Politische Schriften
<196><197>Schreiben des Kronprinzen Friedrich an den Kammerjunker von Natzmer197-1
(Küstrin, Februar 1731.)
Lieber Freund!
Unser gestriger Disput blieb noch unentschieden, da der Schlaf uns beide übermannte, als wir im besten Zuge waren, unsere Ansichten auszukramen. Um das Versäumte aber nachzuholen, fahre ich fort:
Das erste System ist die Erhaltung des europäischen Friedens. Demgemäß muß der König von Preußen sich die größte Mühe geben, mit allen Nachbarn in gutem Einvernehmen zu leben. Da sein Land Europa quer durchschneidet und in zwei Hälften teilt, so versieht es sich, daß er sich mit allen Königen, dem Kaiser und den vornehmsten Kurfürsten auf guten Fuß stellen muß. Denn mit welchem seiner Nachbarn er auch Krieg führt, Vorteile kann er schwerlich erringen, da sein Land von Nachbarstaaten durchsetzt und ohne inneren Zusammenhang ist. Er kann also von mehreren Seiten angegriffen werden, und um sich allerseits zu verteidigen, müßte er die ganze Armee zur Defensive verwenden, sodaß nichts für die Offensive übrig bliebe. Stützte er sich zur Behauptung seiner Macht auf dieses System, so wäre er ein schlechter Staatsmann und aller Phantasie und Erfindungsgabe bar, wenn er es dabei bewenden ließe. Denn wer nicht vorwärtskommt (ich spreche von der großen Politik), der geht zurück.
Das andere System, das sich auf dieser Grundlage von selbst aufbaut, ist die fortschreitende Vergrößerung des Staates. Ich habe schon gesagt, daß der preußische Länderbesitz sehr zerstückelt ist. Da kommt es denn bei allen Plänen, die man entwirft, vor allem darauf an, einen engeren Zusammenhang zwischen den Landesteilen herzustellen oder die losgerissenen Stücke, die eigentlich zum preußischen Besitz gehören, ihm wiederanzugliedern.
So hat Polnisch-Preußen von jeher zu Preußen gehört, ist aber durch die Kriege der Polen mit dem Deutschritterorden, seinem damaligen Besitzer, abgesplittert<198> worden. Von der Provinz Preußen ist Polnisch-Preußen nur durch die Weichsel getrennt. Nach Westen stößt es an Hinterpommern. Im Norden bUdet das Meer und im Süden Polen seine Grenze. Gehört es einmal zu Preußen, so hat man nicht nur freie Verbindung von Pommern nach Ostpreußen, sondern man hält auch die Polen im Zaum und kann ihnen Gesetze vorschreiben; denn ihre Waren können sie nur verkaufen, wenn sie diese die Weichsel und den Pregel hinunterschicken, und hierzu bedürfte es dann unserer Zustimmung.
Fahren wir fort. Schwedisch-Pommern ist von Preußisch-Pommern nur durch die Peene getrennt. Es würde sich sehr hübsch ausnehmen, wenn es mit unserem Besitz vereinigt wäre. Abgesehen von den Einkünften (die nur die Finanzleute oder die Steuerräte angehen und die als solche nicht in das politische System gehören, das ich erörtern will), abgesehen von den sehr beträchtlichen Einkünften, die man aus dieser Provinz ziehen könnte, würde man sich vor allen Übergriffen von seilen Schwedens schützen und eine beträchtliche Truppenzahl sparen, die jetzt zur Verteidigung der Grenze oder des Peeneufers notwendig ist. Ferner rundete man das Land mehr und mehr ab und bahnte sich sozusagen den Weg zu einer Eroberung, die sich ganz von selbst darbietet: ich meine Mecklenburg. Hier braucht man nur das Erlöschen des Herzogshauses geduldig abzuwarten, um das Land ohne weitere Förmlichkeit einzustecken198-1.
Ich schreite von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stets neue Welten zu erobern vor. Den nächsten Schauplatz bilden Jülich und Berg198-2. Sie müssen durchaus erworben werden, damit die armen Länder Kleve, Mark usw. nicht so einsam und verlassen sind. Durch Erwerbung von Jülich und Berg beseitigt man viele Anlässe zu Reibereien und Schikanen, die jetzt in einem fort aus Streitigkeiten über die gegenwärtigen Grenzen entspringen. Der Nutzen dieser Erwerbung liegt auf der Hand. Die Länder der Kleveschen Erbschaft werden vereinigt, sie können eine Besatzung von 30 000 Mann tragen und dann mit Verachtung auf die kleinen Schikanen herabsehen, die das Klever Land jetzt nicht allein abwehren kann. Bei einem Bruche mit Frankreich kann man Kleve vom ersten Kriegslärm an nur so lange als preußisch betrachten, wie es den Franzosen beliebt. Ist es aber mit Jülich und Berg vereinigt, so liegt die Sache ganz anders: die Länder sind imstande, sich selbst zu verteidigen.
Hier breche ich ab, um mich ganz allgemein darüber auszulassen, wie man mein System verstehen soll. Erstens spreche ich nur als Politiker ohne Erörterung der Rechtsgründe. Sonst kommt man vom Hundertsten ins Tausendste; denn jeder der von mir berührten Punkte verdient eine besondere Darlegung der Rechtsgründe und Ansprüche, die das Haus Brandenburg erheben kann. Zweitens gehe ich nicht ins<199> Detail darüber, wie man sich in den Besitz dieser Provinzen setzen soll, da man sich des längeren darüber verbreiten müßte. Es kommt mir lediglich auf den Nachweis an, daß Preußen sich bei seiner eigenartigen Lage in der politischen Notwendigkeit befindet, die genannten Provinzen zu erwerben. Meiner Ansicht nach muß nach diesem Plane jeder kluge und treue Diener des Hauses Brandenburg arbeiten. Er muß auf das große Ziel hinstreben, kleinere aber fallen lassen. Ich hoffe auch, man wird meine Ausführungen für ziemlich vernünftig halten. Denn liegen die Dinge so, wie es nach meinem Projekt der Fall ist, so könnte der König von Preußen unter den Großen der Welt eine gute Figur machen und eine bedeutende Rolle spielen, wenn er einzig und allein aus Gerechtigkeitssinn und nicht aus Furcht den Frieden aufrechterhielte, und wenn er, sobald die Ehre des Hauses und des Landes es verlangte, mit Nachdruck Krieg führen könnte. Hätte er doch nichts andres zu fürchten als den Zorn des himmels, und der wäre nicht zu fürchten, solange in seinem Lande Gottesfurcht und Rechtssinn über Unglauben, Parteihader, Habgier und Selbstsucht herrschen. Ich wünsche dem preußischen Staate, daß er sich aus dem Staube, in dem er gelegen hat, völlig erhebe und den protestantischen Glauben in Europa und im Reiche zur Blüte bringe, daß er die Zuflucht der Bedrängten, der Hort der Witwen und Waisen, die Stütze der Armen und der Schrecken der Ungerechten werde. Sollte aber ein Wandel eintreten und Ungerechtigkeit, Lauheit im Glauben, Parteiwesen oder das Lasier den Sieg über die Tugend davontragen, was Gott auf ewig verhüten wolle, dann wünsche ich ihm, daß er in kürzerer Zeit untergehe, als er bestanden hat. Damit ist alles gesagt.
Und so bin ich am Schluß meiner allgemeinen Politik und meines Briefes angelangt. Was die private Politik angeht, so kenne ich keine andre als die, Liebe zu üben und meinen Freunden treu zu sein. Da ich hoffe, Dich zu ihnen zählen zu dürfen, so kannst Du selbst Dich kühn dazu rechnen. Oder, um in meinem politischen Stil fortzufahren: Sei gewiß, so wenig Brandenburg und jedes beliebige Land der Welt Klima und Lage zu wechseln vermag, so wenig verändre ich meine Gesinnung gegen meine Freunde.
<200>Fürstenspiegel
oder
Unterweisung des Königs für den jungen Herzog Karl Eugen von Württemberg (1744)200-1
Mit dem Anteil, den ich an Ihrer Mündigkeitserklärung hatte, verbindet sich mein Interesse an einem glücklichen Verlauf Ihrer Regierung. Ich stelle mir geradezu vor, das Gute oder Schlimme, das daraus entspringe, werde sich irgendwie auch auf mich zurückwenden. In diesem Sinn halte ich mich für verpflichtet, Ihnen mit freundschaftlichem Freimut meine Anschauungen über den neuen Stand, in den Sie nun eintreten, auszusprechen.
Ich gehöre garnicht zu den Leuten, die aus Dünkel und Eitelkeit schließlich statt der Ratschläge nur mehr Befehle zu erteilen wissen, ihre Ansichten für unfehlbar <201>halten und vom Freunde wünschen, er solle nur noch genau nach ihrer Weise denken, sich regen und atmen. So lächerlich solche Anmaßung wäre, so gewiß würde ich doch andrerseits eine Schuld auf mich laden, wenn ich es versäumte, Ihnen das zu sagen, was all Ihre Diener und Untertanen zu sagen sich nicht unterfangen werden, ja was sie um ihres persönlichen Vorteils willen vielleicht nicht einmal sagen wollen.
Es ist gewiß, daß jedermann die Augen auf das erste Hervortreten eines Mannes richtet. der ein hohes Amt auf sich nimmt; und gemeiniglich bestimmen gerade die ersten Handlungen das Urteil der Öffentlichkeit. Legen Sie zuvörderst den Grund zu allgemeiner Achtung, so werden Sie das Vertrauen der Öffentlichkeit gewinnen, wonach meines Erachtens ein Fürst vor allem trachten sollte.
Überall werden Sie Personen finden, die Ihnen schmeicheln und nur beflissen sind, Ihr Vertrauen zu erwerben, um Ihre Gunst zu mißbrauchen und Sie selbst zu beherrschen. Sie werden auch, hauptsächlich unter den Verwaltungsbeamten, noch eine andere Art Leute finden; die sind gesonnen, Ihnen die Kenntnis der Geschäfte sorgsam vorzuenthalten, um sie nach eigenem Gefallen zu leiten. Um Sie von der Arbeit abzuschrecken, werden sie dafür sorgen, daß die leichtesten Dinge Ihnen Schwierigkeiten bereiten. In ihnen allen werden Sie die wohlüberlegte Absicht finden, Sie dauernd unter Vormundschaft zu halten und zwar unter Wahrung der schönsten Formen, auf eine Weise, die für Sie noch höchst schmeichelhaft zu sein scheint.
Sie werden fragen: was soll ich dagegen tun? Sie müssen sich mit allen Finanzangelegenheiten vertraut machen, einen Sekretär aussuchen, der als kleiner oder mittlerer Beamter in dem Fach gearbeitet hat, und müssen ihm gute Belohnung dafür versprechen, daß er Sie in allem, was Sie berührt, unterweise. Die Finanzen sind der Nerv des Landes; wissen Sie darüber genau Bescheid, so werden Sie mit dem übrigen jederzeit fertig werden.
An vielen Höfen Deutschlands habe ich eine Unsitte wahrgenommen: die Minister der Fürsten führten den Titel „Kaiserlicher Minister“, und das sicherte ihnen Straft losigkeit zu. Sie werden selber fühlen, wie nachteilig es für Sie sein würde, wenn Sie das duldeten.
Ich muß Sie ferner vorbereiten, daß Sie in der Verwaltung zwei Räte antreffen werden, vor denen Sie auf der Hut sein mögen: der eine heißt Bilfinger, der andere Hardenberg201-1. Nun ist es Ihre Sache, sie zu prüfen und zuzusehen, wieweit Sie ihnen trauen können.
Seien Sie fest in Ihren Entschließungen! Erwägen Sie zuvor das Für und Wider; sobald Sie aber Ihren Willen einmal kundgegeben haben, ändern Sie um alles in der Welt nichts mehr daran! Sonst wird ein jeder Ihrer Autorität spotten, und Sie würden für einen Mann gehalten werden, auf den man nicht bauen kann.
<202>Da eine vormundschaftliche Regierung voranging, wird es Ihrem Hof an Intrigen nicht fehlen. Strafen Sie die Anstifter der ersten strenge; dann wird jeder sich hüten, dem bösen Beispiel zu folgen. Güte am unrechten Ort ist nichts anderes als Schwäche, gleichwie Strenge ohne zwingenden Grund ein schwerer Frevel ist. Das Ausarten nach beiden Richtungen muß vermieden werden, wiewohl es bloß das Gebrechen eines sehr edlen Herzens ist, wenn die Milde ausartet.
Denken Sie nur nicht, das Land Württemberg sei für Sie geschaffen worden! Glauben Sie vielmehr, daß die Vorsehung Sie zur Welt kommen ließ, damit Sie dies Volk glücklich machen. Legen Sie stets mehr Wert auf dessen Wohlfahrt als auf Ihre Zerstreuungen. Wenn Sie, w Ihrem zarten Alter, Ihre Wünsche dem Wohl Ihrer Untertanen aufzuopfern vermögen, so werden Sie nicht nur die Freude, Sie werden auch die Bewunderung der Welt erregen.
Sie sind für Ihr Land das Haupt der bürgerlichen Religion, die aus der Rechtschaffenheit und allen moralischen Tugenden besieht. Zu Ihrer Aufgabe gehört es, daß Sie helfen, diese Tugenden zu verwirklichen und namentlich die Menschlichkeit, die Haupttugend jedes denkenden Wesens.
Die geistliche Religion überlassen Sie dem höchsten Wesen202-1. Auf diesem Felde sind wir alle blind, durch unterschiedliches Wähnen in die Irre geraten. Wer unter uns ist so verwegen, daß er entscheiden wollte, welcher der rechte Weg sei? Nehmen Sie sich denn in acht vor dem religiösen Fanatismus, der zu Verfolgungen führt. Wenn armselige Sterbliche dem höchsten Wesen irgend Wohlgefallen können, so geschieht es durch Wohltaten, die sie den Mitmenschen erweisen, und nicht durch Gewalttaten, die sie gegen starrköpfige Geister verüben. Wenn die wahre Religion, die Menschlichkeit, Sie nicht zum rechten Verhalten bestimmen sollte, so muß mindestens die Politik es tun; denn all Ihre Untertanen sind Protestanten. Toleranz wird Ihnen Verehrung, Verfolgungen würden nur Abscheu erwecken.
Die Lage Ihres Landes, das an Frankreich und die Staaten des Hauses Österreich grenzt, macht Ihnen eine maßvolle und gleichmäßige Haltung gegen diese zwei mächtigen Nachbaren zur Pflicht. Lassen Sie keinerlei Vorliebe für einen von beiden erkennen, auf daß sie Ihnen nicht Parteilichkeit vorwerfen können. Denn ihre Geschicke sind veränderlich, und beide Staaten würden nicht ermangeln, abwechselnd Sie entgelten zu lassen, was sie glauben, Ihnen mit Grund vorwerfen zu können.
Lassen Sie niemals vom Reich und von seinem Oberhaupt. Eine Sicherheit gegenüber dem Ehrgeiz und der Macht Ihrer Nachbaren gibt es für Sie nur, solange das System des Reiches erhalten bleibt. Seien Sie stets der Feind dessen, der es umstürzen will, denn in Wahrheit hieße das, gleichzeitig auch Ihren Sturz wollen. Mißachten Sie nicht das Haupt des Reichs202-2 in seinem Unglück und halten Sie zu ihm, solange Sie es können, ohne in sein Mißgeschick verwickelt zu werden.
<203>Machen Sie sich Ihre Jugend zunutze, ohne sie zu mißbrauchen. Lassen Sie ein paar Jahre dem Vergnügen gewidmet sein. Dann denken Sie ans Heiraten. Das erste Jugendfeuer ist der Ehe nicht günstig; da glaubt die Beständigkeit, die auf drei Jahre zurückblicken kann, sie sei steinalt geworden. Wenn Sie eine Prinzessin aus allzu hohem Haus nehmen, so bildet sie sich ein, Ihnen eine Gnade anzutun, indem sie Ihre Gemahlin wird. Das ergäbe für Sie einen alles verschlingenden Aufwand, und Sie hätten keinen Vorteil davon, als daß Sie der Sklave Ihres Schwiegervaters sein dürften. Wählen Sie eine Gattin von annähernd gleicher Standeshöhe, so sind Sie glücklicher. Sie werden ruhiger leben, und die Eifersucht, wozu fürstliche Personen höheren Ranges ihrer Ehehälfte immer Anlaß geben, wird Ihnen nicht zu schaffen machen.
Ehren Sie in Ihrer Mutter die Urheberin Ihres Lebens. Je mehr Aufmerksamkeiten Sie ihr widmen, um so höher sind Sie zu achten. Wenn Sie etwa kleine Händel mit ihr haben sollten, so nehmen Sie allemal das Unrecht auf sich. Die Dankbarkeit gegen die Eltern hat keine Grenzen; man wird getadelt, wenn man hierin zuwenig tut, niemals aber, wenn man zuviel tut.
Auf gleichgültige Dinge, die dem Gutdünken des einzelnen überlassen bleiben, will ich nicht näher eingehen. Die innige Freundschaft, die ich für Sie fühle, wird mich immer so aufrichtigen Anteil an Ihnen nehmen lassen, daß ich es mit einer Freude ohnegleichen hören werde, wenn Ihre Untertanen Ihnen Beifall spenden und Sie segnen. Und jede Gelegenheit, Ihnen nützlich zu sein, werde ich mit äußerster Bereitwilligkeit ergreifen. Mit einem Wort, mein lieber Herzog, es gibt kein Glück, das ich Ihnen nicht wünschte, und keines, dessen Sie nicht würdig wären.
<204>Instruktion für den Major Graf Borcke204-1
(24. September 1751)
Ich vertraue Ihnen die Erziehung meines Neffen an, des präsumptiven Erben der Krone. Da es etwas ganz anderes ist, einen Bürgersohn wohl zu erziehen oder aber jemand, der Staaten zu regieren bestimmt ist, so gebe ich Ihnen hier eine Instruktion über alles, was Sie beobachten sollen.
Erstens über die Lehrer:
Mein Neffe soll die alte Geschichte durchgehen, die verschiedenen Monarchien, die aufeinander folgten, kennen lernen, von der griechischen Geschichte namentlich das, was in den Kriegen des Artaxerxes, Philipps und Alexanders geschah. Von der römischen Geschichte die Zeit der Punischen Kriege und Cäsars. Sein Gedächtnis braucht nicht mit den Namen der Fürsienreihen ermüdet zu werden, wenn er nur die Namen der hervorragenden Männer lernt, die in ihrem Vaterland eine große Rolle gespielt haben.
Es genügt nicht, ihm die Geschichte beizubringen wie einem Papagei. Die beste Verwertung der alten Taten ist: sie mit den modernen zu vergleichen, die Ursachen zu entwickeln, aus denen die Umwälzungen hervorgingen, und zu zeigen, wie gemeinhin das Lasier bestraft und die Tugend belohnt wird. Man muß ihn ferner darauf aufmerksam machen, daß die alten Geschichtsschreiber sich nicht immer an die Wahrheit halten, daß man also prüfen und urteilen muß, ehe man glaubt. Der wesentlichste, unerläßlichste Teil der Geschichte beginnt bei Karl dem Großen und endet in unseren Tagen. Unter Geschichte versiehe ich dabei die europäische. Man sorge, daß er sie aufmerksam studiere. Doch verweile man nur bei den Hauptgeschehnissen und gehe bloß beim Dreißigjährigen Krieg näher aufs einzelne ein. Daß er die Geschichte seines Hauses lerne, versteht sich von selbst.
<205>Beim Unterricht in der Erdkunde ist es notwendig, daß ihm ein Begriff von den Staaten und ihrer Regierungsform gegeben wird. Da dieses Studium sehr gut zu dem der Geschichte paßt, so kann man ihn, wenn das eine an der Reihe ist, gleichzeitig auch im andern unterweisen.
Nach einiger Zeit wird man ihm einen kleinen Kursus in Logik zumuten können. Der muß frei von Pedanterie sein und gerade so weit reichen, daß er selber unterscheiden lernt, wo bei einem falschen Schluß der Fehler liegt und worin eine Behauptung nicht richtig ist. Danach kann man ihn die Redner lesen lassen, Cicero, Demosthenes, auch etliche Tragödien von Racine usw.
Wenn er ein paar Jahre älter ist, mag man ihm im Abriß die Lehren der Philosophen und der verschiedenen Religionen vorführen, ohne ihm Haß gegen eine von ihnen einzuflößen. Man lasse ihn erkennen, wie alle Gott anbeten, nur auf unterschiedliche Weise. Für den Geistlichen, der ihn unterrichtet, braucht er keine übertriebene Ergebenheit zu haben und braucht nicht zu glauben, was er nicht vorher geprüft hat.
Dabei komme ich auf die katholische Religion. Sie ist in Schlesien, in den klevischen Herzogtümern und anderwärts ziemlich verbreitet. Wenn aus dem Knaben ein fanatischer Calvinist würde, so wäre alles umsonst gewesen. Es ist vielmehr durchaus nötig, daß der Geistliche es sich versagt, in frommem Eifer die Papisten zu schmähen. Dagegen soll der Erzieher seinem Schüler auf geschickte Art ein Gefühl dafür erwecken, daß es wegen der Glaubensverfolgungen und des päpstlichen Ehrgeizes nichts Gefährlicheres gibt, als wenn die Katholiken in einem Staat obenauf sind, und daß ein protestantischer Fürst weit mehr Herr in seinem Hause ist als ein katholischer.
Es versteht sich von selbst, daß mein Neffe lesen, schreiben, rechnen lernt; ich übergehe daher diese Punkte. Für die Fortifikationslehre ist er noch zu jung; damit hat es Zeit, bis er zehn oder elf Jahre zählt.
Die Leibesübungen, wie Tanzen, Fechten und Reiten, können nachmittags, nach der Mahlzeit, betrieben werden. Hat der Junge Lust, Latein oder Polnisch oder Italienisch zu lernen, so soll es in seinem Belieben stehen. Gibt er aber keine Neigung dafür zu erkennen,'so soll man ihn nicht dazu drängen, ebensowenig zur Musik.
Soviel über seine Studien und Übungen. Ihre Hauptkunst wird darauf hinauslaufen müssen, daß er all das mit Lust und Liebe anpackt, daß die Pedanterie den Studien fernbleibt, damit er ihnen Geschmack abgewinne. Aus diesem Grunde darf, zumal im Anfang, ein vernünftiges Maß nicht überschritten werden.
Wir kommen nunmehr zum größten und wesentlichsten Teil der Erziehung, zur sittlichen Ausbildung. Weder Sie noch alle Mächte der Welt könnten den Charakter eines Kindes ändern. Erziehung vermag nur das Ungestüm der Leidenschaften zu mäßigen. Behandeln Sie meinen Neffen wie einen Bürgersohn, der seinen Weg machen soll. Sagen Sie ihm, daß jedermann ihn verachtet, wenn er Fehler hat oder<206> nichts lernt. Führen Sie ihm das Beispiel des Markgrafen von Schwebt und des Markgrafen Heinrich206-1 vor Augen. Man soll ihm nichts in den Kopf setzen, sondern ihn ganz schlicht aufziehen. Gegen alle Welt soll er höflich sein; begeht er eine Grobheit gegen jemand, so soll der sie auf der Stelle erwidern. Er muß lernen, daß alle Menschen gleich sind und hohe Geburt nur Chimäre ist, wenn nicht das Verdienst hinzukommt. Lassen Sie ihn allein mit den Leuten sprechen, damit er völlig unbefangen werde. Was liegt daran, wenn er blindlings drauflosschwatzt? Man weiß ja, es ist ein Kind. Bei seiner ganzen Erziehung wirken Sie mit aller Kraft dahin, daß er selbständig handle und sich keinesfalls an fremde Führung gewöhne. Seine Dummheiten sollen ihm ebenso gehören wie seine guten Handlungen.
Von der größten Bedeutung ist es, daß ihm Neigung zum Militär beigebracht werde. Deshalb müssen Sie selbst und andere ihm bei jeder Gelegenheit sagen, daß ein Mann von hoher Abkunft, der nicht Soldat ist, nur ein elender Kerl ist. So oft er nur will, soll er Truppen zu sehen bekommen. Man kann ihm auch die Kadetten zeigen und mit der Zeit fünf oder sechs von ihnen kommen lassen, damit sie mit ihm exerzieren. Doch soll das eine Unterhaltung sein, nicht eine Pflicht; denn die große Kunst besteht darin, ihm Geschmack an diesem Handwerk beizubringen, und es hieße alles verderben, wenn man ihn langweilte oder abschreckte. Mit jedem soll er sprechen, mit Kadetten, Soldaten, Bürgern, Offizieren; so wird er ein sicheres Auftreten erlangen.
Vor allem soll er zur Anhänglichkeit an dies sein Land begeistert werden. Niemand darf mit ihm andere als gut patriotische Reden führen. Bei Gegenständen und Unterredungen jeder Art kann man ein paar moralische Bemerkungen einfiechten, die darauf ausgehen, ihm Menschlichkeit, Güte und alle Anschauungen zu predigen, die einem Manne von Ehre und vornehmlich einem Fürsten wohl anstehen.
Ich will, daß er, wenn er älter wird, mit dem Dienst als Leutnant beginnt, um dann alle Grade zu durchlaufen. Es soll also in ihm kein Dünkel großgezogen werden. Die Offiziere, die mit ihm speisen, sollen ihn angreifen und necken, damit er keck und fröhlich werde. Möglichst oft soll er Gesellschaft um sich haben. Wenn er Lust hat, in seinen Erholungsstunden mit Kindern seines Alters zusammenzusein, so kann das nichts schaden. Et ist ein wenig schweigsam; Anregung tut ihm recht not. Wollen Sie sich deshalb angelegen sein lassen, daß er so heiter wie möglich werde. Bei jedem Anlaß wollen Sie ihm die schuldige Verehrung und Liebe für Vater und Mutter, Achtung gegen die Verwandten einprägen. Sobald Sie ihn näher kennen, müssen wir zu erfahren suchen, welches seine Hauptneigung ist. Gott behüte uns davor, sie ausrotten zu wollen! Aber bemühen wir uns, sie einzudämmen. Wenn er sich selbst überlassen ist, soll er doch nichts tun, ohne einen Grund dafür anzugeben.<207> Eine Ausnahme machen nur die Stunden der Erholung. Ist er lenksam, so seien Sie freundlich. Ist er störrisch, so bieten Sie die ganze Autorität auf, die Ihnen zusieht; bestrafen Sie ihn dann, indem Sie ihm den Degen wegnehmen, ihn in Arrest setzen und ihn immer tunlichst bei der Ehre packen. Bis jetzt erscheint er sehr zart, aber mit dem Älterwerden wird er sich schon kräftiger entwickeln.
Allwöchentlich wollen Sie seinem Vater, mir allmonatlich über sein Bettagen berichten. In außerordentlichen Fällen können Sie sich stets an mich wenden. Verzärteln Sie ihn nicht durch allzu umständliche Sorge um seine Gesundheit oder durch die Angst, es könnte ihm ein Unglück zustoßen. Man muß ihn sorgsam behüten, doch braucht er nichts davon zu merken; das würde ihn weichlich, schüchtern und ängstlich machen. Seine Tageseinteilung kann mein Bruder regeln, wie er es für richtig hält, und Sie können danach Ihre Maßnahmen treffen.
Diese Instruktion gilt nur bis zum Alter von zehn oder zwölf Jahren. Dann werden Sie eine neue erhalten, die den Fortschritten meines Neffen, seinem Alter und den Umständen angemessen ist.
