<294> nur Schrittchen für Schrittchen. Die unglückselige Schildwache da an unserer Straßen, ecke, die bringt mich nächstens noch unter die Erde, mit ihrem ewigen „Halt! Wer da?“ — Einen Fauteuil, mein Liebchen, einen Fauteuil! (Nerine bringt einen; Frau Argan nimmt gemächlich Platz.) Ich kann mich kaum mehr aufrecht halten.

Nerine. Ist's wahr, gnädige Frau: es heißt, Sie bekommen heut Besuch?

Frau Argan (zu Julie, in scharfem Ton). Halte dich grade! (Zu Nerine:) Ja, der Sohn von Herrn Bardus ist von der Universität heimgekommen. (Zu Julie, scharf:) Die Schultern mehr zurück! (Zu Nenne:) Und soll zu mir kommen.

Nerine. Es heißt, er soll Ihr Fräulein Tochter heiraten. Und Sie wünschen doch selbstverständlich nicht, daß sie eine Frau Student wird. Das wäre ja zu lächerlich, nicht wahr?

Frau Arg an. Warum denn? Einen Mann soll sie doch haben. Ob's der ist oder ein anderer —

Nerine. Wahrhaftig, gnädige Frau, Sie scherzen. Sie können sich doch keinen Schwiegersohn wünschen, der frisch von der Schulbank kommt. Und obendrein dann immer diesen Herrn Bardus auf dem Buckel zu haben mit seinem Griechisch, seinem Latein und seiner Philosophie, womit er die ganze Stadt anödet.

Frau Argan. O, er ist ja so gelehrt!

Nerine. Als er neulich zu Ihrem Herrn Gemahl kam, traf er mich auf der Treppe und fragte mich, ob ich nicht wüßte, welcher Handwerker die besten Instrumente für die Geometrie mache. Ich sagte ihm, ich hätte keine Ahnung. „O, mein liebes Kind,“ sagte er, „in der Philosophie allein liegt unser Heil. Das Forschen nach der Wahrheit bedeutet unser Glück; du solltest dich auch darauf verlegen.“ Ich machte ihm meinen Knicks. Ich sei seine ergebene Dienerin, sagte ich, und da müsse er sich schon an meinen Herrn wenden. Und dann hat er mich mit seiner Unterhaltung noch verfolgt, in einem ganz vertrackten Kauderwelsch, bis er mich aus dem Gesicht verlor.

Frau Argan. Was hat er denn eigentlich geredet?

Nerine. Ach du meine Güte, ich weiß nicht, gnädige Frau. Er redete was vom leeren Raum, von Horror und von der Natur. Wer weiß, was das für dummes Zeug ist! Soviel aber sieht fest: all die Bücher, die er geschrieben haben will, die sind samt und sonders von seinem dicken Professor verfaßt.

Frau Argan. Was tut denn das? Man kann nicht alles allein machen. Auf alle Fälle hat er Geld, also wird Julchen es gut haben.

Nerine. Schafft das Geld glückliche Ehen?

Frau Argan. Na und ob! Als man mir vorschlug, meinen Mann zu heiraten fragte ich zuerst einmal, was für ein Einkommen er habe. Ich würde ihn ganz gewiß