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Gedächtnisrede auf Jordan (1746)1

Charles Etienne Jordan wurde am 27. August 1700 in Berlin geboren, als Sohn einer guten Bürgerfamilie aus dem Dauphiné. Sein Vater hatte die Heimat aus religiösen Gründen verlassen. Er bewahrte sich jenen glühenden Eifer, der, lediglich bemüht, den Himmel zufrieden zu stellen, die Dinge dieser Welt nicht immer gerecht und unparteiisch beurteUt. Er hatte seine drei ältesten Söhne zu Kaufleuten bestimmt und widmete den jüngsten der Kirche, ohne seine Neigungen und Talente zu berücksichtigen.

Der junge Jordan besaß eine Leidenschaft für Studium und Wissenschaft. Begierig verschlang er alle Bücher, die ihm in die Hände fielen. Darin folgte er jenem unwiderstehlichen Drang, dem Merkmal aller großen Talente, das die Natur jedem in verschiedener Weise aufprägt. Sein Vater ließ sich dadurch täuschen und verwechselte einen Gelehrten mit einem Pfarrer oder Theologen. Er schickte seinen Sohn nach Magdeburg, wo er unter Leitung seines Onkels, der dort Pfarrer war, seine Studien begann. Im Jahre 1719 ging er nach Genf, wo er bei den tüchtigsten Lehrern der Philosophie, Beredsamkeit und Theologie weiterstudierte. Nachdem er die Geistesschätze Genfs, wenn ich so sagen darf, in sich aufgenommen hatte, eilte er nach Lausanne, um dort aus neuen Quellen neue Kenntnisse zu schöpfen.

Im Jahre 1721 nach Berlin zurückgekehrt, machte er die Bekanntschaft von La Croze2, der ihn aus Freundschaft in den Sprachen und Wissenschaften unter, richtete. Aus Gehorsam gegen den Willen des Vaters setzte er seine theologischen Studien fort, und nachdem er alle Vorstufen bis zum Pfarrer durchlaufen hatte, wurde er 1725 mit dieser Würde bekleidet. Er erhielt die kleine Pfarre in Potzlow, einem märkischen Dorfs.

Bei seiner Jugend, der sprudelnden Lebhaftigkeit seines Geistes und seiner Vor, liebe für ein Wissensgebiet, das von der Theologie weit ablag, fühlte Jordan die ganze Schwere des Opfers, das er seinem Vater gebracht hatte. Zum Troste versetzte man ihn 1727 aus seinem Dorfe nach Prenzlau. Aber auch dort war der Wirtungskreis für Jordan zu eng. Ein edler Renner war vor einen Pflug gespannt. Bei seinem Fleiß und seinem guten Gedächtnis war er mit seiner Bibliothek bald zu Ende.


1 Der Tag der Verlesung in der Akademie sieht nicht fest.

2 Mathurin Veissière la Croze (1661 bis 1739), Benediktinermönch, dann Bibliothekar in Berlin, ein Polyhistor und Sprachgenie.