<208>Instruktion für Behnisch208-1
(26. Juli 1773)
Sie sind zu einem jungen Prinzen gesetzt, dessen Erziehung die größte Sorgfalt und stets gleiche Aufmerksamkeit erfordert. Da er noch zu jung ist, etwas zu lernen oder sich zu bilden, so muß Herr Behnisch vor allem danach trachten, den Charakter des Knaben zu ergründen, die Fehler und Lasier, zu denen er neigen könnte, festzustellen und zu versuchen, sie beizeiten auszurotten oder sie zu bessern, soweit es in seiner Macht sieht. Obgleich der moralische Charakter sich nicht so frühzeitig entwickelt, kann er wenigstens verhüten, daß dem Knaben von der Dienerschaft Lasier beigebracht werden. Gewöhnlich sind es Eitelkeit und Hochmut, was die kleinen Leute den Prinzen gern einflößen. Herr Behnisch kann das verhindern, ja er soll gegen die einschreiten, die mit faden Schmeicheleien die Unschuld des Knaben verderben möchten. Obwohl er für die Gesundheit seines Zöglings die größte Sorge tragen muß, darf der Prinz aus dem gleichen Grunde nicht zu dem Glauben kommen, daß man viel Aufhebens von ihm mache. Alle Pflege, die man ihm angedeihen läßt, muß unter Vorwänden verborgen werden. Ist er launisch, so muß er im Ansang einmal tüchtig gestraft werden. Dann wird man seinen Starrtopf und seinen Eigenwillen brechen, der ihm nur schädlich sein kann. Trotz seiner großen Jugend kann man ihm logisches Denken beibringen, indem man ihn die Gründe seiner Wünsche und Handlungen angeben läßt. Ist auch die Urteilskraft in seinen Jahren noch schwach, so muß man an ihrer Ausbildung doch mehr als an allem andern arbeiten, muß, wenn er falsch urteilt, ihm den mangelnden Zusammenhang zwischen seinen Ideen klar machen und ihn zur Berichtigung seines Denkens anhalten. Da er gesund und kräftig werden soll, empfiehlt es sich, ihn an die frische Luft zu gewöhnen und seinen Körper zu stählen. Will er Soldat spielen, so soll man ihn nicht daran hindern. Im Gegenteil! Ein Fürst dieses Landes muß Soldat sein. Man mag ihn also zum <209>Waffenhandwerk anspornen. Soll er mit anderen Kindern spielen, so müssen diese älter und verständiger sein als er, damit man sie ihm als Beispiel hinstellen kann und er sie durch Wetteifer übertreffen lernt. Da der Knabe zum Unterricht noch zu klein ist, so muß man sich auf Dinge beschranken, die man ihm spielend beibringen kann, z. B. etwas Französisch, aber nur spielend und nicht durch regelrechten Unterricht. Man kann ihn mit Karten spielen lassen, auf denen die Namen der Königreiche und wichtigsten Staaten Europas stehen. Das alles soll erst dann einen ernsteren Charakter annehmen, wenn er das vierte Lebensjahr vollendet hat. Dann muß der eigentliche Unterricht beginnen.
Was seine Gesundheit betrifft, so wird seine Frau Mutter seine Lebensweise regeln und alles, was sie für angemessen hält, bestimmen. Herr Behnisch hat, bis sein Zögling älter ist, weiter nichts zu tun, als ihn auf die kommende Erziehung vorzubereiten und derweil zu verhindern, daß er sich schlechte Gewohnheiten aneignet oder Keime von Lastern in sich aufnimmt, die in diesem Alter noch leicht auszurotten sind, die man aber vergeblich bekämpft, wenn sie erst einmal durch Gewöhnung eingewurzelt sind.
Ich hoffe, Herr Behnisch wird seine Aufgabe mit all der Sorgfalt, die der Bedeutung des Gegenstandes zukommt, und zur Zufriedenheit der Eltern erfüllen.
<210>Abriß der preußischen Regierung und der Grundsätze, auf denen sie beruht, nebst einigen politischen Betrachtungen (1776)
Um eine allgemeine Vorstellung von der preußischen Regierung zu erhalten, muß man alle ihre Zweige im einzelnen prüfen und sie dann miteinander verknüpfen.
Finanzen
Ich beginne mit den Finanzen. Sie gleichen den Nerven im menschlichen Körper, die alle Glieder in Bewegung setzen.
Seit dem Siebenjährigen Kriege haben die Staatseinnahmen einen ungeheuren Zuwachs erfahren, und zwar: um 1 200 000 Taler durch die Erwerbung von West-preußen210-1, I Million durch die Tabakregie, 100 000 durch die Bank, 50 000 durch Holzverkauf, 400 000 durch Akzisen und Zölle, 130 000 aus der Saline von Schöne, beck, 56 000 durch die Lotterie, mehr als 200 000 Taler durch die neuen Pachtverträge der Domänen, 100 000 durch das Holz. Somit beläuft sich die Gesamteinnahme gegenwärtig auf 21 700 000 Taler. Daraus werden die Staatsausgaben bestritten und ein Heer von 187 000 Mann unterhalten210-2.
Nach Abzug der Ausgaben bleibt alle Jahre ein Überschuß von 5 700 000 Talern. Davon sind bisher jährlich 2 Millionen in den Staatsschatz gelegt und 3 700 000<211> Taler anderweitig verwandt worden, teils zu Festungsbauten, teils zu Meliorationen im Lande, zur Vergütung erlittener Schäden, zu Subsidien an Rußland211-1 und zu Häuserbauten. In Kriegszeiten hingegen sind diese 5 700 000 Taler zur Bestreitung der außerordentlichen Feldzugskosten bestimmt. Sie bettagen jedes Jahr 11 Millionen, sodaß nach Abzug der 5700000 jährlich noch ein Rest von 5 300000 zu decken bleibt. Diese Summe soll aus dem Staatsschatz genommen werden. Er enthält 19 300 000 Taler211-2, nebst dem sogenannten Kleinen Staatsschatz von 4 300 000 Talern, der für die Mobilmachung bestimmt ist. Ferner liegen noch 4 200 000 Taler in Breslau bereit zum Ankauf von Fourage für ein Heer von 60 000 Mann, und 900 000 in der Bank, um Fourage für sechs Wochen in Magdeburg zu beschaffen. Außerdem soll die Generalkriegstasse II Millionen in Vorrat haben, damit den Regimentern in Kriegszeiten der Sold vorausbezahlt werden kann211-3. 4 Millionen sind schon vorhanden, die anderen werden es in drei Jahren sein. Zu bemerken ist jedoch: wenn das Geld für alle außerordentlichen Ausgaben aus dem Staatsschatz genommen wird, kann der Krieg nur vier Feldzüge dauern. Daraus folgt mit Notwendigkeit, daß man Sachsen besetzen211-4 und den Staatsschatz nach Möglichkeit schonen muß. Er soll eigentlich nur dazu dienen, den Ausfall der Einnahmen aus den vom Feinde überschwemmten Provinzen wettzumachen. So liegen die Dinge, und daraus ergibt sich, daß die größte Sparsamkeit geübt werden muß, um beim Friedensschluß den letzten Taler in der Tasche zu behalten.
Die zwei Millionen, die alle Jahre in den Staatsschatz stießen und aus dem Umlauf verschwinden, sind anscheinend eine recht beträchtliche Summe. Ihre Zurücklegung wird aber durch die günstige Handelsbilanz unseres Staates gerechtfertigt. Der Überschuß, den diese ergibt, beträgt 4 400 000, sodaß der Geldumlauf jährlich eine Zunahme von 2 400 000 Talern aufweist. Beim Tode des verstorbenen Königs war die Handelsbilanz für Preußen ungünstig. Damals verlor die Monarchie infolge der Mehreinfuhr jährlich 500 000 Taler. Durch Errichtung vieler Manufakturen und vor allem durch die Erwerbung Schlesiens ist es mir gelungen, sie auf den angegebenen Fuß zu bringen. Darum darf man die Manufakturen auch nie aus den Augen verlieren. Durch sie kann die Handelsbilanz bei unserem gegenwärtigen Länderbesitz noch um einige hunderttausend Taler gehoben werden. Die Hauptsache ist aber, daß die jetzt bestehende Ordnung in der Verwaltung der öffentlichen Gelder und die Aufsicht über alle Kassen erhalten bleibt. Geschieht das nicht, so zahlt das Volk viel, und der Herrscher wird bestohlen.
<212>Magazine212-1
In Berlin befindet sich ein Magazin von 36 000 Wispel Korn, mit dem man ein Heer von 60 000 Mann ein Jahr lang ernähren kann. Ein ähnliches Magazin für die gleiche Truppenzahl ist in Schlesien vorhanden, außerdem ein Fonds von 2 Millionen zum Ankauf von Getreide aus Polen, aus dem 120 000 Wispel beschafft werden können. Dadurch ist das Land vor Hungersnot geschützt, und in Kriegszeiten ist bei Benutzung der vorhandenen Vorräte Getreide für drei Feldzüge vorhanden.
Die Wartenbergsche Kasse212-2
Wartenberg macht alle Jahre 440 000 Taler Ersparnisse. Sie werden zum Teil für Waffen zur Vermehrung seines Depots, zum Teil für die Artillerie verwendet. Die Kanonen für die neue Festung in Schlesien (Silberberg) sind bereits gegossen. Gegenwärtig sind noch 400 Reservegeschütze für den Krieg in Arbeit.
Die Armee
Die geographische Lage Preußens zwingt uns, ein starkes Heer zu halten, denn wir haben Österreich, Rußland, Frankreich und Schweden zu Nachbarn. Die Kriegsstärke beträgt 220 000 Mann, die Freibataillone und die Kavallerievermehrung inbegriffen. Davon kann man 180 000 Mann ins Feld stellen. Müssen aber drei Armeen aufgestellt werden, so springt es in die Augen, daß wir im Vergleich zu unseren Nachbarn nicht zuviel Truppen haben.
Ich glaube, die Disziplin muß so erhalten werden, wie sie ist, desgleichen die jetzigen Exerziervorschriften, solange die Art der Kriegführung sich nicht ändert. Tritt darin ein Wechsel ein, so bleibt keine andere Wahl, als sich den Umständen anzupassen und entsprechende Änderungen vorzunehmen. Will man aber Gleiches oder Besseres leisten als die Feinde, so muß es durch Ordnung und Disziplin geschehen. Durch Aufmunterung und Auszeichnung muß unter den Offizieren ein edler Wetteifer erregt werden, ihre Gegner zu übertreffen. Kümmert sich der Herrscher nicht selbst um das Heerwesen und geht er nicht mit gutem Beispiel voran, so ist alles verloren. Zieht man die müßigen Hosschranzen den Offizieren vor, so wird jedermann ihren Müßiggang dem beschwerlichen Waffenhandwerk vorziehen. Während unsere Offiziere jetzt aus dem Adel hervorgehen, wird man dann zu Bürgerlichen greifen müssen, und das wäre der erste Schritt zum Niedergang und Verfall der Armee.
Wir haben gegenwärtig nur 70 Inländer pro Kompagnie. An diesem Prinzip muß festgehalten werden, um den Bauernstand zu schonen. Vermehrt er sich, so<213> kann er in Kriegszeiten, wenn Not am Mann ist, Rekruten liefern. Die Festungen sind in gutem Zustande, mit Ausnahme von Stettin, dessen Befestigungsplan aber fertig vorliegt. Magdeburg müßte ringsum mit Minenanlagen versehen werden. Unser schwächster Punkt ist das Ingenieurwesen. Wir brauchen noch 30 gute Ingenieuroffiziere, aber die Schwierigkeit liegt darin, sie zu finden. Die Mineure sind gut. Die Anzahl der Quartiermeister müßte gleichfalls vermehrt werden; denn wenn drei Armeen aufgestellt werden, so erfordert ihr Dienst geschicktere Männer, als wir besitzen.
Unsere Bevölkerung beläuft sich auf 5 200 000 Seelen, darunter gegen 90 000 Soldaten. Dies Verhältnis ist leidlich. Es dürfen aber aus den Kantons nicht über 840 Mann für das Regiment Infanterie und nicht über 400 Mann für das Regiment Kavallerie genommen werden.
Politik
Es gehört zu den Grundregeln der Staatskunst, ein Bündnis mit dem unter seinen Nachbarn zu suchen, der dem Staate die gefährlichsten Schläge versetzen kann. Deshalb hat Preußen mit Rußland eine Allianz geschlossen213-1, weil Rußland uns in Ostpreußen den Rücken deckt und wir, solange dieses Bündnis dauert, keine Einfälle Schwedens in Pommern zu befürchten haben. Die Zeiten können wechseln, und die Wandelbarkeit der politischen Verhältnisse kann uns zum Abschluß anderer Bündnisse zwingen. Wir werden aber bei anderen Mächten nie die Vorteile finden, die ein Bund mit Rußland bietet. Die französischen Truppen taugen nichts, und die Franzosen pflegen ihre Verbündeten nur lau zu unterstützen. Die Engländer sind gewohnt, Subsidien zu zahlen, und opfern ihre Verbündeten beim Friedensschluß, um ihre eigenen Interessen zu fördern213-2. Von Österreich will ich gar nicht reden. Es gehört fast ins Reich der Unmöglichkeit, mit ihm feste Bande zu knüpfen.
Fragt man sich, welche Erwerbungen für Preußen politisch ratsam wären, so bietet Sachsen unbestritten die größten Vorteile. Das preußische Gebiet würde durch Einverleibung Sachsens abgerundet, und die Gebirge zwischen Sachsen und Böhmen, die man befestigen müßte, gäben einen natürlichen Grenzwall ab. Es ist schwer vorauszusehen, wie sich diese Erwerbung ausführen ließe. Das sicherste wäre, Böhmen und Mähren zu erobern und Sachsen dagegen einzutauschen213-3. Man könnte auch die rheinischen Besitzungen, sowie Iülich oder Berg dafür hingeben oder noch einen andern Tausch machen. Jedenfalls ist die Erwerbung Sachsens unumgänglich notwendig, damit Preußen die ihm fehlende Geschlossenheit erhält. Denn ist einmal Krieg, so kann der Feind ohne den geringsten Widerstand schnurstracks auf Berlin rücken.
<214>Ich rede nicht von unseren Erbansprüchen auf Ansbach, Jülich, Berg und Mecklenburg214-1, weil sie bekannt sind und man den Eintritt des Erbfalls abwarten muß.
Da Preußen arm ist, muß man sich besonders vor der Einmischung in solche Kriege hüten, bei denen nichts zu gewinnen ist. Sonst erschöpft man sich umsonst und kann eine sich später bietende günstige Gelegenheit nicht ausnutzen. Alle weitab liegenden Erwerbungen fallen dem Staate zur Last. Ein Dorf an der Grenze ist mehr wert als ein Fürstentum, das sechzig Meilen entfernt liegt. Es ist dringend notwendig, seine ehrgeizigen Pläne so sorgfältig wie möglich verborgen zu halten und wenn möglich den Neid Europas gegen andere Mächte wachzurufen, um dann unbemerkt und unauffällig seinen Schlag zu führen. Der Fall kann eintreten. Hsierreich, das seine Maske fallen ließ214-2, zieht sich wegen seiner ehrgeizigen Absichten den Neid und die Eifersucht der Großmächte auf langehin zu. Geheimhaltung ist eine Kardinaltugend für die Politik wie für die Kriegskunst.
Rechtspflege
Preußen besitzt eine recht weise Gesetzgebung. Ich halte es für unnötig, daran zu bessern. Alle drei Jahre aber muß eine Visitation der Gerichtshöfe in den Provinzen erfolgen. Die Aufführung der Richter und der Advokaten ist zu prüfen. Sie sind zu bestrafen, sobald man sie auf Pflichtwidrigkeiten ertappt. Da jedoch die Parteien und die Advokaten die besten Gesetze zu umgehen suchen, so muß alle zwanzig Jahre eine Prüfung stattfinden, durch welche Schliche und Kniffe sie die Prozesse zu verschleppen suchen. Dem ist (wie es jetzt geschehen214-3) ein Riegel vorzuschieben, damit die Prozesse nicht in die Länge gezogen werden, worunter die Parteien schwer zu leiden haben.
Die Einheit der Regierung
Da Preußen arm ist und leine Hilfsquellen besitzt, so muß der Herrscher stets über einen wohlausgestatteten Staatsschatz verfügen, um wenigstens einige Feldzüge bestreiten zu können. Sein einziger Notbehelf ist eine Anleihe von 5 Millionen Talern bei der „Landschaft“214-4 und die Erhebung von ungefähr 4 Millionen Talern auf den Kredit der Bank. Das ist aber auch alles. In Friedenszeiten kann er zwar über 5 700 000 Taler verfügen, aber diese Summe soll größtenteils in den Staatsschatz stießen oder zu öffentlichen Zwecken verwandt werden, wie Festungsbauten, Meliorationen, Manufakturen, Kanäle, Urbarmachungen, Ersetzung der Holzhäuser in den Städten durch Steinbauten — alles zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Staates. Aus diesen Gründen muß der König von Preußen sparsam sein und<215> auf größte Ordnung in den Geschäften halten. Ein zweiter Grund ist ebenso wichtig. Gibt der König das Beispiel der Verschwendung, so wollen seine Untertanen es ihm nachtun und richten sich bei ihrer Armut zugrunde. Zur Erhaltung der guten Sitten ist es vor allem notwendig, daß einzig und allein das Verdienst und nicht der Wohlstand ausgezeichnet wird. In Frankreich hat die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes die Sitten der Nation verdorben. Früher kannte sie nur den Weg der Ehre, um Ruhm zu erwerben. Jetzt glaubt sie, um zu Ehren zu kommen, brauche man nur reich zu sein.
Jeder Krieg ist ein Abgrund, der Menschen verschlingt. Man muß also auf eine möglichst hohe Bevölkerungszahl sehen. Daraus entspringt noch der weitere Vorteil, daß die Felder besser bebaut und die Besitzer wohlhabender werden.
Ich glaube nicht, daß Preußen sich je zur Bildung einer Kriegsmarine entschließen darf215-1. Die Gründe sind folgende. Mehrere Staaten Europas haben große Flotten: England, Frankreich, Spanien, Dänemark und Rußland. Ihnen werden wir niemals gleichkommen können. Da wir also mit wenigen Schiffen immer hinter den anderen Nationen zurückbleiben würden, so wäre die Ausgabe unnütz. Hinzu kommt, daß wir, um die Kosten für eine Flotte aufzubringen, Landtruppen entlassen müßten, da Preußen nicht volkreich genug ist, um Mannschaften für das Landheer und Matrosen für die Schiffe zu stellen. Außerdem führen Seeschlachten nur selten eine Entscheidung herbei. Daraus ziehe ich den Schluß, daß man besser tut, das erste Landheer in Europa zu halten als die schlechteste Flotte unter den Seemächten.
Die Politik soll möglichst weit in die Zukunft blicken. Man muß sich über die europäische Lage ein UrteU bilden und danach seine Bündnisse schließen oder die Pläne seiner Feinde durchkreuzen. Man glaube nicht, daß die Staatskunst imstande sei, Ereignisse herbeizuführen. Sobald aber Ereignisse eintreten, muß sie sie ergreifen und ausnutzen. Deshalb muß auch Ordnung in den Finanzen herrschen und Geld vorrätig sein, damit die Regierung zu handeln bereit ist, sobald die Staatsraison es gebietet.
Der Krieg selbst muß nach den Grundsätzen der Politik geführt werden, um seinen Feinden die blutigsten Schlage zu versetzen. Derart verfuhr Prinz Eugen, der sich durch den Marsch und die Schlacht bei Turin215-2, durch die Schlachten von Höchstädt und Belgrad215-3 einen unsterblichen Namen gemacht hat. Nicht alle großen Feldzugspläne gelingen. Sind sie aber groß angelegt, so erwachsen stets größere Vorteile aus ihnen als aus kleinen Entwürfen, die sich auf die Wegnahme eines Grenznestes beschränken. So lieferte der Marschall von Sachsen die Schlacht bei Rocoux215-4 nur, um im folgenden Winter sein Unternehmen auf Brüssel ausführen zu können, und das gelang ihm.
Nach allem Gesagten ist es klar, wie eng Politik, Heerwesen und Finanzen zusammenhängen. Man darf sie deshalb nie trennen und muß sie wie ein Dreigespann<216> Stirn an Stirn lenken. Werden sie derart nach den Regeln der gesunden Politik geleitet, so erwachsen daraus die größten Vorteile für den Staat. In Frankreich hat man für jeden Verwaltungszweig einen eigenen König, den Minister, der die Finanzen, das Kriegswesen oder die auswärtigen Angelegenheiten beherrscht. Aber der gemeinsame Mittelpunkt fehlt, und so streben diese Zweige jeder für sich auseinander. Jeder Minister befaßt sich nur mit den Einzelheiten seines Ressorts, niemand gibt ihm ein festes Ziel, und jedes Zusammenarbeiten fehlt 216-1.
Träte in Preußen Ähnliches ein, so wäre der Staat verloren. Große Monarchien gehen trotz eingerissener Mißbräuche ihren Weg von selber und erhalten sich durch ihre eigene Schwerkraft und ihre innere Stärke. Kleine Staaten aber werden rasch zermalmt, sobald nicht alles bei ihnen Kraft, Nerv und Lebensfrische ist.
Das sind einige Betrachtungen und meine Gedanken über die Regierung Preußens. Solange das Land keine größere Geschlossenheit und bessere Grenzen besitzt, müssen seine Herrscher stets mit gespanntem Ohr auf der Wacht216-2 gegen ihre Nachbarn stehen und jeden Augenblick bereit sein, die verderblichen Absichten ihrer Feinde abzuwehren.
<217>Betrachtungen über den politischen Zustand Europas
(9. Mai 1782)
Seit den Verbindungen, die der Kaiser mit Rußland eingegangen ist, hat Preußen auf das Bündnis mit der Kaiserin Katharina nicht mehr zu zählen217-1. Sie glaubt vielleicht, sie könne es gleichzeitig mit zwei Mächten217-2 halten, die durch ihre widerstreitenden Interessen zu Feinden wurden; das ist aber unmöglich. Der Kaiser begnügt sich nicht damit, daß er die Kaiserin von Rußland in seine Netze gezogen hat. Um dle Verbindung auch für die Zukunft zu sichern, hat er mit Hilfe der Württemberger den jungen Hof gänzlich unter seinen Einfluß gebracht217-3. Mag der Großfürst durch diese Kabale völlig in Fesseln gelegt sein oder nicht, dem Kaiser ist das gleichgültig, weil er zu gegebener Zeit in Rußland eine Revolution erregen kann, wodurch die Großfürstin auf den Thron gelangen würde, die ihm nach dem, was ganz Wien sich erzählt, in Liebe verbunden ist.
Indem ich nun dem Verhalten des Kaisers Schritt für Schritt nachgehe, entdecke ich darin viel kluge Voraussicht. Er wird ruhig bleiben und keinen großen Schlag tun, ehe er Ordnung in seine Finanzen gebracht hat. Man sieht es ja, wie er beflissen ist, aus allem Geld zu ziehen: er streicht die Zivilpensionen, hebt in seinen Staaten die Klöster auf, kurz, er sucht alle erfindlichen Mittel auszunutzen, um seine Kassen zu füllen, seine Schulden zu begleichen und sich eine furchtgebietende Stellung zu schaffen, wie seit Ludwigs XIV. besten Tagen kein europäischer Fürst sie besaß. Er hat dies Werk eben erst begonnen, zur Durchführung braucht er ein paar Jahre; also wird er seine Gelegenheit abwarten. Auch wenn man weder Wahrsager noch Prophet ist, läßt sich's leicht prophezeien, daß er sich vorgenommen hat, die preußische<218> Monarchie vollständig zu zertrümmern, um widerstandslos seine despotische Herrschaft in Deutschland aufzurichten. Er wird ruhig meinen Tod abwarten, bevor er Hand ans Werk legt: darum lautet die einzige Weisung an seinen Berliner Gesandten, er solle achthaben auf meinen Gesundheitszustand und ihm hierüber zuverlässige Nachrichten senden.
Sobald ich nicht mehr sein werde und seine Fonds genugsam angewachsen sind, daß er einen langen, kostspieligen Krieg unternehmen kann, wird er Rußland gegen Preußen aufzustacheln suchen, indem er die Streitigkeiten vergiftet, dle immer wieder mit der Stadt Danzig218-1 und um die Besitzungen etlicher Polen an der Netze oder im Kulmer Land218-2 aufleben. Was ihn selbst angeht, so wird er die Grenzen Schlesiens schikanieren, entweder mit neuen Zöllen oder mit Streitigkeiten, die zwischen dem Grenzerpack und den schlesischen Kaufleuten leicht anzustiften sind. Mit den Sachsen wird er, vielleicht beim Tod des Markgrafen von Bayreuth218-3, Zank um das Lausitzer Lehen218-4 anfangen, und da er Rußlands sicher ist, wird er sich der Erbfolge Preußens widersetzen. Mit einem Wort: wenn er bloß einen Vorwand braucht, um Händel zu erregen, so wird er ihn leichtlich finden, und unser unglückliches Land wird einerseits von den Russen in Ostpreußen angegriffen werden, andrerseits von den Österreichern, in Schlesien oder in der Lausitz und Sachsen, mit der Absicht, geradenwegs auf Berlin vorzudringen.
Das wäre die Darstellung der Gefahren, von denen wir bedroht werden. Sie sind so gewaltig und von solcher Bedeutung, daß die größte Geistesanspannung erforderlich ist und alle Quellen der Vorstellungskraft erschöpft werden müssen, wenn wir die Mittel finden wollen, diesem Orkan standzuhalten oder das Ungewitter noch rechtzeitig zu beschwören. Wiewohl man auf seine Verbündeten nicht mehr als auf sich selbst rechnen soll, so müssen wir doch Bündnisse herbeizuführen suchen, um wenigstens eine Art von Gleichheit zu erreichen und ein Gegengewicht gegen die Übermacht der Feinde, damit man ihnen auf allen Seiten mindestens Kräfte entgegenstellen kann, die den feindlichen nicht gar zu sehr nachstehen.
Ich will zunächst untersuchen, was von Deutschland zu erhoffen ist. Da sehe ich den Kurfürsten von Mainz218-5 an das Haus Österreich verkauft, das Kurfürstentum Köln im Begriff, in die Hände eines Erzherzogs zu fallen218-6; das trierische ist außerstande, eine Rolle zu spielen. Bayer und Pfälzer sind Sklaven des Protonsuls Lehr-
<219>bach219-1, der sie regiert, wie der Römer Popilius den König Antiochus von Syrien219-2. Der Herzog von Württemberg219-3, sehe ich, geht nach Wien, um das Fürstindiplom für seine Geliebte219-4 zu erlangen und den Kurfürstenhut zu fordern. Es bleibt also in ganz Deutschland keiner als der Kurfürst von Sachsen219-5 auf den man rechnen könnte, und ferner nur der Kurfürst von Hannover219-6, sowie Braunschweig und Hessen, die allenfalls für einen Bund mit Preußen empfänglich wären.
Wende ich mich nach Polen, so höre ich bloß von Intrigen, die der Wiener Hof dort betreibt, um eine Partei zusammenzubringen. Seine Absicht ist dabei unzweifelHaft, nach der Kriegserklärung mit Hilfe dieser Partei Feindseligkeiten gegen unsere Provinzen zu begehen. Wir müssen also notwendigermaßen darauf bedacht sein, uns innerhalb der polnischen Republik Anhänger zu gewinnen, um entweder die Pläne unserer Feinde zu durchkreuzen oder, was noch vorzuziehen wäre, ihnen offen entgegenzutreten.
Wenn wir uns Frankreich zukehren, so finden wir da einen schwachen König219-7, der in ein paar Jahren sich gewöhnt haben wird, das Joch seiner Gemahlin219-8 geruhig zu tragen, finden Minister, die der bloße Gedanke einer wirklichen Regierung erzittern läßt, und eine österreichische Partei, die, um den Wert des Bündnisses zu steigern, erklärt: alle Erfolge der Franzosen im gegenwärtigen Krieg219-9 seien der glücklichen Verbindung zuzuschreiben, die den Kaiser mit ihrem König einige und ihnen die Möglichkeit gebe, alle Kräfte gegen den ständigen Feind des Gallierreiches219-10 aufzuwenden. Wollte die Kaiserin von Rußland sich darauf versteifen, ihren schönen Plan des griechischen Kaiserreichs219-11 bald ins Werk zu setzen, so wäre das der einzige Fall, in dem der Kaiser — da er sich gegen die Pforte erklaren müßte — den Franzosen einen stichhaltigen Vorwand zum Bruch des Bündnisses mit hem Wiener Hof liefern würde. Solange jedoch dies Ereignis nicht eintrifft, dürfen wir uns nicht einbilden, wir könnten zuverlässige Verbindungen mit Frankreich eingehen.
