<282> der dienstfertigen La Roche einlogierte, hab' ich mich nicht aus dem Haus getraut, vor Angst, sein alter Herr könnte mich gewahr werden. Bin auch nur mit Zittern und Zagen hergekommen. Aber da ich im Reisekleid bin und der junge Herr heut ins Vaterhaus zurückkehren will, so riskiere ich ja nichts.
Nerine. Offen gesagt, in deinem langen Gerede ist mir die Madame La Roche sehr unliebsam aufgefallen.
Martin. Liebes Kind, mit der Galanterie hat's eine eigene Bewandtnis. Wir Diener würden einfach als sauertöpfische Kerle gelten, wenn wir nicht galant wären. Und dann, welche Ehre für dich, wenn du dir sagen kannst: Herr Martin hat deinetwegen ein ganzes Schock schöner Mädchen geopfert, und jetzt bersten sie wegen deines Triumphs!
Nerine. Ich bin ein bißchen anderer Ansicht. Ich für mein Teil wünsche mir nichts als Treu und Redlichkeit. Ich verzichte dankend auf deine geopferten Eroberungen. Herr Martin, Herr Martin, du bist mir verdorben worden auf der verdammten Universität. Ich seh's schon, dein Herr bringt weiter nichts heim als alle Lasier von dem jungen Volk, mit dem er sich herumgetrieben hat. Er kommt nicht als Hochweiser Herr wieder, sondern als höchst wüster.
Martin. Woraus willst du das schließen?
Nerine. Aus dem Sprichwort: wie der Herr, so der Knecht. — Aber da kommt jemand. Dein alter Herr und meiner! Schaff nur den Firlefanz herbei, drück dich!
Zweite Szene
Nerine. Bardus. Argan.
Bardus. Ich muß gestehen, ich begreife sein Ausbleiben nicht. Vielleicht hat er sich durch nächtliches Studium so überanstrengt, daß er jetzt krank darniederliegt! Oder ist ihm vielleicht auf der Reise ein Unglück zugestoßen? Oder wollten seine Professoren vielleicht bloß einen Kursus in der Physik beenden oder irgend ein anderes Kolleg, ehe sie ihn reisen ließen? Ich hätte doch zur Post schicken sollen: am Ende sind Nachrichten da!
Argan. Da ist ja Nerine. Sie kann es gleich besorgen. Nerine. Ich schicke sofort hin, gnädiger Herr. (Ab.)
Argan. Ich fühle mich auch schon von Ihrer Unruhe ergriffen. O, ich kann es so gut verstehen, wie es Ihr Innerstes bewegen muß, wenn die Ankunft des heißgeliebten Sohnes nur den mindesten Aufschub erleidet — des Einzigen, auf den Sie all Ihre Hoffnungen setzen!