<169>Da wie ein Schatten unsre schönsten Tage
Vorüberwandeln, weiser Jordan, sage:
Warum denn unsre Freuden noch beschränken?
Wie sie zu mehren, das laß uns bedenken!
Wer sich aufs Leben will verstehn,
Läßt ihrer keine sich entgehn.
Auch Du denkst so, ich weiß es ganz bestimmt,
Denn Deine Weisheit, Deine abgeklärte,
Ist keine, die in überflüss'ger Härte,
Griesgräm'gem Ernst sich übernimmt.
Sah ich doch selbst in frohgeselligen Stunden
Dein Haupt, das des Parnasses Würde krönt,
Von Myrtengrün und Weingerank umwunden,
Sodaß mir's war, als säh' ich Dir verbunden
Uranien, die zur Venus sich verschönt,
Säh' die Vernunft, umschwebt vom Grazienreigen,
Sich wohlbedacht zur Weltlust niederneigen.
Komm denn! Ein Feuerhimmel andrer Art
Mit flücht'gen Erdenfreuden Deiner harrt!
Doch, hörst Du, bald! und Deinen Schritt beeil'!
Für uns gibt's ohne Jordan hier kein Heil.
Die alten Buchen kennst Du, die so kühn
Die Häupter recken, weitum breitend
Ihr Astgewirr, und unter üppigem Grün
Mit Schattenruh uns überspreitend —
Ein Bild, als wollten sie mit ihren Wipfeln
Der Himmelswölbung sich entgegengipfeln.
Dort, Jordan, in der trauten Dämmernacht,
Ist Wohlsein — mehr als unter Säulenpracht;
So schlicht und schmucklos war, in Heimlichkeit,
Der Sitz der Wonne zu der Väter Zeit.
Dort harr' ich, Jordan, Dein. — Wie gern in Ruh
Schau' ich von da, befreit vom Standeszwange
Und frei von jedem Ehrsuchtdrange,
Dem stillen Ablauf meines Lebens zu.
Ein Denker, dem nach Wahrheit sieht der Sinn,