[Zweites Buch. Glanz]
<116> <117>DREIZEHNTES KAPITEL Friedrichs Regierungsantritt.
Friedrich war von tiefstem Schmerze ergriffen, als er gesehen, wie das Auge des Vaters nach bitterm Todeskampf sich schloß. Alle kindlichen Gefühle, welche die letzten Jahre in ihm aufs neue hervorgerufen hatten, waren im innersten Grunde erregt; die Regententugenden, durch welche Friedrich Wilhelm ihm eine seltene Bahn vorbereitet, schienen das Bild des Dahingeschiedenen mit verklärendem Glanze zu umgeben. Aber nicht in müßiger Trauer blickte Friedrich diesem Bilde nach. Er brachte dem Vater den Zoll wahrhafter Verehrung dar, indem er mit rüstiger Kraft die Bahn verfolgte, die ihm jener vorgezeichnet hatte, indem er an dem Mechanismus des Staates, den jener <118>mit großartiger Kunst aufgeführt, in gleicher Weise fortbildete und nur in denjenigen Teilen Neues hinzufügte, wo der freie Geist, der in ihm lebte, auch freisinnige Einrichtungen erforderte. Mit rastlosem Eifer, seinen Schmerz bewältigend, gab er sich gänzlich dem hohen Berufe hin, und schon die ersten Tage seiner Regierung machten es kund, wie er das Alte festhalten, wie er Neues gründen, — wie er König sein wollte.
Gar manchem bereitete ein solches Auftreten des jungen Königs unangenehme, manchem auch freudige Überraschungen. Man war auf bedeutende Veränderungen in der Einrichtung des Staates gefaßt gewesen, man hatte geglaubt, daß die Männer, die Friedrich Wilhelm besonders nahegestanden, die einen besonderen Einfluß auf ihn ausgeübt hatten, jetzt in ein minder ehrenvolles Dunkel zurücktreten würden. Aber Friedrich war nicht gewillt, dem wahren Verdienste eine Kränkung zuzufügen, selbst in dem Falle, daß er dabei persönliche Abneigungen aus früherer Zeit zu überwinden hatte. So wird von dem alten Kriegshelden, dem Fürsten Leopold von Dessau, der früher der österreichischen Partei des Hofes angehörte, erzählt, er sei, als er sich bei Friedrich zur Condolenz gemeldet, weinend eingetreten, habe eine Rede gehalten und gebeten, ihm und seinen Söhnen ihre Stellen in der Armee und ihm seinen bisherigen Einfluß und Ansehen zu lassen. Friedrich habe hierauf erwidert, er werde ihn in seinen bisherigen Stellen auf keine Weise beeinträchtigen, da er erwarte, daß der Fürst ihm so treu dienen werde als dem Vater; er habe aber auch hinzugefügt: was das Ansehen und den Einfluß betreffe, so werde in seiner Regierung niemand Ansehen haben als er selbst und niemand Einfluß. Noch mehr überraschte es, als Friedrich den bisherigen Finanzminister von Boden, dem man unwürdiger Dinge Schuld gab, dem er selbst früher wenig geneigt schien, dessen große Tüchtigkeit er aber wohl zu würdigen wußte, nicht nur im Amte behielt, sondern ihm auch ein prächtiges, neu erbautes und vollständig eingerichtetes Haus zum Geschenk machte.
Andere dagegen fanden sich in den glänzenden Erwartungen, zu denen sie durch Friedrichs Regierungsantritt berechtigt zu sein glaubten, auf eine zum Teil empfindliche Weise getäuscht. So setzte sich selbst der verdiente Generalleutnant von der Schulenburg scharfem Tadel von Seiten des jungen Königs aus, als er, zwar freundschaftlicherweise, doch ohne Urlaub sein Regiment verlassen hatte, um mündlich zur Thronbesteigung Glück zu wünschen. So fand sich schnell eine Menge von Glücksrittern ein, denen die genialere Richtung Friedrichs leichten Erwerb zu sichern schien, während er nicht im mindesten daran dachte, ihre törichten Hoffnungen zu erfüllen. Die Ballen der Glückwünschungsgedichte, welche dem könig<119>lichen Dichter von allen Seiten zugesandt wurden, lohnten die Mühe des Versemachens wenig. Auch manche seiner früheren Günstlinge mußten es erfahren, daß sie seinen Charakter falsch beurteilt hatten. Einer von diesen hatte nichts Eiligeres zu tun, als unverzüglich eine Einladung an einen Freund in Paris fertigzumachen, indem er diesem versicherte, gewiß sein Glück in Berlin machen könne und daß sie dem lustigsten Leben in Friedrichs Gesellschaft entgegensehen dürften. Unglücklicherweise war Friedrich unbemerkt in das Zimmer des Schreibers getreten und hatte, über dessen Schulter blickend, den Brief gelesen. Er nahm ihn dem Schreiber aus der Hand, zerriß ihn und sprach sehr ernsthaft: « Die Possen haben nun ein Ende! »
Diejenigen aber unter Friedrichs Freunden, deren wahre Treue, deren Verdienst und Fähigkeiten erprobt waren, sahen jetzt ehrenvolle Laufbahnen vor sich; Friedrich wußte einem jeden von ihnen eine solche Stelle anzuweisen, auf welcher er, seiner Eigentümlichkeit gemäß, für das Wohl des Staates nach Kräften wirksam sein konnte. Die einst unverschuldet für ihn gelitten hatten, fanden sich nun auf eine erhebende Weise getröstet. Der Vater seines unglücklichen Katte ward zum Feldmarschall ernannt und in den Grafenstand erhoben; auch die übrigen Verwandten Kattes erfreuten sich unausgesetzt der Gnade des Königs. Der treue Dühan wurde aus der Verbannung zurückberufen, und Friedrich bereitete ihm einen behaglichen Lebensabend. Ebenso kehrte Keith nach Berlin zurück und wurde zum Stall<120>meister und zum Oberstleutnant von der Armee ernannt. Der Kammerpräsident von Münchow hatte, seit Friedrichs Aufenthalt in Küstrin zu Ende gegangen war, manche Leiden zu erdulden gehabt; dafür wurden er und seine Söhne jetzt durch mannigfache Gnadenbezeugungen schadlos gehalten.
Gleiche Sorgfalt zeigte Friedrich für seine Geschwister, namentlich für die Erziehung und angemessene Ausbildung der jüngeren Brüder. Der Mutter bewies er bis an ihren Tod eine treue kindliche Verehrung. Als sie ihn an der Leiche des Vaters mit den Worten « Ihro Majestät » anredete, unterbrach er sie und sagte: « Nennen Sie mich immer Ihren Sohn; dieser Titel ist köstlicher für mich als die Königswürde. » Mit derselben Hochachtung begegnete er seiner Gemahlin, obgleich sich bald das Gerücht verbreitete, daß er sich, da seine Ehe nicht mit Kindern gesegnet war, von ihr trennen und zu einer zweiten Ehe schreiten würde. Aber Friedrich dachte an keine Ehescheidung. Es wird im Gegenteil erzählt. daß er sie kurz nach seiner Thronbesteigung dem versammelten Hofe mit den Worten: « Das ist Ihre Königin! » vorgestellt, sie auch Angesichts der Versammelten zärtlich umarmt und geküßt habe. Das anmutige Verhältnis indes, welches sich zwischen Friedrich und seiner Gemahlin in der glücklichen Zeit des Rheinsberger Aufenthalts gebildet hatte, kehrte nicht zurück; sie lebten bald abgesondert von einander und sahen sich zumeist nur noch bei festlichen Gelegenheiten. Die zarte weibliche Frömmigkeit, welche das innerste Seelenleben dieser seltenen Fürstin ausmachte, stimmte vielleicht zu wenig mit der Schärfe des Verstandes überein, welche Friedrich in freier Kraft als Maßstab an die heiligen Überlieferungen legte. Wohl aber ließ es sich Friedrich angelegen sein, sie in allen den Ehren, welche der regierenden Königin zukamen, zu erhalten, und eifersüchtig wachte er darüber, daß ihr auch von den Gesandten fremder Mächte der gebührende Zoll der Ehrfurcht dargebracht wurde. Dafür bewies sie ihm bis an seinen Tod die rührendste Teilnahme und Ergebenheit.