Bleibt England. Seit Bute außer Spiel gesetzt ist219-12, gehören Verbindungen zwischen England und Preußen wieder ins Reich der Möglichkeiten, da das neue Londoner Ministerium rechtschaffen und uns gewogen ist. Das bedeutet freilich bloß ein günstiges Vorurteil. Wir müssen die Untersuchung weiter ausdehnen und vor<220> allem erst erfahren, ob England nach dem Friedensschluß220-1 imstande sein wird, seinen Verbündeten beizustehen, oder ob der Staat durch seine Erschöpfung, gleichsam durch politische Lähmung, zu völliger Untätigkeit verdammt wird. Sollte England nicht gänzlich entkräftet sein, so könnte es uns die Unterstützung durch hannöversche, hessische und braunschweigische Truppen verschaffen. Die könnten dann den Unternehmungen entgegengestellt werden, die Österreich mit Hilfe des Kurfürsten von Köln vielleicht gegen den preußischen Besitz am Rhein und in Westfalen richten würde. Andrerseits wird Frankreich nach dem Ende dieses Krieges ebenfalls eine sparsame Finanzwirtschaft nötig haben, um die übermäßigen Kosten auszugleichen, die ihm der Krieg verursacht hat.
Der Krieg, den ich voraussehe, wird also in der Hauptsache zwischen Preußen einerseits, Österreich und Rußland andrerseits zu führen sein, vorausgesetzt, daß nicht mittlerweUe günstige Ereignisse eintreten, die unsere Lage vorteilhafter gestalten, sei es, daß Frankreich und Österreich sich entzweien, sei es, daß der Kaiserin von Rußland die Augen aufgehen, der Kaiser oder die Großfürstin stirbt oder irgend etwas Ähnliches sich begibt.
Auf unverhoffte Vorgänge darf man aber niemals zählen. Ohne auf Glücksfügungen zu bauen, wollen wir lediglich mit den Hilfsmitteln rechnen, wie kluge Staatskuns sie uns zu bieten vermag, um uns wieder in gute Verfassung zu bringen. Ich gebe hier ein paar Ideen. Wenn das österreichische Delirium auch nach dem allgemeinen Friedensschluß fortfahren sollte, in Versailles die Köpfe zu verwirren, so müßten wir auf diese Leute220-2 verzichten, immerhin aber ohne völlig mit ihnen zu brechen. Wir könnten ihnen sogar Artigkeiten sagen, auch wenn wir bei unserem Bedürfnis nach Bundesgenossen gezwungen sein sollten, uns an England zu wenden. Die Allianz mit England wäre auf alle Fälle nur ein Notbehelf; doch könnte man immerhin einige Vorteile in Deutschland daraus ziehen. Warum sollten wir dann nicht auf einen Dreibund zwischen uns, den Türken und den Engländern hinarbeiten? Liegen wir mit Rußland und Österreich im Krieg, so können wir uns keine günstigere Diversion erhoffen, als von seilen der Türken. Diese Nation ist uns wohlgeneigt, und ich glaube, in Ermangelung eines Besseren fänden wir da eine Unterstützung, die keineswegs zu verachten wäre.
Jedenfalls ist es noch nicht an der Zeit, zu handeln, sofem man nicht von den bösen Absichten der Kaiserin überzeugt ist. Handeln wir zu geschwind, so arbeiten wir nur für den Kaiser und liefern ihm einen Vorwand, uns die Kaiserin vollends zu entfremden; das wäre ein äußerst unkluges Vorgehen. Um jedoch für den Notfall Fürsorge zu treffen, habe ich das Erforderliche eingeleitet, unserer Korrespondenz nach Konstantinopel ewen neuen Weg zu bahnen: unsere wichtigen Briefe werden über Warschau an den Pascha von Chozim gelangen, der sie auf Befehl der<221> Pforte nach Konstantinopel befördert. Wir würden zuviel aufs Spiel setzen, wenn wir Depeschen von solcher Bedeutung über Wien und Ungarn gehen ließen.
Dies sind im großen Ganzen meine Gedanken über die Zukunft. Ich will freilich nichts versäumen, will keine Mühen noch mein bißchen Scharfsinn sparen, um diese unheilvollen Weissagungen von unseren Häuptern abzuwenden. Wenn aber nach meinem Tod mein Herr Neffe221-1 in seiner Schlaffheit einschlummert, sorglos in den Tag hineinlebt, wenn er verschwenderisch, wie er ist, das Staatsvermögen verschleudert und nicht alle Fähigkeiten seiner Seele neu aufleben läßt, so wird Herr Joseph — ich sehe es voraus — ihn über den Löffel barbieren, und binnen dreißig Jahren wird weder von Preußen noch vom Haus Brandenburg mehr die Rede sein: der Kaiser wird alles verschlungen haben und sich schließlich ganz Deutschland Untertan machen, dessen souveräne Fürsten er allesamt ihrer Macht berauben will, um daraus eine Monarchie wie die französische zu formen. Alle meine Wünsche gehen dahin, daß die Ereignisse meine Prophezeiungen Lügen strafen, meine Nachfolger als verständige Leute ihre Pflicht erfüllen und das Geschick den größeren Teil des dräuenden Unheils von uns wende.
<222>Betrachtungen über die preußische Finanzverwaltung
(20. Oktober 1784)
Preußens Staaten sind nicht reich, nicht einmal wohlhabend. Der Boden ist im ganzen recht dürr, und die einzigen Handelszweige, wodurch die Bilanz der Ein, und Ausfuhr günstig gestaltet wird, bestehen aus dem Verkauf von Leinenwaren und Wollstoffen, sowie aus dem Durchgangshandel, den uns Polen, Sachsen und die rheinischen Staaten verschaffen. Zu meines Vaters Zeit verloren wir in dieser Bilanz jährlich 500 000 Taler. Durch die Erwerbung Schlesiens und Westpreußens, ferner durch die Menge neuerrichteter Manufakturen habe ich die ungünstigen Verhältnisse zu unseren Gunsten derart umgestaltet, daß unser Handel im vergangenen Jahr, nach Abzug der Einfuhr, einen Reingewinn von 4 430 000 Talern einbrachte.
Diesen Mehrertrag an barem Gelde habe ich der Finanzverwaltung zugrunde gelegt. Dadurch war ich imstande, alle Jahre drei Millionen zurückzulegen222-1, und konnte dem Land noch jährlich 1400 000 in bar zukommen lassen. Unsere Einnahmen beliefen sich im Jahre 1783/84 auf 21 730 000 Taler222-2; die Ausgaben abgerechnet bleiben 7 120 000, worüber der Herrscher verfügen kann. Man muß sich durchaus hüten, dieses Kapital auf dauernde Ausgaben zu verwenden. Es muß vielmehr für den Krieg aufgespart werden, der sicherlich ausbrechen wird, wenn ich kaum die Augen geschlossen habe222-3.
Ein Feldzug kostet an außerordentlichen Ausgaben ungefähr 12 Millionen Taler222-4 Wenn der Krieg ausbricht, dürfen wir statt der 7 Millionen, die wir erübrigen, nur sechs erwarten, weil die Akziseeinnahmen geringer werden und einige Summen, die unsere anderen Kassen in Friedenszeiten liefern, alsdann ausbleiben. Wir haben<223> Fourage für drei Feldzüge, in Breslau wie auch in Magdeburg; wir haben, in natura und in Geld, Mehl auf drei Jahre für die ganze Armee223-1. Dank diesen Vorsichtsmaßregeln können wir für die drei ersten Feldzüge gratis liefern: Korn, Fourage und die 6 Millionen für die außerordentlichen Kriegskosien. Ferner haben wir im Staatsschatz genug, um noch für drei Feldzüge das Fehlende vollständig zusteuern zu können. Auf solche Weise habe ich's durch eine einsichtige Verwaltung erreicht, daß unser armes Land sechs Feldzüge auszuhalten vermag, ohne die Steuern zu erhöhen oder den Staat mit drückenden Schulden zu belasten, die ihn aufreiben, auf die Dauer ihn der Armut preisgeben und früher oder später zu schmählichen, betrügerischen Bankrotten führen.
Um ein so armes, großer Hilfsquellen entbehrendes Land lebensfähig zu erhalten, muß man Grundsätzen folgen, die weise und gerecht sind und den dürftigen Zustand des Landes berücksichtigen. Es versieht sich von selbst, daß die Einkünfte des Fürsten von denen des Staates zu trennen sind. Die Staatseinnahmen müssen geheiligt sein, und ihre Bestimmung darf in Friedenszeiten einzig darin erblickt werden, daß sie der Wohlfahrt des Bürgers dienen, indem entweder Land urbar gemacht wird oder die Städte Manufakturen erhalten, die ihnen fehlen, oder endlich, indem alle Einrichtungen besser gefestigt und die einzelnen Staatsbürger, vom Edelmann bis zum Kuhbauer, wohlhabender und wohlhäbiger gemacht werden. Das Einkommen des wohlverwalteten Staates wird des weiteren dazu verwendet, daß alljährlich ein Teil als Beitrag zu den Kriegskosien zurückgelegt wird und so dem armen Volk die Steuern erspart bleiben, die ein untüchtiger Herrscher ihm in Kriegszeiten aufladen würde. Durch solche vernünftige Staatswirtschaft schafft man dem Volt Erleichterung, und der Staat bewahrt sich ausreichende Hilfsquellen für die unerwarteten Fälle, die ihn zwingen, seine Besitzungen gegen begehrliche Nachbarn zu verteidigen.
Bei der Verwaltung der Finanzen muß man die eigenen Launen, Leidenschaften und Gelüste zu zügeln wissen; denn vor allem: die Einnahmen des Staates gehören nicht dem Herrscher. Dies Geld wird rechtmäßig nur da verwendet, wo es dem Wohl des Volkes und der Erleichterung seiner Lasten dienstbar gemacht wird. Jeder Fürst, der dieses Einkommen in Vergnügungen und übel angebrachter Freigebigkeit vergeudet, hat in seinem Tun weniger vom Herrscher an sich als vom Straßenräuber, da er dies Geld, das Herzblut des Volkes, für unnütze und oft lächerliche Ausgaben verbraucht. Denn davon müssen wir ausgehen, daß kein Fürst in Wahrheit sagen kann: „Jetzt brauchen wir keinen Krieg mehr zu führen, nun können wir wie Epikuräer leben und ausschließlich auf die Befriedigung unserer Leidenschaften und Neinen Lüste bedacht sein.“ Was geschieht dann? Plötzlich, siehe, entbrennt ein Krieg, und unser Epikuräer, der sein Gut im voraus verzehrt hat, sieht sich mittellos, während Hannibal schon, wie die Römer sagten, vor den Toren sieht.
<224>Alle Handlungen des Menschen sollen die Folge gründlichen Erwägens sein, dürfen nur nach tiefer und reiflicher Überlegung unternommen werden. Allein ich wage zuversichtlich zu behaupten, daß die Fürsten ihre Vorsicht noch weiter treiben müssen als die Bürger. Bei diesen zieht verkehrtes Denken nur das Unheil einer einzelnen Familie nach sich. Wenn dagegen die Könige nur oberflächlich an die Zukunft denken, wenn sie unüberlegte Maßnahmen treffen, so müssen Millionen Menschen darunter leiden, der Ruhm solcher Fürsten verdunkelt sich, und ihre Feinde beuten ihre Torheit aus. Diese Folgen sind so bedeutsam, daß man sie denen, die durch Geburt zur Herrschaft bestimmt sind, nicht genug einschärfen kann. Zumal wenn derartige Fürsten an Verschwendungssucht leiden, Abneigung gegen Finanzberechnungen hegen und obendrein die unverständige Gewohnheit angenommen haben, sich gleichmütig von sämtlichen Bedienten bestehlen zu lassen. Entweder soll einer nicht nach der Herrschaft über Staaten begehren, oder aber er muß den edlen Vorsatz fassen, sich ihrer würdig zu erweisen, und zwar dadurch, daß er sich alles Wissen aneignet, das zum Fürsten gehört, und edlen Eifers sich antreibt, keine Arbeit und keine Sorge zu scheuen, wenn das Regieren sie erheischt. Man könnte beispielsweise sagen: „Das Rechnungswesen ist mir zuwider.“ Ich antworte: „Das Wohl des Staates fordert, daß ich die Rechnungen durchsehe, und in dem Falle darf mir nichts zu sauer werden.“ Sehen wir uns doch die größten Staaten Europas an: wie ungeheuer sind sie verschuldet! Warum? Weil sie noch nie nach einem Friedensschluß ans Abtragen ihrer Schulden gedacht haben. Die Kosten der Hofhaltung und die Verschwenderwirtschaft ihrer Herrscher haben alle ordentlichen Einkünfte verschlungen. Unter Ludwig XV. stieg die Verderbt, heil so hoch, daß die Finanzminister mitten im Frieden die Schuldenlast der Nation um dreißig und vierzig Millionen Livres jährlich vergrößerten, um seine zügellosen Ausgaben bestreiten zu können. Dabei muß noch bemerkt werden, daß ein Königreich wie das französische mit unermeßlichen Wohlstandsquellen rechnen kann, während in einem armen Land, wie alle preußischen Provinzen es sind, der Zusammenbruch nach kurzer Frist vollständig und nicht mehr gutzumachen sein würde.
Mein Nachfolger wird wohl daran tun, wenn er diesen meinen Betrachtungen auf den Grund geht und sie sich zu eigen macht, auf daß der Staat nach meinem Tod in der Lage sei, sich zu behaupten und nicht zu unterliegen. Dies aber würde sicher geschehen, wenn er nichts Besseres als einen Verschwender und Windbeutel an der Spitze hätte.
<225>Regierungsformen und Herrscherpflichten (1777)
Wir finden, wenn wir auf die fernste Vorzeit zurückblicken, daß die Völker, von denen uns Kunde ward, ein Hirtenleben führten und keinen gesellschaftlichen Körper bildeten. Ein ausreichendes Zeugnis dafür gibt der Bericht der Genesis über die Geschichte der Patriarchen. Vor dem kleinen jüdischen Voll lebten jedenfalls auch die Ägypter sippenweise verstreut in den Gegenden, die der Nil nicht überschwemmte, und es sind ohne Zweifel viele Jahrhunderte verflossen, bevor dieser Strom so weit bezwungen war, daß die Einwohner sich in Dörfern sammeln konnten. Aus der griechischen Geschichte erfahren wir die Namen der Städtegründer und der Gesetzgeber, die das Voll zuerst zu einem Staatskörper zusammenfaßten. Lange blieb auch diese Nation so ungesittet wie alle Bewohner unseres Erdballs.
Wären die Annalen der Etrusker, der Samniten, Sabiner u. a. auf uns gekommen, so würden sie uns sicherlich lehren, daß diese Völler in Familienverbände zersplittert waren, bevor sie sich sammelten und Einheiten wurden. Die Gallier bilbeten schon, ehe Julius Cäsar sie unterwarf, größere Gemeinschaften. Dagegen war Großbritannien, scheint es, noch nicht so weit entwickelt, als derselbe Eroberer zum erstenmal mit den römischen Truppen hinüberging. Die Germanen standen zur Zeit dieses großen Mannes erst auf der Stufe der Irokesen, der Algonkins und ähnlicher wilder Völkerschaften; sie lebten nur von Jagd und Fischfang und von der Milch ihrer Herden. Ein Germane glaubte sich zu erniedrigen, wenn er den Erdboden anbaute; für diese Arbeiten verwendete er seine kriegsgefangenen Sklaven. Überdies bedeckte der Hercynische Wald fast gänzlich die weitgedehnte Länderfläche, die nun Deutschland bildet. Das Volk konnte nicht zahlreich sein, da es an genügender Nahrung fehlte. Zweifellos liegt darin der wahre Grund für die ungeheuren Wanderungen der nordischen Völker, die sich auf den Süden stürzten, um völlig urbar gemachte Länder und ein minder rauhes Klima zu gewinnen.
Man erstaunt, wenn man sich vorstellt, daß das Menschengeschlecht so lange in einem Zustand der Wildheit, ohne staatliche Gemeinschaften zu bilden, hinleben konnte, und eifrig forscht man nach dem Vernunftgrund, der es vermochte, die Menschen so weit zu bringen, daß sie sich zu Volkskörpern zusammenschlossen. Unzweifelhaft haben die Gewalttaten und Plündereien benachbarter Horden in den vereinzelten Sippen<226> den Gedanken wachgerufen, sich mit anderen Familienverbänden zusammenzuschließen, um ihre Besitztümer in gegenseitiger Verteidigung zu schützen. Daraus entsprangen die Gesetze, die den Gemeinschaften beibringen, daß das Interesse der All-gemeinheit dem persönlichen Wohl des einzelnen vorangehe. Ohne Bestrafung zu gewärtigen, wagte seitdem niemand, sich fremden Gutes zu bemächtigen oder das Leben des Nächsten anzutasten. Jeder mußte Weib und Güter des anderen als geheiligte Werte anerkennen, und wenn die Gesamtheit angegriffen war, mußte jeder einzelne zu Hilfe eilen.
Die große Wahrheit, daß wir gegen die anderen so handeln sollen, wie wir von ihnen behandelt zu werden wünschen, wird zur Grundlage der Gesetze und des Gesellschaftsoertrags. Hier ist der Ursprung der Liebe zum Vaterland, in dem wir das Obdach unseres Glückes erblicken. Da jedoch die Gesetze ohne unaufhörliche Überwachung weder fortbestehen noch Anwendung finden konnten, so bildeten sich Obrigkeiten heraus, die das Volk erwählte und denen es sich unterordnete. Man präge sich dies wohl ein: die Aufrechterhaltung der Gesetze war der einzige Grund, der die Menschen bewog. sich Obere zu geben; denn das bedeutet den wahren Ursprung der Herrschergewalt. Ihr Inhaber war der erste Diener des Staates226-1. Hatten die Volksgemeinschaften im Entstehen etwas von den Nachbarn zu befürchten, so bewaffnete dies Oberhaupt das Volt und sehte schleunig die Verteidigung der Bürger ins Werk.
Der allgemeine Trieb der Menschen, sich den größtmöglichen Glücksanteil zu verschaffen, gab Anlaß zur Bildung der unterschiedlichen Regierungsformen. Die einen glaubten, dies Glück zu finden, wenn sie etlichen weisen Männern die Führung überließen; daher entstand die aristokratische Regierung. Andere entschieden sich für die Oligarchie. Athen und die meisten anderen Republiken Griechenlands wählten die Demokratie. Persien und der übrige Orient beugten sich unter den Despotismus. Die Römer hatten eine Zeitlang Könige; als sie aber der gewalttätigen Tarquinier müde wurden, wandelten sie die Form ihrer Regierung in Adelsherrschaft. Bald danach bekam das Volk die Härte der Patrizier satt, die es wucherisch bedrückten. Es trennte sich von ihnen und kehrte nicht früher wieder nach Rom zurück, als bis der Senat die Tribunen bestätigte, die das Volk zum Schutz gegen die Vergewaltigung durch die Großen gewählt hatte; von da ab ward das Volk beinahe zum Träger der höchsten Machtfülle. Tyrannen wurden die genannt, die gewaltsam die Herrschaft in ihren Besitz brachten und, lediglich ihren Leidenschaften und Launen folgend, die zur Erhaltung des Gemeinwesens geschaffenen Gesetze und Grundprinzipien umstürzten.
Allem wie weise die Gesetzgeber und die ersten Staatengründer, wie trefflich ihre Einrichtungen sein mochten, es hat doch unter all den Regierungsformen keine gegeben, die sich in voller Reinheit erhalten hätte. Warum? Weil die Menschen und<227> folglich auch ihre Werke unvollkommen sind. Weil die Bürger im Drang der Leidenschaften sich durch ihr Sonderinteresse verblenden lassen, das stets dem allgemeinen Interesse zuwiderläuft. Endlich, weil nichts auf dieser Welt Bestand hat. In den Staaten mit Adelsherrschaft pfiegt Mißbrauch der Gewalt, wie ihn die ersten Glieder des Staatsganzen treiben, gewaltsame Umwälzungen nach sich zu ziehen. Die Demokratie der Römer wurde vom Volke selbst gestürzt; die blinde Masse der Plebejer ließ sich von ehrgeizigen Bürgern verführen, danach unterdrücken und ihrer Freiheit berauben. Dies ist das Schicksal, worauf England sich gefaßt machen kann, wenn das Unterhaus nicht den wahrhaften Interessen der Nation den Vorzug vor der schmählichen Korruption227-1 gibt, die sie erniedrigt.
Von der monarchischen Regierungsform kennt man die unterschiedlichsten Abarten. Die alte Feudalherrschaft, die vor ein paar Jahrhunderten in Europa fast allgemeine Geltung hatte, war aus den Eroberungen der Barbaren hervorgegangen. Der Feldherr, der eine Horde führte, machte sich zum unabhängigen Herrscher des eroberten Landes und verteilte die Einzelbezirke an seine Hauptleute. Sie waren ihm zwar als ihrem Lehnsherrn Untertan und lieferten ihm Truppen, sobald er es forderte; da aber etliche dieser Vasallen ebenso mächtig wie das Oberhaupt wurden, so bildeten sich Staaten im Staat. Das ward zu einer Pfianzschule für die Bürgerkriege, die soviel Unheil über die Allgemeinheit brachten. In Deutschland sind diese Vasallen unabhängig geworden; in Frankreich, England und Spanien wurden sie niedergerungen. Das einzige Beispiel dieser abscheulichen Regierungsform, das uns verblieb, bietet noch die Republik Polen. Der Beherrscher der Türkei ist Despot; straflos darf er die empörendsten Grausamkeiten begehen. Dafür begibt es sich freilich oft genug — durch ein Umsturzstreben, das in allen Barbarenvölkern steckt, oder auch durch gerechte Vergeltung — daß der Despot seinerseits erdrosselt wird. Die wahrhaft monarchische Regierung227-2 ist die schlimmste oder aber die beste von allen, je nachdem sie gehandhabt wird.
Wir haben gesehen, daß die Bürger einem ihresgleichen immer nur darum den Vorrang vor allen zugestanden, weil sie Gegendienste von ihm erwarteten. Diese Dienste bestehen im Aufrechterhalten der Gesetze, in unbestechlicher Pflege der Gerechtigkeit, in kraftvollstem Widerstand gegen die Sittenverderbnis, im Verteidigen des Staates gegen seine Feinde. Der Staatslenker muß sein Augenmerk auf die Bodennutzung gerichtet halten, er muß für reichliche Beschaffung von Lebensmitteln Sorge tragen, muß Handel und Gewerbe fördern. Er gleicht einer ständigen Schildwache, die über die Nachbarn und das Verhalten der Feinde zu wachen hat. Von ihm wird verlangt, daß er mit weitblickender Klugheit zur rechten Zeit Verbindungen anknüpfe und Bundesgenossen wähle, wie sie den Interessen seines Gemeinwesens am<228> zuträglichsten sind. Man erkennt aus dieser kurzen Übersicht, welche Fülle besonderer Kenntnisse jeder einzelne dieser Gegenstände erfordert. Und damit muß sich noch ein gründliches Studium der Landesbeschaffenheit und eine genaue Erkenntnis des Nationalgeistes verbinden. Denn der Herrscher macht sich ebenso schuldig, wenn er aus Unkenntnis fehlt, wie wenn er es aus böser Absicht tun würde: das eine Mal sind es Fehler aus Trägheit, das andere Mal Gebrechen des Herzens; allein das Übeldas dem Gemeinwesen erwächst, ist beide Male dasselbe.
Die Fürsten, die Herrscher, die Könige sind also nicht etwa deshalb mit der höchsten Macht bekleidet worden, damit sie ungestraft in Ausschweifung und Luxus aufgehen könnten. Sie sind nicht zu dem Zweck über ihre Mitbürger erhoben worden, daß ihr Stolz in eitel Repräsentation sich brüste und der schlichten Sitten, der Armut, des Elends verächtlich spotte. Sie stehen keineswegs an der Spitze des Staates, um in ihrer Umgebung einen Schwarm von Nichtstuern zu unterhalten, die durch ihren Müßiggang und ihr unnützes Wesen alle Lasier fördern.
Schlechte Verwaltung kann bei monarchischer Regierung auf sehr verschiedene Ursachen zurückgeführt werden, die ihre Wurzel im Charakter des Herrschers haben. So wird ein Fürst, der den Frauen ergeben ist, sich von seinen Mätressen und Günstlingen regieren lassen. Die mißbrauchen ihre Macht über des Fürsten Sinn und bedienen sich ihres Einflusses, um Ungerechtigkeiten zu begehen, Menschen ohne sittlichen Halt zu begünstigen, Ämter zu verschachern und ähnlicher Schändlichkeiten mehr zu verüben. Sobald der Fürst aus Nichtstuerei das Steuer des Staates Mietlingshänden überläßt — sagen wir: seinen Ministern — so wird der eine es nach rechts drehen, der andere nach links, niemand wird nach einheitlichem Plan arbeiten. Jeder Minister wird die Einrichtungen, die er vorfindet, mögen sie noch so gut sein, umstürzen wollen, um ein Schöpfer neuer Dinge zu werden und seine launenhaften Einfälle zu verwirklichen — oft zum Schaden des Gemeinwohls. Andere Minister, die dann an deren Stelle treten, beeilen sich, ihrerseits diese Anordnungen wieder mit derselben Leichtfertigkeit, die ihre Vorgänger bewiesen, über den Haufen zu werfen; sie sind befriedigt, wenn sie nur für erfinderische Köpfe gelten. So läßt das ewige Wechseln und Abändern den Plänen keine Zeit, Wurzel zu fassen. Hieraus erwachsen Verwirrung, Unordnung und alle Lasier einer schlechten Verwaltung. Die Pflichtvergessenen haben eine Entschuldigung stets zur Hand: sie decken ihre Schande mit dem unaufhörlichen Wechsel und Wandel. Und da diese Art von Ministern froh ist, wenn kein Mensch ihre eigene Amtsführung nachprüft, so hüten sie sich wohl, durch Einschreiten gegen ihre Untergebenen ein Beispiel dafür zu geben.
Die Menschen verwachsen innerlich mit dem, was ihnen gehört. Der Staat gehört den Ministern nicht; sein Wohlergehen liegt ihnen also nicht wahrhaft am Herzen. Alles wird vielmehr lässig, mit einer Art stoischen Gleichmuts vollführt. Dies muß den Verfall der Rechtspflege, der Finanzen und des Heerwesens zur Folge haben. So entartet das monarchische Regiment tatsächlich zu einem aristo<229>kratischen, darin Minister und Generale nach Gutdünken schalten. Von einem einheitlichen System ist dann nichts mehr zu spüren. Jeder folgt seinen Sondergedanken, und der Mittelpunkt, der Einheitspunkt, ist verloren. Gleichwie alle Werkteile einer Uhr vereint auf denselben Zweck, die Zeitmessung, hinwirken, so sollte auch das Getriebe der Regierung derartig angeordnet sein, daß all die einzelnen Teile der Verwaltung gleichmäßig zum besten Gedeihen des Staatsganzen zusammenwirkten; denn dieses Hauptziel darf niemals aus dem Auge gelassen werden. Ferner bringt das persönliche Interesse der Minister und Generale es gemeiniglich mit sich, daß sie in allem einander entgegenarbeiten und manches Mal die Ausführung des besten Beschlusses verhindern, bloß weil nicht sie selber ihn angeregt haben. Das Übel erreicht aber den Gipfel, wenn es verderbten Seelen gelingt, den Herrscher zu überzeugen, daß seine Interessen andere seien als die seiner Untertanen. Dann wird der Fürst zum Feind seines Volkes, ohne zu wissen, wie das kommt. Aus Mißverständnis wird er hart, streng, unmenschlich. Da die Grundanschauung, von der er ausgeht, falsch ist, müssen notwendigermaßen auch die Folgerungen es sein. Der Herrscher ist durch unlösliche Bande mit dem Staatskörper verknüpft; demnach fühlt er durch rückwirkende Kraft alle Leiden seiner Untertanen mit, und ebenso leidet die Staatsgemeinschaft unter dem Unglück, das ihn trifft. Es gibt für ihn nur ein Heil, das ist das allgemeine des Staates. Verliert der Fürst Provinzen, so ist er nicht mehr imstande, den Untertanen beizustehen wie zuvor; hat sein Mißgeschick ihn genötigt, Schulden aufzunehmen, so ist es an den armen Staatsbürgern, sie zu tilgen. Und wiederum, wenn das Volk wenig zahlreich ist, wenn es in Elend verkommt, so ist der Landesherr aller Hilfsquellen beraubt. All das sind so unanfechtbare Wahrheiten, daß es nicht nottut, weiter dabei zu verweilen.
