<47>Durch seine Sinne und durch ihren Trug
Lernt dies und das der Mensch — wenig genug.
Hört man ihn selbst, war er von je so klug,
Daß er, als Gott einst Erd' und Himmel schied.
Bei seinen tiefen Plänen ihn beriet
Und ihm gestalten half den Bau der Welt.
Das weise Rom, Athen, von Stolz geschwellt,
Beschrieben klar der Götter Art und Wesen
Und konnten nicht im Menschenherzen lesen!
Ist's Dir bestimmt, Du engbeschränkter Geist,
Dem Grenzenlosen Dein Gesetz zu geben?
Erkennst Du nicht, Du Wurm, so schwach wie dreist,
Die Kluft der Zeiten und Dein kurzes Leben?
Du willst den Strom des Werdens überschauen,
Du Eintagsfliege, die in ihm ertrinkt?
Dein Auge darf sich blinzelnd kaum getrauen
Ins Licht zu sehn; doch wähnst Du, es ergründe,
Wie sich der Sonnen Feuerbahn verschlingt!
Du sähst vom blachen Felde bei Berlin
Noch eher ragen Alp und Apennin,
Als daß Du wüßtest, wie das All entstünde.
Wärst Du auch Ödipus an Weisheit gleich,
Du fändest doch die Welt an Rätseln reich,
Im Größten wie im Winzigsten unendlich!
Ist dem Gelehrten wohl sein „Stoff“ verständlich?
Was ist Anziehungskraft? Er weiß es nicht.
Doch unentwegt schreibt er sein Lehrgedicht
Vom Geist in Wotten, unbestimmt und kraus.
Sein Kauderwelsch stellt uns die Seele dar
Als Hauch, als Himmelsglut, als Wesen gar.
Statt zu erklären, sinnt er Worte aus;
Wohl irrt er ab, doch bricht er keine Bahn.
In Abstraktionen schwelgt, spitzfindig nur,
Sein dürrer Geist; von Tiefe keine Spur.
Ob wir dem Schicksal sklavisch Untertan,
Ob frei der Wille sei — wie will er's wissen?
Sich kennt er nicht, allein sein Geist errät,
Daß anfangslos die Welt von je besieht.