge seiner Umgebung muß darin bestehen, sein Herz zu bilden. Er sei dankbar für geleistete Dienste, zärtlich gegen seine Freunde, voller Mitleid gegenüber dem menschlichen Elend, erfüllt von seelischem Schwung, von Edelmut, Hochherzigkeit und dem rühmlichen Ehrgeiz, der die edlen Geister treibt, ihresgleichen an Tugend zu überbieten. Vor allem aber wünschte ich, daß er menschenfreundlich, mild, der Gnade zugänglich und tolerant würde. . . .

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Hat der Knabe sein dreizehntes Jahr erreicht, so ist sein Studienkreis zu erweitern, und der Unterricht in Moral, Physik, Metaphysik, in den Elementen der Mathematik und besonders in der Befestigungslehre ist hinzuzufügen. Ich rede nicht von den Lehrern, die er für die Ausbildung des Körpers erhalten muß. Es versieht sich von selbst, daß er tanzen, fechten und reiten lernt. Es wäre gut, ihn die ganze militärische Stufenleiter durchlaufen zu lassen. Dann lernt er durch eigene Erfahrung, was der Dienst von einem jeden verlangt, und kann in vorgerückterem Alter alle in der Jugend erworbenen Detailkenntnisse nützlich verwerten.

Auf diese Weise wird der junge Prinz wie ein Privatmann, ohne Eitelkeit, ohne Prunk erzogen. Da er von klein auf an den Verkehr mit Offizieren gewöhnt ist, die nach seiner Thronbesteigung seine Generale werden, so nimmt er das Gefühl für Ehre und Redlichkeit, das besonders dem Waffenhandwerk eigen ist, durch seinen Umgang in sich auf. Für seine Ausgaben kann ihm eine mäßige Summe angewiesen werden, über die er selbst Buch führt. Er ist anzuhalten, Rechnung zu legen, in geregelten Verhältnissen zu leben und in allem, was er tut, Ordnung zu halten. Die Menschen handeln im kleinen fast immer so, wie sie im großen handeln würden, wenn sie ihre eigenen Herren wären: Trajan war der gleiche als Bürger wie als Kaiser. Vitellius, der Genosse Neros in seinen Ausschweifungen, war auch der lieberlichste Mensch auf dem Thron der Cäsaren. Aus diesen Gründen ist es notwendig, den jungen Prinzen in den Einzelheiten seiner Wirtschaft und seiner Haushaltung, seines Privatlebens und seiner Beschäftigung an den Fleiß und die Tugenden zu gewöhnen, die man von ihm erwartet, wenn er den Staat regieren soll. Die Gewohnheit besitzt Herrschermacht über die Menschen. Sie kann sie ebenso zum Guten wie zum Schlechten führen. Eines der Hauptverdienste richtiger Erziehung besieht darin, die Kinder an ihre Pflichten zu gewöhnen. Damit läßt sich der Mangel natürlicher Talente ersetzen — und was liegt den Völkern im Grunde daran, ob der Herrscher aus Gewohnheit oder aus guter natürlicher Anlage tüchtig regiert, wenn er nur seine Pflichten erfüllt?

Der Prinz muß das Französische beherrschen und sich so ausdrücken, wie man in der guten Gesellschaft spricht. Wünscht man, daß er Sprachen lerne, so ist Lateinisch und Polnisch für ihn wohl am nötigsten. Aber meiner Ansicht nach darf er mit diesem Studium nicht allzusehr ermüdet werden.

Nicht minder gut ist es, wenn er zur Aufmerksamkeit und Höflichkeit erzogen wird, zumal der Mangel an Höflichkeit den Fürsien mehr Feinde macht als der wirkliche Schaden, den sie stiften.

Je mehr der Prinz heranwächst, desto größere Freiheit muß er erhalten, damit er im Umgang mit aller Welt die Menschen kennen lernt und sie über die Staatsbeamten reden und urteilen hört. Nur auf eins ist zu achten: man muß verhindern, daß er viel in schlechter Gesellschaft verkehrt und sich mit anrüchigen Leuten von beflecktem Ruf und allzu liederlichen Sitten einläßt. . . .

