<285>folgerungen sind Stationen, die uns immer näher ans Ziel führen. Die Algebra macht den Geist exakt. Wer diese göttliche Wissenschaft kennt, kann niemals auf Irrwege geraten. Sie täten gut daran, Sie ließen Ihre Tochter gleichfalls Algebra studieren.
Argan. Sie wünschen ja, daß ich Julie dem jungen Firlefanz zur Frau gebe. Ich kann aber nicht einsehen, daß sie die Algebra nötig hätten, um Kinder zu kriegen.
Bardus. Überall ist sie nötig! Ich bin ganz entzückt, wenn ich nur dran denke, was für eine niedliche Gelehrtenrasse sie in die Welt setzen werden.
Argan. Nicht so stürmisch! Ich habe mir ausbedungen, daß Julie der Heirat zustimmen muß. Für den Fall, daß sie dagegen ist, erkläre ich Ihnen, ich werde nicht so barbarisch sein, sie zu der Ehe zu zwingen. Wir müßten dann den Plan fallen lassen.
Bardus. Was! Sie sind doch der Vater! Sie werden Ihre Tochter doch nicht erst nach ihrer Meinung fragen, wenn Sie sie verheiraten wollen! Sind Sie nicht Herr in Ihrem Haus? Das ist mir ja eine spaßige Gefälligkeit gegenüber der Tochter! Mein Sohn, das können Sie mir glauben, wird die heiraten, die es mir beliebt, ihm zur Frau zu geben.
Argan. Die Philosophie, auf die es mir ankommt, erschöpft sich nicht in leeren Spekulationen. Sie geht auf eine gute, gesunde Moral aus. Wenn die Natur uns Rechte über unsere Kinder gab, so hat sie gewiß nicht gewollt, daß wir Mißbrauch damit treiben. Wir sind ihre ersten Freunde, aber nicht ihre Tyrannen. Julie ist wohlerzogen, ihr Charakter fehlerlos. Sie sieht auch im vernünftigen Alter. Sie muß es also wissen, ob sie sich entschließen kann, fortan in der Abhängigkeit von Ihrem Sohn zu leben, oder ob ihr das widerstrebt. Erzwungene Heiraten haben nur zu oft unschuldige Herzen um ihre Reinheit gebracht. Eine unglückliche Ehe könnte meine Tochter zu Verfehlungen treiben. Der Himmel bewahre mich davor, solche Verantwortung auf mich zu laden!1
Bardus. Wer redet denn jetzt von Moral? Mein Sohn, Verehrtester, hat nach meinem Ableben sechstausend gute Taler Rente. Wissen Sie, daß hier am Ort kein Mensch soviel hat?
Argan. Muß man denn immer den Reichsten den Hof machen?
Bardus. Lieber Freund, ich glaube, Sie haben eine Schwäche für den Mondor, den Hohlkopf, der bei jeder Gelegenheit seinen Virgil, seinen Boileau zitiert. Und wenn ich auf den Klatsch hören wollte, so lernt Fräulein Julie bei ihm nichts als „Seelenschwung“ und „Gefühle“ und „Innerstes“ und so weiter, das ganze verfluchte Kauderwelsch Ihrer Schöngeister, wovon ich nichts versiehe und auch durchaus nichts verstehen will!
1 Vgl.Bd.VIII,S.266.