Über die Weise, in welcher Friedrich die Verwaltung seines Landes geübt wissen wollte, sprach er sich selbst unmittelbar nach seiner Thronbesteigung aus. als die Staatsminister, am 2. Juni, vor ihm zur Eidesleistung erschienen. Seine hochherzige Erklärung, welche in dieser Beziehung in der Tat die Richtschnur seines Lebens geworden ist, lautete also: « Ob Wir euch gleich » — so redete er die Minister an — « sehr danken wollen für die treuen Dienste, welche ihr Unseres Höchstgeliebtesten Herrn Vaters Majestät erwiesen habet; so ist doch ferner Unsere Meinung nicht, daß ihr Uns inskünftige bereichern und Unsere armen Untertanen unterdrücken sollet, sondern ihr sollt hergegen verbunden sein, vermöge gegenwärtigen Befehls, mit ebenso vieler Sorgfalt für das Beste des Landes als für Unser Bestes zu wachen, <121>um so viel mehr, da Wir keinen Unterschied wissen wollen zwischen Unserm eigenen besonderen und des Landes Vorteil, und ihr diesen sowohl als jenen in allen Dingen vor Augen haben müsset; ja des Landes Vorteil muß den Vorzug vor Unserm eigenen besonderen haben, wenn sich beide nicht miteinander vertragen. »
<122>Diese Gesinnungen der Treue gegen sein Volk, die bei den Fürsten jener Zeit gar selten geworden waren, betätigte Friedrich zu gleicher Zeit auf eine Weise, die ihm allgemeine Liebe bereiten mußte. Der letzte Winter hatte länger als ein halbes Jahr in anhaltender Strenge über dem Lande gelegen: allgemeine Teurung, Hungersnot an vielen Orten waren die Folge davon. Die Stimme des Elends aber hatte das Ohr des jungen Königs schnell erreicht. Schon am zweiten Tag nach seinem Regierungsantritt ließ er die reichlich gefüllten Kornspeicher öffnen und das Getreide zu sehr wohlfeilen Preisen verkaufen. Wo die Vorräte nicht zureichten, wurden bedeutende Summen ins Ausland geschickt, um Getreide zu gleichem Zwecke aufzukaufen. Ebenso wurden die königlichen Forstämter angewiesen, das erlegte Wild für geringe Preise auszubieten. Mehrere Abgaben, die auf dem Erwerb der Nahrungsmittel lasteten, wurden für einige Zeit gänzlich aufgehoben. Endlich wurden größere und kleinere Summen, die man durch verschiedene Ersparnisse im Staatshaushalte gewann, bar unter die Dürftigsten verteilt. So mochte der Jubelruf, <123>der dem jungen Könige überall, wo er sich nur öffentlich zeigte, entgegentönte, wohl aus dem Herzen des Volkes kommen. Aber auch darauf, wie der Wohlstand des Volkes durch innerlich fortwirkende Mittel zu heben sei, war Friedrich schon in den ersten Tagen seiner Regierung eifrig bedacht; über die Verbesserung und Vermehrung der Manufakturen erschienen wohltätige Anordnungen; erfahrenen Arbeitern, die sich aus der Fremde in die preußischen Staaten übersiedeln wollten, wurden Vorteile zugesichert.
Nicht minder hatte es Friedrich sehr deutlich erkannt, welchen Wert für die zerstreuten Länder des preußischen Staates der Schutz eines mächtigen Kriegsheeres hatte und welche Wichtigkeit dasselbe, bei veränderten politischen Umständen, seiner Regierung geben konnte. So wenig seine Natur ursprünglich mit der Strenge des militärischen Dienstes übereinzustimmen schien, so eifrig sorgte er jetzt nichtsdestoweniger für die fortgesetzte Übung desselben. Nur was als ein überflüssiger Luxus in den militärischen Angelegenheiten zu betrachten war, ward auf eine vorteilhafte Weise umgeändert. Dies war namentlich der Fall mit der berühmten Riesengarde, welche der verstorbene König zu seinem besonderen Vergnügen in Potsdam gehalten hatte. Aber es wird auch berichtet, daß Friedrich Wilhelm selbst, kurz vor seinem Tode, seinem Sohne von den ungeheuren Summen, welche die Unterhaltung dieses Korps gekostet, Rechenschaft gegeben und daß er ihm zur Auflösung desselben geraten habe. So erschien dasselbe am 22. Juni zum letztenmal, die Leichenfeier seines Stifters zu verherrlichen; unmittelbar darauf wurde es unter andere Regimenter verteilt. Dadurch gewann Friedrich die Mittel, seine Kriegsmacht schon im Verlauf weniger Wochen um mehr als zehntausend Mann zu verstärken. Sonst ward auch für einen ehrenhaften Schmuck des kriegerischen Lebens gesorgt. Alle Fahnen und Standarten der Armee bekamen den preußischen schwarzen Adler mit Schwert und Szepter in den Klauen und mit der Beischrift: « Für Ruhm und Vaterland » (Pro Gloria et Patria).
Die wesentlichsten Veränderungen, mit denen Friedrich auftrat, betrafen diejenigen Elemente des Lebens, welche seinem Vater am fernsten gelegen hatten. Friedrich Wilhelm hatte nur das materielle Wohl seines Staates im Auge gehabt; der Geist lag in Fesseln. Friedrich gab dem Gedanken Freiheit und gewann hiedurch für die Macht seines Staates eine Stütze, die gewaltiger ist, als Schwerter und Feuerschlünde. Öffentliche Rede war unter seinem Vater nicht verstattet gewesen; die Zeitungsblätter, anfangs ganz verboten, hernach unter drückenden Einschränkungen erlaubt, hatten nur ein kümmerliches Dasein gefristet. Kurz nach Friedrichs Thronbesteigung erschienen auf seine Veranlassung zwei Zeitungen, die bald Bedeu<124>tung erlangten und für die er selbst einzelne Artikel lieferte. Für eine Akademie der Wissenschaften wurde der Grund gelegt und vorzügliche Gelehrte aus verschiedenen Ländern nach Berlin berufen. Besonders ließ es sich Friedrich angelegen sein, den Philosophen Wolff für die heimische Wissenschaft wieder zu gewinnen; dem Propst Reinbeck, dem er dies Geschäft übertrug, schrieb er: ein Mensch, der die Wahrheit suche und sie liebe, müsse unter aller menschlichen Gesellschaft wertgehalten werden; er glaube, daß Reinbeck eine Eroberung im Lande der Wahrheit machen werde, wenn es ihm gelinge, Wolff zur Rückkehr zu bewegen. Wolff folgte dem Begehren seines erhabenen Schülers und kehrte nach Halle zurück, wo er ehrenvoll aufgenommen wurde. Auch erschien alsbald ein ausdrücklicher königlicher Befehl, demzufolge nur diejenigen Landeskinder, welche zwei Jahre auf einer preußischen Universität studiert, eine Anstellung im Staate zu erwarten haben sollten. Die Gesellschaft der Freimaurer wurde öffentlich anerkannt; Friedrich selbst hielt bald nach seiner Thronbesteigung eine feierliche Loge, in welcher er den Meisterstuhl einnahm.