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Mit zwanzig Jahren soll der Prinz vollständig aus der Vormundschaft entlassen werden. Es ist dann anzunehmen, daß er mit Strenge erzogen, oft wegen seiner Fehler getadelt und bestraft, wegen seines Stolzes gedemütigt, wegen seiner Indiskretionen bloßgestellt, wegen seiner Spöttereien verspottet, wegen seiner Schroffheiten gestraft, wegen seines mangelnden Fleißes gerügt ist und vor allem, daß seine sämtlichen Fehler gebessert sind. Ist er ins mannbare Alter gekommen, so müssen ihm klare Vorstellungen gegeben werden: von der Form der Regierung, der Verfassung des Landes, von den allgemeinen Interessen des Staates, der Kriegskunst und besonders von den Pflichten eines Heerführers, von der europäischen Politik, der Kunst der Diplomaten, von der Einrichtung der Finanzen, der Manufakturen, des Handels, von der öffentlichen Ordnung und den Gesetzen, die die Grund, lage der Rechtspflege bilden. Alles ist gewonnen, wenn man ihm Geschmack an der Lektüre beibringt. Man lernt nie so gut von Lehrern als durch eigenes Studium, und die Unterhaltung mit den Toten, die man nicht der Selbstsucht beschuldigen kann, macht tieferen Eindruck als die mit unseren Zeitgenossen. An der Lektüre guter Bücher über Politik, Philosophie, Geschichte, Kriegskunst und Literatur kann ein Prinz sich bilden und Kenntnisse erwerben, die für ihn notwendig sind. Besonders aus der Geschichte kann er im voraus erfahren, wie die Nachwelt eines Tages über ihn urteilen wird.

Hat er die niederen Grade der militärischen Stufenleiter durchlaufen, so erhält er ein Regiment, für das er wie ein Berufsoffizier die Verantwortung tragen muß. Alles muß er selber tun und sich um das geringste Detail kümmern. Darauf soll der Prinz mit dem Herrscher alle Provinzen des preußischen Staates bereisen, um alle verschiedenen Landesteile, die Festungen, Truppen, Offiziere, die Finanz- und Justizbeamten und den Adel kennen zu lernen. Sonst regiert er dereinst als Unbekannter über Unbekannte.

Ohne sehr triftige Gründe scheint es mir verkehrt, einen Prinzen zu jung zu vermählen. Zum mindesten muß er die ersten Jugendstreiche hinter sich haben und imstände sein, sich vernünftig zu betragen. Die üblen Folgen verfrühter Heiraten sind diese: Die Fürsten werden sehr schnell ihrer Gemahlinnen überdrüssig. Wenn sie Thronerben haben, erreichen diese das Mannesalter, während der Vater noch jung ist, und werden der langen Thronfolgerschaft oft müde. Wahrlich, es muß alles zu seiner Zeit geschehen! Wenn ein Prinz im Alter von fünft bis sechsundzwanzig Jahren heiratet, ist es weder zu früh noch zu spät. Vermählt man ihn aber, während eben der erste Flaum sein Kinn schmückt, so kann es nur eine schlechte Ehe geben.

Ich möchte nicht dazu raten, den präsumptiven Thronerben ins Ausland reisen zu lassen. Seine Untertanen wünschen, daß er die Sitten und Gebräuche seines Landes annehme und nicht fremde Gewohnheiten. Und in politischer Hinsicht sieht es fest, daß alle Welt danach trachtet, den Erben einer Krone kennen zu lernen. Man würde im Ausland also alles aufbieten, um ihn für sich zu gewinnen und ihm Vor<192>urteile zugunsten dieser oder jener Nation einzuflößen. Schmeichler würden seinen Charakter, ja selbst seine Sitten verderben, womöglich auf Weisung ihrer eigenen Herrscher. Nur allzu früh würde der Charakter des künftigen Herrschers bekannt werden, und die anderen Höfe hätten die Möglichkeit, seine Schwächen auszunutzen, sobald er den Thron besteigt, oder ihm wenigstens allerlei Vorurteile beizubringen, die späterhin dem Staatswohl schaden könnten. Aber die verderblichste Folge seiner Reise wäre die, daß der Prinz Geschmack an Verschwendung gewönne und, sobald er König wird, darauf verfiele, den großen Herrn zu spielen und über seine Verhältnisse zu leben.

