<26>Was soll, hoffärtig Menschenkind,
Der Schöpferdünkel deines Geistes
Auf das, was er erkennt, ersinnt?
O beug' dein Herz, dein kindisch-dreistes,
Ermiß, wie schwächlich,
Hinfällig, gebrechlich
Dein Lebensschicksal und wie kurz dein Lauf!
Kaum schlägt der Mensch die Augen auf,
Verfällt er schon der dunklen Macht,
Die ihn entgegenzerrt dem Nichts, der Nacht.
Das gleiche Ende und das gleiche Ziel
Ist einem Mävius1 und ist Birgit
Ohn' Unterscheidung zugedacht.

Ihr Toren, die der falsche Glanz
Flüchtigen Erdenguts betört,
Die ihr dem goldnen Götzen ganz,
Dem Herzverderber, angehört!
Für wen denn schafft ihr?
Häuft ihr, rafft ihr?
Im flücht'gen Weltvorüberwallen,
Flüchtig wie Lenz und Blütenfallen!
O kindisch Wähnen,
Wert der Tränen:
Was wird von all den Herrlichkeiten
Euch niederwärts begleiten?...

Wieviel Jahrhunderte verrannen,
Seit schöpferische Allgewalt,
Den ew'gen Stoff in Form zu bannen,
Dem Chaos gab die Weltgestalt!
Es waltet ob der Wirklichkeit
Allmächtig das Gesetz der Zeit:
Das Jetzt entflieht, kaum ward es mein;
Die Zukunft hastet hinterdrein —
Die Spanne deiner Daseinsfrist
Ein Pünktchen nur im Ew'gen ist!
O Mensch, ein Leben heißest du —
Was nur ein Augenblick, ein Nu!


1 Ein schlechter Dichter zur Zeit Birgits.