<298> einen wie den andren dazu anspornen, ihrem Vaterlande aufrichtig zu dienen. Sie sollen mit gleichem Eifer zum Wohle der Gesellschaft beitragen; denn je mehr sie daran arbeiten, um so besser gelingt es ihnen.
Bevor ich aber in dem fortfahre, was ich Ihnen noch zu sagen habe, muß ich erst eine neue Schwierigkeit beseitigen, die Sie über den Gegenstand unsrer Erörterung erheben.
Sie sagen, Sie wüßten nicht, worin der Gesellschaftsvertrag besiehe. Hören Sie: er entstand durch das gegenseitige HUfsbedürfnis der Menschen. Da aber keine Gemeinschaft ohne Tugend und gute Sitten bestehen kann, so mußte jeder Bürger einen Teil seines Eigennutzes dem seiner Nächsien opfern. Daraus folgt: wenn Sie nicht betrogen werden wollen, dürfen Sie selbst nicht betrügen. Wollen Sie nicht bestohlen werden, so müssen Sie selbst nicht stehlen. Verlangen Sie Hilfe in der Not, so müssen Sie selbst stets hilfsbereit sein. Wollen Sie nicht, daß jemand unnütz sei, so arbeiten Sie selbst. Soll der Staat Sie verteidigen, so tragen Sie mit Ihrem Gelde dazu bei, besser noch, durch Ihre eigne Person. Wünschen Sie die öffentliche Sicherheit, so gefährden Sie sie selbst nicht. Soll Ihr Vaterland gedeihen, so ermannen Sie sich und dienen Sie ihm mit allen Kräften!
Sie sagen ferner, niemand habe Sie über den Gesellschaftsoertrag belehrt. Das ist die Schuld Ihrer Eltern und Erzieher, die einen so wichtigen Gegenstand nicht hätten außer acht lassen dürfen. Hätten Sie jedoch nur ein wenig nachgedacht, so hätten Sie ihn leicht selbst erraten.
Sie sagen weiter: Ich weiß nicht, welche Schuld ich der Gesellschaft abzutragen habe, noch wo das Kapital ist, dessen Zinsen sie fordert. Das Kapital sind Sie, Ihre Erziehung, Ihre Eltern, Ihr Vermögen. Dies Kapital ist in Ihrem Besitz. Die Zinsen, die Sie entrichten sollen, sind, daß Sie Ihr Vaterland wie Ihre Mutter lieben und ihm Ihre Talente weihen. Indem Sie sich nützlich machen, zahlen Sie alles heim, was das Vaterland von Ihnen zu fordern das Recht hat. Ich setze hinzu: es ist gleichgültig, welche Regierungsform Ihr Vaterland hat. Alle Verfassungen sind Menschenwerk, und vollkommen ist keine. Ihre Pflichten bleiben also die gleichen; ob Monarchie oder Republik, ist einerlei.
Gehen wir weiter. Wie ich mich erinnere, erwähnt Ihr Brief den Ausspruch eines Enzyklopädisten, den man Ihnen berichtet hat. Seit einigen Jahren werden wir von solchen Werken überschwemmt. Man findet darin eine kleine Anzahl guter Dinge und einige wenige Wahrheiten; der Rest scheint mir ein Haufen von Aberwitzigkeiten und leichtfertig vorgebrachten Ideen, die man erst hätte prüfen und verbessern müssen, ehe man sie dem Urteil der Öffentlichkeit unterbreitete. In gewissem Sinne trifft es zu, daß die Erde der Wohnsitz der Menschen ist, wie die Luft den Vögeln, das Wasser den Fischen gehört und das Feuer den Salamandern — wenn es welche gäbe. Aber es verlohnte sich nicht, einen solchen Gemeinplatz mit so großer Emphase zu verkünden.