Das Testament vom 11. Januar 1752
1. Unser Leben stießt rasch dahin. In schnellem Lauf reißt es uns von der Geburt bis zum Tode. Wenn ich es mir zur Regel gesetzt habe, mit größtem Eifer an der Ordnung des Staates zu arbeiten, den zu regieren ich die Ehre hatte, wenn ich nach bester Einsicht und nach bestem Wissen mein Leben lang alles getan habe, was in meiner Macht stand, um ihn zur Blüte zu bringen, so hätte ich mir ewige Vorwürfe zu machen, unterließe ich es, mein Testament niederzuschreiben, und gäbe dadurch zu allen möglichen Streitigkeiten und häuslichen Zerwürfnissen Anlaß, die nach meinem Tode ausbrechen könnten. Diese Gründe haben mich bewegen, meinen letzten Willen in dieser feierlichen Urkunde zu erklären.
2. Gem gebe ich meinen Lebensodem der wohltätigen Natur zurück, die ihn mir gütig verliehen hat, und meinen Leib den Elementen, aus denen er besieht. Ich habe als PHUosoph gelebt und will als solcher begraben werden, ohne Pomp, ohne Prunk und ohne die geringsten Zeremonien. Ich will weder geöffnet noch einbalsamiert werden. Sterbe ich in Berlin oder Potsdam, so will ich der eitlen Neugier des Voltes nicht zur Schau gestellt und am dritten Tage um Mitternacht beigesetzt werden. Man bringe mich beim Schein einer Laterne, und ohne daß mir jemand folgt, nach Sanssouci und bestatte mich dort ganz schlicht auf der Höhe der Terrasse, rechter-Hand, wenn man hinaufsteigt, in einer Gruft, die ich mir habe Herrichten lassen. Sterbe ich auf der Reise, so will ich, daß mein Körper an Ort und Stelle beigesetzt<277> und bei Eintritt des ersten Frostes ohne jedwede Zeremonie nach Sanssouci geschafft werde. Dies darf meine Erben nicht überraschen: Prinz Heinrich oder Moritz von Dramen277-1 ist in gleicher Weise in einem Wäldchen bei Kleve bestattet worden, und so ist es mein Wille.
3. Mein lieber Bruder August Wilhelm oder im Fall seines Todes der älteste seiner dann lebenden Söhne ist der gesetzliche und natürliche Erbe der Krone. Ich hinterlasse ihm das Königreich, die Staaten, Domänen, Schlösser, Festungen, Munition, Zeughäuser, die von mir eroberten oder ererbten Lande, alle Kronjuwelen, welche die Königin, meine Gemahlin, in Verwahrung hat, das goldene Service und das große silberne Service in Berlin, meine Landhäuser, Gärten, Bibliotheken, Gemäldegalerien, Münzkabinette usw.
4. Ferner hinterlasse ich meinem Bruder den Staatsschatz, so wie er ihn am Tage meines Todes vorfinden wird, als Eigentum des Staates und dazu bestimmt, ihn zu verteidigen, ihm Erleichterung zu verschaffen, ihn zu erhalten und zu vergrößern.
5. Dagegen soll mein Bruder gehalten sein, alle meine Schulden, die ich bei meinem Tode etwa hinterlasse, abzutragen und alles, was ich in Auftrag gegeben habe und was sich noch in Arbeit befindet, zu bezahlen.
6. Der Königin, meiner Gemahlin, hinterlasse ich die Einkünfte, die sie gegenwärtig genießt, freies Holz, zwei Fässer Rheinwein jährlich, das Wildbret für ihre Tafel und außerdem 20 000 Taler als Erhöhung ihrer Pension. Nota bene: diese 20 000 Taler sollen ihr nur unter der Bedingung ausgezahlt werden, daß sie den ältesten Sohn meines Bruders zum Erben aller Juwelen einsetzt, die sie gegenwärtig besitzt. Und da es kein königliches Schloß gibt, das ihr als Witwensitz dienen kann, so bestimme ich ihr der Form halber die Stadt Stettin und verlange von meinem Bruder August Wilhelm, daß er ihr eine angemessene Wohnung im Berliner Schlosse überläßt. Ich erwarte von seiner Freundschaft, daß er sie stets mit der Ehrerbietung behandelt, die man einer verwitweten Königin, der Witwe seines Bruders, schuldet.
