<VII> Fertigstellung verleidet. So umfaßt die Ausgabe der „Œuvres“ von 1752 im ganzen nur zwei Bände.
Im „Vorwort“ erklärt Friedrich selbst, seine Gedichtsammlung sei nur für den engsten Freundeskreis bestimmt. Um so peinlicher war er daher überrascht, als während des Siebenjährigen Krieges ein Nachdruck seiner Poesien in Frankreich erfolgte. Nach den neuesten Forschungen scheint festzustehen, daß Voltaire seine Hand dabei im Spiele gehabt hat. Der König, der, allein mit England verbündet, einer Welt in Waffen gegenüberstand, sollte politisch kompromittiert werden. Soweit es ihm möglich war, parierte er den Hieb, indem er sofort eine neue, revidierte Aus-
gabe des Bandes vorbereitete. Obwohl im Felde weilend, ging er unverzüglich an die Durchsicht und merzte alle politischen Anzüglichkeiten aus, die sich auf England, seinen damaligen Alliierten, sowie auf Rußland bezogen, das im Hinblick auf einen baldigen Thronwechsel schonend behandelt werden mußte. Außerdem fügte er einige neue Gedichte ein, darunter die gegen seine heimlichen Widersacher gerichtete Ode „An die Verleumdung“, der in diesem Zusammenhange erhöhte Bedeutung zukommt. Unter dem schlichten Titel „Poésies diverses“ erschien dann 1760 der neugestaltete Band, der im Vorwort als der allein „authentische“ bezeichnet ward.
Weder Voltaires Fortgang noch die heimtückische Veröffentlichung seiner Dichtungen hielten den König ab, weiter seinen poetischen Neigungen zu folgen. Erst das zunehmende Alter ließ um die Mitte der siebziger Jahre den Strom des dichterischen Schaffens allmählich versiegen.
Obwohl Friedrichs dichterische Laufbahn ein halbes Jahrhundert dauerte, wäre es falsch, bei ihm von einer begnadeten Poetennatur zu sprechen. So hat er denn auch den Namen eines Poeten niemals für sich in Anspruch genommen; im Gegenteil, er pflegte sich als „Dilettanten“ zu bezeichnen. Schon in einer seiner ersten Episteln bekannte er sich unumwunden zu seinen Vorbildern Horaz und Boileau. Und sie sind es mit Voltaire zusammen stets geblieben.
Zum Schluß drängt sich die Frage auf: welche Bedeutung kommt den Poesien Friedrichs zu? Die größte Verwandtschaft besitzen sie mit seinen musikalischen Schöpfungen: sie sind Erzeugnisse seiner Mußestunden, in denen er Erholung von den schweren Lasten seines Amtes suchte. Auch sie tragen die deutliche Spur des Geistes ihrer Zeit an sich. Manches erscheint uns veraltet, so das überwuchernde, allegorische Beiwerk, die zahlreichen mythologischen Beziehungen. Schwerfällig wirkt die Häufung der Bilder und Vergleiche, in denen er sich des öfteren wiederholt. Die Leichtigkeit, mit der ihm die Verse aus der Feder flossen, verleitet ihn oft auch zu allzu großer Breite und Ausführlichkeit, sowie zu Digressionen, die den Leser ermüden.
Diesen unbestreitbaren Mängeln stehen andrerseits große Vorzüge gegenüber. Zunächst die Fülle schöner und tiefer Gedanken, die oft glücklich geprägt sind. Ebensowenig fehlt es an originellen Einfällen und Wendungen, die seinen Dichtungen eigenartigen Reiz verleihen. Lebendig und flüssig ist die Sprache, knapp und klar die