Aus solcher Geistesrichtung entsprang endlich auch eine freisinnigere Gestaltung anderer Lebensverhältnisse. Religiöse Duldung war einer der wichtigsten Grundsätze, mit denen Friedrich seine Regierung begann und tätig alten Mißbräuchen oder einseitiger Beschränkung gegenübertrat. Ein zweiter Grundsatz war: geläuterte, vernunftmäßige Rechtspflege. Aber um eine solche in das Leben einzuführen, bedurfte es eines weise durchdachten, kunstreich aufgeführten Baues. Vorerst erschienen einige Verordnungen, welche wenigstens geeignet waren, das Licht der neuen Zeit, das in Friedrichs Hand ruhte, erkennen zu lassen. So ist namentlich anzuführen, daß, schon am dritten Tage seiner Regierung, das unmenschliche Gerichtsverfahren der Folter — bis auf einige außerordentliche Ausnahmen, für welche dasselbe aber einige Jahre später ebenfalls verschwand, — durch königlichen Befehl aufgehoben wurde. Die übrigen Staaten sind diesem Beispiele erst viel später gefolgt.
Alles aber, was Friedrich in solcher Weise in den ersten Monaten seiner Regierung einrichtete, war sein eignes Werk; die Minister hatten nur seine Befehle auszuführen. Durch eine außerordentliche Tätigkeit, durch die strengste Einteilung der Zeit machte er es möglich, was bis dahin unerhört gewesen war, daß er alles beobachten, prüfen, leiten konnte. Und doch gebrach es ihm hiebei nicht an Zeit, um auch den Künsten, namentlich der Musik und Poesie, einige heitere Stunden widmen zu können; aber der Genuß der Kunst diente wiederum nur dazu, seinem Geiste neue Schwungkraft zu geben. Die vorteilhaftesten Zeugnisse über diese ganz außerordent<125>liche Geschäftsführung enthalten die Berichte der damaligen, in Berlin anwesenden fremden Gesandten an ihre Regierungen. Sie klagen, daß der König sein eigner Minister sei, daß man niemand finde, dem er sich ganz mitteile und durch dessen Hilfe man Kenntnis und Einfluß erlangen könne. Auch wird hinzugesetzt, es sei das beste, wenn man gegen diesen jungen König — dem herkömmlichen Gebrauche sehr zuwider — ein offenes Verfahren beobachte.
In der Mitte Juli begab sich Friedrich nach Königsberg in Preußen, die Erbhuldigung der preußischen Stände zu empfangen. Dort hatte sich sein Großvater die preußische Königskrone aufgesetzt. Aber Friedrich Wilhelm schon verschmähte diese äußerliche Zeremonie, und auch Friedrich fand es nicht für nötig, dieselbe wieder einzuführen. « Ich reise jetzt (so äußerte er sich kurze Zeit vorher in einem Schreiben an Voltaire) nach Preußen, um mir da, ohne das heilige Ölfläschchen und ohne die unnützen und nichtigen Zeremonien huldigen zu lassen, welche Ignoranz eingeführt hat und die nun von der hergebrachten Gewohnheit begünstiget werden. » Die Huldigung fand am 20. Juli statt. Über die dabei nötigen Förmlichkeiten hatte er sich durch einen, in solchen Dingen erfahrenen Freund, der ihn begleitete, unterrichten lassen. Nachher fragte er diesen, ob er seine Sache gut gemacht habe. — O ja, Sire, antwortete der Gefragte; aber einer machte es doch noch besser. — « Und der war? » — Ludwig der Fünfzehnte. — « Ich aber », setzte Friedrich mit Laune hinzu, « kenne einen, der es doch noch besser machte. » — Und der war? — « Baron! » (Ein bekannter französischer Schauspieler.)
Übrigens war Friedrich mit den Tagen seines Aufenthalts in Königsberg zufrieden. Die Huldigungspredigt, welche der Oberhofprediger Quandt hielt, fand seinen entschiedenen Beifall; schon früher hatte er Quandt mit Teilnahme gehört, und noch am Abend seines Lebens, in einer Schrift über deutsche Literatur, erwähnte er seiner als des vorzüglichsten Redners, den Deutschland je besessen. Besondres Vergnügen bereitete ihm ein Fackelzug, den ihm die Königsberger Studenten unter Musikbegleitung brachten; er ließ ihnen zum Dank ein reichliches Trinkgelage veranstalten. Auch die Übungen des Königsberger Militärs fielen zu seiner Zufriedenheit aus. Er aber bezeichnete diese Tage wiederum durch zahlreiche Wohltaten, die er der Stadt und der gesamten Provinz zukommen ließ, den Wahlspruch der bei der Huldigung ausgeworfenen Medaillen — « Glück des Volkes » — durch die Tat bewährend.
Nachdem Friedrich aus Preußen zurückgekehrt war, erfolgte in Berlin, am 2. August, die Erbhuldigung der kurmärkischen Stände. Das Volk rief, als Friedrich nach der Zeremonie auf den Balkon des Schlosses hinaustrat, dreimal mit <126>freudiger Seele: Es lebe der König! Gegen die Gewohnheit und Etikette blieb er eine halbe Stunde auf dem Balkon, mit festem, aufmerksamem Blick auf die unermeßliche Menge vor dem Schlosse hinabschauend; er schien in tiefe Betrachtung verloren. — Die Medaillen, welche in Berlin ausgeworfen wurden, führten den Wahlspruch: « Für Wahrheit und Gerechtigkeit. »
Kurze Zeit darauf verließ Friedrich Berlin aufs neue, um die Huldigung in den westfälischen Provinzen des Staates einzunehmen. Vorher besuchte er seine ältere Schwester, die Markgräfin von Bayreuth, in ihrer Residenz. Von hier machte er, in raschem Fluge, einen Abstecher nach Straßburg, um einmal französischen Boden zu betreten und französische Truppen zu sehen. Um indes unbekannt zu bleiben, hatte er den Namen eines Grafen von Four angenommen und nur geringes Gefolge mitgeführt. Seine ganze Equipage bestand in zwei Wagen. Als die Gesellschaft in Kehl (Straßburg gegenüber, auf der deutschen Seite des Rheins) ankam, machte der dortige Wirt den Kammerdiener Friedrichs aufmerksam, daß man jenseit sogleich die Pässe vorzeigen müsse. Der Kammerdiener setzte also einen Paß auf, ließ Friedrich unterschreiben und drückte dann das königliche Siegel darunter. Dem Wirte war ein so kurzes Verfahren selten vorgekommen; aber schnell erriet er, von <127>wem allein dasselbe ausgehen konnte, und man hatte Mühe, den Hocherfreuten zum Stillschweigen zu verpflichten.