7. Was das Allodialvermögen meiner Erbschaft angeht, so wird sich nicht viel vorfinden. Ich habe die Einkünfte des Staates als das Mark des Volkes betrachtet, für das ich ihm Rechnung schulde. Ich habe niemals auch nur den geringsten Teil davon für meinen eigenen Bedarf in Anspruch genommen277-2. Also sterbe ich arm und zufrieden in dem Bewußtsein, meiner Herrscherpfiicht genügt zu haben.
Von dem wenigen, was mir bleibt, setze ich die Königin, meine liebe Mutter, zur Erbin vom Pflichtteil des Allodialvermögens ein. Ihr vermache ich 40 000 Taler, den großen Brillanten, den ich am Finger trage, 40 der schönsten Orangenbäume von Sanssouci, mein silbernes, mit Weinlaub verziertes Tafelgeschirr in Potsdam, meinen schönsten Kronleuchter aus Bergkristall, der in meinem Eßzimmer in Pots,<278> dam hängt, zwei Porzellanservice, die ich in Potsdam habe, und 20 Eimer Ungarwein. Nota bene: wenn meine liebe Mutter, was Gott verhüten möge, vor mir stirbt, so wird dieser siebente Artikel ungültig.
8. Meinen Bruder August Wilhelm oder im Falle seines Todes den ältesten seiner dann lebenden Söhne setze ich zum Universalerben meines Allodialvermögens ein, und ich will, daß er folgende Legate auszahlt:
9. An meine Schwester in Bayreuth 40 000 Taler, meinen gelben Brillanten, der in meinem Schranke in Potsdam in einem Schmuckkästchen liegt, zwei Gespanne Pferde, den Rubens und den van Dyck278-1, die sich hier in Berlin in meinem Konzertsaal befinden, nebst 40 Eimern Ungarwein. Nota bene: wenn meine Schwester vor mir stirbt, so wird der neunte Artikel ungültig.
10. Meiner Schwester in Ansbach278-2 vermache ich zwei mit Brillanten besetzte Dosen, 10 Eimer Ungarwein und ein Gespann Pferde.
11. Meiner Schwester in Braunschweig278-3 vermache ich 10 000 Taler, die Uhr mit Brillanten, die ich trage, zwei mit Brillanten besetzte Dosen, ein Gespann preußischer Pferde, eine meiner schönsten Kutschen und den grünen Diamanten, der in meinem Schranke in Potsdam liegt.
12. Meiner Schwester in Schwedt278-4 vermache ich 20 000 Taler.
13. Meinem Bruder Heinrich vermache ich vier Handpferde aus meinem Stalle nebst Zubehör278-5.
14. Meiner Schwester in Schweden278-6 eine mit Brillanten besetzte Dose.
15. Meiner Schwester Amalie278-7 eine mit Brillanten besetzte Dose.
16. Meinem Bruder Ferdinand, der mir stets Freundschaft bewiesen hat, 20 000 Taler, 100 Eimer Ungarwein, sechs Handpferde mit ihren Schabracken, ein Gespann preußischer Pferde und die zweite Garnitur meines silbernen Services in Potsdam.
17. Meinem Schwager Prinz Ferdinand von Braunschweig278-8, der mich stets geliebt hat und den ich herzlich liebe, vermache ich 20 000 Taler, zwei mit Brillanten besetzte Dosen, zwei meiner Handpferde nebst Zubehör, ein preußisches Gespann, einen schönen offenen Wagen und 40 Eimer Ungarwein.
<279>18. Ich empfehle meinem Erben aufs wärmste die tapferen und ehrlichen Männer, die würdigen Offiziere, die mit mir den Krieg in Schlesien, Böhmen und Sachsen mitgemacht haben. Ich bitte ihn, für alle Offiziere meiner Suite und meine persönlichen Adjutanten, die ich nach meinem Tode zurücklasse, zu sorgen. Er soll keinen von ihnen entlassen und überzeugt sein, daß sie ihm die gleiche Treue beweisen werden wie mir, die ich sterbend noch in dankbarer und liebender Erinnerung bewahre.
19. Ich empfehle ihm meine Sekretäre und vor allem Eichel279-1 mit dessen Redlichkeit ich stets höchst zufrieden war. Ihm bewillige ich eine Gratifikation von 5000 Talern. Ich will, daß jeder meiner Kammerdiener eine Gratifikation von 2 000 Talern, jeder meiner Garderoben- und Leibdiener 500 Taler erhält und daß ihnen ihr Gehalt unverkürzt weitergezahlt wird, bis sie passend versorgt sind.
