<99>„Nichts kann an Deiner Größe mehr entzücken,
„Als Deine Allmacht, Menschen zu beglücken;
„Nichts hebt Dich mehr empor zur Göttlichkeit,
„Als Deine Güte, ewig hilfsbereit“ —
So sprach einst Cicero zu Cäsars Ehren,1
Und alle Könige scheint er zu lehren:
„Um zu beglücken, wurdest Du zum Herrn,
„Dich ziert Dein Glanz, gleichwie des Tages Stern,
„Doch uns erwärmt er, wo er niederfällt.“
Die Großen, die das Glück im Schoße hält,
Verachtet man, ist ihre Seele schlimm.
Den Kaiser Nero traf des Volkes Grimm,
Der Antonine Tugend ward verehrt.
Du, Mark Aurel, mein Vorbild und mein Held,
Anbetungswürd'ger, eines Tempels wert,
Wenn schwache Menschen zu der Götterwelt
Aufsteigen können, dir geschah es so!
Bei deinem Namen fühl' ich, wie die Glut
Der Tugend, die mir tief im Busen ruht,
Empor in Flammen züngelt lichterloh!...
Doch muß zum Wohltun man ein König sein?
Kann nicht ein jeder sich der Tugend weihn?
Oft kann der Ärmste seinem Nächsten nützen;
Der Reiche soll von seinem Überfluß
Den Armen geben, und der Große muß
Mit starkem Arm bedürft'ge Tugend schützen.
Im Wohlstand zeigt sich erst der Seele Guß,
Ob sie voll Geiz, ob sie an Gaben reich:
Der Stand ist wechselnd, doch die Pflicht ist gleich.
So schenkt die zarte Blüte ihren Duft,
Das Feld Getreide und die Bäume Schatten,
Metall der Berge Schoß und Gras die Matten,
Fische das Meer; es kühlt der Wind die Luft,
Der Nordstern weist dem Wandrer seinen Pfad,
Und wenn die Nacht die Welt verschleiert hat,
So dringt des Mondes Leuchte durch das Dunkel.
1 Vgl. Bd. VII, S. 88.