Ich wiederhole also: der Herrscher repräsentiert den Staat; er und sein Volk bilden bloß einen einzigen Körper, der nur insoweit glücklich sein kann, als Eintracht die einzelnen Glieder zusammenhält. Der Fürst ist für den Staat, den er regiert, dasselbe, was das Haupt für den Körper ist: er muß für die Allgemeinheit sehen, denken und handeln, um ihr jeglichen wünschenswerten Vorteil zu verschaffen. Soll die monarchische Regierung sich der republikanischen überlegen zeigen, so ist die Richtschnur für den Herrscher gegeben: er muß tätig und rein von Charakter sein und all seine Kräfte zusammennehmen, um die Aufgabe zu erfüllen, die ihm vorgezeichnet ward. Die Vorstellung, die ich mir von seinen Pflichten mache, ist folgende.
Er muß sich sorgsam und eingehend über Stärke und Schwäche seines Landes unterrichten, und zwar ebensogut im Hinblick auf die Geldquellen wie auf die Bevölkerungsmenge, die Finanzen, den Handel, die Gesetze und den Geist der Nation, die er regieren soll. Wenn die Gesetze gut sein sollen, so müssen sie klar ausgedrückt sein, damit keine Rechtsverdrehung sie nach Belieben deuten kann, um den Sinn zu umgehen und regellos, nach Gutdünken über das Geschick der Bürger zu entscheiden. Das Verfahren soll so kurz wie irgend möglich sein, um die Parteien nicht<230> zugrunde zu richten. Sie dürfen nicht genötigt werden, sich in unnütze Ausgaben zu stürzen, um das zu erlangen, was die Justiz ihnen von Rechts wegen schuldig ist. Dieser Teil der Regierungsgeschäfte kann nicht genugsam überwacht werden, damit der Begehrlichkeit der Richter und dem maßlosen Eigennutz der Advokaten jede erdenkliche Schranke gesetzt werde. Alle Beamten werden zur Pflichterfüllung angehalten durch Visitationen, die man von Zeit zu Zeit in den Provinzen vornimmt. Jeder, der sich geschädigt glaubt, wagt alsdann, seine Klagen bei der Kommission vorzubringen; die Pflichtvergessenen sind streng zu strafen230-1. Vielleicht ist es überflüssig, hinzuzufügen, daß die Strafe niemals schwerer als das Vergehen sein, Gewalt nie an die Stelle der Gesetze treten darf und ein Herrscher lieber zu nachsichtig als zu streng sein soll.
Der einzelne Bürger sogar verfährt leichtsinnig, wenn er nicht nach Grundsätzen handelt. Um wieviel mehr ist daran gelegen, daß ein Staatsoberhaupt, das über das Wohl ganzer Völker zu wachen hat, in Politik und Kriegswesen, Finanzen. Handel und Gesetzen sich stets an ein vorbestimmtes System halte. Es darf beispielsweise ein sanftes Volk keine überstrengen Gesetze erhalten, sondern solche, die seinem Charakter angepaßt sind. Die Grundlage dieser Systeme muß immer das höchste Wohlergehen der bürgerlichen Gesellschaft berücksichtigen. Die Richtlinien müssen der Lage des Landes, seinen alten Bräuchen, soweit sie gut sind, und dem Volksgeist angemessen sein.
In der Politik z. B. ist es eine bekannte Tatsache, daß die natürlichen und folglich besten Verbündeten diejenigen sind, deren Interessen mit den unseren übereinstimmen und die nicht so nahe Nachbarn sind, daß man mit ihnen in einen Widerstreit der Interessen geraten kann. Zuweilen geben absonderliche Ereignisse Anlaß zu außergewöhnlichen Kombinationen. In unseren Tagen sahen wir Völker, die einander allzeit als Nebenbuhler oder gar als Feinde gegenüberstanden230-2, unter ein und derselben Fahne marschieren. Doch sind das Fälle, die selten vorkommen und niemals als Vorbilder dienen werden. Verbindungen dieser Art können nur ein Eintagsleben haben, wogegen den anderen, die auf einem gemeinsamen Interesse beruhen, allein Dauer vergönnt ist. Bei der heutigen Lage Europas, da alle Fürsten gerüstet sind und übermächtige Staaten fähig wären, die schwächeren zu vernichten, ist es eine Forderung der Klugheit, daß man sich mit anderen Mächten verbünde: entweder um sich HUfe gegen Angriffe zu sichern oder um gefahrdrohende Pläne der Feinde zu vereiteln, oder endlich um mit dem Beistand der Bundesgenossen gerechte Ansprüche gegen die Widersacher zu verfechten. Allein das genügt noch nicht. Man braucht bei seinen Nachbaren, namentlich bei seinen Feinden, offene Augen und Ohren, die getreulich berichten, was sie gesehen und gehört haben. Die Menschen sind böse; man muß sich besonders vor Überraschungen wahren, weil alles, was<231> überraschend kommt, Schrecken und Entschlußunfähigkeit verursacht. Ist man vorbereitet, so kann das niemals geschehen, mag das Ereignis, das zu erwarten sieht, noch so verdrießlich sein. Die europäische Politik ist so trügerisch, daß der Scharfsichtigste betrogen werden kann, wenn er nicht stets regsam und auf seiner Hut ist.
Das militärische System muß gleichfalls auf guten, sicheren Grundsätzen aufgebaut sein, die durch Erfahrung bestätigt sind. Man muß wissen, welche Fähigkeiten der Nation innewohnen und wie weit man, wenn sie gegen den Feind geführt wird, seine Unternehmungen ausdehnen darf. In unserer Zeit verbietet es sich, die Kriegsbräuche der Griechen und Römer anzuwenden. Die Erfindung des Schießpulvers hat die Art der Kriegführung vollkommen verändert. Die Überlegenheit des Feuers entscheidet heutzutage den Sieg; die Waffenübungen, die Reglements und die Taktik sind demgemäß von Grund auf umgestaltet worden. Die ungeheuer übertriebene Anwendung zahlreicher Artillerie, die jedes Heer schwerfällig macht, zwingt uns neuerdings, diese Mode ebenfalls mitzumachen, teils um unsere Stellungen zu behaupten, teils um den Feind in den seinigen anzugreifen, falls wichtige Gründe es erfordern. All die überfeinen Neuerungen haben die Kriegskunst so entschieden beeinflußt, daß ein General heute eine unverzeihliche Tollkühnheit begehen würde, wenn er einen Turenne, einen Conde, den Marschall von Luxemburg nachahmen und auf Grund der Anordnungen, wie diese großen Feldherren sie zu ihrer Zeit trafen, eine Schlacht wagen wollte. Damals gewann man seine Siege durch Mut und Kraft. Jetzt entscheidet die Artillerie alles, und die Geschicklichkeit des Generals beschränkt sich darauf, seine Truppen an den Feind heranzuführen, ohne daß sie zusammengeschossen werden, bevor sie den Angriff beginnen können. Um dies zu erreichen, muß er das Feuer des Gegners durch die Überlegenheit des eigenen zum Schweigen bringen. Was sich jedoch in der Kriegskunst ewig erhalten wird, das ist die Kastrametrie oder die Kunst, den größtmöglichen Vorteil aus einem Gelände zu ziehen. Wenn noch weitere Entdeckungen gemacht werden, so ergibt sich die Notwendigkeit, daß die Feldherren jener künftigen Zeiten diese Neuerungen verwetten und an unserer Taktik ändern, was der Verbesserung bedarf.
Es gibt Staaten, dle nach Lage und Anlage Seemächte sein müssen. Das sind England, Holland, Frankreich, Spanien, Dänemark. Sie grenzen ans Meer, und die entlegenen Kolonien, die sie besitzen, nötigen sie, Schisse anzuschaffen, um Verbindung und Handel zwischen dem Mutterland und den AußenteUen aufrechtzuerhalten. Andere Staaten dagegen, wie Österreich, Polen, Preußen und selbst Rußland, brauchen entweder keine Marine oder sie würden sich eines unverzeihlichen politischen Fehlers schuldig machen, wenn sie ihre Streitkräfte zersplitterten, um auch auf der See Truppen zu verwenden, die sie zu Lande durchaus nicht entbehren können231-1.
<232>Die Zahl der Truppen, die ein Staat aufbringt, muß sich nach der Zahl der feindlichen Streitkräfte richten. Sie muß ebenso groß sein; der Schwächere läuft Gefahr, zu unterliegen. Es ließe sich einwenden, der Fürst solle auf die HUfe seiner Verbündeten rechnen. Das wäre richtig, wenn die Verbündeten so wären, wie sie sein sollten. Allein ihr Eifer ist nur lau, und man täuscht sich sicherlich, wenn man sich auf andere statt auf sich selbst verläßt. Ist die Grenze so beschaffen, daß sie durch Festungen verteidigt werden kann, so darf man nichts versäumen, um diese zu bauen, und nichts sparen, um sie zu vervollkommnen. Frankreich gab uns das Beispiel, und bei mehr als einer Gelegenheit hat es den Nutzen verspätt.
Indessen, weder Politik noch Heerwesen können gedeihen, wenn die Finanzen nicht in größter Ordnung erhalten werden und der Fürst selber nicht sparsam und umsichtig ist. Das Geld gleicht dem Stab, womit die Zauberer ihre Wunder hervorbrachten. Weitausschauende politische Pläne, Erhaltung der Heeresmacht, die besten Absichten für die Entlastung des Voltes: all das bleibt im Keime stecken, wenn das Geld es nicht zum Leben erweckt. Sparsamkeit des Herrschers ist um so wertvoller für das Gemeinwohl, als alle Lasten auf seine Untertanen zurückfallen, wenn nicht genügende Mittel vorhanden bleiben, um ohne außerordentliche Steuerauflagen Kriegskosten zu bezahlen oder um den Bürgem bei allgemeiner Notlage Unterstützung zu bieten. Und gerade in unglücklichen Zeitläuften finden die Untertanen ja selber keinen Verdienst und sind nur zu sehr auf Beistand von oben angewiesen. Ohne Steuern kommt kein Regierungssystem aus; republikanisch oder monarchisch, es braucht sie. Das Oberhaupt, das die ganze Last der Staatsgeschäfte trägt, muß zu leben haben. Die Richter sind zu bezahlen, damit sie nicht in Pfiichtwidrigkeit geraten. Der Soldat soll ernährt werden, da Mangel ihn zu Gewalttätigkeiten verleiten kann. Desgleichen müssen die Leute, denen die Finanzverwaltung anvertraut ist, ausreichend entlohnt werden, damit sie nicht nötig haben, öffentliche Gelder zu veruntreuen. Diese unterschiedlichen Ausgaben erfordern bedeutende Summen. Es kommt noch hinzu, daß alljährlich etwas Geld für außerordentliche Fälle beiseite gelegt werden sollte. All das muß notwendigermaßen vom Volke aufgebracht werden.
Die große Kunst besieht nun darin, diese Summen zu erheben, ohne die Staatsbürger zu bedrücken. Damit die Einschätzung gleichmäßig und ohne Willkür vonstatten gehe, legt man Kataster an, die, sofern sie auf genauer Abstufung beruhen, die Lasten im Verhältnis zu den Mitteln des einzelnen verteilen. Das ist unbedingt notwendig. Es wäre ein nicht zu vergebender Fehler der Finanzwirtschaft, wenn die Steuern so ungeschickt verteilt würden, daß sie dem Landmann seine Arbeit verleibeten; er muß vielmehr, nachdem er seine Abgaben entrichtet hat, mitsamt seiner Familie noch in einer gewissen Behaglichkeit leben können. Keinesfalls darf den Nährvätern des Staates das Dasein erschwert werden. Im Gegenteil, sie müssen ermutigt werden, damit sie ihr Land wohl bestellen; denn dies macht den wahren Reichtum des Landes aus. Die Erde liefert die notwendigsten Lebensmittel, und<233> diejenigen, die sie bebauen, sind wirklich, wie wir schon sagten, die Nährväter der Gesellschaft.
Man wird mir vielleicht entgegenhalten, Holland besiehe doch, ohne daß es auch nur den hundertsten Teil dessen, was es verzehrt, auf seinen eigenen Feldern hervorbringe. Darauf erwidere ich, daß es sich hier um einen kleinen Staat handelt, bei dem der Handel den Ackerbau ergänzt. Je ausgedehnter aber ein Gebiet ist, um so mehr bedarf die Landwirtschaft der Förderung.
Eine andere Art der Steuer, die in den Städten erhoben wird, sind die Akzisen233-1. Sie wollen mit geschickter Hand gehandhabt werden; sonst werden die notwendigsten Lebensmittel, wie Brot, Dünnbier, Fleisch usw., belastet, und das trifft die Soldaten, die Arbeiter und die Gewerbetreibenden. Zum Unheil für das Volt ergäbe sich daraus eine Erhöhung des Arbeitslohnes; infolgedessen würden die Waren so teuer, daß man den Absatz nach dem Ausland verlieren würde. Ebendas erlebt man gegenwärtig in Holland und England. Beide Nationen hatten in den letzten Kriegen ungeheuere Schulden gemacht und schufen nun, um sie abzutragen, neue Steuern. Da sie aber durch ihre Ungeschicklichkeit den Arbeitslohn steigerten, haben sie beinahe ihre Manufakturen zugrunde gerichtet. Seither hat sich die Teuerung in Holland noch verschlimmert. Deshalb läßt es jetzt seine Tuchstoffe in Verviers und Lüttich herstellen, und England hat in Deutschland einen beträchtlichen Absatz an Wollwaren verloren. Um solchen Mißgriffen zu begegnen, muß der Herrscher sich den Zustand des armen Voltes oftmals gegenwärtig halten, muß sich an die Stelle eines Landmanns oder Fabrikarbeiters setzen und sich fragen: wenn ich in der Klasse dieser Bürger geboren wäre, deren Arme ihr ganzes Kapital bedeuten, was würde ich wohl vom Herrscher begehren? Was sein gesunder Menschenverstand ihm dann eingibt, das zu verwirklichen ist seine Pflicht.
In den meisten Staaten Europas findet er Provinzen, wo die Bauern an die Scholle gefesselt sind, als Leibeigene ihrer Edelleute233-2. Von allen Lagen ist dies die unglücklichste und muß das menschliche Gefühl am tiefsten empören. Sicherlich ist kein Mensch dazu geboren, der Sklave von seinesgleichen zu sein. Mit Recht verabscheut man diesen Mißbrauch und meint, man brauche nur zu wollen, um die barbarische Unsitte abzuschaffen. Dem ist aber nicht so; sie stützt sich auf alte Verträge zwischen den Grundherren und den Ansiedlern. Der Ackerbau ist auf der Bauern Frondienste zugeschnitten. Wollte man diese widerwärtige Einrichtung mit einem Male abschaffen, so würde man die ganze Landwirtschaft über den Haufen werfen. Der Adel müßte dann für einen Teil der Verluste, die er an seinen Einkünften erleidet, Entschädigung erhalten.
Hieraus kommt der Artikel Manufakturen und Handel in Betracht; er ist nicht minder wichtig. Soll ein Land sich in blühendem Gedeihen erhalten, so ist es un<234>bedingt notwendig, daß die Handelsbilanz günstig siehe: wenn es mehr für die Einfuhr bezahlt, als es an der Ausfuhr verdient, so muß es unfehlbar von Jahr zu Jahr ärmer werden. Man stelle sich eine Geldtasche vor, die hundert Dukaten enthält: nehmen wir täglich einen heraus und tun nichts dafür hinein, so müssen wir zugeben, daß am Ende der hundert Tage die Geldtasche leer ist. Die Mittel, solchem Schaden vorzubeugen, sind folgende: Verarbeitung aller Rohstoffe, die man besitzt, Bearbeitung der fremdländischen Stoffe, um dem eigenen Land den Werklohn zuzuwenden, und billiges Arbeiten, um sich Absatz nach dem Ausland zu schaffen. Beim Handel dreht es sich um drei Punkte: um den Überschuß der Landeserzeugnisse, den wir ausführen; um die Erzeugnisse unserer Nachbarn, deren Verkauf uns bereichert; und um die fremden Waren, die wir einführen, weil unsere Bedürfnisse es erfordern. Nach diesen ebengenannten Produkten muß der Handel eines Staates sich regeln; dessen ist er von Natur aus fähig. England, Holland, Frankreich, Spanien, Portgal haben Besitzungen in beiden Indien und reichere Hilfsquellen für ihre Handelsmarine als die anderen Reiche. Seine Vorteile ausnutzen und über das Maß seiner Kräfte hinaus nichts unternehmen: das ist der Weisheit Rat.
Wir haben noch davon zu sprechen, welche Mittel am besten geeignet sind, den reichlichen Zufiuß an Lebensmitteln unveränderlich zu erhalten, den die Allgemeinheit unbedingt braucht, um in Blüte zu bleiben. Die Hauptsache ist, daß Sorge getragen werde für gute Bestellung des Landes, für Urbarmachung alles ertragfähigen Bodens, für Mehrung der Herden, damit mehr Milch, Butter, Käse und Mast geWonnen werde. Ferner ist genau festzustellen, wieviel Scheffel der verschiedenen Getreidearten in guten, mittelmäßigen und schlechten Jahrgängen geerntet werden. Da, von muß man den Verbrauch abziehen und hieraus ermitteln, wieviel überflüssig ist und also ausgeführt werden darf, oder aber was zur Verbrauchsmenge noch fehlt und demnach beschafft werden muß. Jeder Herrscher, dem das Gemeinwohl am Herzen liegt, ist verpflichtet, sich mit wohlversorgten Magazinen zu versehen234-1, um Mißernten auszugleichen und der Hungersnot vorzubeugen. In Deutschland haben wir während der schlechten Jahre 1771 und 1772 gesehen, welche Nöte Sachsen und die Lande im Reiche auszustehen hatten, weil diese nutzbringende Voraussicht versäumt worden war. Das Volk mahlte die Rinde der Eichen, um sie für die Ernährung zu verwenden. Die elende Speise erhöhte nur noch die Sterblichkeit; viele Familien gingen rettungslos zugrunde; es war eine allgemeine Verheerung. Andere wandetten aus, fahl, bleich, abgezehrt, um in der Fremde Hilfe zu finden. Ihr Anblick erregte tiefes Mitleid; ein Herz von Stein hätte er gerührt. Welche Vorwürfe mußte sich nicht ihre Obrigkeit machen, da sie diesem Unglück zuschaute, ohne HUfe bringen zu können!
Wir kommen nunmehr zu einem anderen Gegenstand, der wohl ebenso interessant ist. Es gibt wenige Länder, wo die Bürger die gleichen religiösen Anschauungen<235> haben. Oft sind die Bekenntnisse gänzlich verschieden voneinander; einige gibt es, die man Sekten nennt. Da erhebt sich die Frage: müssen alle Bürger ein und dasselbe glauben, oder darf man jedem erlauben, nach seiner eigenen Weise zu denken? Sofort kommen finstere Politiker und sagen uns: jedermann muß denselben Glauben haben, damit nichts die Bürger trenne. Der Theologe setzt hinzu: Wer da nicht denkt wie ich, der ist verdammt, und es geht nicht an, daß mein Herrscher ein König der Verdammten sei; man muß sie also auf dieser Welt verbrennen, auf daß ihnen in der anderen um so höheres Glück beschieden sei.
Darauf ist zu erwidern, daß niemals eine Allgemeinheit gleichmäßig denken wird; daß bei den christlichen Nationen die meisten ihrem Gott menschliche Gestalt beUegen; daß bei den Katholiken die Mehrzahl Abgötterei treibt. Denn niemand wird mich je überzeugen, daß ein Bauer zwischen Anbetung und Verehrung einen Unterschied zu machen wisse; gutgläubig betet er das Bild an, das er anruft. Es gibt also eine gute Anzahl Ketzer in allen christlichen Sekten. Überdies glaubt jeder an das, was ihm wahrscheinlich dünkt. Ein armer Unglücklicher kann wohl mit Gewalt dazu gebracht werden, eine bestimmte Formel herzubeten, er kann ihr aber seine innere Zustimmung versagen; auf diese Art hat der Verfolger gar nichts erreicht.
Geht man jedoch auf den Ursprung der bürgerlichen Gesellschaft zurück, so ist es ganz augenscheinlich, daß der Herrscher keinerlei Recht über die Denkungsart der Bürger hat. Müßte man nicht von Sinnen sein, um sich vorzustellen, Menschen hätten zu einem ihresgleichen gesagt: Wir erheben dich über uns, weil wir gern Sklaven sein wollen, und wir geben dir die Macht, unsere Gedanken nach deinem Willen zu lenken? Sie haben im Gegenteil gesagt: Wir bedürfen deiner, damit die Gesetze, denen wir gehorchen wollen, aufrechterhalten werden, damit wir weise regiert und verteidigt werden; im übrigen verlangen wir von dir, daß du unsere Freiheit achtest. Damit ist das Urteil gesprochen; es gibt keine Berufung dagegen. Diese Toleranz ist für die Gemeinschaft, in der sie eingeführt ist, sogar dermaßen vorteilHaft, daß sie das Glück des Staates begründet. Sobald jede Glaubensweise ftei ist, hat alle Welt Ruhe; wogegen die Glaubensverfolgung die blutigsten, langwierigsten und verderblichsten Bürgerkriege verursacht hat. Das geringste Übel, das die Verfolgung nach sich zieht, besieht darin, daß sie die Verfolgten zur Auswanderung treibt. Frankreich hat ganze Provinzen, deren Bevölkerung darunter litt und die heute noch die Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) verspüren.
Dies sind im allgemeinen die Pflichten, die ein Fürst erfüllen muß. Damit er niemals von ihnen abirre, muß er sich oft ins Gedächtnis zurückrufen, daß er ein Mensch ist wie der geringste seiner Untertanen. Wenn er der erste Richter, der erste Feldherr, der erste Fmanzbeamte, der erste Minister der Gemeinschaft ist, so soll er das nicht sein, um zu repräsentieren, sondern um seine Pflichten zu erfüllen. Er ist nur der erste Diener des Staates, ist verpflichtet, mit Redlichkeit, mit überlegener Einficht und vollkommener Uneigennützigkeit zu handeln, als sollte er jeden Augenblick<236> seinen Mitbürgern Rechenschaft über seine Verwaltung ablegen. Er macht sich also schuldig, wenn er das Geld des Volkes, den Ertrag der Steuern in Luxus, Festgepränge oder Ausschweifungen vergeudet — er, dem es obliegt, über die guten Sitten, die Hüterinnen der Gesetze, zu wachen und die Volkserziehung zu vervollkommnen, nicht aber sie durch schlechte Beispiele noch zu verderben. Die Reinhaltung der guten Sitten ist eines der wichtigsten Ziele. Dazu kann der Herrscher viel beitragen, wenn er solche, die sich tüchtig erweisen, auszeichnet und belohnt, während er denen, die in ihrer Verkommenheit über ihren schlechten Lebenswandel nicht mehr erröten, seine Verachtung kundgibt. Der Fürst soll jede ehrlose Handlung vernehmlich mißbilligen und den Unverbesserlichen jede Auszeichnung verweigern.
Noch ein bedeutsamer Punkt darf nicht außer acht gelassen werden; seine Vernachlässigung brächte den guten Sitten einen nicht wieder gutzumachenden Schaden. Das geschieht nämlich, wenn der Fürst Personen allzusehr auszeichnet, die kein Verdienst haben, aber große Reichtümer besitzen. So übel angebrachte Ehrenbezeugungen bestärken die Allgemeinheit in dem volkstümlichen Vorurteil, reich sein genüge, um angesehen zu sein. Eigennutz und Begehrlichkeit sprengen dann die Fessel, die sie noch hielt. Jeder will Reichtümer anhäufen. Sie zu erwerben, werden die rechtswidrigsten Mittel angewandt. Die Korruption greift um sich, schlägt Wurzeln und wird allgemein. Die Talente, die sittenreinen Leute werden mißachtet, und die Welt ehrt nur die Bastarde des Midas, die mit ihrem reichlichen Geldausgeben, ihrem Prunk sie blenden. Um zu verhindern, daß die nationale Sittlichkeit so scheußlich entarte, muß der Fürst ohne Unterlaß darauf bedacht sein, nur das persönliche Verdienst auszuzeichnen und dem üppigen Reichtum ohne Sitte und Tugend nur Verachtung zu zeigen.
Endlich ist der Herrscher recht eigentlich das Oberhaupt einer Familie von Bürgern, der Vater seiner Völker und muß daher bei jeder Gelegenheit den Unglücklichen zur letzten Zuflucht dienen: an den Waisen Vaterstelle vertreten, den Witwen beistehen, ein Herz haben für den letzten Armen wie für den ersten Höfling und seine Freigebigkeit auf jene verteilen, die jeden Beistandes bar sind und allein durch seine Wohltaten Hilfe finden.
Damit haben wir, nach den eingangs aufgestellten Grundsätzen, eine genaue Vorstellung gegeben von den Herrscherpflichten und von der einzigen Möglichkeit, die monarchische Regierung gut und ersprießlich zu gestalten. Wenn viele Fürsten es anders halten, so kommt das daher, daß sie über ihr Amt und die Pflichten, die daraus erwachsen, zu wenig nachgedacht haben. Sie haben eine Bürde auf sich genommen, deren Gewicht und Bedeutung sie verkannten, sie sind aus Mangel an Kenntnissen fehlgegangen; denn in unserer Zeit hat die Unwissenheit mehr Verfehlungen auf dem Gewissen als die Bosheit. Diese Skizze eines Herrschers wird den Kritikern vielleicht wie das Vorbild der Stoiker erscheinen, wie die Idee des Weisen, den sie sich vorstellten, der niemals gelebt hat und dem nur Mark Aurel sehr nahe kam. Wir wünschten wohl, dieser schwache Versuch wäre imstande, Fürsten wie Mark Aurel her<237>anzubilden. Das wäre der schönste Lohn, den wir erwarten könnten, und er würde zugleich das Hell der Menschheit bedeuten. Wir müssen jedoch hinzufügen, daß auch ein Fürst, der die mühereiche Laufbahn, wie wir sie vorzeichneten, wirklich durchmäße, die höchste Vollkommenheit dennoch nicht erreichen würde. Beim allerbesten Willen könnte er sich doch in der Wahl derer täuschen, die er mit der Verwaltung der Staatsgeschäfte betraut. Man könnte ihm die Dinge in falschem Lichte darstellen; seine Befehle würden nicht pünktlich ausgeführt werden; ungerechte Taten würde man so verschleiern, daß sie nicht zu seiner Kenntnis gelangten; harte und halsstarrige Beamte würden allzu streng und hochfahrend vorgehen. Mit einem Wort: in einem ausgedehnten Lande kann der Fürst nicht überall zugegen sein.
So ist und bleibt es denn das Los der Dinge hienieden, daß man niemals an den Grad der Vollkommenheit heranreicht, der für das Glück der Völker zu wünschen wäre, und daß man in der Regierung von Staaten wie in allem anderen sich mit dem mindest Mangelhaften bescheiden muß.