20. Jedem Stabsoffizier meines Regiments279-2 vermache ich eine goldene, auf meine Kriege geprägte Denkmünze und jedem Subalternoffizier eine in Silber. All das befindet sich in meinem Schrank in meinem Schlafzimmer in Potsdam. Ich will ferner, daß von meinem ersten Bataillon jeder Soldat einen Friedrichsdor (fünf Taler), von den beiden anderen Bataillonen, dem Bataillon Retzow und den Gardesdukorps je einen halben Friedrichsdor (zwei Taler zwölf Groschen) erhält.
21. Durch das Testament meines Vaters bin ich verpflichtet, 10 000 Taler an das Militär-Waisenhaus in Potsdam zu zahlen. Sollte ich diese Summe vor meinem Tode noch nicht abgetragen haben, so will ich, daß mein Erbe sie zahlt.
22. Füge ich vor meinem Tode diesem Testamente ein Kodizill bei, so soll alles, was darin von meiner Hand geschrieben und unterzeichnet ist, die gleiche Kraft haben und ebenso ausgeführt werden wie das, was ich im gegenwärtigen Testamente verfügt habe.
23. Meinem Nachfolger empfehle ich meine liebe Mutter, meine Gemahlin, meine Brüder und Schwestern und die ganze Familie, und ich bitte ihn, sich bei allen Gelegenheiten zu erinnern, daß das gleiche Blut in ihren Adern stießt, daß er seinen Verwandten gegenüber Pflichten besitzt und daß er, wie verschieden auch der Zufall der Geburt ihre Lage gestaltet hat, dadurch von der Liebe und dem Beistand, den er ihnen schuldet, in keiner Weise entbunden ist. Ebenso empfehle ich meinen lieben Verwandten, besonders meinen Brüdern, es niemals an dem Respekt, der Treue und Ergebenheit, die sie ihrem ältesten Bruder und ihrem König schulden, fehlen zu lassen und bei jeder Gelegenheit der Öffentlichkeit das Beispiel des Gehorsams zu geben, der dem Oberhaupte des Staates zukommt.
<280>Endlich gelten meine Wünsche bis zum letzten Atemzuge dem Staate. Möchte er stets mit Weisheit regiert werden! Möchten Gerechtigkeit und Tugend unablässig in ihm herrschen! Möchte er das mächtigste, reichste, glücklichste Land der Welt werden und fortbestehen bis ans Ende der Zeiten!
Berlin, II. Januar 1752.
F r i d e r i ch.
Zum Vollstrecker meines Testamentes ernenne ich den regierenden Herzog Karl von Braunschweig, in dessen Aufrichtigkeit und Redlichkeit ich völliges Vertrauen setze. Ich hoffe bestimmt, daß er aus Freundschaft für mich die Vollziehung meines letzten Willens gern auf sich nehmen wird.
277-1 Johann Moritz von Nassau-Siegen († 1679).
277-2 Vgl. S. 129 f.
278-1 Von Rubens ein allegorisches Bild und van Dycks „Spielende Kinder“.
278-2 Markgräfin Friederike † 1784), Gemahlin des Markgrafen Karl Wilhelm Friedrich.
278-3 Herzogin Charlotte († 1801), Gemahlin Herzog Karls.
278-4 Markgräfin Sophie (s 1765), Gemahlin des Markgrafen Friedrich Wilhelm.
278-5 Die Geringfügigkeit dieses Legates fällt um so mehr auf, als der jüngste Bruder, Prinz Ferdinand, so reichlich bedacht ist; sie erklärt sich aus der Spannung, die zwischen dem König und dem Prinzen Heinrich damals herrschte.
278-6 Königin Ulrike († 1782), Gemahlin König Adolf Friedrichs.
278-7 Prinzessin Amalie starb unvermählt 1787.
278-8 Prinz Ferdinand stand von 1740 bis 1766 in preußischen Diensten; während des Siebenjährigen Krieges führte er die alliierte Armee auf dem westlichen Kriegsschauplatz.
279-1 Vgl. S. 155.
279-2 Das Königsregiment, dessen I. Bataillon als Leibgarde, dessen II. und III. Bataillon als Regiment Garde bezeichnet wurden. Das weiter unten genannte Grenadier-Garde, Bataillon Retzow enthielt die Reste des 1740 von König Friedrich aufgelösten Königsregiments seines Vaters, der sogenannten Potsdamer Riesengarde.