Ihr seht, daß die von mir vorgeschlagene Erziehung nicht den Zweck verfolgt, einen Theaterkönig heranzubilden, sondern einen König von Preußen, der sich nach seiner eigenen Einsicht zu richten vermag, der auf eigene Kosten klug und verständig geworden und geistig reif ist, wenn er zum Throne gelangt. Aus diesen Gründen rate ich, ihn wie einen Privatmann zu erziehen, der sich sein Glück selber schmieden muß, und ihn fern von Hoheit und Prunk aufwachsen zu lassen, damit er nicht die dreiste Anmaßung und den unerträglichen Hochmut besitze, den die Söhne der kleinen deutschen Fürsten haben. Aus denselben Gründen verlange ich, daß er an ein arbeitsames, tätiges und einfaches Leben gewöhnt und daß der Same der Tugenden, den die Natur in ihn gelegt hat, in ihm großgezogen werde. Indessen bin ich weit entfernt, zu behaupten, daß ein Prinz bei solcher Erziehung nicht irgendwelche Fehler habe. Er muß nur, wie Heinrich IV. sagte, genug hervorragende Eigenschaften besitzen, um ein kleines Laster zu verdecken. Sind die nicht die vollkommensten Menschen, die am wenigsten Um Vollkommenheiten besitzen?

Ich wage zu behaupten, man wird nur einen mittelmäßigen Prinzen aus dem präsumptiven Thronfolger machen, wenn man den von mir vorgeschlagenen Erziehungsplan nicht befolgt. Will man ihn in der Art von Königssöhnen erziehen, so wird der Prinz nur ein erlauchter Müßiggänger sein, ein Götzenbild, dem die Öffentlichkeit Weihrauch streut. Er wird sich aus Langeweile einem verschwenderischen Leben ergeben, angeekelt die Geschäfte fliehen, weder seine Völker noch die Menschen kennen lernen und sich selber nicht kennen, aber alle Leidenschaften besitzen, außer denen, die den Herrschern anstehen. Solcherart gibt es Viele auf der Welt, die für rechtschaffene Leute und Mitglieder der guten Gesellschaft gelten. Was aber bei einem Privatmann nur ein Fehler ist, wird bei einem König zum Laster.

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Es erschien mir ratsam, diesem politischen Testament eine Abhandlung über die Kriegskunst193-1 anzuschließen, die sich mit der Taktik und den Evolutionen der preußischen Truppen befaßt. Ich habe sie vor vier Jahren verfaßt, aber aus Furcht vor Mißbrauch keinem Menschen in die Hand gegeben. So füge ich sie denn dem heute vollendeten Testament bei, um hier alles zusammenzufassen, was die Regierung Preußens in Krieg und Frieden betrifft.

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118-1 Samuel Freiherr von Cocceji.

118-2 Vgl. Bd. III, Kap. I.

120-1 Vgl. Bd. II, S. 18. 19.

121-1 Im Testament von 1768 sagt der König: „Wir haben weder ein Mexiko noch ein Peru und keine auswärtige Niederlassung, deren Handel den Besitzer bereichert. Preußen hat seine Hilfsquellen nur in sich selbst, ziemlich unfruchtbaren Boden, arme Einwohner. Dessenungeachtet ist das Land durch große Ordnung und Gewerbefieiß imstande gewesen, einen harten verderblichen Krieg gegen die größten Monarchen Europas zu führen; nach sieben Jahren der Unruhe fanden sich Österreich, Frankreich und England von Schulden belastet, während wir keine hatten und uns noch Mittel genug blieben, die zerstörten und halb verödeten Provinzen wiederherzustellen.“

121-2 Die Kriegs- und die unten genannte Domänenkasse unterstanden den Kriegs, und Domänenkammern. Diese, eine Schöpfung König Friedrich Wilhelms I., bildeten die oberste Verwaltungsbehörde der Provinz, wie das Generaldirettorium die Zentralbehörde der Monarchie.

121-3 Eine Grundsteuer, verbunden mit einer Kopf- und Gewerbesteuer, die von den Landbewohnern ohne Grundbesitz bezahlt wurde.

122-1 Sie war eine indirekte Steuer und wurde von den Städten bezahlt.

