<136>Du denkst, es mache mir bloß Vergnügen,
Um in rosigen Farben und launigen Zügen
Einmal meinen Stift sich ergehn zu lassen,
Dies Bild Deines Glückes erstehn zu lassen.
Nun gut, ich geb's zu — ich verschweige nichts mehr:
Nein nein, Du hast's schwer!
Ein ärgerlich Amt ist's, der Sekretär
Eines Herrn zu sein, der ein Dichter gern wär',
Der als Schöngeist sich fühlt, der bis in die Nacht
Liest und schreibt und Gedichte macht
Und wähnt, daß der Fama hundert Trompeten
Nichts Wichtigeres zu verkünden hätten.
Als die Mär von dem Quark, den er rastlos verfaßt!
Tagtäglich schreibst Du das Zeug dann ins Reine,
Gleich heftweis, und wehe, wenn ihm was nicht paßt:
Was schlägt er da Lärm, was macht er Dir Beine!
Verdammte Kleinigkeitskrämerei,
Als ob wer weiß, was gelegen sei
An jedem Punkt oder Komma! — „Wie dumm:
„Die E's müssen offen sein und sind stumm!1
„Da — ein Wort zu wenig! Er hinkt ja, der Vers!“
Nun kopierst Du mit Ingrimm und Seelenqual
Das unsterbliche Werk zum zweitenmal
Und verfluchst wohl den Dichter — begreiflich wär's.
So etwa stellt sich in Kürze, nicht wahr?
Ein Abriß Deines Lebens dar.
Doch laß Dir sagen, ich glaube, Du lernst
Bei mir am besten, was man im Ernst
Sorgen und Kümmernis heißen kann;
Und vielleicht bekennst Du mir dann,
Wer wohl die schwersten Ketten muß tragen,
Du oder ich,
Ob die Dargets, ob die Könige sich
In härterer Knechtschaft plagen.
Du schüttelst den Kopf und glaubst am Ende,
Diese kühne Behauptung stände
1 Das „offene E“ wird im Französischen stets ausgesprochen und daher im Verse als Silbe gezählt, das „stumme E“ hingegen nur, wenn lein Vokal folgt.