<238>Kritik der Abhandlung „Über die Vorurteile“ (1770)238-1
Ich habe soeben ein Buch gelesen, das den Titel führt: „Über die Vorurteile“. Während ich es prüfend las, fand ich zu meinem äußersten Erstaunen, daß es selber von Vorurteilen strotzt. Es ist ein Gemisch von Wahrheiten und falschen Vernunftschlüssen, von bitteren Kritiken und chimärischen Entwürfen, vorgetragen von einem fanatisch schwärmenden Philosophen. Um Ihnen genauen Einblick zu geben, werde ich mich genötigt sehen, bei einzelnem zu verweilen. Da ich jedoch nicht viel Zeit übrig habe, will ich mich auf etliche Bemerkungen über die Hauptsachen beschränken.
Im Wert eines Mannes, der auf jeder Seite den Philosophen betont, hoffte ich bestimmt, Weisheit und sehr folgerichtige Gedankengänge zu finden; ich bildete mir ein, da werde eitel Licht und Klarheit herrschen. Weit gefehlt! Der Autor stellt sich die Welt ungefähr so vor, wie Plato sich seine Republik ausdachte: empfänglich für Tugend, Glück und alle Vollkommenheit. Ich kann ihm versichern, daß die Welt, darin ich lebe, anders aussieht. Hier treten Gut und Böse überall vermischt auf, Leiblichkeit und Sittlichkeit haben gleichermaßen unter den Unvollkommenheiten, die sie kennzeichnen, zu leiden. Schulmeisterhaft bekräftigt er: die Wahrheit ist für den Menschen geschaffen, und man muß sie ihm bei jeder Gelegenheit sagen. Das verdient nachgeprüft zu werden. Ich stütze mich auf die Erfahrung und die Analogie, um ihm zu beweisen, daß die spekulativen Wahrheiten ganz und gar nicht für den Menschen geschaffen sind, daß sie sich vielmehr unaufhörlich seinem mühereichsten Suchen entziehen. Es ist für unsere Eigenliebe ein demütigendes Zugeständnis; die Macht der Wahrheit entreißt es mir.
Die Wahrheit liegt auf dem Grund eines Brunnens, die Philosophen arbeiten nach Kräften, sie von dort heraufzuholen. Alle Gelehrten klagen über die Anstrengungen, die es sie kostet, die Wahrheit zu entdecken. Wäre sie für den Menschen geschaffen, so würde sie sich von selbst seinen Augen darbieten. Ohne Mühen, ohne langes Nachdenken, ohne erst fehlzugreifen, würde er sie empfangen; ihre Augen<239>scheinlichkeit würde jeden Irrtum siegreich überwinden und unfehlbar überzeugend wirken. An sicheren Merkmalen würde man sie vom Irrtum unterscheiden, der so oft uns täuscht, wenn er unter der geborgten Form des Wahren erscheint. Alle Vermutungen würden aufhören. Es gäbe nur noch Gewißheiten. Die Erfahrung aber lehrt mich ganz das Gegenteil: sie zeigt mir, daß kein Mensch frei von Irrtum ist; daß die größten Narrheiten, wie die Einbildungskraft sie nur im Fieberwahn gebären kann, zu allen Zeiten aus Philosophenhirnen hervorgingen; daß nur wenige philosophische Systeme ohne Vorurteile und falsche Schlüsse auskommen. Sie erinnert mich an die Wirbel, die Descartes ersann, an Newtons, des großen Newton Erläuterungen zur Apokalypse, an die prästabilierte Harmonie, die Leibniz erfand239-1, ein Genie, das diesen großen Männern ebenbürtig ist. Überzeugt von der Ohnmacht des menschlichen Verstandes und erschüttert von den Irrtümern so berühmter Philosophen, rufe ich aus: O Eitelkeit der Eitelkeiten, Eitelkeit des philosophischen Geistes!
Die Erfahrung dehnt ihre Untersuchung noch weiter aus. Sie zeigt mir, daß durch alle Jahrhunderte hindurch der Mensch ein Sklave des Irrtums war, der religiöse Kult sich auf absurde Fabeln gründete und absonderliche Riten, lächerliche Feste, abergläubische Bräuche im Gefolge hatte, womit die Völker das Bestehen ihrer Macht verknüpften. Erfahrung lehrt uns, daß Vorurteile den Kult beherrschten, gleichwie sie die ganze Welt von einem Ende bis zum andern regieren.
Forscht man nach den Ursachen dieser Irrtümer, so findet man, daß ihr Ursprung im Menschen selbst liegt. Die Vorurteile sind die Vernunft des Volkes; es hat einen unwiderstehlichen Hang zum Wunderbaren. Dazu kommt, daß der größte Teil der Menschheit, da er auf tägliche Arbeit angewiesen ist, in unüberwindliche Unwissenheit versunken hinlebt. Für Denken und Nachdenken hat er keine Zeit. Da sein Geist an vernunftmäßiges Denken nicht gewöhnt, sein Urteil nicht geschult ist, so kann er unmöglich die Dinge, über die er Klarheit wünscht, nach den Regeln einer gesunden Kritik untersuchen und ebensowenig einer Kette von Schlüssen folgen, wodurch man seine Irrtümer beiseite zu räumen vermöchte. Daher stammt seine Anhänglichkeit an den Kult, dem eine lange Gewöhnung Weihe verlieh; lediglich Gewalt kann ihn davon losreißen. Mit Gewalt haben denn auch jeweils die neuen Religionslehren die alten ausgerottet. Die Henker bekehrten die Heiden, und Karl der Große verkündete den Sachsen das Christentum mit Feuer und Schwert. So müßte auch unser Philosoph mit dem Schwert in der Hand den Völkern predigen, um sie aufzuklären. Indessen, da die Philosophie ihre Jünger sanft und tolerant macht, hoffe ich, er überlegt es sich noch, bevor er Waffen und Rüstung eines kriegerischen Bekehrers anlegt.
Die zweite Ursache des Aberglaubens liegt im Charakter der Menschen: in ihrer Neigung, ihrem starken Hang zu allem, was ihnen wunderbar erscheint. Jedermann<240> spürt etwas davon in sich; unwillkürlich schenken wir den übernatürlichen Dingen, von denen wir hören, Aufmerksamkeit. Es scheint, das Wunderbare erhebt die Seele und adelt unser ganzes Wesen, indem es ein unermeßliches Gebiet erschließt, das den Kreis unserer Vorstellungen erweitert und unserer Phantasie freien Lauf läßt; denn mit Lust verliert sie sich in unbekannte Regionen. Der Mensch liebt alles, was groß ist, was ihm Staunen oder Bewunderung erweckt. Majestätischer Pomp, eindrucksvolle Zeremonien packen ihn. Ein geheimnisvoller Kult verdoppelt seine Anteilnahme. Verkündet man ihm obendrein die unsichtbare Gegenwart einer Gottheit, so bemächtigt sich seines Gemüts ein ansteckender Aberglaube, setzt sich darinnen fest und wächst, bis er zum Fanatismus wird. Diese seltsamen Wirkungen sind die Folgen der Herrschaft, die des Menschen Sinne über ihn ausüben; denn er lebt mehr im Gefühl als im Verstand. Wir sehen also, daß die Mehrzahl der menschlichen Lehrmeinungen auf Vorurteile, Fabeln, Irrtum und Betrug gegründet sind. Was können wir anderes daraus schließen, als daß der Mensch für den Irrtum geschaffen, der ganze Erdball dessen Herrschaft unterworfen ist und daß wir so blind wie die Maulwürfe sind? Der Autor muß daher, nach der Erfahrung aller Zeitalter, gestehen, daß die Welt von abergläubischen Vorurteilen, wie wir sahen, überschwemmt und die Wahrheit also für den Menschen nicht geschaffen ist.
Was aber wird nun aus seinem System werden? Ich bin darauf gefaßt, daß unser Philosoph mich hier unterbricht und mich ersucht, die spekulativen Wahrheiten nicht mit denen der Erfahrung zu verwechseln. Ich habe die Ehre, ihm darauf zu erwidern, daß es bei Lehrsätzen und beim Aberglauben auf spekulative Wahrheiten ankommt; und darum hat es sich gehandelt. Die Erfahrungswahrheiten beeinflussen bloß das bürgerliche Leben, und ich bin überzeugt, ein großer Philosoph wie unser Autor bildet sich nicht ein, er kläre die Menschheit auf, wenn er sie lehrt, daß man am Feuer sich verbrennt und im Wasser ertrinkt, daß man Nahrung zu sich nehmen muß, um das Leben zu erhalten, daß die menschliche Gesellschaft ohne die Tugend nicht bestehen kann, und andere Gemeinplätze mehr. Aber gehen wir weiter.
Der Autor sagt im Anfang seines Werkes, da die Wahrheit allen nützlich sei, müsse man sie ihnen kühn und rückhaltlos sagen. Im achten Kapitel — wenn ich nicht irre, denn ich zitiere aus dem Gedächtnis — spricht er sich ganz anders aus. Da vertritt er die Meinung, die Notlügen seien erlaubt und nützlich. Er geruhe doch sich selber zu entscheiden, ob Wahrheit oder Lüge siegen soll, damit wir wissen, woran wir uns zu halten haben! Wenn ich es wagen darf, nach einem so großen PHUosophen auch meine Meinung in die Wagschale zu werfen, so möchte ich raten, ein vernünftiger Mensch solle mit nichts, nicht einmal mit der Wahrheit, Mißbrauch treiben. Ich werde nicht ermangeln, Beispiele zu nennen, um diese Meinung zu stützen.
Nehmen wir an, eine furchtsame und schreckhafte Frau befinde sich in Lebensgefahr. Wollte man ihr auf unbesonnene Weise die Gefahr, in der sie schwebt, kundgeben, so würde ihr Gemüt durch die Todesfurcht erregt, erschüttert, außer Fassung <241>gebracht werden. Hierdurch würde eine allzu stürmische Bewegung sich dem Blut mitteilen und vielleicht den Ausgang noch beschleunigen. Ließe man ihr dagegen Hoffnungen auf Genesung, so könnte die Ruhe ihrer Seele vielleicht den übrigen Heilmitteln helfen, die Wiederherstellung wirklich zu vollbringen. Was kommt dabei heraus, wenn man einen Menschen aufklärt, den seine Illusionen glücklich machen? Es kann einem gehen wie jenem Arzt, der einen Geisteskranken geheilt hatte und sein Honorar dafür forderte. Jener entgegnete ihm, er gebe nichts; denn während seiner Umnachtung habe er im Paradies zu leben geglaubt und nun, da er seinen Verstand wiederhabe, sehe er sich in der Hölle. Hätten die römischen Senatoren bei der Nachricht, daß Varro die Schlacht bei Cannä verloren habe, auf dem Forum geschrien: „Römer, wir sind besiegt, Hannibal hat unsere Heere gänzlich geschlagen!“, so hätten die unüberlegten Worte den Schrecken des Volkes dermaßen gesteigert, daß es, wie nach der Niederlage an der Allia, Rom verlassen hätte. Um die Republik wäre es geschehen gewesen. Der Senat war klüger, da er dieses Unglück geheimhielt. Er trieb das Volk wieder zur Verteidigung des Vaterlandes an, ergänzte das Heer, setzte den Krieg fort, und zu guter Letzt triumphierten die Römer über die Karthager. Es scheint also festzustehen, daß man die Wahrheit mit Zurückhaltung sagen muß: niemals dort, wo sie schaden könnte, und immer nur in gutgewählter Stunde.
Wenn ich den Autor überall, wo mir Ungenauigkeiten auffallen, in die Enge treiben wollte, so könnte ich ihn auch wegen seiner Definition des Wortes paradox angreifen. Er behauptet, das Wort bezeichne jede Meinung, die nicht anerkannt sei, aber zur Geltung gelangen könne; während dasWort doch nach gewöhnlichem Sprach, gebrauch eine Meinung bedeutet, die irgendeiner Erfahrungswahrheit entgegengesetzt ist. Ich will mich bei dieser Kleinigkeit nicht aufhalten. Aber ich kann mich doch nicht enthalten, diejenigen, die den Namen eines Philosophen in Anspruch nehmen, zu erinnern, daß sie richtige Definitionen geben und jedes Wort nur in seinem üb, lichen Sinn anwenden sollen.
Ich komme nun zu dem Ziel, das der Verfasser anstrebt. Er verhehlt es nicht, er gibt es vielmehr recht klar zu verstehen, daß er es auf den religiösen Aberglauben seines Landes abgesehen hat, daß er den Kult abschaffen möchte, um auf dessen Trümmer die Naturreligion zu erheben. Dabei will er eine Moral einführen, die von allem wesensfremden Beiwerk befreit ist. Seine Absichten muten uns rein an: er will nicht, daß das Volk durch Fabeln irregeführt werde und daß die Betrüger, die diese verschleißen, allen Gewinn daraus ziehen, gleichwie die Quacksalber aus den Arzneien, die sie verkaufen. Diese Betrüger sollen nicht die einfältige Menge beherrschen, nicht weiterhin sich der Macht erfreuen, die sie mißbräuchlich gegen Fürst und Staat ausspielen. Er will, mit einem Wort, den herrschenden Kult aus dem Weg räumen, der Masse die Augen öffnen und ihr helfen, das Joch des Aberglaubens abzuschütteln. Der Entwurf ist groß; fragt sich nur, ob er auch ausführbar und der Autor richtig vorgegangen ist, um ihn durchsetzen zu können.
<242>Wer die Welt gründlich studiert und das menschliche Herz erforscht hat, wird die Unternehmung für unausführbar halten. Alles stellt sich ihr entgegen: die Halsstarrigkeit, womit die Menschen an ihren gewohnten Anschauungen hangen, ihre Unwissenheit und Urteilsunfähigkeit, ihre Neigung zum Wunderbaren, die Macht des Klerus und die Mittel, die ihm für seine Selbstbehauptung zur Verfügung stehen. Nach alledem muß man bei einer Bevölkerung von sechzehn Millionen, wie man sie in Frankreich zählt, auf die Bekehrung von fünfzehn Millionen achthunderttausend Seelen verzichten, weil in ihren Meinungen unüberwindliche Hemmungen liegen. Für die Philosophie bleiben also zweihunderttausend. Das ist schon viel. Ich möchte es niemals auf mich nehmen, einer so großen Anzahl dieselbe Gedankenrichtung zu geben, einer Vielheit, die an Verständnis, Geist, Urteil, Anschauungsweise genau so verschieden ist wie an kennzeichnenden Gesichtszügen. Nehmen wir ruhig an, die zweihunderttausend Proselyten hätten dieselbe Ausbildung empfangen; darum wird jeder doch seine Eigengedanken, seine Sonderansichten haben, und am Ende werden unter all den vielen nicht zwei zu finden sein, die dasselbe denken. Ich gehe noch weiter. Ich möchte beinahe versichern, daß in einem Staat, wo alle Vorurteile ausgerottet wären, keine dreißig Jahre vergehen würden, ohne daß man neue aufkommen sähe; worauf die Irrtümer sich mit Geschwindigkeit ausbreiten und das Ganze wieder überschwemmen würden. Wer sich an die Phantasie der Menschen wendet, wird allemal den besiegen, der auf ihren Verstand einwirken will. Kurz, ich habe bewiesen, daß jederzeit der Irrtum in der Welt geherrscht hat. Und da eine so feststehende Erscheinung als allgemeines Naturgesetz angesehen werden darf, schließe ich, daß das ewig Dagewesene auch ewig da sein wird.
Indessen, ich muß dem Autor Gerechtigkeit widerfahren lassen, wo sie ihm gebührt. Nicht Gewalt beabsichtigt er anzuwenden, um der Wahrheit Jünger zuzuführen. Er gibt zu verstehen, daß er sich darauf beschränke, den Geistlichen den Unterricht der Jugend, von dem sie Besitz ergriffen haben, zu entziehen, um Philosophen damit zu betrauen. Das würde die Jugend vor den religiösen Vorurteilen bewahren und behüten, mit denen sie bisher durch die Schulen von klein auf angekränkelt wurden. Ich bin jedoch so ftei, ihm entgegenzuhalten, daß er, selbst wenn er dies Unternehmen durchzuführen vermöchte, eine Enttäuschung erleben würde. Ich berufe mich dafür auf ein Beispiel, das in Frankreich, fast unter seinen Augen, sich zuträgt. Den Cal-vinisten ist dort der Zwang auferlegt, ihre Kinder in die katholischen Schulen zu schicken: da betrachte er, wie die Väter den Kindern bei ihrer Heimkehr vorpredigen, wie sie ihnen den Katechismus Calvins abhören und welchen Abscheu sie ihnen vor dem Papsttum einflößen. Das ist eine bekannte Tatsache, und es ist des weiteren einleuchtend, daß es ohne die Beharrlichkeit dieser Familienhäupter längst keine Hugenotten mehr in Frankreich geben würde. Ein Philosoph kann sich gegen eine solche Bedrückung der Protestanten auflehnen, aber er darf nicht selber dem Beispiel folgen; denn es bedeutet Gewalttätigkeit, wenn den Vätern die Freiheit genommen wird,<243> ihre Kinder nach ihrem Willen zu erziehen. Es würde auch Gewalttätigkeit bedeuten, wenn die Kinder zur Schule der Naturreligion geschickt würden, während die Väter wünschten, daß sie katholisch seien wie sie selbst.
Ein Philosoph, der zum Verfolger würde, wäre in den Augen des Weisen ein Mon-strum. Mäßigung, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Duldsamkeit: das sind die Tugenden, die ihn kennzeichnen sollen. Seine Grundsätze müssen unwandelbar bleiben, seine Worte, Entwürfe, Handlungen müssen seinen Grundsätzen entsprechen.
Gönnen wir dem Verfasser seine Begeisterung für die Wahrheit und bewundern wir die Geschicklichkeit, mit der er seine Ziele zu erreichen sucht. Wir haben gesehen, daß er einen mächtigen Gegner angreift: die herrschende Religion, den Priester, der sie verteidigt, und das abergläubische Volk, das unter ihren Fahnen sieht. Aber als habe er an einem so furchtbaren Feind nicht genug für seinen Mut, erweckt er sich noch einen anderen, um seinen Triumph zu steigern, seinen Sieg glorreicher zu machen. Er unternimmt einen nachdrücklichen Ausfall gegen die Regierung und beleidigt sie ebenso grob wie unziemlich. Die Mißachtung, die er dabei an den Tag legt, empört jeden vernünftigen Leser.
Vielleicht wäre die Regierung neutral geblieben, eine friedliche Zuschauerin der Schlachten, die unser Held der Wahrheit den Aposteln der Lüge lieferte; aber er selbst zwingt sie, für die Kirche Partei zu ergreifen wider den gemeinsamen Feind. Wenn wir den großen Philosophen nicht achteten, hätten wir diesen Angriff für den Streich eines leichtfertigen Schulbuben gehalten, wofür er strenge Bestrafung durch seine Lehrer verdiente.
Kann man denn sein Vaterland nur fördern, wenn man es um und um kehrt und alle bestehende Ordnung über den Haufen wirft? Gibt es nicht mildere Mittel, die man lieber anwenden sollte, um dem Vaterland mit Nutzen zu dienen? Unser Philosoph, scheint mir, hält es mit jenen Ärzten, die kein Heilmittel als das Brechmittel kennen, mit jenen Chirurgen, die sich nur auf Amputationen verstehen. Wenn ein Weiser über den Schaden nachdenkt, den die Kirche seinem Land verursacht, wird er sich ohne Zweifel Mühe geben, es von dem Übel zu befreien; aber er wird mit Vorsicht zu Werke gehen. Anstatt das alte gotische Gebäude einfach niederzureißen, wird er sich mühen, die Fehler zu beseitigen, die es entstellen.
Er wird die abgeschmackten Fabeln entkräften, die der Dummheit der Masse zum Futter dienen. Er wird sich gegen Absolution und Ablässe auflehnen, die nur ein Ansporn zum Verbrechen sind, weil sie dem Bußfertigen die Sühne zu leicht machen und seine Gewissensbisse zu mühelos beschwichtigen. Er wird zu Felde ziehen gegen all die Ausgleichsmittel, die von der Kirche eingeführt wurden, um die größten Missetaten zu tilgen, gegen die geistlichen Exerzitien, die kindlichen Mummenschanz an die Stelle wirklicher Tugenden setzen. Er wird seine Stimme erheben wider die Ansammlungen von Nichtstuern, die vom arbeitsamen Teil der Nation leben, wider diese Menge von Mönchen, die den Naturtrieb unterdrücken und so ihr möglichstes<244> zum Niedergang der Menschheit beitragen. Den Herrscher wird er anfeuern, die unermeßliche Macht, die das Priestertum sträflich gegen sein Volt und gegen ihn selbst anwendet, einzuschränken, dem Klerus jeden Einfluß auf die Regierung zu nehmen und ihn denselben Gerichten zu unterwerfen, die über die Laien urteilen. Durch dieses Mittel würde die Religion ein für Sitten und Regierung gleichgültiger Gegenstand theoretischer Betrachtung werden, der Aberglaube würde nachlassen, und die Toleranz würde von Tag zu Tag an Herrschaft über die Welt gewinnen.
Kommen wir nun zu dem Abschnitt, worin der Verfasser die Politik behandelt. Welche Umwege er auch einschlagen mag, um den Schein zu erwecken, als betrachte er die Dinge nur unter allgemeinen Gesichtspunkten, man merkt doch, daß er immer Frankreich vor Augen hat und über die Grenzen seines Vaterlandes nicht hinausschreitet. Seine Darlegungen, seine Kritik, alles bezieht sich auf Frankreich, alles hängt damit zusammen. Nur in Frankreich werden die richterlichen Ämter verkauft; lein Staat hat so viel Schulden wie dieser; nirgends schreit man so laut gegen die Steuern. Man lese nur die Vorstellungen der Parlamente gegen gewisse Steueredikte und zahlreiche Broschüren über denselben Gegenstand. Das Wesentliche der Klagen gegen die Regierung ist auf kein anderes Land Europas anwendbar als auf Frankreich. Nur dort werden die Staatseinkünfte durch Steuerpächter erhoben. Die englischen Philosophen beklagen sich nicht über ihren Klerus. Von spanischen, portugiesischen, österreichischen Philosophen habe ich bisher nicht reden hören. Nur in Frankreich können also die Philosophen über die Priester klagen. Kurz, alles weist auf des Verfassers Vaterland hin, und es würde ihm schwer, wo nicht unmöglich werden, zu leugnen, daß seine Hiebe sich unmittelbar gegen Frankreich richten.
Indessen, er hat Augenblicke, wo sein Zorn sich legt und sein beruhigter Geist ihm erlaubt, seine Schlüsse mit besserer Einsicht zu ziehen. Wenn er behauptet, es sei die Pflicht des Fürsten, seine Untertanen glücklich zu machen, so ist das eine alte Wahrheit, die jedermann mit ihm anerkennen wird. Wenn er betont, Unwissenheit und Trägheit der Herrscher seien verhängnisvoll für ihre Völker, so wird man ihm versichern, daß das die Überzeugung aller ist. Wenn er hinzufügt, das Interesse der Monarchen sei untrennbar verknüpft mit dem der Untertanen und ihr Ruhm bestehe darin, über eine glückliche Nation zu herrschen, so wird ihm niemand die augenscheinliche Richtigkeit dieser Meinung bestreiten. Verleumdet er aber mit heftiger Erbitterung und Ausfällen ätzendster Satire seinen König und die Regierung seines Landes, so sieht man ihn für einen Verrückten an, der, seinen Fesseln entronnen, sich den wildesten Ausbrüchen seiner Wut hingibt.
Wie, Herr Philosoph, Sie Schützer der Sitten und der Tugend, wissen Sie nicht, daß ein guter Bürger die Regierungsform, unter der er lebt, achten soll? Wissen Sie nicht, daß es einem Bürger nicht zukommt, die Machthaber zu beschimpfen, daß man weder seine Mitbürger noch seinen Herrscher noch sonst jemand verleumden darf und<245> daß ein Autor, der seine Feder zu solchen Ausschreitungen hergibt, nicht Weiser noch Philosoph ist?
Nichts verbindet mich persönlich mit dem Allerchristlichsten König; ich hätte vielleicht ebensoviel Grund, mich über ihn zu beklagen wie irgendein anderer. Aber die Entrüstung über die Schmähungen, die der Verfasser gegen ihn ausgespieen hat, und vor allem die Liebe zur Wahrheit, die stärker als jede Erwägung ist, zwingen mich, Beschuldigungen zu widerlegen, die so falsch wie empörend sind.
Hier die Hauptanklagepunkte:
Der Verfasser beschwert sich darüber, daß die vornehmsten Häuser Frankreichs allein im Besitz der ersten Würden seien; daß das Verdienst nicht ausgezeichnet werde; daß man den Klerus ehre und die Philosophen mißachte; daß der Ehrgeiz des Herrschers ohne Unterlaß neue aufreibende Kriege entzünde; daß einzig die gedungenen Henker — mit diesem geschmackvollen Epitheton ehrt er die Soldaten — Belohnungen und Auszeichnungen genießen; daß die Richterstellen käuflich seien, die Gesetze schlecht, die Steuern maßlos, die Bedrückung unerträglich sei und die Erziehung der Fürsten ebenso verständnislos wie tadelnswert.
Hier meine Antwort:
Das Wohl des Staates fordert, daß der Fürst die bedeutenden Dienste, die der Regierung geleistet werden, anerkennt. Wenn er seine Dankbarkeit bis auf die Nachkommen derer ausdehnt, die sich um das Vaterland verdient gemacht haben, so ist das die größte Ermutigung, die er den Talenten und der Tüchtigkeit geben kann. Familien auszeichnen, die durch die trefflichen Taten ihrer Vorfahren emporgekommen sind, heißt das nicht: alle anspornen, daß sie dem Staate gute Dienste leisten, um die Nachkommen im Genusse ähnlicher Vergünstigungen hinterlassen zu können? Bei den Römern schon galt der Patrizierstand mehr als der Plebejer- und der Ritterstand. Nur in der Türkei sind die Stände vermengt, und es geht ihr darum nicht etwa besser. In allen Staaten Europas genießt der Adel derselben Vorrechte. Die Bürgerlichen bahnen sich zuweilen den Weg zu den bevorzugten Stellen, wenn Genie, Talente und Leistungen sie adeln. Dieses Vorurteil aber, wenn man es so nennen will, dieses (wie ich betonen möchte) allgemein anerkannte Vorurteil würde es sogar dem König von Frankreich verwehren, einen Bürgerlichen als Gesandten an bestimmte fremde Höfe zu schicken.
Wo die Rechte der Geburt nicht anerkannt werden, lebt nicht philosophische Freiheit, sondern kleinbürgerliche und lächerliche Eitelkeit.
Der Verfasser klagt weiter, in Frankreich zeichne man das persönliche Verdienst nicht aus. Ich bekenne mich zu dem Argwohn, daß der Minister ihm gegenüber in einer persönlichen Angelegenheit etwas versehen hat. Vielleicht lud er die Schuld auf sich, ihm irgendeine Pension abzuschlagen oder diesen hochweisen Lehrmeister der Menschheit in seiner Dachkammer nicht zu entdecken, wiewohl er so würdig ist, dem
<246>Minister in seinen politischen Geschäften beizustehen — was sage ich? ihn anzuleiten vielmehr!
Sie behaupten, Herr Philosoph, daß die Könige sich in der Wahl ihrer Diener oftmals täuschen. Nichts ist wahrer; die Gründe lassen sich leicht finden: auch die Könige sind eben Menschen, dem Irrtum unterworfen wie die anderen. Wer nach hohem Amte trachtet, tritt ihnen niemals anders gegenüber als mit der Maske vorm Gesicht. Ohne Zweifel kommt es vor, daß die Könige sich irreführen lassen. Die Schliche, Ränke und Kabalen der Höflinge können gelegentlich obsiegen. Wenn aber ihre Wahl nicht immer glücklich ist, so soll man nicht sie allein anklagen. Das wahre Verdienst und die Männer von überlegenen Geistesgaben sind allenthalben viel seltener, als so ein übersinnlicher Träumer sich einbildet. Er hat ja nur theoretische Vorstellungen von der Welt des Staatsmanns, die er niemals kennen lernte. Das Verdienst wird nicht belohnt: die Klage hört man in jedem Land. Und jeder anmaßende Kerl kann sagen: Ich habe geniale Fähigkeiten; die Regierung läßt mir keine Auszeichnung zuteil werden; folglich fehlt es ihr an Weisheit, Urteil und Gerechtigkeit.
