<42> überzeugt werden, daß die metaphysische Wahrheit fast stets jenseits der Grenzen unsrer Vernunft liegt? Man treibe seinen wilden Renner in diese Laufbahn — er wird bald von unüberschreitbaren Abgründen gehemmt. Solche Hindernisse offenbaren uns die Schwäche unsres Geistes und stoßen uns weise Scheu ein. Das ist der größte Nutzen, den man sich von der Lektüre dieses Buches versprechen kann.
Aber wozu, wird man sagen, soll ich meine Zeit mit dem Suchen nach Wahrheit vergeuden, wenn sie doch über unsren Horizont geht? Auf diesen Einwand antworte ich: es ist eines denkenden Wesens würdig, sich wenigstens anzustrengen, ihr näherzukommen. Und wenn man sich ernstlich darum bemüht, hat man zum mindesten den Gewinn, einer Unzahl von Irrtümern ledig zu werden. Trägt euer Acker auch nicht viele Früchte, so trägt er doch wenigstens keine Dornen mehr und ist zum Anbau geeigneter. Ihr werdet den Spitzfindigkeiten der Logiker weniger trauen und unvermerkt etwas von Bayles Geist bekommen. Ihr werdet beim ersten Blick die schwache Seite einer Beweisführung entdecken und auf den dunklen Pfaden der Metaphysik fortan weniger Gefahr laufen.
Sicherlich wird mancher im Publikum anders denken als wir und sich wundern, daß wir Bayles Schriften so vielen Werken über Logik vorziehen, die den Markt überschwemmen. Die Antwort ist leicht. Die Anfangsgründe der Wissenschaften sind von einer gewissen Trockenheit, die sich aber verliert, wenn sie von einem geschickten Meister behandelt werden.
Da unser Gegenstand uns auf diesen Punkt führt, so ist es vielleicht nicht unangebracht, wenn wir der Jugend einen Fingerzeig geben, welchen verschiedenen Gebrauch Redner und Philosophen von der Logik machen. Ihr Ziel ist völlig verschieden. Der Redner begnügt sich mit Wahrscheinlichkeit, der PHUosoph verwirft alles, was nicht Wahrheit ist. Vor Gericht bietet der Redner, der seine Klienten zu verteidigen hat, alles auf, um sie zu retten. Er macht den Richtern etwas vor, gibt den Dingen andre Namen. Lasier sind ihm nur Schwächen und Vergehen beinahe Tugenden. Er beschönigt und bemäntelt die Nachteile seiner Sache, und reicht das noch nicht aus, so nimmt er die Leidenschaften zu Hilfe und wendet alle Macht der Beredsamkeit an, um sie aufzustacheln. Die Kanzelberedsamkeit hat zwar Ernsteres zum Gegenstand als die gerichtliche, aber ihre Methode ist die gleiche. Fromme Seelen seufzen darum oft genug über die wenig scharfsinnige Wahl der Beweise, die der Redner — jedenfalls aus Mangel an Urteilskraft — vorbringt. Leider gibt er dadurch den streitsüchtigen und spitzfindigen Geistern gewonnenes Spiel, die sich nicht mit schwacher Beweisführung und prunkhaften Worten abspeisen lassen.
Solches Wortgeklingel, solche Spitzfindigkeiten, solche seichten Begründungen — nichts von alledem wird in der strengen, exakten Beweisführung der guten Philosophen geduldet. Sie wollen nur durch Evidenz und Wahrheit überzeugen. Sie prüfen ein System mit gerechtem, unparteiischem Geiste, führen alle Beweise zu seinen Gunsten an, ohne sie zu beschönigen oder abzuschwächen, erschöpfen alle Gründe, die