<92>Polen gewann und sie ins Elend stieß!1
Doch ist ein Bürger mit der Macht betraut,
So schelt' ich seinen Hang zur Trägheit laut;
Amt, Ehre, Glück und Ansehn — alles drängt
Den Herrscher, daß er seiner Pflicht gedenkt.
Läßt er sich gehn, so ist es schon Verrat,
Und Trägheit wird bei ihm zur Freveltat.
's ist kein Verdienst, daß man das Böse meidet:
Fürs Gute zu erglühn — nur das entscheidet!

Ein Gleichnis noch! Gehüllt in Blumenzier
Zeig' ich der Weisheit strenge Regeln Dir!

Des Ruhmes Heiligtum, in alten Tagen
Sah man's auf einem schroffen Felsen ragen.
Der Gott versprach den Wagemut'gen Lohn,
Die klimmend bis zu seinem Wolkenthron
Ihm huldigten. Von diesem Preis verlocken
Ließ mancher sich und suchte um die Wette
Emporzudringen zu der heil'gen Stätte.
Dem Felsen nahend, blieben tieferschrocken
Die einen stehn ob ihres Unterfangens,
Indes verliebt ins Ziel ihres Verlangens
Waghalsige junge Toren Blumen pflückten
Und andre scheu sich an die Felswand drückten,
Gepackt vom Schwindel, und den Berg verließen.
Auch mancher sank, am steilen Hang erschlafft,
Entkräftet um, von Mühsal hingerafft.
Wohl ließen's Kühnere sich nicht verdrießen,
Emporzuklimmen an den steilen Riffen;
Doch ihre Seele ward vom Neid ergriffen
Auf jeden, dem das Wagnis auch gelang.
Sie rangen wild am Abgrundsrand und stießen
Einander in die Kluft, die sie verschlang.

Ein Weiser ohne Neid und Zagen dringt,
Vom Preis entflammt, der ihm dort oben winkt,
Allein auf kürzrem und noch rauhrem Pfad


1 Vgl. die Abhandlung: „Betrachtungen über die militärischen Talente und den Charakter Karls XII.“ (Bd. VI. S. 367 ff.).