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Antwort: Nicht auf die Meinung der andren kommt es mir an, sondern auf die unsägliche Befriedigung, die ich fühle, wenn ich einem vernünftigen, menschlichen, wohlwollenden Wesen gleiche.

Frage: Du sagtest vorhin, wenn Du Kinder hättest, würdest Du mehr Sorgfalt darauf verwenden, sie zur Tugend zu erziehen, als Reichtümer für sie anzuhäufen. Warum denkst Du so wenig daran, ihr Glück zu begründen?

Antwort: Weil Reichtümer an sich keinen Wert haben und ihn nur durch ihren rechten Gebrauch erlangen. Bilde ich also die Talente meiner Kinder aus und erziehe sie zur Tugend, so werden sie durch ihre persönlichen Verdienste ihr Glück machen. Wache ich aber nicht über ihre Erziehung und hinterlasse ihnen nichts als Reichtum, so werden sie ihn rasch vergeuden, so groß er auch sei. Überdies wünsche ich, daß meine Kinder wegen ihres Charakters, ihrer Herzensgüte, ihrer Talente und Kenntnisse geschätzt werden, nicht aber wegen ihres Reichtums.

Frage: Das mag für die Gesellschaft sehr nützlich sein, aber welchen Vorteil hast Du davon?

Antwort: Einen sehr großen. Denn bei guter Erziehung werden meine Kinder der Trost meines Alters sein. Sie werden weder meinen Namen noch ihre Vorfahren durch schlechten Wandel entehren, und da sie klug und besonnen sind und Talente besitzen, wird ihnen das Vermögen, das ich ihnen hinterlassen kann, zu anständigem Dasein ausreichen.

Frage: Du glaubst also nicht, daß edle Geburt und berühmte Vorfahren die Nachkommen der Pflicht entheben, selbst etwas zu leisten?

Antwort: Ganz und gar nicht! Das soll sie vielmehr ermutigen, ihre Vorfahren zu übertreffen; denn es gibt nichts Schmachvolleres als ein entartendes Geschlecht. Dann dient der Glanz der Ahnen ja nicht zur Verherrlichung ihrer Nachkommen, sondern er setzt deren eigne Nichtswürdigkeit in um so helleres Licht.

Frage: Ich muß Dich auch um eine Erklärung darüber bitten, was Du von den Pflichten gegen die Gesellschaft behauptetest. Du sagtest, Du dürftest andren das nicht zufügen, was Du nicht willst, daß man Dir tue. Das ist sehr unbestimmt. Ich möchte, daß Du mir auseinandersetzest, was Du darunter verstehst.

Antwort: Das ist nicht schwierig. Ich brauche nur alles durchzugehen, was mich verdrießt und was mir angenehm ist. i. Ich würde mich ärgern, wenn man mir meinen Besitz entrisse; folglich darf ich niemandem das Seine nehmen. 2. Es würde mir unendlichen Schmerz bereiten, wenn man meine Frau verführte; ich darf also das Ehebett eines andren nicht beflecken. 3. Ich verabscheue die Wortbrüchigen und Meineidigen; folglich muß ich mein Wort und meine Eide getreulich halten. 4. Ich hasse die, die mir Übles nachreden; folglich darf ich niemanden ver-