<65>Die Menschen nennen's Liebe und Frein!
Ja, Liebe! Und wenn Preußen heut
Sich neuen Menschenreichtums erfreut,
Der Liebe gebührt der Dank allein.
Nichts mahnt uns in jenen Staaten mehr,
In ihrem Gedeihen und Segen,
Wie einst des Todes Hand so schwer
Auf Volt und Land gelegen.
Gesteht: wenn diese Leiden unerhört
Die Ordnung irgendwie der Welt gestört,
Wär's denkbar wohl, daß der Allmächt'ge dann
Nicht Einhalt hätte zur Zeit getan?
Nein, was als schwerstes der Geschicke,
Als ein Verhängnis uns erscheint,
Es ist ein Nichts vor jenem Blicke,
Dem alles sich zum Ganzen eint.
Und doch, und doch! Trotz alledem:
Wie bitter auch und unbequem
Uns allen diese Wahrheit ist —
Dem Menschen tut die Freude not
Wie's liebe Brot;
Und darum sag/ ich: Lebt nur und genießt!
Wem nach Erkenntnis steht der Sinn,
Dem dient ja alles zum Gewinn:
Ihm wird zur Lehre just das Weh,
Daß er des Glückes Wert und Sinn
Erst recht ermesse und versteh'.
Bedenkt er, welchen Wechselfällen
Ihn wehrlos preisgibt die Natur,
So hält er's eben an sonnenhellen,
Gedeihlichen Tagen mit Epikur;
In Stunden, schwarz und unheilschwer,
Glaubt er an Meister Zeno mehr;
Sein Geist, was ihm auch widerfährt,
Ist stets gewappnet und bewehrt.
Das ist es, was uns bleibt: wir wolln in Schweigen
Uns ehrfurchtsvoll vor den Gesetzen neigen,
Wie sie die Vorsehung der Schöpfung gab;