<120>Doch kennt man sie, haßt man die Bösen alle.
Ihr Geist gleicht öden Steppen, wüst und kahl,
Die statt der Früchte spitze Dornen treiben.
Packt sie der Drang zur Fruchtbarkeit einmal,
Ist's schlimmer noch, als wenn sie fruchtlos bleiben.
Da diese Narrenwelt nur das bewundert,
Was sonderbar und schwer zu finden ist,
So will auf einen Ehrenmann ich hundert
Geistreiche finden in gegebner Frist;
Und Ehre mein' ich hier im strengsten Sinn,
Ein Ding, das nimmer glänzt in niedren Seelen.
Die Welt schätzt unsre Sitten obenhin,
Lobt und verurteilt, ohne lang zu wählen,
Sieht Güte, Weisheit, rechte Lebensart,
Wo sich nur Schein dem Weisen offenbart.
Der träge Simon gilt für tugendhaft;
Das macht: zum Bösen fehlt ihm Nero und Kraft.
Der Tropf Aftanius, der nichts Arges denkt,
Meint's redlich nicht: er ist nur zu beschränkt.
Der Schurke Damon fürchtet sich vor Schande,
Hüllt Lasier drum in ehrbare Gewande;
Prüfst Du sein Herz, ist alles Heuchelei!
Doch Wahrheitsliebe glüht in Varus' Brust;
Sein edler Geist entgeht dem Trug der Lust,
Bekämpft die Selbstsucht, macht von Gier sich frei,
Beugt seinen Stolz, bezwingt sein Ich und weiht
Sein Herz der Menschheit und dem Menschenleid.
Das ist die Tugend, die den Bürger ehrt!
So sei der Weise, jeglicher Gerechte!
Solch reines Wesen, solcher seltene Wert
Ist ein Juwel, das unserm Staubgeschlechte
Die geizige Natur nur selten leiht!
Du Hochgesinnter, Vorbild wahrer Güte,
Gerührt schaut Deine Weisheit mein Gemüte,
Das Deinethalb den Menschen viel verzeiht!
Aus soviel Sterblichen, die schwächlich wanken
Und wie ein Rohr im Hauch des Windes schwanken,