In Straßburg angekommen, ließ sich Friedrich sogleich, um ganz als Franzose auftreten zu können, französische Kleider nach neuestem Geschmacke anfertigen. In einem Kaffeehause machte er die Bekanntschaft französischer Offiziere, die er zu sich zur Abendtafel einlud; die geschmackvolle Bewirtung, der Geist und die Anmut seiner Unterhaltung entzückten seine Gäste, aber vergebens bemühten sie sich, die Geheimnisse ihres Wirtes zu erforschen. Am nächsten Tage besuchte Friedrich die Parade. Hier erkannte ihn ein Soldat, der früher in preußischen Diensten gestanden hatte; augenblicklich wurde es dem Gouverneur, Marschall von Broglio, berichtet, und Friedrich war nicht imstande, die Ehrenbezeugungen des Marschalls ganz zu beseitigen. Nun verbreitete sich die Nachricht durch die ganze Stadt; das Volk war entzückt, den jungen König, dessen Ruhm schon vor seiner Thronbesteigung durch die Welt erklungen war, in seiner Nähe zu wissen. Der Schneider, der die neuen Kleider gefertigt, wollte keine Bezahlung annehmen und sich durchaus nur mit der Ehre, für den Preußenkönig gearbeitet zu haben, begnügen. Am Abend wurden rings in den Straßen Freudenfeuer angezündet; überall hörte man den Jubelruf: « Vive le roi de Prusse! »
Von Straßburg begab sich Friedrich den Rhein abwärts nach Wesel. Diesmal wurde die Rheinreise nicht mit so bangen Gefühlen zurückgelegt, wie vor zehn Jahren, da Friedrich in engem Gewahrsam als ein schmachvoll Gefangener geführt ward. Doch verkümmerte ein Fieber, das sich einstellte und längere Zeit anhielt, den Genuß der schönen Fahrt. Das Fieber war auch die Ursache, daß Friedrich nicht, wie er beabsichtigt hatte, nach Brabant ging, um Voltaire aufzusuchen, der sich gegenwärtig dort aufhielt. Dafür indes bedurfte es nur des ausgesprochenen Wunsches, und Voltaire fand sich bereitwillig vor seinem hohen Verehrer auf dem Schlosse Moyland bei Cleve ein. Friedrich war angegriffen von der Krankheit; er bedauerte, daß ihm die nötige Spannkraft fehle, um einem so großen Geiste würdig entgegentreten zu können. Doch war er von der Persönlichkeit des Gefeierten ebenso entzückt, wie früher von seinen Werken. « Voltaire ist so beredt, (schrieb Friedrich kurze Zeit nach diesem Besuche an Jordan) wie Cicero, so angenehm wie Plinius, so weise wie Agrippa; mit einem Worte: er vereinigt in sich alle Tugenden und Talente der drei größten Männer des Altertums. Sein Geist arbeitet unaufhörlich, jeder Tropfen Tinte, der aus seiner Feder fließt, wird zu einem witzigen Einfall. Er hat uns sein herrliches Trauerspiel Mahomet vordeklamiert; wir waren entzückt davon; ich konnte es nur bewundern und schweigen. » — « Du wirst mich (fügt <128>Friedrich später hinzu) bei meiner Zurückkunft sehr geschwätzig finden; aber erinnere dich, daß ich zwei Gegenstände gesehen habe, die mir immer am Herzen lagen: Voltaire und französische Truppen. »
Auf der Rückreise wohnte Friedrich in Salzdahlum der Verlobung seines Bruders, des Prinzen August Wilhelm, mit der Schwester seiner Gemahlin, der braunschweigischen Prinzessin Louise Amalie, bei.
Die Huldigungsreise nach Westfalen hatte Friedrich zu einer politischen Demonstration veranlaßt, welche sehr geeignet war, seinen Charakter in den Verhältnissen der Politik erkennen zu lassen. Doch auch schon früher, ehe noch die ersten drei Wochen seiner Regierung verflossen waren, hatte er ein ähnliches, wenngleich minder augenfälliges Beispiel gegeben. Der Kurfürst von Mainz hatte nämlich, zum Nachteile des Landgrafen von Hessen-Kassel und Grafen von Hanau, eines Erbverbrüderten des Hauses Brandenburg, unbegründete Ansprüche auf einen hanauischen Ort gemacht. Friedrich sandte am 19. Juni dem Kurfürsten eine ernstliche Ermahnung, von seinem Vorhaben abzustehen und die Ruhe des Reichs ungestört zu lassen. Die Folge hievon war, daß der Kurfürst seine Truppen zurückzog.
Wichtiger, wie gesagt, war das zweite Ereignis. Preußen war durch Erbschaft in den Besitz der Herrschaft Herstal an der Maas, im Bezirke des Bistums Lüttich, gekommen. Herstal hatte sich unter König Friedrich Wilhelm empört und war von dem Bischofe von Lüttich, den nach dem Besitz desselben gelüstete, in Schutz genommen worden. Friedrich Wilhelm hatte vergebens versucht, die Angelegenheit auf gütlichem Wege beizulegen. Jetzt weigerte sich Herstal, ebenfalls unter dem Schutze des Bischofs, Friedrich den Huldigungseid zu leisten. Friedrich schickte deshalb von Wesel aus einen seiner höheren Staatsbeamten an den Bischof und ließ diesen dringend zu einer bestimmten Erklärung über sein Benehmen auffordern, indem er ihm zugleich die Folgen andeutete, denen er sich dadurch aussetzen dürfte. Die Erklärung blieb aus, und sofort rückten 1600 Mann preußischer Truppen in das Gebiet des Bischofs ein. Dieser wandte sich in seiner Not an alle benachbarten Fürsten, namentlich auch an den Kaiser. Der letztere schrieb nachdrücklich an Friedrich, daß er, statt sich eigenmächtig Recht zu verschaffen, seine Klage vor den Reichstag bringen solle. Aber Friedrich, der wohl wußte, wie wenig dadurch erreicht werde, rechtfertigte sich durch eine Gegenschrift und zog seine Truppen nicht zurück. Nun bequemte sich der Bischof zur Unterhandlung mit Friedrich, und schon am 20. Oktober kam ein Vertrag zustande, demzufolge Friedrich dem Bischofe die Herrschaft Herstal für eine bedeutende Geldsumme überließ. Die Entfernung der Lage Herstals von seinen übrigen Staaten mochte ihn vornehmlich zu diesem Verkaufe bewegen.
<129>So hatte Friedrich im Verlauf der ersten fünf Monate die Art und Weise seiner Regierung angekündigt. Aber die freie, selbständige Kraft, mit welcher er überall auftrat, dünkte seinen Zeitgenossen zu fremd, zu seltsam, als daß sie die Größe dieser Erscheinung schon jetzt zu würdigen vermocht hätten. Indes hatte die Stunde bereits geschlagen, die ihm eine leuchtendere Bahn aufschließen, die sein Bild auch dem blöderen Auge deutlich erkennbar machen sollte.
<130>VIERZEHNTES KAPITEL Ausbruch des Ersten schlesischen Krieges.
Unter den Aussichten auf mancherlei behaglichen Genuß hatte man den Herbst begonnen. Voltaire war, auf Friedrichs Einladung, nach Berlin gekommen; man konnte sich jetzt lebhafter und minder gestört, als bei jenem ersten flüchtigen Zusammentreffen, gegeneinander aussprechen. Neben Voltaire waren noch andere geistreiche Männer um Friedrich versammelt. Auch seine beiden Schwestern, die Markgräfinnen von Bayreuth und von Anspach, kamen zum Besuche. Wissenschaftlicher Verkehr, Konzerte, Festlichkeiten schienen eine längere Reihe von heiteren Tagen anzukündigen.
Da brachte ein Eilbote die Nachricht, daß Kaiser Karl VI. am 20. Oktober (1740) gestorben sei. Friedrich war eben in Rheinsberg, wo er sich von erneuten Fieberanfällen, die periodisch wiederkehrten, zu erholen suchte. Mit Gewalt schüttelte er das Fieber von sich und begann die Ausführung dessen, was er lange schon im Innern vorbereitet hatte. « Jetzt ist die Zeit da (so schrieb er in einem Billett an <131>Voltaire), wo das alte politische System eine gänzliche Änderung leiden kann; der Stein ist losgerissen, der auf Nebukadnezars Bild von viererlei Metallen rollen und sie alle zermalmen wird. »
Das Bild, das weiland König Nebukadnezar im Traume gesehen und das ihm der Prophet Daniel ausdeuten mußte, war aus Metallen stattlich erbauet, aber in den Füßen waren Eisen und Ton gemischt, so daß es dem Stoße nicht zu widerstehen vermochte. So war auch die österreichische Herrschaft beschaffen. Das große Reich war ohne innere Kraft; ein unglücklich geführter Türkenkrieg hatte in den letzten Jahren auch die letzten Hilfsmittel erschöpft. Prinz Eugen, lange Zeit die Stütze des Reiches, war gestorben, ohne daß seine Stelle durch einen andern hätte besetzt werden können. Karl VI. hatte es als die Aufgabe seines Lebens betrachtet, für das Erbfolgerecht seiner Tochter Maria Theresia die Gewährleistung aller bedeutenderen Mächte Europas zu erlangen; Eugens Rat, die pragmatische Sanktion lieber durch ein Heer von 180,000 Mann als durch ein flüchtiges Versprechen zu sichern, war unbeachtet geblieben. Preußen dagegen strebte in jugendlicher Frische empor. Oft zwar hatte man über König Friedrich Wilhelm gespottet, daß er unmäßige Kosten auf sein Kriegsheer verwendet und doch dasselbe seit geraumer Zeit in keine Schlacht geführt habe; aber das Dasein dieses Kriegsheeres ließ sich nicht wegleugnen, und es war geübt, wie kein zweites. Zugleich waren seine Provinzen blühend, die Einkünfte verhältnismäßig bedeutend, keine Schulden belasteten den Staat, im königlichen Schatze befanden sich bar nahe an neun Millionen Taler. Mit solchen Mitteln konnte ein kräftiger, männlicher Geist es wagen, selbständig in das Rad der Geschichte einzugreifen und seiner Größe, seinem inneren Berufe Anerkennung zu verschaffen.
