<85>Der redet klug von Lagern und von Schlachten.
Und jeder urteilt in so schweren Sachen,
Die Weiber selbst am Rocken — 's ist zum Lachen!
Da geht man kurzerhand mit Generälen,
Ministern, ja mit Herrschern ins Gericht,
Sucht ihre Fehler aufzuzählen,
Und selbst am Webstuhl schweigt man nicht.
Schwer ist es, Ruhm und Ehre zu bewahren,
Das Volk ist stets zu ihrem Sturz bereit.
Nicht Taten noch Talent, nicht Zepter noch Tiaren,
Nichts wird verschont von dieser tollen Zeit.

Selbst Colbert, der Talent und Künste schützte
Und trefflich diente Frankreichs Majestät,
Er, der am meisten seinem Volke nützte,
Ward noch nach seinem Tode frech geschmäht.1
Der große Ludwig, der Europa zwang,
Das Glück des Landes und des Kaisers Schrecken,
Wie wollten Künste, Siege und Gesang
Ihn stets mit neuen Ehren überdecken!
Doch als der Tod die Augen ihm geschlossen,
Verhöhnte man des Grabes Heiligtum,
Und der Franzose, frech und voller Possen,
Befleckte seines größten Königs Ruhm.2

Bredow, so ist das Volk, die blöde Masse;
Sie opfert alles ihrem blinden Hasse:
Ein seltsam Federvieh, das alles hört und sieht,
Von Land zu Land mit Wundermären zieht,
Das niemals seine Neugier stillt,
Die Wahrheit stets in Lügenkleider hüllt.
Und aus Kabalen und gemeinem Neid,
Verleumdung, Haß und andrer Schändlichkeit
Braut dieses Untier seine Schreckensmären,
Bald kann man sie auf allen Gassen hören.
Wen dieses Monstrum biß, der fühlt es ewig brennen.

Kann man den Menschen noch vernünftig nennen,
Der Zeit und Ruh und Freuden daran gibt


1 Vgl. S. 6.

2 Vgl. S 7.