124-1 Johann Philipp Graumann wurde 1750 aus dem Braunschweigischen als Münzdirektor nach Berlin berufen. Der nach ihm benannte „Graumannsche Münzfuß“ bildete die Grundlage des neuen Münzsystems, das Preußen vom Auslande unabhängig machte, und den „ersten Schritt zur deutschen Münzeinheit, die 100 Jahre später errungen wurde“. Die Hoffnungen auf einen großen finanziellen Ertrag, die der König an die Reform des Münzwesens lnüpfte, erfüllten sich freilich nicht.

128-1 Hans Jürgen Detlev von Massow, Generalleutnant und Generalkriegskommissar.

129-1 Die Generaldomänenkasse zahlte an Reisegeldern 20 000 Taler, zu Handgeldern 52 000 Taler.

129-2 Das dritte Bataillon Garde hatte der König bei seinem Regierungsantritt neu errichtet; das erste und zweite Bataillon Garde waren das Regiment, das er bis dahin als Kronprinz geführt hatte.

129-3 Die sogenannten Unrangierten, die als Ersatztruppe für die gesamte Garde dienten und von den übrigen Regimentern gestellt wurden.

130-1 In der Kurmark.

136-1 Englische Schuldforderung, die auf Schlesien ruhte, und die der König mit der Abtretung der Provinz durch Österreich übernommen hatte (vgl. Bd. II, S. 120)

137-1 Hecker von der Dreifaltigkeitskirche.

139-1 Vgl. S. l80.

140-1 Vgl. S. 135.

140-2 Die Landbevölkerung zahlte das „Kavalleriegeld“, seit mit der Verlegung der Kavallerie in die Städte die Naturalverpflegung aufhörte.

140-3 Vgl. E. 182.

142-1 Dieser Plan gelangte 1765 mit der Gründung der „Académie des Nobles“ zur Ausführung: sie bildete eine Art Selekta des Kadettenkorps. Vgl. die eigenhändige Instruktion des Königs in Bd. VI.

144-1 In dem Testament von 1768 sagt der König: „Die Ostpreußen sind nicht ohne Geist, und es befinden sich unter ihnen solche, die gute Untertanen abgeben, ausgenommen diejenigen, die in der Umgegend von Königsberg wohnen; denn ihre zu weichliche Erziehung hat bisher nur Faulenzer hervorgebracht. Ich habe Grund gehabt, mit dem Adel dieses Königreiches während des letzten Krieges ziemlich unzufrieden zu sein; sie waren mehr russisch als preußisch und außerdem aller Niederträchtigkeiten fähig, deren man die Polen zeiht. Jedoch ich habe alles vergessen, nachdem ich sie ihr Unrecht und meine Unzufriedenheit habe fühlen lassen. Das Voll ist nicht bösartig. Das Schlimmste, was geschieht, sind Abtreibungen der Leibesfrucht, Sodomiterei und Viehdiebstahl. Die Strafgesetze dürfen hier also milde sein; denn ihre Strenge ist nur bei denjenigen Völkern notwendig, die von ihren heftigen Leidenschaften zu den äußersten Gewalttätigkeiten getrieben werden.“

144-2 Testament 1768: „Die Pommern haben etwas Ungekünsteltes in ihrem Charakter. Sie würden nicht ohne Geist sein, wenn sie besser gebildet wären; niemals aber werden sie schlau und verschlagen sein. Der gemeine Mann ist argwöhnisch und hartnäckig. Sie sind eigennützig, aber weder grausam noch blutdürstig und ihre Sitten ziemlich sanft. Man bedarf also keiner Strenge, um sie zu regieren. Sie geben gute Offiziere, vortreffliche Soldaten ab; manche leisten im Finanzfache ziemlich gute Dienste. Vergebens aber würde man aus ihnen politische Unterhändler machen wollen.“

144-3 Testament 1768: „Die Bewohner der Marken haben nicht soviel Geist. Sie sind verschwenderisch und leichtfertig, und es gibt nur wenige, die man mit Vorteil gebrauchen kann. Das Volk ist hartnäckig in seinen Meinungen und ein geschworener Feind der Neuerungen. Sie verabscheuen sogar die Fremden, aber sie sind nicht bösartig.“

144-4 Von den Magdeburgern und Halberstädtern sagt der König im Testament von 1768: „Sie sind teilweise besser, sogar der gemeine Mann hat Ehrgefühl. Sie sind gut und haben ein feineres Benehmen als die anderen. Während des letzten Krieges veranstalteten die Magdeburger eine Sammlung und schickten den Pommern, die von den Russen geplündert worden waren, 10 000 Taler. Dieser Zug ist so schön, daß man das Andenken hieran sorgfältig bewahren soll.“