Österreich hatte schon seit Jahrhunderten gegen den brandenburgisch-preußischen Staat eine fast mehr als zweideutige Rolle gespielt. Von den Verhältnissen zu Friedrich Wilhelm ist in der Jugendgeschichte seines Sohnes Erwähnung geschehen; seine Ansprüche auf Jülich und Berg waren von dem Kaiser zu gleicher Zeit anerkannt und denen anderer Prätendenten nachgesetzt worden. Friedrich hätte jetzt, auf seine Militärmacht gestützt, diese Ansprüche aufs neue geltend machen können; aber er sah die Größe der Gefahr, der er sich hiebei aussetzen mußte, zu wohl ein; er hätte zu viele Mitbewerber gegen sich gehabt, und er hätte sein ganzes Reich von Truppen entblößen müssen, um alle Macht auf diesem einen entlegenen Punkte zusammenzuziehen. Ungleich wichtiger waren andere Ansprüche, die Friedrich, und zwar mit entschiedenem Rechte, erheben durfte, die ihm, unter den gegenwärtigen Umständen, einen minder gefahrvollen Erwerb, seinem Staate einen glänzenderen Gewinn zu <132>sichern schienen. In Schlesien nämlich waren seinen früheren Vorfahren mehrere Fürstentümer — Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau, in den verschiedenen Teilen des Landes gelegen, — zu verschiedenen Zeiten erblich zugefallen; aber sie waren stets von dem kaiserlichen Hofe ungebührlicherweise zurückgehalten worden. Diese Angelegenheit hatte schon früher zu manchen Streitigkeiten geführt. Unter dem Großen Kurfürsten endlich, als man dessen Hilfe gegen die Türken bedurfte, hatte der österreichische Hof ein scheinbares Abkommen getroffen, indem an Brandenburg, statt jener Fürstentümer, ein, freilich viel kleinerer Teil, der schwiebusische Kreis, überlassen ward; zuvor aber hatte man den Sohn des Kurfürsten durch allerlei Vorspiegelungen dahin gebracht, daß dieser heimlich versprach, auch jenen Kreis nach seiner Thronbesteigung wieder an Österreich zurückzugeben. Als dieser nun — der nachmalige König Friedrich I. — zur Regierung kam und den Ministern sein heimliches Versprechen mitteilte, wurden ihm über die Ränke des kaiserlichen Hofes die Augen geöffnet. Zwar ward er in der Tat genötigt, sein Versprechen zu halten; aber er tat es mit den Worten, daß er es seinen Nachkommen überlasse, ihr Recht in Schlesien auszuführen. « Gibt es Gott und Zeit (so sprach er) nicht anders als jetzt, so müssen wir zufrieden sein; schickt es aber Gott anders, so werden meine Nachkommen schon wissen und erfahren, was sie desfalls dereinst zu tun und zu lassen haben. »
Friedrich wußte, was er zu tun habe. Der lebhafte Drang, der den jungen König zu ruhmvollen Taten trieb, hatte ein würdiges Ziel gefunden; unendliche Dauer der Reichsprozesse konnte hier nicht zum erwünschten Erfolge führen; die günstige Gelegenheit mußte schnell gefaßt, das Recht durch die Kraft vertreten werden.
Friedrich bedurfte keiner langen Vorbereitungen, um sich, zur Erwerbung seines Rechtes, auf einen kriegerischen Fuß zu setzen. Sein Plan ward nur wenigen Vertrauten mitgeteilt. Aber die ungewöhnlichen Bewegungen, die auch zu dieser kurzen Vorbereitung nötig waren, die Truppenmärsche, Artilleriezüge, die Einrichtung der Magazine und dergleichen gaben es kund, daß irgendein großes Unternehmen im Werke war. Alles ward von Staunen und von Neugier erfüllt; die verschiedensten Gerüchte brachte man in Umlauf; die Diplomaten sandten und empfingen Kuriere, ohne mit Bestimmtheit den Plan des Königs erraten zu können. Absichtlich hatte dieser einige Truppenmärsche so angeordnet, daß man vorerst eher an eine Rhein-Campagne, wegen Jülich und Berg, als an Schlesien dachte. Die verkehrten Meinungen, die im Publikum herüber- und hinüberwogten, machten ihm große Freude. « Schreib mir viel Possierliches (so heißt es in einem Briefe Friedrichs aus Ruppin <133>an Jordan), was man sagt, was man denkt und was man tut. Berlin soll jetzt aussehen wie Frau Bellona in Kindesnöten; hoffentlich wird sie ein hübsches Früchtchen zur Welt bringen, und ich durch irgend einige kühne und glückliche Unternehmungen das Vertrauen des Publikums gewinnen. Da wär ich denn endlich in einer der glücklichsten Lagen meines Lebens und in Konjunkturen, die einen sichern Grund zu meinem Ruhme legen können! »
Indes konnte es auf die Länge nicht verborgen bleiben, daß die preußischen Truppen sich an der schlesischen Grenze zusammenzogen. Der österreichische Hof ward durch seinen Gesandten in Berlin von der Gefahr benachrichtigt; der Staatsrat der Maria Theresia schrieb aber zurück, daß er diesen Nachrichten Glauben weder beimessen wolle noch könne. Doch ward noch ein zweiter Gesandter, der Marquis Botta, von Wien nach Berlin geschickt, die preußischen Unternehmungen genauer zu erforschen. Diesem ward der Plan des Königs bald deutlich genug. Bei seiner Antrittsaudienz nahm er Gelegenheit, zu Friedrich mit Nachdruck von den Ungemächlichkeiten der Reise, die er soeben gemacht, zu sprechen, besonders von den schlechten Wegen in Schlesien, die gegenwärtig durch Überschwemmungen so verdorben seien, daß man nicht durchkommen könne. Friedrich durchschaute die Absicht des Gesandten, hatte indes noch nicht Lust, sich näher zu erklären; er erwiderte trocken, das Schlimmste, was einem auf solchen Wegen begegnen könne, sei, sich zu beschmutzen.
Im Dezember war alles zum Beginn des Unternehmens bereit. Der Plan, Schlesien zu besetzen, hörte jetzt auf, ein Geheimnis zu sein. Friedrich schickte einen Gesandten, den Grafen Gotter, nach Wien, um dem österreichischen Hofe seine Ansprüche auf Schlesien und die Anerbietungen, zu denen er sich bei deren Gewährleistung verpflichten wolle, vorzulegen. Er selbst gab, ehe er zu seinen Truppen abging, dem Marquis Botta noch eine Abschiedsaudienz, in welcher er nunmehr auch diesen von seinem Plane unterrichtete. « Sire », rief Botta aus, « Sie werden das Haus <134>Österreich zugrunde richten und stürzen sich selbst zugleich in den Abgrund! » Friedrich erwiderte, daß es nur von Maria Theresia abhängen werde, die ihr gemachten Vorschläge anzunehmen. Nach einer Pause fing Botta mit ironischem Tone wieder an: « Ihre Truppen sind schön, Sire, das gestehe ich. Unsre haben diesen Anschein nicht, aber sie haben vor dem Schuß gestanden. Bedenken Sie, ich beschwöre Sie, was Sie tun wollen. » Der König ward ungeduldig, und versetzte lebhaft: « Sie finden meine Truppen schön: bald werden Sie bekennen, daß sie auch gut sind! » Andere Vorstellungen, welche der Gesandte noch versuchte, brach Friedrich mit dem Bemerken ab, es sei zu spät, der Schritt über den Rubikon sei schon getan.
