<177> notwendiger als die Fußbekleidung? Sie sichert uns vor der Rauheit des ungleichen, spitzigen Pflasters, vor den Unbilden der Witterung, vor Schmutz und Schlamm. Schlecht gemachtes Schuhzeug verdrießt durch seine plumpe Gestalt, drückt den Fuß und erzeugt Schwielen, die bei jedem Schritte, den man tut, Schmerzen verursachen. Es hält das Eindringen des Wassers nicht ab, das durch häufige Erkältung gichtische Säfte entstehen läßt und jene grausame Krankheit hervorruft, die durch lange Qualen zum Grabe führt. Mathias Reinhart war ein Meister darin, alle diese Mängel zu vermeiden. Seine Arbeiten erreichten den höchsten Grad der Vollkommenheit. Er hat alle seine Zunftgenossen und Nebenbuhler durch sein Talent übertroffen. Wer sich aber so siegreich über seine Mitbewerber erhebt, der ist gewiß ein großer Mann. Wer seine Werkstatt und sein Haus klug, ordentlich und fleißig regiert, der würde ebensogut eine Stadt, eine Provinz, ja um nichts zu verschweigen, ein Königreich regieren. Ja, meine Lieben, der gute Bürger, den wir beweinen, besaß Eigenschaften, die einen Thron nicht verunziert hätten, wogegen viele, die ohne Talent und Arbeitslust auf dem Throne sitzen, nur schlechte Schuster geworden wären, hätte das blinde Geschick, das die Geburten bestimmt, sie nicht aus Barmherzigkeit zu dem gemacht, was sie sind, damit diese unfähigen Menschen nicht in Hunger und Elend umkommen.
Ihr, deren stolzes Ohr sich verletzt fühlt durch das Lob eines tüchtigen Handwerkers und durch die kühnen Wahrheiten, die ich Euch ins Gesicht sage, errötet, — nicht über meine Rede, nicht über das, was man vor Euch zum Lobe eines emsigen und talentvollen Mannes sagt, der ein notwendiges Handwerk ausübte, sondern über Eure Weichlichkeit und über die Schwelgerei, in der Ihr im Schoße von Pracht und Glanz aufgeht, ohne Kenntnis Eurer eignen Bedürfnisse und der Arbeit, die andre zu Eurer Bequemlichkeit leisten. Ich wünschte, Ihr würdet für eine Weile der Bekleidungsstücke beraubt, die Mathias Reinharts Talent hervorbrachte! Mit welcher Ungeduld, mit welchen Klagen, mit welcher Eilfertigkeit würdet Ihr seine Hilfe herbeirufen! Wie hoch würdet Ihr das loben, was Euer Stolz jetzt mißachtet! Gesteht, so vornehm Ihr auch seid: was wären die Großen der Welt ohne Schuhzeug! Ja, so sind sie, die in Reichtum und Überfluß Aufgewachsenen! Sie verlangen nach dem, was sie nicht haben, aber wenn sie es haben, befriedigt es sie nicht, und sie haben kein Gefühl für das, was sie besitzen.
Jetzt, wo der Anstand und die Art von Zwang, die diese heilige Stätte Euch auferlegt, Euch zu geduldigem Zuhören zwingen, will ich Euch wider Euren Willen zeigen, wieviel Gewerbfleiß nötig ist, nicht zur Befriedigung aller Eurer Bedürfnisse, aber doch dessen, von dem ich reden will. Um Euch darüber zu belehren, brauchen wir nur den Fleiß und die Sorgfalt zu betrachten, die Mathias Reinhart in seiner Werkstatt bewies.
Niemals legte er Hand ans Wert, bevor er sorgfältig die Stoffe ausgewählt hatte, die er verarbeiten wollte: Leder zu den Absätzen, Leder für die Sohlen und Ober, leder. Alle drei Sorten sind verschieden, und die Arbeit wird oft schlecht befunden,