Unser Philosoph gerät sodann in den Harnisch, da er einen Gegenstand behandelt, der ihn näher angeht. Er scheint äußerst empört zu sein, weil man in seinem Vaterland die Apostel der Lüge denen der Wahrheit vorzieht. Er wird gebeten, doch nur ein paar flüchtige Erwägungen anzustellen, die vielleicht seines ungestümen Genies unwürdig, immerhin aber geeignet sind, seinen Zorn zu besänftigen. Er möge sich einmal vergegenwärtigen, daß der Klerus eine beträchtliche Körperschaft im Staate bildet, während die Philosophen vereinzelte Privatleute sind. Er erinnere sich gefälligst, daß er selbst gesagt hat, der Klerus sei durch die Autorität, die er über das Volk zu gewinnen wußte, mächtig geworden, habe sich dadurch dem Herrscher furchtbar gemacht und müsse nun auf Grund seiner Macht schonend behandelt werden. Die Natur der Dinge erfordert es also, daß der Klerus sich ausgeprägterer Vorrechte und Auszeichnungen erfreut, als man sie gemeiniglich denen zubilligt, die von Standes wegen auf allen Ehrgeiz verzichteten und, erhaben über die menschlichen Eitelkeiten, alles verachten, was der Haufe mit so viel Eifer begehrt.
Weiß unser Philosoph nicht, daß der Aberglaube des Volkes den Monarchen auf dem Thron in Ketten schlägt? Das Volk selbst zwingt ihn, Rücksicht auf diese widerspenstigen und aufruhrbrütenden Priester zu nehmen, auf diesen Klerus, der einen Staat im Staate errichten will und nicht davor zurückschreckt, Vorgänge von solcher Tragik heraufzubeschwören, wie sie dem Leben Heinrichs III. und des guten Königs Heinrich IV. ein Ende setzten246-1. Der Fürst darf nur mit feinfühlig geschickter Hand an den bestehenden Kult rühren. Will er sich an das Gebäude des Aberglaubens machen, so muß er es zu untergraben suchen; es hieße allzuviel wagen, wenn er an ein offenkundiges Niederreißen ginge. Begibt es sich gelegentlich, daß Philosophen über das<247> Regierungswesen schreiben, ohne Fachkenntnisse und Weitblick zu zeigen, so sehen die Politiker mitleidig auf sie herab und verweisen sie auf die Anfangsgründe ihrer Wissenschaft. Theoretische Spekulationen verdienen kein Vertrauen; sie halten die Feuerprobe der Erfahrung nicht aus. Die Regierungskunde ist eine Wissenschaft für sich; wer da fachgerecht mitsprechen will, muß ein langes Studium hinter sich haben. Sonst gerät man auf Irrwege oder empfiehlt Arzneien, die schlimmer sind als das Leiden, worüber man klagt. Und es kann geschehen, daß man mit viel Geist nichts als dummes Zeug redet.
Noch eine Pauke gegen den Ehrgeiz der Fürsten! Unser Autor ist außer sich, er nimmt kein Blatt mehr vor den Mund: er klagt die Herrscher an, sie seien die Schlächter ihrer Völker, sie schickten sie als Schlachtopfer in den Krieg, um sich die Langeweile zu vertreiben.
Ohne Zweifel hat es ungerechte Kriege gegeben, Blut ist geflossen, das man hätte sparen sollen und können. Nichtsdestoweniger gibt es mehrere Fälle, in denen der Krieg nötig, unvermeidlich und gerecht ist. Ein Fürst muß seine Verbündeten verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Die Selbsterhaltung nötigt ihn, mit bewaffneter Hand das Gleichgewicht zwischen den Mächten Europas zu erhalten. Seine Pflicht ist es, die Untertanen vor feindlichen Einfällen zu schützen. Er ist durchaus befugt, für seine Rechte einzutreten, für eine Erbschaft, die angefochten wird, oder für ähnliche Streitfragen, und zwar indem er die Unbill, die man ihm antut, mit Gewalt zurückweist.
Welchen Schiedsrichter haben denn die Herrscher? Wer will ihr Richter sein? Da sie denn für ihre Rechtsstreitigkeiten kein Gericht finden, das mächtig genug wäre, das Urteil zu fällen und zu vollziehen, so kehren sie unter das Naturrecht zurück, und Gewalt muß die Entscheidung übernehmen. Gegen solche Kriege Geschrei erheben, die kriegführenden Herrscher schmähen, das heißt, mehr Haß gegen die Könige an den Tag legen als Mitleid und Menschlichkeit gegen die Völker, die mittelbar unter den Kriegen leiden. Würde unser Philosoph wohl mit einem Herrscher einverstanden sein, der sich feige seiner Staaten berauben ließe, der Ehre, Interesse und Ruhm seiner Nation dem Gelüst der Nachbarn preisgäbe und durch unnützes Mühen um Erhaltung des Friedens sich selbst, seinen Staat und sein Volk zugrunde richtete? Mark Aurel, Trajan, Julian lagen beständig im Krieg, und doch spenden die Philosophen ihnen Lob. Warum tadeln sie also die modernen Herrscher, die hierin dem Beispiel der alten folgen?
Dem Verfasser genügt es nicht, alle gekrönten Häupter Europas zu beschimpfen. Nebenher unterhält er sich auch damit, die Werke von Hugo Grotius lächerlich zu machen. Ich möchte mir die Ansicht erlauben, daß man ihm nicht aufs Wort glauben wird und daß das „Kriegs- und Friedensrecht“ länger fortleben wird als die Abhandlung „Über die Vorurteile“.
Merken Sie sich, Sie Feind der Könige, moderner Brutus, merken Sie sich, daß die Könige nicht die einzigen sind, die Krieg führen. Die Republiken haben jederzeit<248> ein gleiches getan. Wissen Sie nicht, daß die Griechenrepubliken mit ihren unaufhör-lichen Zwistigkeiten fortwährend von Bürgerkriegen heimgesucht wurden? Ihre An-nalen umfassen eine ununterbrochene Folge von Kämpfen: gegen die Mazedonier, die Perser, Karthager, Römer, bis zur Zeit, da der Ätolische Bund ihren Untergang beschleunigte. Wissen Sie nicht, daß keine Monarchie kriegerischer war als die römische Republik? Um all ihre Waffentaten Ihnen vor Augen zu führen, müßte ich die Geschichte der Republik Rom vom einen Ende bis zum andern wiedergeben.
Gehen wir zu den modernen Republiken über. Die venezianische hat gegen die genuesische gekämpft, gegen die Türken, den Papst, die Kaiser und gegen euren Ludwig XII. Die Schweizer haben Kriege mit dem Haus Österreich und mit Karl dem Kühnen, dem Herzog von Burgund, ausgefochten. Und sind sie nicht — um mich Ihres feinen Ausdrucks zu bedienen — schlimmere Schlächter als die Könige: verkaufen sie nicht ihre Mitbürger zum Dienst bei Fürsten, die im Kampf stehen? Von England, das ja auch eine Republik ist, sage ich nichts; Sie wissen es aus Erfahrung, ob England Kriege führt und wie es sie führt. Die Holländer haben sich seit der Begründung ihrer Republik in alle Wirren Europas gemischt. Schweden hat seinerzeit, solange es Republik war, verhältnismäßig ebensoviel Kriege unternommen wie unter der Monarchie. Was Polen betrifft, so frage ich Sie nur, was gegenwärtig dort vorgeht248-1, was in unserem Jahrhundert dort schon vorgegangen ist248-2, und ob Sie glauben, daß das Land ewigen Frieden genieße? Alle Regierungsformen Europas und der ganzen Erde, die Quäker ausgenommen, sind demnach, wenn es auf Ihre Grundsätze ankommt, tyrannisch und barbarisch. Warum also beschuldigen Sie einzig die Monarchien dessen, was sie doch mit den Republiken gemeinsam haben?
Sie ereifern sich gegen den Krieg. Er ist an sich schreckensvoll, aber doch nur ein Übel wie die anderen Geißeln Gottes, von denen man wohl annehmen muß, daß sie innerhalb der Weltordnung notwendig sind, da sie periodisch auftreten und bis jetzt noch kein Jahrhundert sich rühmen konnte, frei von ihnen geblieben zu sein. Wenn Sie den ewigen Frieden herstellen wollen, so müssen Sie sich in eine Idealwelt begeben, wo das Mein und Dein unbekannt ist, wo Fürsten, Minister und Untertanen allesamt leidenschaftlos sind und jedermann der Vernunft gehorcht. Oder schließen Sie sich den Plänen des verstorbenen Abbe Saint-Pierre248-3 an. Oder aber, wenn das Ihnen zuwider ist, weil er Priester war, so lassen Sie doch den Dingen ihren Lauf; denn in dieser Welt müssen Sie darauf gefaßt sein, daß es Kriege geben wird, wie es immer Kriege gegeben hat, soweit unsere Überlieferung zurückreicht.
<249>Sehen wir nun zu, ob Ihre stark aufgetragenen AnNagen Wider die französische Staatsleitung, die so haltlos erscheinen, vielleicht doch irgendeine Grundlage haben. Sie beschuldigen Ludwig XV. — indem Sie ihn kenntlich machen, ohne ihn zu nennen — er habe nur ungerechte Kriege unternommen. Denken Sie nicht, es genüge, derartige Sachen mit unverschämter Frechheit vorzubringen; sie wollen auch bewiesen sein. Oder Sie werden, so sehr Sie als Philosoph erscheinen möchten, nur für einen großartigen Verleumder gehalten werden. Prüfen wir denn die Akten des Rechtsstreites, suchen wir zu beurteilen, ob die Gründe, die Ludwig XV. zu seinen Kriegen bestimmten, schlecht oder stichhaltig waren.
Der erste Krieg, der in Frage kommt, ist der von 1733. Ludwigs Schwiegervater249-1 wird zum König von Polen erwählt. Kaiser Karl VI. widersetzt sich, im Bund mit Rußland, dieser Wahl. Da der König von Frankreich dem russischen Reich nicht zu Leibe kann, greift er Karl VI. an, um die Rechte seines zweimal auf denselben Thron erhobenen Schwiegervaters zu unterstützen. Und da er in Polen nicht die Oberhand zu gewinnen vermag, verschafft er dem König Stanislaus zur Entschädigung Lothringen249-2. Soll man nun einen Schwiegersohn verurteilen, der seinem Schwiegervater beisteht, einen König, der das Wahlrecht einer freien Nation schützt, einen Fürsten, der fremde Mächte hindert, sich das Recht zum Verschenken von Königreichen anzumaßen? Sofern man sich nicht von Erbitterung und unversöhnlichem Haß hinreißen läßt, ist es bis hierher unmöglich, das Verhalten dieses Fürsten zu tadeln.
Der zweite Krieg begann im Jahre 1741. Er wurde um die Erbschaft des Hauses Österreich geführt, dessen letzter männlicher Sproß, Kaiser Karl VI., eben gestorben war. Es ist sicher, daß die berühmte Pragmatische Sanktion, worauf Karl VI. seine Hoffnungen setzte249-3, weder den Erbrechten der Häuser Bayern und Sachsen noch den Ansprüchen, die das Haus Brandenburg auf einige Herzogtümer Schlesiens erhob, im mindesten Abbruch tun konnte. Zu Beginn dieses Krieges war es höchst wahrscheinlich, daß ein französisches Heer, das damals nach Deutschland entsandt wurde, König Ludwig XV. zum Schiedsrichter über die miteinander streitenden Fürsien machen und sie zwingen würde, sich nach dem Willen Ludwigs gütlich über die Erbschaft zu einigen. Ganz gewiß konnte Frankreich nach der Rolle, die es beim Westfälischen Frieden gespielt hatte, keine schönere und größere als diese neue spielen. Aber Mißgeschick und allerlei Ereignisse trafen zusammen, um diese Pläne zu vereiteln. Muß man nun Ludwig XV. verdammen, weil ein Teil des Krieges unglücklich verlief? Darf ein Philosoph einen Entwurf nach seinem Ausgang beurteilen?
Allein es ist leichter, aufs Geratewohl Beleidigungen auszusprechen als zu prüfen und zu erwägen, was man sagen will. Siehe da! Der Mann, der sich im Anfang seines Werkes als eifernden Verfechter der Wahrheit ausgibt, ist also nur ein gemeiner Aufschneider, der mit seiner Bosheit die Lüge verbindet, um die Herrscher zu beschimpfen!
<250>Ich komme zum Krieg von 1756. Der Verfasser der „Vorurteile“ muß selber gar viele Vorurteile und viel Erbitterung gegen sein Vaterland hegen, wenn er nicht ehrlich zugibt, daß England damals Frankreich gezwungen hat, die Waffen zu ergreifen. Wie soll ich in dem blutdürstig barbarischen Tyrannen, den Sie uns in so düsteren Farben malen, den friedlichen Ludwig XV. wiedererkennen, der mit engelgleicher Geduld und Mäßigung verfuhr, bevor er sich gegen England erklärte 250-1?
Was kann man ihm vorwerfen? Will man behaupten, er hätte sich nicht verleidigen dürfen? Mein Freund, entweder bist du ein Nichtswisser oder ein Hirn, verbrannter oder ein großartiger Verleumder. Ein Philosoph aber bist du nicht.
Soviel über die Herrscher250-2. Man braucht nun durchaus nicht zu glauben, der Verfasser behandle die anderen Stände besser. Alle dienen sie ihm als Zielscheibe seines<251> Hohns. Mit welch schmählicher Verachtung aber, wie abscheulich behandelt er die Kriegsleute! Wenn man ihn hört, muß man glauben, sie seien der niedrigste Auswurf der menschlichen Gesellschaft. Doch vergeblich sucht sein Philosophenstolz ihr Verdienst zu verkleinern; die Notwendigkeit, sich zu verteidigen, wird immer dafür sorgen, daß Kriegerwert gewürdigt werde. Wollen wir aber dulden, daß ein hirnverbrannter Kopf den vornehmsten Beruf der Staatsgemeinschaft schmäht, den Beruf, die Mitbürger zu schützen?
O Scipio, der du Rom aus den Händen Hannibals errettetest und Karthago niederwarfst; Gustav, großer Gustav251-1 Schützer der germanischen Freiheit; Turenne, Schild und Schwert deines Vaterlandes; Marlborough, dessen Arm Europa im Gleichgewicht erhielt; Eugen, du Hort und Ruhm Österreichs; Moritz251-2, du letzter Held Frankreichs! Befreit euch, erlauchte Schatten, aus dem Kerker des Todes, aus den Fesseln des Grabes! Wie werdet ihr mit Staunen vernehmen, daß man in diesem Jahrhundert der Paradoxen eure Arbeit schmäht, eure Taten, die euch mit Fug und Recht die Unsterblichkeit eintrugen! Werdet ihr eure Nachfolger unter dem geschmackvollen Namen gedungener Henker erkennen, den die Sophisten ihnen gaben? Was werdet ihr sagen, wenn ihr einen Cyniker, der unverschämter als Diogenes ist, aus dem Hintergrund seiner Tonne kläffen hört wider eure leuchtende Ehre, deren Glanz ihn ärgert? Aber was vermag dieses ohnmächtige Gekreisch gegen eure ruhmumstrahlten Namen und gegen die gerechte Huldigung jedes Zeitalters, die ihr fort und fort erntet?
Die ihr in den Spuren dieser echten Helden wandelt, fahret fort, ihren Tugenden nachzustreben, und verachtet das nichtige Gezeter eines unsinnigen Sophisten, der sich Apostel der Wahrheit nennt, aber nur Lügen, Verleumdungen und Schimpferei vorbringt!
Nichtswürdiger Phrasenmacher, muß man dich lehren, daß die Künste nur unter dem Schutz der Waffen friedlich gedeihen? Hast du nicht während der Kriege, die du miterlebtest, gesehen, daß, solange der furchtlose Soldat über die Grenzen wacht, der Landmann daraufrechnet, die Früchte seiner Arbeit in reichen Ernten einzusammeln? Weißt du nicht, daß der Kaufmann ungestört fortfahren kann, sein Geschäft hochzubringen, solange der Krieger zu Land und zur See bereit ist, den Tod zu geben oder zu empfangen? Bist du so stumpfsinnig, daß du nicht merktest, wie du in deiner Kammer all das Flickwerk, all die Albernheiten, Frechheiten und Dummheiten, die du uns versetzt hast, ruhig ausdenken konntest, während die Feldherren und Offiziere, die deine Feder so unwürdig behandelt, den Unbilden der Witterung trotzten und sich den Härtesten Strapazen aussetzten? Wie! Soll es von dir heißen, daß du alle Begriffe verwirrst? Und beanspruchst du, durch grobe Sophismen die klugen Maß<252>nahmen weiser und weitblickender Regierungen fragwürdig zu machen? Muß man in unserem Jahrhundert noch beweisen, daß ein Reich ohne die Verteidigung durch tapfere Soldaten dem ersten besten, der zugreift, zur Beute würde?
Ja, mein sogenannter Herr Philosoph, Frankreich unterhält große Heere. Darum hat es auch die Zeiten der Unruhe und der Verwirrung hinter sich, in denen es von Bürgerkriegen zerrissen wurde, verhängnisvoller und grausamer, als es durch auswärtige Kriege geschehen könnte. Es scheint. Sie trauern der Zeit nach, da mächtige Vasallen im Bund miteinander dem Herrscher, der ihnen keine ausreichenden Streitkräfte entgegenzustellen hatte, Widerstand leisten tonnten. Nein, Sie sind nicht der Verfasser der Abhandlung „Über die Vorurteile“. Dies Buch kann nur von einem wiedererstandenen Parteiführer der Liga252-1 geschrieben sein, der noch den Geist der Parteiung und Verwirrung atmet und das Volk zur Rebellion gegen die rechtmäßige Autorität des Herrschers aufstacheln will.
Aber was hätten Sie wohl gesagt, wenn es sich im Verlauf des letzten Krieges begeben hätte, daß die Engländer bis zu den Toren von Paris vorgedrungen wären? Wie ungestüm wären Sie da nicht über die Regierung hergefallen, die so übel für die Sicherheit des Landes und der Hauptstadt vorgesorgl hätte! Und Sie hätten recht gehabt. Warum also, Mann der Inkonsequenz, von deinen Träumen Berauschter, suchst du die wahren Säulen des Staates, das ehrenwerte Militär, in den Augen eines Volkes, das ihm höchsten Dank schuldet, zu beschimpfen und zu erniedrigen? Wie! Die kühnen Verteidiger, die ihr Leben hingeben, die Opfer des Vaterlandes, die beneidest du um die Ehren und Auszeichnungen, deren sie so ganz mit Recht genießen! Mit ihrem Blut haben sie die Vorteile bezahlt, mit dem Einsatz ihrer Ruhe, ihrer Gesundheit, ihres Lebens sie erworben. Nichtswürdiger Sterblicher, der das Verdienst in den Staub ziehen will, den gebührenden und den mitschreitenden Ruhm ihm entziehen, die schuldigen Dankesgefühle des Volkes ersticken möchte!
Man denke indessen nicht, die Soldaten seien die einzigen, die sich über unseren Verfasser zu beklagen haben. Kein Stand im Königreich ist vor seinen Ausfällen sicher. Er lehrt uns auch, daß in Frankreich die Richterstellen käuflich sind. Das weiß man längst. Um den Ursprung dieses schlechten Brauches kennen zu lernen, muß man, wenn ich nicht irre, bis auf die Zeit zurückgreifen, da König Johann von den Engländern gefangengehalten wurde252-2, oder — um noch sicherer zu gehen — auf die Gefangenschaft Franz' I.252-3 Frankreich hatte die Ehrenpflicht, seinen König aus den Händen Karls V. zu befreien, der ihm die Freiheit nur unter bestimmten Bedingungen wiedergeben wollte. Der Schatz war erschöpft. Da man nun eine so erhebliche Summe, wie sie als Lösegeld für den König gefordert wurde, nicht auftreiben konnte,<253> geriet man auf den unheilvollen Ausweg, die Richterämter feilzubieten, um mit dem Ertrag die Freiheit des Landesfürsten zu erkaufen. Der Freilassung Franz' I. folgten beinahe ununterbrochen Kriege, unter seinen Nachkommen entbrannten innere Unruhen und Bürgerkriege. So wurden die Monarchen verhindert, die Schuld einzulösen, mit der sie noch heut im Finanzwesen wirtschaften.
Das Unglück Frankreichs hat es gewollt, daß Ludwig XV. bis auf unsere Tage sich in keiner günstigeren Lage befand als seine Vorfahren. Das hat ihn gehindert, den Besitzern der Richterstellen die beträchtlichen Darlehen zurückzuzahlen, die sie in Unglückszeiten vorgeschossen hatten. Muß man sich also an Ludwig XV. halten, wenn der alte Mißbrauch noch nicht abgeschafft werden konnte? Ohne Zweifel sollte Has Recht, über das Los der Bürger zu entscheiden, nicht für Geld erhältlich sein. Anklagen darf man aber deswegen nur jene, die den Mißbrauch einführten, nicht einen König, der schuldlos daran ist. Und wenn die Mißbräuche auch fortbestehen, so wird der Verfasser nichtsdestoweniger gezwungen sein, zuzugeben, daß man das Pariser Parlament in Wahrheit nicht der Pfiichtvergessenheit beschuldigen kann und daß die Käuflichkeit der Ämter auf die Rechtsprechung keinen Einfluß geübt hat.
Der Verfasser sollte sich lieber über die verwirrende Menge von Gesetzen beschweren, die von Provinz zu Provinz wechseln, während sie in einem Staat wie Frankreich einfach und gleichförmig sein müßten. Ludwig XIV. wollte die Reform der Gesetze durchführen, doch Hindernisse jeder Art hielten ihn ab, das Werk zu vollenden. Unser Autor wisse denn, wenn er's noch nicht weiß, und begreife, wenn er kann, daß unendliche Mühen und immer neue Hemmungen dem bevorstehen, der an gewohnheit-geheiligte Bräuche rühren will. Man muß sich in unabsehbare Einzelheiten vertiefen, um den inneren Zusammenhang so verschiedenartiger Dinge klarzustellen, die durch den Gang der Zeit geformt wurden. Wer heute an sie rührt, gerät in MißHelligkeiten, die schlimmer sind als das Übel, dem man abhelfen will. Hier gilt das Wort: Kritik ist leicht, aber schwer ist die Kunst.
Treten Sie jetzt näher, Herr Generalkontrolleur der Finanzen, und Sie, meine Herren Finanzbeamten: die Reihe ist nun an Ihnen. In schlechter Laune ereifert sich der Verfasser gegen die Steuern, gegen die Erhebung der öffentlichen Gelder, gegen die Lasten, die das Volk trägt und die es, wie er behauptet, erdrücken, gegen die Steuerpächter, gegen die Verwalter der Einkünfte. Ihnen insgesamt wirft er Unterschleife, Erpressung und Raub vor. Recht schön — wenn er Beweise bringt. Da ich aber beim Lesen gegen seine ewigen Übertreibungen mißtrauisch ward, hege ich den Argwohn, daß er die Dinge gewaltig aufbauscht, um die Regierung verhaßt zu machen. Das Beiwort vom barbarischen Tyrannen, das sich in seinem Geist untrennbar mit der Vorstellung vom Königtum verbindet und das er, so oft er kann, mittelbar auf seinen Herrscher anwendet, macht mir die Gutgläubigkeit seiner Deklamationen verdächtig. Sehen wir nun, ob er die Dinge kennt, über die er spricht, und ob er sich die Mühe genommen hat, den Sachverhalt zu untersuchen.
<254>Woher kommen denn die ungeheuren Schulden, die auf Frankreich lasten? Aus welchen Gründen sind sie so angewachsen? Es ist bekannt, daß ein großer Teil davon noch aus der Regierungszeit Ludwigs XIV. stammt, und zwar aus dem Spanischen Erbfolgekrieg, dem gerechtesten von allen, die er unternommen hat. Danach gab der Regent, Herzog Philipp von Orleans, sich der Hoffnung hin, mit Hilfe des Systems, das Law ihm vorschlug254-1, die Schulden abzutragen. Weil er aber das System überspannte, zerrüttete er das Königreich, und die Schulden wurden nur teilweise abgelöst, nicht gänzlich getilgt. Nach dem Tod des Regenten, unter der weisen Verwal, tung des Kardinals Fleury, heilte die Zeit etliche alte Wunden des Reiches. Allein die Kriege, die dann ausbrachen, nötigten Ludwig XV., neue Schulden aufzunehmen. Treu und Glaube, die Erhaltung des Staatskredits verlangen, daß die Schulden abgetragen werden, oder mindestens, daß die Regierung die Zinsen pünktlich bezahlt. Die ordentlichen Einkünfte des Staates waren aber unter den laufenden Ausgaben verrechnet: woher sollte der König die nötigen Summen zur Bezahlung der Zinsen und zur Tilgung der Schulden nehmen, wenn er sie nicht von seinem Volk erhielt? Und da sich seit langem der Brauch im Lande eingeführt hat, daß die Erhebung oe, stimmtet Pachtgelder und neuer Auflagen durch die Hände der Steuerpächter geht, sieht der König sich gewissermaßen genötigt, ihre Diensie in Anspruch zu nehmen.
Es ist nicht zu leugnen, daß im Finanzwesen die vielleicht allzu zahlreichen Beamten und Angestellten Erpressungen und Diebstähle begehen und das Volk manchmal Grund hat, sich über die Härte ihrer Eintreibung zu beklagen. Aber wie will man das in einem Königreich vom Umfang Frankreichs hindern? Je größer eine Monarchie, desto mehr Mißbräuche werden in ihr herrschen. Wenn man auch die Zahl der Auf, sichtführenden im Verhältnis zur Zahl der Erheber vermehren wollte, so würden diese es doch verstehen, mit neuen Listen und Kunstgriffen die aufmerksamen Augen der Wächter zu täuschen.
Wären die Absichten des Verfassers rein gewesen, hätte er die Ursache der Aus, gaben, die dem Staat verderblich wurden, richtig erkannt, so würde er bescheidentlich gemahnt haben: man möge bei den Ausgaben für den Krieg mehr Sparsamkeit walten lassen und die Unternehmer abschaffen, die sich mit unerlaubtem Gewinn bereichern, während der Staat verarmt; man solle acht daraufhaben, daß die Lieferungsverträge nicht, wie es vorgekommen ist, bis zur doppelten Höhe ihres Lieferungswertes gesteigert werden. Schließlich hätte er nahelegen können, daß in der Streichung aller überflüssigen Pensionen und in der Einschränkung der Ausgaben für den Hof ein Mittel zur Er, leichterung der Steuerlast gegeben sei, wie es der Aufmerksamkeit eines guten Fürsien wohl wert sei. Wenn er sich dabei eines bescheidenen Tones bedient hätte, so hätten seine Ansichten Eindruck machen können. Die Beleidigungen aber erregen Zorn und überzeugen keinen Menschen. Er empfehle doch, wenn er dergleichen weiß, Mittel und<255> Wege, um die Schulden zu bezahlen, ohne das öffentliche Vertrauen zu erschüttern und ohne die Untertanen zu bedrücken. Dann bürge ich ihm dafür, daß er sofort zum Finanzminister ernannt wird.
Früher hat man, sobald ein Nachbarstaat gefährlich ward, in aller Eile die Bauern bewaffnet. Diese Miliz erhielt keinen regelmäßigen Sold, sie war auf Raub und Plünderung angewiesen. Bei Friedensschluß wurde sie entlassen. Ein echter Philosoph würde nun wohl unparteiisch untersucht haben, ob die großen Heere, die auch in Friedenszeiten unterhalten werden, und die kostspieligen Kriege von heute vorteilhafter oder minder vorteilhaft sind als der alte Brauch.