Ehe Friedrich aufbrach, berief er noch einmal seine Offiziere zu sich und nahm von ihnen mit folgenden Worten Abschied: « Ich unternehme einen Krieg, meine <135>Herren, worin ich keine anderen Bundesgenossen habe, als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Meine Sache ist gerecht, und meinen Beistand suche ich bei dem Glücke. Erinnern Sie sich beständig des Ruhmes, den Ihre Vorfahren sich erwarben in den Schlachtfeldern von Warschau, von Fehrbellin und auf dem preußischen Zuge (den berühmtesten Siegen des Großen Kurfürsten). Ihr Schicksal ist in Ihren eignen Händen; Ehrenzeichen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie sie durch glänzende Taten verdienen. Aber ich habe nicht nötig, Sie zum Ruhme anzufeuern, nur er steht Ihnen vor Augen, nur er ist ein würdiger Gegenstand für Ihre Bemühungen. Wir werden Truppen angreifen, die unter dem Prinzen Eugen den größten Ruf hatten. Zwar ist dieser Prinz nicht mehr; aber unser Ruhm wird beim Siege nicht minder groß sein, da wir uns mit so braven Soldaten werden zu messen haben. Leben Sie wohl! Reisen Sie ab! Ohne Verzug folge ich Ihnen zu dem Sammelplatze des Ruhmes, der unsrer wartet. »
Am 13. Dezember war ein großer Maskenball im königlichen Schlosse. Während die Geigen und Trompeten lustige Tanzmelodien erklingen ließen und die Masken bunt durcheinanderwirbelten, ward alles zur Abreise des Königs zurechtgemacht. Unbemerkt verließ er die Residenz und eilte der schlesischen Grenze zu. Am 14. traf er in Crossen, nahe an der Grenze, ein. An demselben Tage zerbrach in der Hauptkirche von Crossen der Glockenstuhl, und die Glocke fiel zur Erde. Das machte die Soldaten des Königs bang, denn man hielt es für ein böses Zeichen. Friedrich aber wußte dem Vorfall eine günstigere Prophezeiung abzugewinnen; er hieß die Seinen gutes Mutes sein: das Hohe, so deutete er den Sturz der Glocke, werde erniedrigt werden. Österreich aber war natürlich, im Verhältnis zu Preußen, das Hohe, und so gewannen die, welche eben gezagt hatten, neue Zuversicht auf siegreichen Erfolg.
Am 16. Dezember betrat Friedrich den schlesischen Boden. An der Grenze fand er zwei Abgesandte, welche der protestantische Teil der Einwohnerschaft der festen Stadt Glogau ihm entgegengeschickt hatte. Sie baten ihn, falls er zur Belagerung von Glogau schreite, so möge er die Gnade haben, den Angriff nicht von derjenigen Seite der Stadt zu machen, auf welcher sich die protestantische Kirche befinde. Diese Kirche stand nämlich außerhalb der Festungswerke, und der Kommandant von Glogau, Graf Wallis, beabsichtigte, dieselbe, sowie er es bereits mit einigen anderen Gebäuden getan hatte, niederbrennen zu lassen, damit Friedrich nicht auf sie einen Angriff stützen könne. Friedrich hatte seinen Wagen halten lassen, als die beiden Abgeordneten ihre Bitte vortrugen. « Ihr seid die ersten Schlesier », so gab er ihnen zur Antwort, « die mich um eine Gnade bitten, sie soll euch auch gewährt <136>werden. » Unverzüglich ward ein reitender Bote an den Grafen Wallis abgefertigt mit dem Versprechen, ihn nicht von jener Seite anzugreifen; und die Kirche blieb verschont.
Das preußische Heer fand keine feindlichen Armeen vor sich; die schwache Besatzung des Landes reichte nur eben hin, um die wenigen Hauptfestungen zu decken. Aus Österreich konnte so schleunig keine bedeutendere Hilfe gesandt werden. Die Staffetten und Kuriere, welche das in Breslau befindliche Oberamt bei der herannahenden Gefahr nach Wien schickte, die immer dringenderen Bitten um Hilfe waren umsonst. Die letzte Resolution, welche von Wien aus erfolgte, lautete dahin, daß man die Staffettengelder sparen und sich von der Furcht nicht allzusehr einnehmen lassen solle.
So standen dem Einmarsch und der Besitznahme von seiten der Preußen keine sonderlichen Hindernisse weiter entgegen als das schlechte Wetter und die bösen Wege, von denen Marquis Botta dem Könige in der Tat nicht viel Falsches gemeldet hatte. Aber die Soldaten behielten guten Mut, und Friedrich ließ es sich, durch mannigfache Belohnung, angelegen sein, sie in dieser Stimmung zu bestärken. An die Bewohner Schlesiens wurden Manifeste ausgeteilt, welche den Einwohnern alle ihre Besitzungen, Rechte und Freiheiten bestätigten, die strengste Kriegszucht für das einmarschierende Heer verhießen, und die Absicht des Königs, sich seiner Rechte nur gegen die etwaigen Einsprüche eines Dritten zu versichern, auseinandersetzten. Diese Erklärungen, besonders die treffliche Kriegszucht, die in der Tat beobachtet <137>ward, noch mehr aber die Hoffnungen der protestantischen Bewohner Schlesiens, die in Friedrich ihren Erretter von mannigfachem Drucke sahen, machten ihm viele Herzen des Volkes geneigt. Die Protestationen, die von Seiten der österreichischen Regierung erfolgten, fruchteten dagegen wenig.
Zu Anfange freilich konnte man in Schlesien noch nicht wissen, wie man sich zwischen der althergebrachten und der neugeforderten Untertanenpflicht zu benehmen habe. Indes fehlte es schon dem Bürgermeister und Rat von Grüneberg — dem ersten bedeutenderen Orte Schlesiens, auf den die preußische Armee stieß — nicht an einem schlau ersonnenen Auskunftsmittel. Die Preußen fanden nämlich die Tore der Stadt gesperrt. Ein Offizier ward abgeschickt, sie im Namen des Königs zur Übergabe aufzufordern; man führte ihn auf das Rathaus, wo Bürgermeister und Rat in feierlicher Amtstracht versammelt waren. Der Offizier verlangte von dem Bürgermeister die Schlüssel zu den Stadttoren. Jener entschuldigte sich nachdrücklichst: er könne und dürfe die Schlüssel nicht geben. Der Offizier drohte nun, daß man die Tore sprengen und daß man mit der Stadt, wenn sie sich den gnädigen Anerbietungen des Königs widersetze, übel verfahren werde. Der Bürgermeister zuckte mit den Achseln. Hier auf dem Ratstische, entgegnete er, liegen die Schlüssel; aber ich werde sie Ihnen unter keinen Umständen geben. Wollen Sie sie selbst nehmen, so kann ich's freilich nicht hindern. Der Offizier lachte, nahm die Schlüssel und ließ die Tore öffnen. Als die Truppen eingerückt waren, ward dem Bürgermeister von <138>Seiten des preußischen Generals bedeutet, er möge, dem Kriegsgebrauche gemäß, die Schlüssel wieder abholen lassen. Der Bürgermeister weigerte sich indes ebenso wie vorhin. « Ich habe die Schlüssel nicht weggegeben », sagte er. « ich werde sie daher auch nicht holen oder annehmen. Will aber der Herr General sie wieder auf die Stelle, von der sie weggenommen worden, hinlegen oder hinlegen lassen, so kann ich freilich nichts dagegen haben. » — Der General meldete diesen Vorfall dem Könige, zu dessen großem Ergötzen. Auf Friedrichs Befehl wurden die Schlüssel durch ein Kommando des Regiments unter Musik und Trommelschlag nach dem Rathause zurückgebracht.