145-1 Von den Schlesiern heißt es im Testament von 1768: „Sie haben ein feines Benehmen, sogar die Bauern. Der Adel besitzt Geist, und wenn man seine Flüchtigkeit zügelt, kann man vortreffliche Dienste sowohl beim Militär als in Zivilämtern von ihnen erhalten. Man muß übrigens einen großen Unterschied zwischen den Ober- und Niederschlesiern machen: die letzteren haben in allem den Vorzug vor jenen. Die oberschlesischen Grafen sind meistenteils mit den Österreichern verwandt; einige von ihnen haben Güter in Mähren, andere in Böhmen; auf sie darf man durchaus nicht zählen. Der gemeine Mann, stockkatholisch, zittert und bebt bei dem Worte Ketzer; seine Priester, die ihn leiten, und die religiösen Vorurteile ketten ihn an das Haus Österreich. Man muß ferner in Schlesien ebensowenig auf das gesamte Mönchsgezücht als auf die Breslauer Domherren rechnen, die sich im Frieden zurückhalten, im Kriege Ränke spinnen und heimlich an ihren Religionsverwandten hängen. Wenn man einen nahen Krieg vorhersieht, muß man die Verdächtigen festnehmen und bis zum Frieden nach Magdeburg oder auch nach Stettin schicken, damit man sie hindert, uns zu verraten und sich zugrunde zu richten, und damit man sich die unangenehme Notwendigkeit erspart, über sie strengere Strafen zu verhängen. Es ist sicher, daß die Österreicher in Schlesien Leute angesiedelt haben, die ihnen als Spione dienen sollen. Man hat einige in Verdacht, man muß sie überwachen, damit man sie außerstand setzt, uns zu schaden, falls die Meinung, die man von ihnen hegt, zutrifft. Ich glaube durch die Erfahrung gelernt zu haben, daß der große Fehler bei den meisten von einer jämmerlichen Erziehung herkommt, welche sie in ihrer Jugend empfangen haben. Das hat mich bestimmt, in Stolp ein Kadettenhaus zu gründen, die liegnitzer Ritterakademie umzugestalten, um dort den Adel sorgfältig erziehen zu lassen.“

145-2 Über die Bewohner von Minden sagt der König im Testament von 1768: „Sie haben Geist und sind das beste Volk von der Welt, arbeitsam, gewerbstätig und treu. Während des letzten Krieges haben sich die Bauern freiwillig gemeldet, um Soldaten zu werden und für das Vaterland zu kämpfen. Was haben die alten Römer Schöneres getan?“

145-3 Testament 1768: „Der Adel ist zu sehr dem Wein ergeben und hat beinahe den Verstand versoffen; das sind diejenigen Untertanen, von denen man am wenigsten Vorteil ziehen kann.“

146-1 In Magdeburg 1748.

151-1 Der Schwarze Adlerorden und der Orden pour Ie mérite.

151-2 Vgl. S. 62ff.

152-1 Vgl. S. 123.128 f. 141.

153-1 Vgl. Bd. I I, S. 134.

154-1 Vgl. S. 6.

154-2 Vielmehr Philipp von Mazedonien.

155-1 August Friedrich Eichel.

157-1 Seit 1748 verhandelten der Wiener und der Petersburger Hof über den Plan, Maria Theresias Schwager, den Prinzen Karl von Lothringen, beim Tode Augusts III. auf den polnischen Königsthron zu setzen; damit eröffnete sich die Aussicht auf einen neuen polnischen Erbfolgekrieg.