Der einzige Gewinn, den die Alten davon hatten, lag darin, daß das Heer ihnen in Friedenszeiten nichts kostete. Sobald die Sturmglocke ertönte, ward jeder Bürger Soldat. In unsrer Zeit hingegen, da die Stände sich mehr gespalten haben, fahren Bauer und Gewerbetreibender ohne Unterbrechung in ihren Verrichtungen fort, weil ein vorbestimmter Teil der Staatsbürger den Schutz der anderen übernimmt. Wenn unsere großen Heere wahrend der Feldzüge auf Staatskosten erhalten werden und dadurch teuer sind, so ergibt sich daraus doch wenigstens der Vorteil, daß die Kriege höchstens acht bis zehn Jahre dauern können. Wenn nämlich den Herrschern dann das Geld ausgeht, so geben sie sich manches Mal friedlicher, als wenn es bloß nach ihrer Neigung ginge. Unser modernes Verfahren hat also die Wirkung, daß unsere Kriege kürzer als die der Alten und minder verheerend für die Gegenden sind, die den Schauplatz bilden. Den großen Unkosten, die sie mit sich bringen, verdanken wir die Friedensepochen, deren wir uns erfreuen. Sie sind gegenwärtig noch kurz genug, durch die Erschöpfung der Mächte werden sie aber wahrscheinlich länger werden.
Ich fahre fort. Unser Königsfeind behauptet, die Herrscher hätten ihre Macht nicht von Gottes Gnaden erhalten. Wir wollen ihm dessentwegen nicht weiter zusetzen. Es glückt ihm so selten, recht zu haben, daß es üble Laune verriete, wenn man ihm auch da widersprechen wollte, wo die Wahrscheinlichkeit einmal für ihn ist.
In der Tat, die Capetinger ergriffen mit Gewalt Besitz von der Herrschaft, die Karolinger bemächtigten sich ihrer mit Geschick und List, die Valois und die Bourbonen gewannen die Krone durch das Recht der Erbschaft. Auch Titel wie Ebenbilder der Gottheit oder Statthalter der Gottheit wollen wir dem Verfasser preisgeben, da sie so wenig zutreffen. Die Könige sind Menschen wie die anderen. In einer Welt, wo nichts Vollkommenheit hat, genießen sie keineswegs des ausschließlichen Vorrechts, vollkommen zu sein. Sie bringen ihre Verzagtheit ober Entschlossenheit, ihre Tatkraft oder Trägheit, ihre Lasier oder Tugenden mit auf den Thron, wohin der Zufall der Geburt sie setzt. In einem erblichen Königreich müssen mit Notwendigkeit Fürsten unterschiedlichsten Charakters einander folgen.
Es wäre ungerecht, zu fordern, daß die Fürsten ohne Fehl seien, während man es selber nicht ist. Es gehört keine Kunst dazu, zu sagen: dieser oder jener ist träge, geizig, verschwenderisch oder liederlich. Sowenig, wie wenn man beim Spaziergang<256> durch eine Stadt die Hausschilder liest. Ein Philosoph, der wissen muß, daß der Dinge Wesensgrund sich niemals ändert, wird sich nicht damit vergnügen, einer Eiche vorzuwerfen, daß sie keine Äpfel trägt, einem Esel, daß ihm Adlerfittiche fehlen, oder einem Stör, daß er keine Stierhörner hat. Er wird die tatsächlichen Übel, die schwer zu hellen sind, keinesfalls übertreiben, er wird nicht schreien: alles ist schlecht! wenn er nicht sagen kann, wie all das gut werden könnte. Seine Stimme wird nicht als Trompete des Aufruhrs dienen, nicht als Signal zur Sammlung der Mißvergnügten, als Vorwand zur Empörung. Er wird Achtung haben vor den geltenden, durch die Nation anerkannten Bräuchen und vor der Regierung, vor den Regierenden selbst wie vor ihren Untergebenen. So dachte auch der friedfertige du Marsais, den man nun, zwölf Jahre nachdem er tot und begraben ist, eine Schmähschrift ver, fassen läßt256-1, während der wirkliche Urheber nur ein Schulbube sein kann, ein leichtherziger Neuling in dieser Welt.
Was bleibt mir noch zu sagen übrig, wenn man in einem Land, wo der Verfasser des „Telemach“256-2 den Thronfolger erzog, gegen die Erziehung der Prinzen Geschrei erhebt? Sollte der Schulbube antworten, daß es keinen Fenelon mehr in Frankreich gibt, so müßte er sich an die Unfruchtbarkeit des Jahrhunderts halten, aber nicht an Prinzenerzieher.
Das wären im wesentlichen meine allgemeinen Bemerkungen zur Abhandlung „Über die Vorurteile“. Der Stil erschien mir langweilig, weil das Ganze eine eintönige Deklamation bildet, darin dieselben Ideen immer wiederkehren und sich allzu oft in derselben Gestalt darstellen. Inmitten des Chaos fand ich jedennoch ein paar ausgezeichnete Einzelheiten. Wollte man übrigens aus dem Werk ein nützliches Buch machen, so müßte man die Wiederholungen, genialischen Schiefheiten, falschen Schlußfolgerungen, die Wissensmängel und Beleidigungen streichen. Das würde die Schrift auf ein Viertel ihres Umfangs zusammendrängen.
Was habe ich nun aus dieser Lektüre gelernt? Welche Wahrheit hat der Verfasser mich gelehrt? Daß alle Geistlichen Ungeheuer sind, die man steinigen müßte. Daß der König von Frankreich ein barbarischer Tyrann ist, seine Minister Erzschelme sind, seine Höflinge feige Schurken, die vor den Stufen des Thrones kriechen, die Großen des Reiches Ignoranten, strotzend von Anmaßung. (Nähme er wenigstens den Herzog von Rivernais256-3 aus!) Ferner erfährt man, daß die französischen Marschälle und Offiziere gedungene Henker, die Richter infame Amtsfrevler sind, die Finanzbeamten Spitzbuben wie Cartouche256-4 und Mandrin256-5, die Geschichtsschreiber nichts als Fürsten<257>verderber, die Dichter Vergifter der Allgemeinheit, kurz: daß es im ganzen Königreich nichts Weises, Löbliches, Achtenswertes gibt als den Verfasser und seine Freunde, die sich den Titel Philosoph verliehen haben.
Es ist mir leid um die Zeit, die ich ans Lesen eines solchen Werkes vergeudet habe, und um die obendrein, die ich hier verlor, indem ich es rezensierte.
<258>Kritik des „Systems der Natur“ (1770)
Das „System der Natur“ gehört zu den Werken, die beim ersten Lesen bestechen und deren Fehler man, da sie mit viel Kunst verhüllt sind, erst nach mehrfachem Wiederlesen entdeckt. Der Verfasser verstand es geschickt, bei seinen Lehrsätzen die Folgerungen zu übergehen, um die nachprüfenden Kritiker irrezuführen. Doch ist die Täuschung nicht allzu stark. Man merkt recht wohl die Folgewidrigkeiten und Widersprüche, in die er oft verfällt, und die seinem System entgegengesetzten Zugeständnisse, die ihm anscheinend von der Macht der Wahrheit entrissen werden.
Die metaphysischen Fragen, die er behandelt, sind dunkel und strotzen von Schwierigkeiten ärgster Art. Selbsttäuschung ist ja verzeihlich, wenn man sich in ein Labyrinth begibt, worin schon so viele sich verirrten. Es scheint aber, daß man diese finstere Straße mit geringerer Gefahr durchschreiten kann, wenn man der eigenen Einsicht mißtraut, wenn man sich erinnert, daß die Erfahrung bei solchen Untersuchungen nicht als Führer zu gebrauchen ist und uns nur mehr oder minder starke Wahrscheinlichkeiten bleiben, um unsere Meinungen zu stützen. Diese Erwägung sollte genügen, um jedem Philosophen, der ein System aufstellen will, Zurückhaltung und Bescheidenheit einzuflößen. Unser Autor hat offenbar nicht so gedacht, da er sich rühmt, ein Dogmatiker zu sein.
Die Hauptpunkte, die er in seinem Werk behandelt, sind: erstens Gott und die Natur, zweitens die Fatalität, drittens die Moral der Religion im Vergleich zur Moral der Naturreligion, viertens die Herrscher als Ursachen allen Unglücks der Staaten.
Was den ersten Punkt betrifft, so ist man angesichts seiner Bedeutung ein wenig überrascht von den Gründen, die der Verfasser anführt, um die Gottheit zu verneinen. Er sagt, es falle ihm nicht so schwer, eine blinde Materie anzunehmen, die durch die Bewegung zum Handeln gelangt, als seine Zuflucht bei einer intelligenten Urkraft zu suchen, die aus sich selber handelt. Als ob das, was er mit geringer Mühe einordnet, wahrer sei als das, was ohne Anstrengung nicht aufzuklären ist! Er gibt zu, daß die Empörung über die Religionsverfolgungen ihn zum Atheisten gemacht hat. Sind dies nun Gründe, die Anschauungen von Philosophen zu bestimmen: Trägheit und Leidenschaften? Ein so naives Eingeständnis kann in seinen Lesern nur Mißtrauen erwecken — wie soll man ihm Glauben schenken, wenn er sich durch so leicht<259>fertige Gründe leiten läßt? Ich vermute, unser Philosoph überläßt sich mitunter allzu gefällig seiner Einbildungskraft. Befremdet von den widerspruchsvollen Gottheitdefinitionen der Theologen, verwechselt er diese Definitionen, die dem gesunden Menschenverstand nicht standhalten, mit einer intelligenten Natur, die notwendigermaßen über der Erhaltung des Weltalls waltet. Die ganze Schöpfung beweist diese Intelligenz. Man braucht nur die Augen zu öffnen, um sich davon zu überzeugen. Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen, hervorgebracht von der Natur. Die Natur muß also unendlich intelligenter sein als er. Sonst müßte sie ihm ja Vorzüge mitgeteilt haben, die sie selber nicht besitzt. Das wäre ein Widerspruch in aller Form.
Wenn der Gedanke eine Folge unserer Organisation ist, so muß die Natur, da sie unvergleichlich reicher als der Mensch organisiert ist und er einen nicht wahrnehmbaren Teil des großen Alls bildet, sicherlich die Intelligenz im höchsten Grade der Vollkommenheit besitzen. Eine blinde Natur könnte mit Hilfe der Bewegung nur Verwirrung stiften. Da sie ohne Berechnung verfahren würde, könnte sie niemals bestimmte Ziele erreichen, noch solche Meisterwerke schassen, die der menschliche Scharfsinn im unendlich Kleinen wie im unendlich Großen bewundern muß. Die Ziele, welche die Natur sich in ihren Werken gesetzt hat, offenbaren sich so augenscheinlich, daß man gezwungen ist, eine selbstherrliche und überlegen intelligente Ursache anzuerkennen, die mit Notwendigkeit darüber waltet. Fasse ich den Menschen ins Auge, so sehe ich, daß er als schwächstes aller Lebewesen geboren wird, bar aller Schutz-und Trutzwaffen, unfähig, den Unbilden der Witterung zu widerstehen, unablässig der Gefahr ausgesetzt, von wilden Tieren zerrissen zu werden. Zum Ersatz für die Schwächen seines Körpers und zur Erhaltung der Art hat die Natur ihn reicher mit Intelligenz begabt als alle anderen Geschöpfe. Ein Vorzug, kraft dessen er sich auf künstlichem Wege das verschafft, was die Natur ihm sonst, scheint es, nicht vergönnte. Das allerniedrigste Lebewesen umschließt in seinem Körper ein Laboratorium, das kunstvoller hergestellt ist als das des geschicktesten Chemikers. Darm bereitet es die Säfte, die sein Wesen erneuern, sich seinen Bestandteilen einfügen und sein Dasein verlängern. Wie vermöchte diese wunderbare Organisation, die allem Lebendigen zu seiner Erhaltung so nötig ist, von einer vernunftlosen Ursache auszugehen, die ihre größten Wunder vollbrächte, ohne es wahrzunehmen? Soviel braucht es aber nicht einmal, um unsern Philosophen zu widerlegen und sein System zu stürzen. Das Auge einer Milbe, ein Grashalm reichen hin, ihm die Intelligenz ihres Urhebers zu beweisen.
Ich gehe noch weiter. Ich glaube sogar, wenn man wie er eine blinde erste Ursache annähme, könnte man ihm den Beweis liefern, daß dann die Fortpflanzung der Arten unsicher werden und, wie es der Zufall fügt, zu unterschiedlichen, absonderlichen Wesen entarten würde. Einzig die unwandelbaren Gesetze einer intelligenten Natur können also inmitten der zahllosen Erscheinungen die einzelnen Arten in ihrer vollen Reinheit erhalten. Vergebens sucht der Autor sich darüber hinwegzutäuschen.<260> Die Wahrheit ist stärker als er; sie zwingt ihn, zu sagen, daß die Natur in ihrer unermeßlichen Werkstatt die Stoffe sammelt, um neue Geschöpfe zu bilden. Sie setzt sich also einen Zweck; folglich ist sie intelligent. Wenn man nur irgend aufrichtig ist, kann man sich unmöglich dieser Wahrheit verschließen. Selbst die Einwände, die von dem physisch und moralisch Schlechten hergeleitet werden, vermöchten nicht sie umzustoßen: die Ewigkeit der Welt überwältigt dieses Hemmnis. Die Natur ist demnach unbestreitbar intelligent. Sie handelt immer im Einklang mit den ewigen Gesetzen der Schwere, der Bewegung, der Trägheit usw., die sie weder aufheben noch ändern kann. Wiewohl unsere Vernunft uns dieses Wesen nachweist, wiewohl wir etwas davon sehen und etliches von seiner Tätigkeit ahnen, werden wir es doch niemals genügend erkennen, um es zu definieren. Jeder Philosoph, der das von den Theologen geschaffene Phantom angreift, kämpft in Wirklichkeit gegen die Wolke des Ixion260-1. Er reicht nicht an jenes Wesen, dem das ganze Weltall zu Beweis und Zeugnis dient.
Man wird ohne Zweifel sehr erstaunt sein, daß ein so aufgeklärter Philosoph wie unser Autor sich einfallen läßt, die alten Irrtümer von einer künstlichen Zeugung zu verbreiten. Er zitiert Needham260-2, jenen englischen Arzt, der sich durch ein falsches Experiment irreführen ließ und glaubte, er habe Aale hergestellt. Wären derartige Vorgänge wahr, so könnten sie wohl mit dem Wirken einer blinden Natur übereinstimmen; allein sie sind durch alle Versuche Lügen gestraft worden. Sollte man es ferner wohl glauben, daß derselbe Autor eine allgemeine Sintflut annimmt? Eine Absurdität, ein Wunder, das bei einem Mathematiker nicht zulässig und mit seinem System auf keine Weise vereinbar ist. Sind die Wasser, die unseren Erdball überschwemmten, eigens dazu hervorgebracht worden? Was für gewaltige Massen mußten das sein, die höher als die höchsten Berge emporstiegen! Wurden sie dann in Nichts aufgelöst? Oder was wurde aus ihnen? Wie? er schließt die Augen, um nicht ein intelligentes Wesen zu sehen, das über das Weltall herrscht und von der ganzen Natur ihm verkündet wird, und dann glaubt er an das Wunder, das der Vernunft mehr widerstrebt als alle, die man je erdichtet hat? Ich gesiehe, daß ich es nicht fasse, wie so viel Widersprüche sich in einem philosophischen Kopf miteinander vertragen konnten und wie der Autor dessen nicht gewahr wurde, als er sein Werk verfaßte. Doch gehen wir weiter.
Er hat das System der Fatalität, wie Leibniz es darstellte und Wolffes erläuterte, beinahe buchstäblich abgeschrieben. Zur besseren Verständigung glaube ich, die Idee, die man mit dem Wort Freiheit verbindet, definieren zu sollen. Ich versiehe darunter jeden Akt unseres Willens, der aus diesem allein und ohne Zwang erfolgt. Man denke nicht, daß ich von diesem Grundbegriff aus beabsichtige, das System der Fatalität im allgemeinen und in jeder Einzelheit zu bekämpfen. Ich suche nur die Wahr<261>heit, ich achte sie, wo immer ich sie finde, und unterwerfe mich ihr, sobald man sie mir zeigt. Um die Frage richtig zu beurteUen, geben wir das Hauptargument des Verfassers wieder. All unsere Begriffe, sagt er, werden uns durch die Sinne zugeführt und sind eine Folge unserer Organisation; demnach sind all unsere Handlungen notwendig. Daß wir unseren Sinnen als unseren Organen alles verdanken, wird man ihm ohne weiteres zugeben. Der Autor sollte aber merken, daß die Begriffe, die wir empfangen, Anlaß zu neuen Kombinationen geben. Bei der ersten dieser Verrichtungen ist die Seele passiv, bei der zweiten aktiv. Erfindungsgabe und Einbildungskraft betätigen sich an den Objekten, welche die Sinne uns erkennen lehrten: als z. B. Newton die Geometrie lernte, verhielt sein Geist sich passiv; als er aber zu seinen staunenswerten Entdeckungen gelangte, war er mehr als tätig, er war schöpferisch. Im Menschen sind die verschiedenen Geisiesbetätigungen sehr wohl voneinander zu unterscheiden. Wo der äußere Antrieb vorherrscht, ist er Sklave, ganz frei dagegen, wo seine Einbildungskraft am Werk ist. Darm stimme ich also mit dem Verfasser überein, daß es eine gewisse Verkettung der Ursachen gibt, deren Einfluß auf den Menschen einwirkt und in wiederholter Wirkung Herr über ihn wird. Der Mensch empfängt mit der Geburt sein Temperament, seinen Charakter mit dem Keim seiner Fehler und Tugenden, sein zugemessen Teil Geist, das er weder verringern noch erweitern kann, Talente oder Genie, oder aber Schwerfälligkeit und Unfähigkeit. So oft wir uns vom Aufwallen unserer Leidenschaften fortreißen lassen, triumphiert die Fatalität siegreich über unsere Freiheit. So oft die Macht der Vernunft die Leidenschaften zügelt, trägt die Freiheit den Sieg davon.
Ist aber der Mensch nicht völlig frei, wenn man ihm verschiedenartige Entschließungen vorschlägt, die er prüft, zwischen denen er schwankt und über die er schließlich nach seiner Wahl entscheidet? Der Autor wird mir ohne Zweifel erwidern, die Notwendigkeit lenke diese Wahl. Ich glaube jedoch in dieser Antwort einen Mißbrauch des Ausdrucks Notwendigkeit zu erblicken, eine Verwechslung mit Ursache, Motiv, Grund. Ganz gewiß geschieht nichts ohne Ursache, aber nicht jede Ursache ist notwendig. Ganz gewiß entscheidet sich jeder Mensch, der nicht von Sinnen ist, nach Gründen, die von seiner Eigenliebe abhängen; er wäre nicht frei, ich wiederhole es, sondern wahnwitzig, wenn er anders handelte. Mit der Freiheit verhält es sich demnach ebenso wie mit Weisheit, Vernunft, Tugend, Gesundheit: der Sterbliche besitzt sie nicht unbeschränkt, sondern nur zuzeiten. In manchen Dingen stehen wir als der leidende Teil unter der Herrschaft der Fatalität, in anderen sind wir als Handelnde unabhängig und frei. Halten wir uns hierin an den Philosophen Locke. Er ist durchaus überzeugt, daß er bei verschlossener Tür nicht imstande ist, sich nach Belieben zu entfemen, daß er hingegen bei offener Tür die Freiheit hat, nach seinem Gutdünken zu handeln. Je mehr man dieser Materie auf den Grund zu kommen sucht, desto verwickelter wird sie. Mit allen Spitzfindigkeiten macht man sie am Ende nur so dunkel, daß man sich selbst nicht mehr zurechtfindet. Namentlich ist es für die Anhänger des Fatalismus un<262>angenehm, daß ihr tätiges Leben sich beständig in Widerspruch zu ihren theoretischen Grundanschauungen setzt.
Der Verfasser des „Systems der Natur“ hat zuvörderst alle Gründe, die sein Vorstellungsvermögen ihm lieferte, erschöpft, um zu beweisen, daß eine Schicksalsnotwendigkeit die Menschen bei allen Handlungen durchaus binde und leite. Daraus hätte er doch folgern müssen, daß wir nichts als eine Art von Maschinen oder, wenn man will, Marionetten seien, die durch eine blinde Triebkraft bewegt würden. Statt dessen eifert er gegen die Priester, gegen die Regierungen und die Erziehung. Er setzt also voraus, die Menschen, die diese Ämter innehaben, seien frei, während er ihnen doch beweist, daß sie Sklaven seien. Wie abgeschmackt, wie unvereinbar! Wird alles durch notwendige Ursachen bewegt, so werden Ratschläge, Unterweisungen, Gesetze, Strafen, Belohnungen überflüssig und unnütz. All das hieße nur, einem gefesselten Mann sagen: sprenge deine Ketten! Geradeso gut könnte man eine Eiche durch Predigen überreden wollen, sich in einen Orangenbaum zu verwandeln. Die Erfahrung bezeugt uns jedoch, daß es gelingen kann, Menschen zu bessern; also muß mit Notwendigkeit geschlossen werden, daß sie wenigstens teilweise der Freiheit genießen. Bleiben wir bei den Lehren dieser Erfahrung und lassen wir uns keinesfalls auf eine Weltanschauung ein, der wir ohne Unterlaß durch unsere Handlungen widersprechen.
Aus der Grundanschauung der Fatalität ergeben sich die unheilvollsten Folgen für die menschliche Gesellschaft. Hätte sie Geltung, so wären Mark Aurel und Catilina, der Präsident de Thou262-1 und Ravaillac262-2 an Verdiensten einander gleich. Die Menschen würden nur noch als Maschinen anzusehen sein, die teils für das Lasier, teils für die Tugend bestimmt wären. Auf jeden Fall wären sie unfähig, aus sich heraus verdienstlich zu handeln oder zu sündigen und so Strafe oder Lohn zu ernten. Das würde die Moral, die guten Sitten und alle Grundlagen der Gesellschaft untergraben. Woher kommt dann aber die Liebe zur Freiheit, die gemeiniglich in allen Menschen lebt? Wenn sie nur in der Vorstellung existierte, woher wüßten sie dann von ihr? Sie müssen sie also durch Erfahrung, durch ihr Gefühl kennen gelernt haben; folglich muß Freiheit wirklich bestehen, oder es wäre unwahrscheinlich, daß sie Liebe für sie empfinden könnten. Was immer Calvin, Leibniz, die Arminianer262-3 und der Verfasser des „Systems der Natur“ darüber sagen mögen, sie werden uns niemals überzeugen, daß wir Mühlenräder seien, die von einer notwendigen, unwiderstehlichen Ursache nach Laune in Bewegung gesetzt würden.
All diese Fehler, in die unser Autor verfiel, kommen von seiner Systemwut her; er hat sich in seine Meinungen verrannt. Er traf Phänomene, Umstände und Einzelheiten, die zu seiner Lehre trefflich stimmten. Als er aber daran ging, seine Ideen zu verallgemeinern, fand er andere Kombinationen und Erfahrungswahrheiten, die<263> ihr zuwiderliefen. Diese nun hat er verbogen und vergewaltigt, um sie, so gut es gwg, den übrigen Teilen seines Systems anzupassen. Sicher ist, daß er keinen der Beweise, die das Dogma der Fatalität stärken können, übersehen hat. Zugleich aber ist es auch klar, daß er dies sein ganzes Werk hindurch widerlegt. Ich für mein Teil denke, ein wahrer Philosoph sollte in solchem Fall auf Kosten seiner Eigenliebe die Liebe zur Wahrheit betätigen.
Doch wenden wir uns nun zu dem Abschnitt, der von der Religion handelt. Man könnte dem Verfasser Geistesarmut und vor allem Ungeschicklichkeit vorwerfen, weil er die christliche Religion verleumdet, indem er ihr Fehler nachsagt, die sie nicht hat. Wie kann er im Ernst behaupten, sie sei an allem Unglück der Menschheit schuld? Um sich mit Genauigkeit auszudrücken, hätte er einfach sagen können, daß Ehrgeiz und Eigennutz der Menschen die Religion zum Vorwand nehmen, um Unruhe über die Welt zu bringen und die eigenen Leidenschaften zu befriedigen. Was kann man ehrlicherweise an der Moral aussetzen, die im Dekalog enthalten ist? Fände sich im Evangelium nichts als diese einzige Vorschrift: „Tut den anderen nicht, was ihr nicht wollt, daß man euch tue“ — man wäre verpflichtet, zu gestehen, daß diese wenigen Worte die Quintessenz aller Moral enthalten. Und hat nicht Jesus in seiner Herrlichen Bergpredigt die Verzeihung der Beleidigungen, die Barmherzigkeit, die Menschlichkeit verkündet?
Es durfte also keine Verwechslung vorkommen zwischen Gesetz und Mißbrauch, zwischen Schriftwort und Verwirklichung, zwischen der echten christlichen Moral und derjenigen, die von den Priestern herabgewürdigt ward. Wie darf da der Autor die christliche Religion an sich beschuldigen, die Ursache der Sittenverderbnis zu sein? Wohl aber könnte er die Geistlichen anklagen, daß sie die bürgerlichen Tugenden durch den Glauben ersetzten, die guten Werke durch äußerliche Bräuche, die GeWissensbisse durch leichtwiegende Bußübungen, die unerläßliche Besserung durch verkäufliche Ablässe. Er könnte ihnen vorwerfen, daß sie von Eidespflicht entbinden und gewaltsam Gewissenszwang ausüben. Diese strafbaren Mißbräuche verdienen es freilich, daß man gegen diejenigen vorgeht, die sie einführen, und gegen jene, die sie anerkennen. Mit welchem Rechte jedoch will das einer tun, der die Menschen für Maschinen ansieht? Wie vermag er eine tonsurierte Maschine zu tadeln, die von Notwendigkeit wegen betrügt, schwindelt und mit der Gläubigkeit der Menge ein freches Spiel treibt?
Indessen, lassen wir für einen Augenblick das System der Fatalität beiseite und nehmen wir die Dinge, wie sie in dieser Welt wirtlich sind. Der Autor müßte wissen, daß die Religion, die Gesetze, die Regierungsgewalt gleichviel welcher Art niemals das mehr oder minder häufige Auftreten von Verbrechernaturen inmitten der großen Staatsbürgerzahl verhindern werden. Überall ist die breite Volksmasse wenig vernünftig, leicht läßt sie sich im Strom der Leidenschaften treiben, ist mehr zum Lasier geneigt als des Guten beflissen. Alles, was man von einer guten Regierung<264> erwarten kann, ist dies: daß unter ihr die schweren Verbrechen seltener seien als unter einer schlechten. Unser Autor müßte ferner wissen, daß Übertreibungen nicht Gründe sind, daß Verleumdungen einen PHUosophen gleichwie jeden anderen Schriftsteller unglaubwürdig machen und daß von ihm im Zustand der Erbosung, in den er etliche Male gerät, das Wort gelten könnte, das Menipp264-1 zu Jupiter spricht: „Du greifst zum Blitzstrahl; also bist Du im Unrecht!“
Ohne Zweifel gibt es nur eine Moral. Sie umfaßt alles, was die einzelnen Menschen einander schulden, sie ist die Grundlage der Gesellschaft. Unter jedweder Regierung, in jedweder Religion muß sie dieselbe sein. Die des Evangeliums würde, wenn man sie in all ihrer Reinheit nähme, nutzbringend auf das Leben anzuwenden sein. Sobald wir aber das Dogma der Fatalität annehmen, gibt es nicht Moral und Tugend mehr, und der ganze Bau der menschlichen Gesellschaft bricht zusammen. Das Ziel unseres Autors ist es unbestreitbar, die Religion zu stürzen; doch hat er den abseitigsten und schwierigsten Weg gewählt. Mir scheint, das natürlichste Vorgehen für ihn wäre dieses gewesen: ein Angriff auf die geschichtliche Seite der Religion, auf die absurden Fabeln, über denen man ihr Gebäude errichtet hat, auf die Überlieferungen, die absurder, närrischer, lächerlicher sind als das Allertollste, was das Heidentum geleistet hat. Dies wäre das Mittel gewesen, zu beweisen, daß Gott nicht gesprochen hat; das Mittel, die Menschen von ihrer einfältigen, stumpfen Leichtgläubigkeit abzubringen. Noch einen kürzeren Weg hatte der Verfasser zur Erreichung desselben Ziels. Er mußte die Argumente gegen die Unsterblichkeit der Seele vorführen, die Lukrez in seinem dritten Buch264-2 mit soviel Kraft auseinandersetzt, und mußte dann hieraus den Schluß ziehen: da mit diesem Leben für den Menschen alles zu Ende gehl und nach dem Tode ihm nichts mehr zu fürchten noch zu hoffen bleibt, so kann auch keinerlei Zusammenhang zwischen ihm und der Gottheit bestehen, und diese vermag weder zu strafen noch zu belohnen. Ohne diesen Zusammenhang kann von Kultus, von Religion nicht mehr die Rede sein, und die Gottheit sinkt für den Menschen zum Gegenstand der Untersuchung, der Wißbegier herab.