Die erste Festung, deren Besatzung den Preußen ein Hindernis in den Weg legte, war Glogau. Die Verteidigungswerke waren in keinem sonderlichen Zustande, doch hatte der Kommandant in der Eile einige Vorkehrungen zu seiner Sicherung getroffen. Friedrich ließ, um seine Armee in ihrem Zuge nicht auszuhalten und da überdies die ungünstige Jahreszeit eine regelmäßige Belagerung untersagte, nur ein Corps zurück, welches die Besatzung einzuschließen hinreichte, und setzte seinen Marsch gegen Breslau fort.
Breslau erfreute sich damals einer freien, fast republikanischen Verfassung; die Stadt war von dem Besatzungsrechte ausgenommen. Als ein österreichisches Corps einrücken sollte, geriet die Bürgerschaft in Bewegung; der Unwille erhöhte sich, als es in Vorschlag gebracht ward, die Vorstädte abzubrennen. Die Bürger beschlossen, ihre Wälle allein zu verteidigen. Aber schon hatten sich, schneller als man es vermutet, die Preußen der Vorstädte bemächtigt und die Stadt eingeschlossen; drinnen war man ohne hinlänglichen Vorrat von Lebensmitteln; die zugefrorenen Stadtgräben ließen einen Sturm und in Folge dessen Plünderung befürchten. So ward man zu Unterhandlungen geneigt; beschleunigt wurden dieselben durch den protestantischen Teil des Volkes, der, durch einen enthusiastischen Schuhmacher aufgewiegelt, den Magistrat zum raschen Entschlüsse trieb. Friedrich bewilligte der Stadt eine Neutralität; sie mußte ihm die Tore öffnen, sollte aber von Besatzung verschont bleiben. Des österreichischen Oberamtes war jedoch in diesem Vergleiche nicht gedacht worden; Friedrich verabschiedete, sobald er die Stadt betreten hatte, alle dazu gehörigen Personen.
Am dritten Januar (1741) hielt Friedrich in Breslau seinen feierlichen Einzug. Den Zug eröffneten die königlichen Wagen und Maultiere, letztere mit Cymbeln und mit Decken von blauem Sammet, eingefaßt von goldnen Borten und mit Adlern gestickt. Dann folgte eine Schar von Gensdarmen und auf diese der königliche Staatswagen, der mit gelbem Sammet ausgeschlagen war und in dem als das <139>Symbol der königlichen Macht, ein prächtiger blausamtener, mit Hermelin gefütterter Mantel lag. Hinter dem Wagen ritten die Prinzen, Markgrafen und Grafen aus Friedrichs Heer, und endlich folgte der König selbst mit einem kleinen Gefolge. Er wurde durch den Stadtmajor eingeführt. Der Zudrang des Volkes war außerordentlich; nach allen Seiten hin grüßte und dankte der König mit stetem Abnehmen des Hutes. Zu der königlichen Tafel wurden die Deputierten des Rates und der Adel gezogen. Nach der Tafel ritt Friedrich durch die Stadt. Als er an den prächtigen Palast kam, der von den Jesuiten aufgeführt ward, bemerkte er, daß es dem Kaiser wohl habe an Geld fehlen müssen, da seine Geistlichkeit das Geld zu solchen Anlagen verbrauche.
Zwei Tage darauf war großer Ball, den Friedrich selbst mit einer der vornehmsten Damen Schlesiens eröffnete. Bald aber verlor er sich aus den Reihen der Tanzenden und eilte unverzüglich seinen Truppen nach, die wieder schon weiter vorgedrungen waren. Ohlau und Namslau wurden rasch eingenommen; Brieg, eine Festung, wurde wie Glogau eingeschlossen, Ottmachau, in Oberschlesien, erobert. Von wichtigen Punkten war nur noch Neiße, die bedeutendste Festung Schlesiens, übrig. Hier wurden die Hauptkräfte des königlichen Heeres zusammengezogen.
<140>Diese raschen Erfolge, die Eroberung eines reichen Landes fast ohne Schwertschlag, versetzten Friedrich in die behaglichste Stimmung; sie schienen ihm die glücklichste Zukunft zu versprechen. Die Briefe, die er in dieser Zeit an seinen Freund Jordan schrieb, atmen eine seltne Heiterkeit und Laune, wie denn überhaupt sein ganzer Briefwechsel mit Jordan, der vornehmlich die Zeit des Ersten schlesischen Krieges ausfüllt, zu dem Anmutvollsten gehört, was Friedrich geschrieben hat. Es spricht sich darin überall die innigste Zärtlichkeit aus, die aber durch eine leisere oder schärfere Ironie über die friedlichen Tugenden des Freundes stets eine eigentümliche Würze erhält. So sandte er ihm aus Ottmachau folgendes fröhliche Schreiben: « Mein lieber Herr Jordan, mein süßer Herr Jordan, mein sanfter Herr Jordan, mein guter, mein milder, mein friedliebender, mein allerleutseligster Herr Jordan! Ich melde Deiner Heiterkeit, daß Schlesien so gut als erobert ist und daß Neiße schon bombardiert wird; ich bereite Dich auf wichtige Projekte vor und kündige Dir das größte Glück an, das Fortunens Schoß jemals geboren hat. Das mag Dir für jetzt genug sein. Sei mein Cicero bei der Verteidigung meiner Sache: in ihrer Ausführung will ich Dein Cäsar sein. Leb wohl. Du weißt selbst, ob ich nicht mit der herzlichsten Liebe bin — Dein treuer Freund. »
Ein paar Tage darauf schrieb er an denselben: « Ich habe die Ehre, Ew. Menschenfreundlichkeit zu melden, daß wir auf gut christlich Anstalten treffen, Neiße zu bombardieren, und daß wir die Stadt, wenn sie sich nicht mit gutem Willen ergibt, notgedrungen werden in den Grund schießen müssen. Übrigens geht es mit uns so gut, als nur immer möglich, und Du wirst bald gar nichts mehr von uns hören; denn in zehn Tagen wird alles vorbei sein, und in vierzehn etwa werde ich das Vergnügen haben, Dich wieder zu sehen und zu sprechen. » Der Schluß dieses Briefes lautet: « Leben Sie wohl, Herr Rat! Vertreiben Sie sich die Zeit mit dem Horaz, studieren Sie den Pausanias und erheitern Sie sich dann mit dem Anakreon: was mich betrifft, ich habe zu meinem Vergnügen nichts weiter als Schießscharten, Faschinen und Schanzkörbe. Übrigens bitte ich Gott, er wolle mir bald eine angenehmere und friedlichere Beschäftigung, und Ihnen Gesundheit, Vergnügen und alles geben, was Ihr Herz nur wünscht. »
Die Eroberung von Neiße erfolgte indes für jetzt nicht. Die Festung hielt das Bombardement aus, und ein Sturm war durch die umsichtigen Anstalten des Kommandanten unmöglich gemacht. Die Werke waren in guten Stand gesetzt, die Vorstädte mit all ihren schönen Gebäuden und Gärten abgebrannt, die gefrornen Gräben wurden alle Morgen aufgeeiset und die Wälle mit Wasser begossen, welches letztere augenblicklich die Gestalt einer unersteiglichen gläsernen Mauer annahm. Da <141>die Jahreszeit eine förmliche Belagerung unmöglich machte, auch die preußischen Truppen durch die anstrengenden Wintermärsche erschöpft waren, so mußte Friedrich diese Unternehmung aufgeben. Gleichzeitig aber waren die übrigen Teile seines Heeres durch ganz Oberschlesien, bis Jablunka an der ungarischen Grenze, vorgedrungen. Die österreichischen Truppen, die spät zur Verteidigung des Landes erschienen waren, hatten sich, zu schwach zum Widerstande, nach Mähren zurückgezogen, und die Preußen konnten nun eine kurze Erholung in den Winterquartieren suchen. Am 26. Januar war Friedrich bereits nach Berlin zurückgekehrt.
