Lob der Trägheit
(1768)
An den Herrn Marquis d Argens, Herrn von Eguilles und andren Gütern, Königlichen Kammerherrn und Direktor der Klasse der Schönen Literatur1
Gnädiger Herr!
>iewohl ich nur zum niedrigsten Gewürm auf dem Parnaß zähle, wollen mir Euer Gnaden verstauen, Ihnen die Frucht meiner Nachtwachen zu wid, men. Wem könnte ich ein Werk über eine so hervorragende Tugend wie die Trägheit besser zu Füßen legen, als Ihnen, gnädiger Herr, der sie so sehr leuchten läßt? Was waren die französischen Könige aus dem Geschlecht der Mero, winger im Vergleich zu Ihnen?2 Anfänger, Euer Gnaden, die sich ihrem glücklichen Trieb ohne Nachsinnen überließen, wogegen Sie der Welt ein Vorbild bedachten Nichtstuns geben, das auf den gründlichen Überlegungen eines rein philosophischen Geistes beruht. Fahren Sie fort, 0 göttlicher Marquis, dem verderbten Jahrhundert als Muster zu dienen! Zähmen Sie seine gefährliche Tatlusi zu Nutz und Frommen der Gesellschaft, wie ich es im folgenden nachweisen werde. Führen Sie die glücklichen Zeiten der völligen Tatlosigteit und der stillen Ruhe des goldnen Zeitalters zurück, in der die ersten Menschen ihre Tage beschlossen, nachdem sie ohne Unruhe und Sorge sanft dahingelebt hatten. Jedenfalls bitte ich Euer Gnaden, wenn ich Sie dadurch nicht ermüde, mir eine gute Pension auszuwirken, damit ich Ihren erlauchten Spuren zu folgen vermag. Durch solche Großmut wäre ich in Zukunft dem Zwang enthoben, Unwahrscheinlichkeiten zu beweisen und
1 Für d'Argens vgl. auch S. 132 ff. Die von König Friedrich neubegründete Akademie führte den Namen „Académie Royale des siences et belles-lettre“, und zwar bildete die Schöne Lite, ratur in ihr eine besondere Klasse.
2 Anspielung auf das Spottwort „rois fainéants“ (Faulenzer, Könige), das auf die letzten Merowingerkönige geprägt worden ist.