157-2 Der König schreibt im Testament von 1768 über Österreich: „Die Macht Österreichs verdient besondere Beachtung. Dies Haus der Cäsaren hatte sich seit der Zeit Karls V. mehr und mehr geschwächt. Unter der Regierung Karls VI. hat es sich wieder erholt; aber nach dem Tode dieses Kaisers und dem Erlöschen des Mannsstammes glaubte Europa, es sei verloren. Eine Frau erhob es wieder und behauptete es mit Festigkeit. Sie wurde der Abgott eines vor kurzem noch aufrührerischen Volkes, das sie für ihre Sache in den Kampf führte. Diese Frau regiert noch jetzt. Wenn sie die verlorenen Provinzen noch nicht durch andere eroberte ersetzt hat, so hat sie doch, ihre Finanzen ordnend, Schätze gefunden, und ihre Einkünfte belaufen sich so hoch, wie die des Kaisers Karl VI. selbst zu der Zeit, da er Neapel besaß. Man berechnet ihre jährlichen Einkünfte auf 26 Millionen. Wirklich unterhält sie 140 000 Mann und kann diese Zahl, wenn Zeit und Umstände es erfordern, auf 200 000 steigern. Ihre Macht würde noch furchtbarer sein, wenn sie nicht jährlich 8 Millionen Taler abrechnen müßte, teils um die Zinsen zu zahlen, teils für einen Fonds zur Tilgung der während des letzten Krieges gemachten Schulden. Sie hat die Kunst verstanden, fähige Minister zu finden und zu wählen, und ihr Ministerrat ist durch Weisheit und systematisches Verfahren dem aller anderen Könige überlegen. Sie handelt aus sich selbst. Ihr Sohn läßt sich von ihr in den Geschäften belehren und folgt ihren Antrieben. Fürst Kaunitz und Hatzfeldt sind ihre besten Minister. Die Generale, die den größten Namen haben, sind Lacy und Laudon; wenn sie diese verlöre, würde es ihr schwer werden, unter der großen Zahl der übrigen ihresgleichen zu finden. Indessen ist bis jetzt die österreichische Kavallerie schlecht, die Infanterie taugt mehr, besonders als Posten, und ihr Artilleriekorps ist so gut als möglich. Prägt es Euch wohl ein, daß es keinen großen Fürsten gibt, der nicht den Gedanken mit sich herumtrüge, seine Herrschaft zu erweitern. Die Kaiserin-Königin hat ohne Zweifel ihr Eckchen Ehrgeiz wie die andern. Die Politik verlangt, daß solche Vorhaben mit undurchdringlichem Schleier verhüllt bleiben und daß man die Ausführung verschiebt, weil die Mittel zum Erfolge fehlen. Man darf also das System des Friedens, welches der Wiener Hof zur Schau trägt, nur den 180 Millionen Talern, die er schuldet, zuschreiben. Sie würden ihn, wenn ein Krieg zustieße, ehe er einen ansehnlichen Teil dieser Summe getilgt hätte, zu einem Bankrott nötigen.“ Und von Kaiser Joseph II., der seit 1765 Mitregent war, heißt es: „Der wird uns munter halten. Wehe denjenigen, die ihn aus den Augen verlieren oder sich in einer falschen Sicherheit wiegen werden.“

157-3 Bestushew.

157-4 Vgl. Bd. III, Kap. II.

157-5 Über Rußland sagt der König im Testament von 1768: „Es ist besser, diesen Staat zum Freunde zu haben als zum Feinde; er kann uns viel Böses tun, und wir können es ihm nicht vergelten.“

157-6 Die Marquise von Pompadour.

158-1 Vgl. Bd. II, S. 40f. und 52.

158-2 Im Mai 1770 bot der König Elsaß-Lothringen dem Wiener Hofe an.

159-1 Georg II. zählte damals 69 Jahre; er starb 1760. Da sein Sohn, Prinz Friedrich Ludwig von Wales, bereits 1751 gestorben war, ging die Thronfolge über auf seinen Enkel Georg III. (geb. 1738).

160-1 Der Thronkandidatur des Prinzen Karl von Lothringen in Polen.

160-2 principe, cap. 15 und 18.

