<89>Und gern zum Heldenrang empor sich lügt,
Umstrickt ihn, zeigt durch ein Vergrößrungsglas
Ihm seine Tat im Riesenmaß.
„Genug!“ spricht sie. „Dein Wagemut
„Hat glorreich heut zum Sieger Dich gemacht.
„Den Lorbeer, den Du pflücktest, hüte gut!“
Das angefangne Werk, er wähnt's vollbracht.

Erfüllt die Selbstsucht eines Staatsmanns Sinn,
Und lockt Bestechung ihn vom Weg der Treue,
Dann opfert der Verruchte ohne Reue
Des Staates Wohl für schnöden Geldgewinn,
Beugt das Gesetz, verkauft an Themis' Thron
Schamlos das heil'ge Recht um Sündenlohn.
Den Nachbarn redet er im Rat das Wort,
Bringt ihre argen Pläne zum Gedeihen,
Schürt Hader, um die Völker zu entzweien,
Und reißt den eignen Staat zum Kriege fort;
So führt Verrat zu Freveln und zu Mord.

Doch Du erkennst an diesem Bilde leicht
Den Schändlichen,1dem Zug um Zug es gleicht,
Den Unhold, dessen Härte Moskau fühlt,
Der Heeresmassen an den Grenzen hält,
Des Nordens Frieden ewig unterwühlt
Und unsren Gleichmut auf die Probe stellt!
Indes die Welt sein freches Ränkespiel
Mit kaum verhaltnem Ingrimm knirschend schaut,
Bleibt der Ukraine Fruchtland unbebaut;
In Rigas Pott verfault der Schiffe Kiel;
Gewerb und Kunstfleiß liegen schwer danieder,
Die alte Wildheit kehrt am Hofe wieder,
Und Peters großes Werk zerbröckelt sacht —
Welch Mißbrauch, Freund, der höchsten Herrschermacht!
Welch Schreckbild für Minister und für Fürsten,
Die, statt zu sorgen, daß ihr Land gewinnt,
Nach außen stark, fürs eigne Elend blind,
Nach Ruhm allein und eitlen Ehren dürsten!


1 Der russische Großlanzler Graf Alexej Bestushew (vgl. S. 68).