<182> verwandelte und denen Tugenden zuschrieb, die gar keine hatten! Bei Mathias Reinhart hätte er wahre Tugenden gefunden. Als jener Konsul wünschte, daß der Oberbefehl im Kriege gegen Mithridates dem Pompejus übertragen würde, blendete er das Volk mit dem Zauber seiner unwiderstehlichen Beredsamkeit1. Der wirkliche Pompejus und der, von dem er redete, waren nicht ein und derselbe Mensch. Und was war denn Pompejus im Vergleich zu unsrem berühmten Handwerksmann? Jener führte Truppen gegen den rebellischen und blutdürstigen Sulla; dieser war dem Meister, bei dem er sein Handwerk lernte, und seiner Obrigkeit Untertan, ohne sich in Kabalen zu mischen. Jener war ebenso ehrsüchtig wie eitel, riß den Ruhm an sich, den sich Lucullus im Kriege gegen Mithridates, Metellus im Kriege mit Spanien und Crassus im Gladiatorenkrieg erworben hatte. Dieser war ebenso bescheiden wie geschickt, trat an seine Zunftgenossen Arbeit ab und teilte seine Talente seinen Lehrlingen mit. Jener ließ sich von Cäsar betrügen und überraschen; dieser betrog nicht und wurde von niemandem überrascht. Pompejus legte Könige in Ketten, verheerte Provinzen und äscherte Städte ein. Mathias Reinhart diente Königen, beging nie Gewalttat und löschte Brände. Der stolze Römer konnte keinen neben sich dulden; der demütige Deutsche befliß sich, Nebenbuhler zu erhöhen. Der Held des Senates ward von Cäsar besiegt, der berühmte Handwerker von niemand geschlagen. Pompejus entzweite sich mit seinen Freunden; Reinhart pflegte stets die Freundschaft mit den seinen. Jener starb eines gewaltsamen Todes, dieser endigte sein Leben friedlich durch natürliches Hinscheiden. Hätte Pompejus über Cäsar triumphiert, so hätte er gleich jenem Rom unterjocht. Mathias Reinhart triumphierte über alle seine Zunftgenossen und dachte, das behaupte ich dreist, nie an Herrschaft.
Zweiter Teil
Aber, meine Lieben, wie viele Beispiele hat man nicht erst, daß die Kriegsmacht, auch wenn sie das Vaterland verteidigt hat, in Friedenszeiten zu seiner Geißel ward! Hingegen war der treffliche Bürger, von dem ich rede, in seinem Privatleben noch exemplarischer als in dem Teil seines Daseins, den er der Öffentlichkeit widmete. Wie schön ist es, aber wie selten kommt es vor, daß sich große Talente mit echtem Verdienst und glänzende Eigenschaften mit sanften und liebenswerten Sitten paaren! Die meisten Menschen sind ein Gemisch von Gutem und Bösem. Namentlich liefern die großen Genies meist ein Bild mit schönen, lichten Zügen, aber auch mit dunklen Schatten, ein Durcheinander von Großem und Kleinem, von erstaunlichen Wider-
1 Gemeint ist Ciceros Rede: Pro imperio Cu. Pompei (Pro lege Manilia).