<251>„Dann nahm mein Vater mich in jungen Jahren
„Nach Rußland mit. Dort hielt ich's für das beste,
„Nicht gleich als Jude mich einzuführen:
„Drum legte ich flotte Kavaliersmanieren
„Mir schleunigst zu, ein anmaßend Gebaren
„Samt einer großen fteiherrlichen Geste
„Und nannte mich frech nach einer Baronie.
„Die guten Leute, weiß selbst nicht, wie,
„Sie fielen glücklich auf mich 'rein
„Und schoben gar bald in ein Amt mich ein:
„Ich war einer mehr am Hof der Zarina,
„Nicht ungem sah mich die Katharina.1

„Einst kannte — so lang ist's noch nicht her —
„Das ungeleckte Volt nicht viel mehr
„Als niedrige Triebe; in stumpfem Sinn
„Lebt' es in Barbarei dahin,
„Bis Peter sie in die Höhe brachte,
„Eine Art Menschen aus ihnen machte,
„Der auf zwei Füßen sie laufen lehrte,
„Den Wilden beschnitt ihre Zottelbärte,
„Die Herrn Bojaren französisch anzog
„Und sie zum Dienst bei der Fahne bewog.
„Doch war's ihm leider nicht möglich eben,
„Auch andere Geister ihnen zu geben:
„Ganz zahm sind sie heute noch nicht bekanntlich
„Und für den Regierenden sehr unhandlich.
„Der Gott, der Schweigen gebietet,
„Hat sich dort eingemietet:
„Kein Zeichen verrät uns, was einer meint,
„Niemand ist das, was er scheint;
„Sie schweigen, sie brüten, sie sprechen nur leise,
„Kein Mensch tritt borten vernünftigerweise
„Mit dem Hacken auf. Und die Hofleute gar!
„Das ist euch ein ganz besonderer Schlag:
„Die raunen sogar ihr ,guten Tag'
„Sich heimlich ins Ohr. Aber eines war
„Mir recht erfreulich: Sie wissen zu saufen!


1 Kaiserin Katharina I. (1725—1727).