161-1 Über die Erwerbung von Polnisch-Preußen sagt der König im Testament von 1768: „Nachdem man einige Weichselplätze befestigt habe, werde man dann Ostpreußen gegen die Unternehmungen der Russen verteidigen können.“ Er nennt die Polen die elendeste Nation Europas, die ihr Dasein nur durch die Eifersucht der Nachbarmächte weiter friste; denn in Gedanken verschlinge jeder von diesen drei Staaten die Republik und mißgönne dem andern den Teil, welchen derselbe für sich bestimme. „Darum besieht die polnische Anarchie noch. Aber was mir ihre Fortdauer verdächtig macht, das sind die Königswahlen, welche die Russen in diesem Jahrhundert sich angewöhnt haben zu erzwingen, und die Neuerungen, die sie in Polen der alten Verfassung zuwider einführen.“ Er glaubt, daß die übermächtigen Nachbarn am Ende sich über eine TeUung Polens verständigen, vielleicht aber ein geschmälertes Königreich in der Mitte der drei Mächte noch übrig lassen würden. Ja, der Großherr könnte seinen Anteil ebenfalls empfangen, wie man einem Kettenhund einen Bissen Brot hinwirft, um ihn am Bellen zu verhindern. „In bezug auf das polnische Preußen scheint es mir, als werde man das größte Hindernis von seilen Rußlands finden. Es würde vielleicht besser sein, dieses Land durch Unterhandlung stückweise zu gewinnen als durch das Recht der Eroberung. In einem Falle, wo Rußland dringend unseres Beistandes bedürfte, wäre es vielleicht möglich, sich Thorn, Elbing und einen Umkreis abtreten zu lassen, um dadurch die Verbindung von Pommern nach der Weichsel zu erlangen.“ Er meint, Danzig sich bis zuletzt aussparen zu müssen.

162-1 Die Zahl war 1768 auf 154 000 Mann gestiegen. Im Testament jenes Jahres schreibt der König: „Ich arbeite jetzt an einem Plan zur Vermehrung des Heeres. Wenn ich noch einige Jahre lebe, werde ich die Zahl des Heeres auf 166 000 Mann bringen können.“ Und weiter: „Das ist alles, was wir in Friedenszeiten unterhalten können. Der Kriegsfuß muß auf 210 000 Mann gebracht werden.“

162-2 Vgl. S. 152.

162-3 Im Testament von 1768 berechnet der König nach den Erfahrungen des Siebenjährigen Krieges die Kosten eines Feldzugs auf 12 Millionen. Bricht ein Krieg aus, fährt er fort, so muß man sich zuerst Sachsens bemächtigen. Man kann aus diesem lande 5 Millionen an Geld und Lebensmitteln ziehen. Dann muß man jährlich 2 300 000 Taler aus dem großen Schatze nehmen. So kann man acht der härtesten Kriegsjahre aushalten, ohne die Untertanen zu drücken und ohne Schulden zu machen.

163-1 Gemeint sind Viktor Amadeus II. (1680—1730); Karl Emanuel III. (1730—1773).

166-1 Vgl. S. 106.

168-1 Vgl. dazu das militärische Testament von 1768 in Bd. V.

168-2 Die 1748 verfaßten „GeneralPrinzipien vom Kriege“ (vgl. Bd. V), die dem Testament hinzugefügt sind.

168-3 Flavius VegetiusEpitoma rei militaris, Buch I, Kap. I.

168-4 1741—1743. Vgl. Bd. II, S. 128.

168-5 Erbstatthalter Wilhelm III., König von England († 1702).

169-1 Der österreichische Erbfolgelrieg.

170-1 Zwei Kompagnien bildeten eine Schwadron.

170-2 Die in die Stammrolle Eingetragenen.

170-3 Die Patronen mußten vor dem Gebrauch erst abgebissen werden.

171-1 Der Kommandeur führte das Regiment, während der Chef, nach dem das Regiment auch hieß, die Verantwortung für dieses trug.

175-1 Die Bataillonsgeschütze waren unbespannt und wurden von den Kanonieren gezogen. Vgl. Bd. II, S. 49.

175-2 Die Festung wurde am 6. September 1747 von den Franzosen gestürmt.

180-1 Vgl. S. 128.

180-2 Unter Kavallerie sind die Kürassiere zu verstehen; sie hießen auch in der Dienstsprache „Regimenter zu Pferde“.

180-3 Vgl. S. 139.

182-1 Graf Ludwig Wilhelm Münchow, Provinzialminister für Schlesien 1742—1753.

184-1 Jedes Infanterieregiment hatte zwei Grenadierkompagnien; ans ihnen wurden bei Krlegsausbrnch selbständige Bataillone gebildet.

184-2 Wolf Friedrich von Retzow.

184-3 Hier knüpft der König an den Abschnitt „Politische Träumereien“ (S. 160 f.) an.

188-1 Karl Emanuel III. (vgl. E. 163).

193-1 Die „Generalprinzipien vom Kriege“ (vgl. Bd. V).