Wieviel Seltsamkeiten und Widersprüche gibt es demgegenüber im Werk dieses Philosophen! Nachdem er mühselig zwei Bände mit Beweisen für sein System gefüllt hat, gesteht er, daß wenig Menschen fähig seien, es zu erfassen und sich hinein zu vertiefen. Man sollte also glauben, daß er mit derselben Blindheit, die er der Natur nachsagt, ohne Ursache handle und unter dem Zwange einer unwiderstehlichen Notwendigkeit ein Werk schreibt, das geeignet ist, ihn in die größten Gefahren zu stürzen, ohne daß er selbst oder ein andrer je auch nur die geringste Frucht davon ernten könnte.
Kommen wir nun zu den Herrschern, die der Autor ganz besonders aufs Korn genommen hat, um sie in Verruf zu bringen. Ich kann versichern, daß die Geistlichen den Fürsten niemals so törichtes Zeug gesagt haben, wie er ihnen zuschreibt. Wenn<265> es ihnen einfällt, die Könige für Ebenbilder der Gottheit zu erklären, so ist das jedenfalls Übertreibung, obwohl sie bei dem Vergleich die Absicht haben, die Könige zu ermahnen, daß sie ihre Vollmacht nicht mißbrauchen, sondern gerecht und huldreich seien, gemäß der volkstümlichen Gottheitvorstellung, die sich bei allen Nationen herausgebildet hat. Der Autor malt sich die Sache so aus, daß zwischen den Herrschern und den Geistlichen Verträge geschlossen werden, worin die Fürsten versprechen, den Klerus zu ehren und zu Ansehen zu bringen, unter der Bedingung, daß er dem Volke Unterwerfung predige. Ich gebe die Versicherung, daß das ein Hirngespinst ist, daß es gar keine verkehrtere und lächerlichere Erdichtung gibt als diesen angeblichen Pakt. Es ist ja sehr wahrscheinlich, daß die Priester versuchen, dieser Meinung Glauben zu verschaffen, um sich Gewicht zu geben und eine Rolle zu spielen. Es ist auch gewiß, daß manche Herrscher durch ihre Leichtgläubigkeit, ihren Aberglauben, ihren Unverstand und ihre blinde Anhänglichkeit an die Kirche den Anlaß geben, ein solches Einverständnis zu argwöhnen. Tatsächlich aber hängt alles vom Charakter des Fürsten ab. Ist er schwach und bigott, so haben die Männer der Kirche das Übergewicht. Hat er das Unglück, ungläubig zu sein, so wühlen die Priester gegen ihn. In Ermangelung eines besseren schwärzen sie sein Andenken durch Verleumdungen.
Ich halte diese Neinen Schnitzer noch den Vorurteilen des Verfassers265-1 zugute. Wie aber kann er die Könige beschuldigen, sie trügen die Schuld an der schlechten Erziehung ihrer Untertanen? Er bildet sich ein, es sei ein politischer Grundsatz, daß eine Regierung mehr darauf halten müsse, über Dummköpfe zu herrschen als über eine aufgeklärte Nation. Das schmeckt ein bißchen nach den Anschauungen eines Schulrektors, der in einem engen Kreis von Vorstellungen befangen ist und weder die Welt noch die Regierungen noch die Grundbegriffe der Politik kennt. Es kann doch nicht bezweifelt werden, daß alle Regierungen der zivilisierten Völker für den öffentlichen Unterricht sorgen. Was sind denn all die Schulen, Hochschulen und Universitäten, von denen Europa wimmelt, wenn sie nicht Ansialten zur Unterweisung der Jugend sind? Wenn jedoch gefordert wird, daß in einem ausgedehnten Staat der Fürst für die Erziehung einsiehe, die jeder Familienvater seinen Kindern zuteil werden läßt, so ist dies das lächerlichste Begehren, das je ausgesprochen wurde. Der Fürst darf nicht ins innere Leben der Familie eingreifen, darf sich nicht in die häuslichen Angelegenheiten der Bürger mischen; das kann nur zur verhaßtesten Tyrannei führen.
Unser Philosoph schreibt, was ihm unter die Feder kommt, nieder, ohne die Folgen zu untersuchen. Er ist einfach schlecht gelaunt, wenn er so artig die Höfe als Herde der öffentlichen Korruption bezeichnet. Im Ernst, ich schäme mich für die Philosophie. Wie kann einer dermaßen übertreiben? Wie kann man solche Albernheiten vorbringen? Ein minder hitziger Geist, ein Weiser hätte sich damit begnügt, zu bemerken, daß, je größer die Gemeinschaften, desto raffinierter ihre Lasier sind; je mehr die
<266>Gelüste sich entfalten können, desto mehr kommen sie zur Betätigung. Den Vergleich mit dem Herd könnte man Iuvenal oder einem anderen Satiriker von Beruf hingehen lassen; aber einem PHUosophen — ich sage weiter nichts. Wäre unser Autor nur sechs Monate Bürgermeister des Städtchens Pau im Béarn gewesen, er würde die Menschen besser zu beurteilen wissen, als er es je durch seine leeren Betrachlungen lernen wird. Wie kann er sich einbilden, die Herrscher ermutigten ihre Untertanen zum Verbrechen, und welcher Vorteil würde ihnen daraus erwachsen, daß sie sich in die Notwendigkeit versetzen, die Übeltäter zu strafen? Es kommt zweifellos in vereinzelten Fällen vor, daß einige Verbrecher der Gesetzesstrenge entgehen; aber niemals entspringt das einer bestimmten Absicht, durch Hoffnung auf Straflosigkeit zum Frevel anzureizen. Fälle dieser Art muß man der allzu großen Nachsicht des Fürsten zuschreiben. Zweifellos kommt es unter jeder Regierung auch vor, daß Schuldige durch Intrige oder durch Bestechung oder durch den Beistand mächtiger Beschützer Mittel und Wege finden, sich der verdienten Strafe zu entziehen. Um aber solches Treiben, Intrigen und Bestechlichkeit aus der Welt zu schaffen, täte es not, daß der Fürst die Allwissenheit besäße, die von den Theologen Gott zuerkannt wird.
In den Fragen des Regierungswesens strauchelt unser Autor bei jedem Schritt. Er wähnt, Not und Elend trieben die Menschen zu den größten Verbrechen. Dem ist nicht so. Es gibt kein Land, wo nicht jeder, sofern er kein Faulenzer oder Müßiggänger ist, durch seine Arbeit sich ernähren könnte. In allen Staaten setzt sich die gefährlichste Gruppe aus den Verschwendern jeglicher Art zusammen: ihre Vergeudung erschöpft in kurzer Zeit ihre Einnahmequellen. Dadurch geraten sie in schlimme Zwangslagen, und das bringt sie dann auf die niedrigsten, widerwärtigsten, schmählichsten Auswege. Die Bande des Catilina, die Anhänger Julius Cäsars, die Frondeurs, die der Kardinal von Retz aufwiegelte266-1, die Parteigänger Cromwells, sie alle waren Leute dieser Art, die nur dadurch ihre Schulden loswerden und ihre zerrüttete Existenz wiederherstellen konnten, daß sie den Staat umstürzen halfen, dessen Bürger sie waren. In den ersten Familien des Staates beschränken sich die Verschwender auf Schwindel und Ränke. Beim Volk werden die Geldvergeuder und Faulpelze schließlich Räuber und begehen die ungeheuerlichsten Verbrechen gegen die öffentliche Sicherheit.
Nachdem der Verfasser offenkundig bewiesen hat, daß er weder weiß, wie die Menschen sind, noch wie sie regiert werden müssen, wiederholt er die Deklamationen aus den Satiren Boileaus wider Alexander den Großen, macht Ausfälle gegen Karl V und dessen Sohn Philipp II., wiewohl man untrüglich fühlt, daß es auf Ludwig XI V. abgesehen ist. Von allen Ungereimtheiten, die von den angeblichen Philosophen unserer Tage mit sehr viel Behagen vertreten werden, scheint ihnen vor allem jene am<267> Herzen zu liegen, die darauf hinausgeht, die großen Männer des verflossenen JahrHunderts zu verunglimpfen. Was für eine Mehrung ihres Ansehens versprechen sie sich wohl davon, wenn sie die Schwächen eines Königs aufbauschen, der sie durch Größe und Ruhm überstrahlt hat? Die Fehler Ludwigs XIV. sind übrigens bekannt; diese vermeintlichen Philosophen haben also nicht einmal das kleine Verdienst, deren erste Entdecker zu sein. Ein Fürst, der bloß acht Tage regiert, wird ohne Zweifel schon Fehler begehen; um wieviel mehr muß das ein Monarch tun, der sechzig Jahre seines Lebens den Thron innehatte. Wenn Sie sich zum unparteiischen Richter aufwerfen wollen, so studieren Sie erst einmal das Leben dieses großen Fürsten! Dann werden Sie gestehen müssen, daß er in seinem Königreich mehr Gutes als Schlimmes vollbracht hat.
Einen ganzen Band müßte man füllen, wenn man seine Rechtfertigung im einzelnen durchführen wollte; ich beschränke mich hier auf die Hauptpunkte. Legen Sie also, wie recht und billig, die Hugenottenverfolgung seiner Altersschwäche zur Last, dem Aberglauben, in dem er auferzogen war, dem Vertrauen, das er unbedachtermaßen seinem Beichtvater schenkte. Setzen Sie die Verwüstung der Pfalz (1689) auf Rechnung des harten und hochfahrenden Louvois267-1. Danach werden Sie ihmWeiteres kaum vorwerfen können, abgesehen davon, daß er ein paar Kriege aus Eitelkeit oder Herrscherstolz unternommen hat. Im übrigen können Sie ihm nicht abstreiten, daß er der Beschirmer der schönen Künste war. Ihm verdankt Frankreich seine Manu, fakturen, seinen Handel und überdies die schöne Abrundung seiner Grenzen samt dem Ansehen, das es während seiner Regierungszeit in Europa genoß. Ehren Sie also seine lobenswerten und wahrhaft königlichen Eigenschaften! Wer da heutigentages gegen die Herrscher losziehen will, muß ihre Verweichlichung, ihre Trägheit, ihre Unwissenheit angreifen. Sie sind zumeist mehr schwach als ehrgeizig, mehr eitel als herrschsüchtig.
Die wahren Ansichten des Autors über die Regierungen enthüllen sich erst gegen das Ende seines Werkes. Da erst tut er uns kund, daß seines Erachtens die Untertanen sich des Rechts erfreuen sollten, ihre Herrscher abzusetzen, wenn sie unzufrieden mit ihnen sind. Um an dieses Ziel zu gelangen, erhebt er Einspruch gegen die großen Heere, die seinem Plan einigermaßen hinderlich sein könnten. Man glaubt La Fontaines Fabel vom Wolf und vom Schäfer zu lesen. Sollten die verstiegenen Ideen unseres Philosophen jemals in Erfüllung gehen, so müßten zuvor die Regierungsformen sämtlicher Staaten von Europa umgestaltet werden, was ihm eine Kleinigkeit dünkt. Ferner müßten — was mir unerfüllbar scheint — diese Untertanen, die den Richter ihres Herrn spielen wollten, weise und gerecht, die Thronbewerber müßten frei von Ehrgeiz sein, weder Intrige noch Kabale noch Unabhängigkeitsgelüste irgendwie das Übergewicht erlangen können. Außerdem müßte das entthronte Fürstenhaus<268> vollständig ausgerottet werden, oder aber es bliebe ein Nährboden für Bürgerkriege, blieben Führer, die stets bereit wären, an die Spitze gefährlicher Parteien zu treten, um den Staat in Aufruhr zu bringen. Es würde sich weiter als Folge dieser Regierungsform ergeben, daß die Thronkandidaten und -Prätendenten sich unaufhörlich regen, das Volk gegen den Fürsten aufwiegeln, Unruhen und Empörung schüren würden, in der Hoffnung, auf solchen Wegen emporzusteigen und zur Herrschaft zu gelangen.
Hierdurch wäre eine derartige Regierung dauernd inneren Kämpfen ausgesetzt, die tausendmal gefährlicher sind als die auswärtigen Kriege. Um eben diesen Mißständen vorzubeugen, wurde ja die Erbfolge geschaffen und in mehreren europäischen Staaten eingeführt. Man sah, welche Unruhen die Wahlen nach sich ziehen, und fürchtete mit Recht, eifersüchtige Nachbarn könnten so günstige Gelegenheit wahrnehmen, das Land zu überwältigen oder zu verwüsten. Der Autor konnte sich leicht über die Folgen seiner lehren klar werden: er brauchte bloß einen Blick auf Polen zu werfen, wo jede Königswahl zu einer Epoche inneren und äußeren Krieges ward.
Ein großer Irrtum ist es, zu glauben, Menschenwerk könne vollkommen sein. Unsere Einbildungskraft mag sich solche Trugbilder ersinnen, doch lassen sie sich nimmermehr verwirklichen. Seit Anbeginn der Welt haben die Völker es mit allen Formen der Regierung versucht; die Blätter der Geschichte sind voll davon. Allein es gibt keine Regierungsart, die nicht Unzuträglichkeiten unterworfen wäre. Die meisten Völker jedoch haben die Erbfolge der regierenden Familien anerkannt, weil das bei der Wahl, die sie zu treffen hatten, die mindest nachteilige Entscheidung war. Das Übel, das auch diese Einrichtung mit sich bringt, besieht darin, daß unmöglich während einer langen Reihe von Jahren innerhalb einer Familie Talente und Verdienst ununterbrochen vom Vater auf den Sohn sich forterben können, und daß demnach zuweilen unwürdige Fürsten den Thron einnehmen werden. Selbst in diesem Falle bleibt noch das Hilfsmittel, daß fähige Minister durch ihre Tüchtigkeit den Schaden wieder gutmachen können, den die Torheit des Herrschers ohne Zweifel anrichten würde.
Das Gute, das aus dieser Ordnung.der Dinge offenbar hervorgeht, beruht darauf, daß Fürsten, die auf dem Thron geboren sind, weniger Dünkel und Eitelkeit haben als die Emporkömmlinge. Geschwellt vom Gefühl ihrer neuen Größe, verachten diese die anderen, die bis dahin ihresgleichen waren, und gefallen sich darin, sie bei jeder Gelegenheit ihre Überlegenheit fühlen zu lassen. Vor allem aber beachte man, daß ein Fürst, der das Nachfolgerecht seiner Kinder gesichert weiß, in dem Bewußtsein lebt, für seine Familie zu arbeiten, und sich also mit weit mehr Eifer dem wahren Hell des Staates widmen wird, den er als sein Erbgut ansieht. Im Gegensatz dazu denken die Wahlkönige nur an sich, an das, was während ihrer Lebenszeit Bestand haben kann, und an nichts weiter. Sie suchen ihre Familie zu bereichern und lassen im übrigen alles verfallen, da der Staat in ihren Augen ein unsicherer Besitz ist, auf den es eines Tages verzichten heißt. Wer sich davon überzeugen will, braucht<269> sich nur über die Vorgänge in den deutschen Bistümern, in Polen und sogar in Rom zu unterrichten, wo die traurigen Wirkungen der Wahl nur allzusehr in die Augen springen.
Was man auch auf dieser Welt unternehmen mag, es wird irgend welchen Schwierigkeiten und oft gewaltigen Hindernissen begegnen. Glaubt man sich also sattsam erleuchtet, um die Öffentlichkeit aufklären zu können, so hüte man sich im besonderen davor, Heilmittel zu empfehlen, die schlimmer sind als die Übel, über die man klagt. Und wer's nicht besser machen kann, halte sich an die alten Bräuche, vor allem an die bestehenden Gesetze.
<270>197-1 Karl Dubislav von Natzmer († 1738). Vgl. für das Folgende S. 161 f.
198-1 Auf Grund des Wittstocker Erbvertrages vom 12. April 1442. Vgl. S. 160.
198-2 Der Große Kurfürst hatte im klevischen Erbvergleich von 1666 mit dem Hause Pfalz-Neuburg den Ansprüchen auf Jülich und Berg entsagt (vgl. Bd. II, S. 3).
200-1 Karl Eugen (geb. 1728), der älteste Sohn Herzog Karl Alexanders († 1737) und der Herzogin Maria Auguste, weilte seit dem 16. Dezember 1741 zur Vollendung seiner Erziehung in Berlin. Er war auf Betreiben des Königs durch kaiserliches Dekret vom 7. Januar 1744 für volljährig erklärt worden (vgl. Bd. II, S. 150). Mit einem eigenhändigen Schreiben vom 6. Februar 1744 stellte Friedrich dem scheidenden Herzog den „Fürstenspiegel“ zu.
201-1 Der Philosoph und Konsistorialpräsident Georg Bernhard Bilfinger († 1750) und der Minister Friedrich August von Hardenberg († 1768).
202-1 Durch den Übertritt des Herzogs Karl Alexander war das württembergische Fürstenhaus katholisch geworden.
202-2 Kaiser Karl VII. Vgl. Bd. II, S. 95 f. 106.128.130.139.149.194.
204-1 Graf Adrian Heinrich Borcke bekleidete von 1751 bis 1764 die Stelle eines Gouverneurs bei dem nachmaligen Könige Friedrich Wilhelm II. (geb. 25. September 1744), dem ältesten Sohne des Prinzen August Wilhelm († 1758) und der Prinzessin luise Amalie, einer Schwester der Königin Elisabeth Christine. Vgl. für das Folgende S. 187 ff.
206-1 Von der Schwedter Nebenlinie des Hauses Brandenburg genoß allein Markgraf Karl die Achtung des Königs.
208-1 Christian Friedrich Gottlieb Behnisch beNeidete von 1773 bis 1781 die Stelle des Erziehers und von 1781 bis 1787 die eines Untergouverneurs bei dem nachmaligen Könige Friedrich Wilhelm III. (geb. 3. August 1770), dem ältesten Sohne des Prinzen von Preußen Friedrich Wilhelm (II.) und der Prinzessin Friederike, geb. Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Vgl. für das Folgende S. 187 ff. u. 204 ff.
210-1 Im Jahre 1772.
210-2 Vgl. S. 128.162.
211-1 Während des Türkenkrieges 1768—1774 auf Grund des Allianzvertrages mit Rußland vom 11. April 1764.
211-2 Vgl. S. 162.
211-3 Vgl. S. 123.
211-4 Vgl. S. 162 Anm. 3.
212-1 Vgl. S. 180 f.
212-2 Generalmajor Friedlich Wilhelm von Wartenberg leitete die Bekleidungs, Ausrüstungs- und Ersatzangelegenheiten. Er war der Nachfolger von Massow (vgl. S. 128.180).
213-1 Das 1764 auf 8 Jahre geschlossene Bündnis wurde im Jahre 1769 bis 1780 verlängert.
213-2 Anspielung auf den Sonderfrieden, den England 1762 mit Frankreich zu Fontainebleau schloß und der durch den Pariser Frieden 1763 definitiv bestätigt wurde.
213-3 Vgl. S. 161.
214-1 Vgl. S. 160 und 198.
214-2 Seit Josephs II. Mitregentschaft 1765. Vgl. S. 157 Anm. 2.
214-3 Durch die Verordnungen vom 15. Januar und 11. September 1776.
214-4 Vgl. S. 130.
215-1 Vgl. S. 185.
215-2 7. September 1706.
215-3 13. August 1704 und 16. August 1717.
215-4 11. Oktober 1746.
216-1 Vgl. S. 153.
216-2 Wie Friedrich schreibt: toujours en vedette.
217-1 Im Mai 1781 hatte Kaiser Joseph II. ein Verteidigungsbündnis mit Katharina II. geschlossen. Die preußisch-russische Allianz dauerte nach dem Buchstaben noch bis 1788 fort.
217-2 Österreich und Preußen.
217-3 Maria Feodorowna, die Gemahlin des Großfürsten Paul, war eine württembergische Prinze sin. Ihre jüngste Schwester, Prinzessin Elisabeth, war auf Betreiben Josephs II. mit seinem Neffen, Erzherzog Franz, dem nachmaligen Kaiser Franz I. von Österreich, verlobt. Ende 1781 hatte das großfürstliche Paar den Wiener Hof besucht. Großfürst Paul war ein großer Anhänger Preußens.
218-1 Auf Grund der Verträge über die Erste Teilung Polens hatte der König den Danziger Hafen in Besitz genommen und einen preußischen Zoll eingeführt, dessen Anerkennung Danzig verweigerte.
218-2 Wie der Weichselzoll bildete die Festsetzung des Grenzzugs von Westpreußen eine ständige Streitfrage mit Polen.
218-3 Markgraf Alexander von Ansbach-Bayreuth († 1806) war kinderlos. Österreich fürchtete den Heimfall der Marlgrafentümer an Preußen.
218-4 Im Frieden von Prag (1635) hatte Österreich die Lausitz als böhmisches Mannslehen an Kursachsen abgetreten. Sachsen gehörte seit dem Bayerischen Erbfolgekrieg zu Österreichs Gegnern.
218-5 Friedrich Karl Joseph.
218-6 Im Sommer 1780 war Erzherzog Maximilian, der jüngste Bruder Josephs II., zum Koadjutor von Köln und von Münster gewählt worden.
219-1 Der österreichische Gesandte am pfälzisch-bayerischen Hofe.
219-10 England.
219-11 Das alte griechische Kaiserreich mit der Hauptstadt Konstantinopel sollte als russische Sekundogenitur unter Konstantin, dem zweiten, 1779 geborenen Sohne des Großfürsten Paul, begründet werden.
219-12 Am 20. März 1782 war das alte Ministerium unter Lord North gestürzt. In ihm erblickte König Friedrich den Fortsetzer und das Werkzeug Lord Butes, dem er den Sonderfrieden von 1762 (vgl. S. 213, Anm. 2) nicht verzeihen konnte.
219-2 Antiochus IV. (175—163) mußte das von ihm fast ganz eroberte Ägypten auf Verlangen des römischen Gesandten Popilius Laenas räumen.
219-3 Herzog Karl Eugen (vgl. S. 200 ff).
219-4 Franziska von Hohenheim.
219-5 Friedrich August.
219-6 Georg III.
219-7 Ludwig XVI. (1774—1793).
219-8 Maria Antoinette, die jüngste Schwester Kaiser Josephs II.
219-9 Zwischen England und seinen Kolonien in Amerika (1775—1783), mit denen sich die Franzosen 1778 verbündet hatten.
220-1 Mit den Kolonien in Amerika.
220-2 Die Franzosen.
221-1 Der nachmalige König Friedrich Wilhelm II.
222-1 Vgl. S. 129 und 211.
222-2 Vgl. S. 128 und 210.
222-3 Vgl. S. 218.
222-4 Vgl. S. 162. 211.
223-1 Vgl. S. 211 f.
226-1 Vgl. S. 6.154.
227-1 Für die Bestechlichkeit des englischen Parlaments vgl. auch Bd. II, S. 27 f.
227-2 Die absolute Monarchie.
230-1 Vgl. S. 118 f. 214.
230-2 Anspielung auf Österreich und Frankreich.
231-1 Vgl. S. 185. 215.
233-1 Vgl. S. 122.
233-2 Vgl. S. 147.
234-1 Vgl. V. 139.
238-1 Der obige Aufsatz ist in Form eines Briefes geschrieben, mit dem fingierten Datum: London, 2. April 1770. Er erschien anonym im Verlage des Berliner Buchhändlers Voß unter dem Titel: „Examen de l'Essai sur Ies préjugés. A Londres, chez Nourse libraire, MDCCLXX“.
239-1 Vgl. S. 61.75.76.
246-1 Vgl. S. 16.
248-1 Anspielung auf den Konföderationskrieg, den die in der Konföderation von Bar (1768) vereinigten polnischen Katholiken gegen die von den Russen unterstützten Dissidenten führten und den König Friedrich zum Gegenstand eines satirischen Epos (vgl. Bd. IX) gemacht hat.
248-2 Gemeint sind die Kämpfe Karls XII. von Schweden mit König August II. von Polen, die mit dessen Absetzung und der Erhebung von Stanislaus Leszczynski auf den polnischen Thron (vgl. S. 14) endeten, und der Polnische Erbfolgekrieg (1733-1735). -
248-3 Der Abbe Saint,Pierre (1658—1743) war der Verfasser des vielberufenen Werkes „Plan eines ewigen Friedens“, das 1713 erschien.
249-1 Stanislaus Leszczynki.
249-2 Vgl. S. 14.
249-3 Vgl. Bd. II, S. 5.
250-1 Obwohl England bereits im Sommer 1755 die Feindseligleiten gegen Frankreich in Nordamerila eröffnet hatte, erwiderte Frankreich diese erst im Frühjahr 1756.
250-2 Anmerkung des Königs. Dieser Abschnitt stammt von einem Soldaten, den das Schweigen seiner Kameraden empört. Dies Schweigen soll den Philosophen nicht als stumme Zustimmung zu den Albernheiten gelten, die sie seit einiger Zeit den Soldaten zu sagen belieben.
251-1 Gustav Adolf, König von Schweden (1594—1632).
251-2 Graf Moritz von Sachsen, Marschall von Frankreich (1696—1750).
252-1 Der heiligen Liga, die sich 1585 gegen König Heinrich III. bildete (vgl. S. 24).
252-2 König Johann II., der Gute, von Frankreich wurde 1356 von den Engländern bei Maupertuis besiegt und gefangen: er blieb vier Jahr lang in englischer Haft.
252-3 Nach der Schlacht bei Pavia (1525).
254-1 Durch Errichtung einer Notenbank (vgl. Bd. II, S. 24).
256-1 Der französische Philosoph Cesar Chesneau du Marsais (1676—1756) galt anfangs als Verfasser der Abhandlung „Über die Vorurteile“, die 1769 veröffentlicht wurde.
256-2 Fenelon (vgl. S. 26).
256-3 Der Herzog von Nivernais, der sich auch dichterisch und schriftstellerisch betätigte, hatte sich die persönliche Hochschätzung König Friedrichs erworben, als er zu Beginn des Jahres 1756 in außerordentlicher politischer Mission am Berliner Hofe wellte (vgl. Bd. III, Kap. 3).
256-4 Vgl. S. 33.
256-5 Berüchtigter Straßenränder, 1755 in Paris hingerichtet.
260-1 Juno hatte sich in eine Wolke verwandelt; Ixion zeugte mit ihr die Zentauren.
260-2 Johann Turberville Needham, englischer Physiker (1713—1781).
262-1 Jacques Auguste de Thou († 1617), französischer Staatsmann und Geschichtsschreiber.
262-2 Der Mörder König Heinrichs IV. von Frankreich.
262-3 Die Arminianer vertraten die freiere Richtung nnerhalb der reformierten Kirche in den Niederlanden.
264-1 Vielmehr Cyniscus in Lucians Dialog: „Der überführte Jupiter“.
264-2 Des Lehrgedichts: De rerum natura.
265-1 Vgl. S. 238 ff.
266-1 Jean Gondi, Kardinal von Reh, war das Haupt der Fronde (vgl. S. 18).
267-1 Franz Michael le Tellier, Marquis Louvois, der Kriegsminister Ludwigs XIV.