<142>FÜNFZEHNTES KAPITEL Feldzug des Jahres 1741.
Wie ein Lauffeuer war die Nachricht von dem unvermuteten Einfall in Schlesien durch ganz Europa geflogen; alles war von Erstaunen über die Kühnheit des jungen Königs, der seine kleine Macht zum Kampf gegen das große Österreich führte, ergriffen; einige tadelten sein Unternehmen mild als eine Unbesonnenheit; andere erklärten es für ein ganz tollkühnes Beginnen. Der englische Minister in Wien behauptete, Friedrich verdiene in den politischen Bann getan zu werden. Denn wohl sah man ein, daß hiedurch der Friede, der seit kurzem in Europa zurückgekehrt war, auf geraume Zeit unterbrochen bleiben dürfte, daß nun auch andere Mächte auftreten würden, Ansprüche an die Erbschaft Karls VI. zu machen, und daß die pragmatische Sanktion nur ein schwaches Band sei. Wirklich machte bereits der Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, der übrigens jene Sanktion nicht anerkannt hatte, Ansprüche auf das Erbe des Kaisers; auch strebte er selbst nach der Kaiserkrone; für jetzt indes fehlte es ihm an Mitteln, sich geltend zu machen. Größere Gefahr war von Frankreich zu befürchten, indem man leicht voraussetzen konnte, daß dasselbe seinen alten Kampf mit Österreich bei günstiger Gelegenheit gewiß wieder aufnehmen würde.
<143>Graf Gotter hatte indes Friedrichs Forderungen und Anträge nach Wien gebracht. Er bot Friedrichs Freundschaft, sein Heer, seine Geldmittel zum Schutze der Kaisertochter, seine Stimme für die Wahl ihres Gemahls, des Herzogs Franz von Lothringen, zum Kaiser; aber er verlangte dagegen ganz Schlesien. Solche Forderung fand kein geneigtes Gehör; eine der besten Provinzen des Staates für zweideutige Vorteile wegzugeben, schien allzu töricht. Die Kammerherren zu Wien bemerkten spottend, einem Fürsten, dessen Amt als Reichs-Erzkämmerer es sei, dem Kaiser das Waschbecken vorzuhalten, komme es nicht zu, der Tochter des Kaisers Gesetze vorzuschreiben. Doch ward weiter unterhandelt. Jene Forderung von ganz Schlesien war vielleicht nur in kaufmännischem Sinne gemeint gewesen; je weiter Friedrich in Schlesien vorschritt, um so mehr ließ er in der Forderung nach; bald verlangte er sogar weniger, als ihm zufolge seiner rechtlich ausgeführten Ansprüche zukam, aber alles war umsonst. England, gegenwärtig in nah befreundetem Verhältnis zu Österreich, bemühte sich aufs eifrigste, den österreichischen Hof zur Nachgiebigkeit zu bewegen; aber Maria Theresia sowohl als ihre Minister wollten auf keine Abtretung eingehen, solange Friedrich bewaffnet in Schlesien stehe. wolle er das Land räumen, so bot man ihm Vergessenheit des Geschehenen und das Versprechen, nicht auf Schadenersatz zu bestehen. So zerschlugen sich die Unterhandlungen bald.
Friedrich hatte dafür gesorgt, daß für die protestantischen Bewohner Schlesiens einige dreißig Prediger angestellt wurden. Dies erweckte beim Papst ängstliche Sorge, und er rief die katholischen Mächte zum Schutze gegen den ketzerischen « Markgrafen von Brandenburg » auf. Friedrich aber erließ eine Gegenerklärung, worin er Jedermann in seinen Staaten, und namentlich auch in Schlesien, bei seinem Glauben zu schützen versprach. Dies wirkte zur Beruhigung der besorgten Gemüter, und der Ruf des Papstes verhallte ungehört. Zugleich hatte Friedrich sich den russischen Hof günstig zu stimmen gewußt, und auch Frankreich äußerte sich gegen ihn auf eine verbindliche Weise. Nur England (Hannover) und Sachsen verbanden sich mit Österreich. Aber beide Staaten waren ungerüstet, und eine gegen ihre Grenzen aufgestellte Beobachtungsarmee unter dem alten Fürsten von Dessau hielt sie von ernstlichen Schritten zurück.
Gegen Ende Februar hatte sich die österreichische Heeresmacht, unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls Grafen Neipperg in Mähren gesammelt und rückte gegen Schlesien vor. Ein Teil der Truppen ward abgesandt, die Grafschaft Glatz zu decken. Die Vorbereitungen zum entscheidenden Kampfe begannen.
Gleichzeitig traf Friedrich wieder in Schlesien ein. Seine Absicht war, zunächst die Quartiere seiner Truppen zu bereisen und sich nähere Kenntnis vom Lande zu <144>verschaffen. So besuchte er am 27. Februar die Posten, welche an dem Gebirgsrücken, der Schlesien von der Grafschaft Glatz scheidet, aufgestellt waren. Er war ohne bedeutendes Gefolge, und fast hätte seine Unvorsichtigkeit ihm ein schlimmes Schicksal bereitet. Schon öfters waren Trupps österreichischer Husaren durch die preußischen Posten geschlichen und hatten kleine Streifereien versucht. Jetzt hatten sie durch Spione die Anwesenheit des Königs erfahren; konnten sie sich seiner durch einen kühnen Schlag bemächtigen, so war der Krieg schon im Beginnen erstickt. Aber der ausgesandte Trupp verfehlte den König und stieß statt seiner auf eine Schar von Dragonern. Die letzteren erlitten eine bedeutende Niederlage, doch mußten die Österreicher heimkehren, ohne ihre Absicht erfüllt zu haben. Friedrich hatte das Schießen gehört und schnell einige Truppen gesammelt, um den Dragonern zu Hülfe zu eilen; er kam indes zu spät.
Am 9. März wurde die Festung Glogau unter Anführung des Prinzen Leopold von Dessau durch einen schnellen, wohlberechneten Sturm eingenommen. Die Besatzung wurde zu Kriegsgefangenen gemacht. Unmittelbar darauf wurde mit Verbesserung der Festungswerke begonnen.
Jetzt sollten auch die Angriffe auf die beiden andern Festungen, die noch in österreichischen Händen waren, zunächst auf Neiße in Oberschlesien, unternommen werden. Friedrich begab sich in die oberschlesischen Quartiere, wo der Feldmarschall Schwerin, einer der erfahrensten Feldherren der preußischen Armee, der in den niederländischen Kriegen unter Eugen und Marlborough seine Schule gemacht hatte, stand. In Jägerndorf, acht Meilen jenseit Neiße, erfuhr man zuerst durch Überläufer, daß die große österreichische Armee unter Neipperg ganz in der Nähe stand und daß Neipperg den Entsatz von Neiße beabsichtige. Augenblicklich ward nun beschlossen, die zerstreuten Truppen zusammenzuziehen. Die oberschlesischen Regimenter wurden nach Jägerndorf berufen; mit den niederschlesischen wollte man am Neißefluß zusammenstoßen. Gleichzeitig mit Friedrich und in nicht gar bedeutender Entfernung von ihm setzte sich aber auch die österreichische Armee in Bewegung; sie erreichte Neiße, ehe es von den Preußen gehindert werden konnte; sie vereitelte selbst die Verbindung des Königs mit den niederschlesischen Truppen an der bezeichneten Stelle. Friedlich sah sich also genötigt, weiter nördlich zu rücken, um den nächsten Übergangspunkt über den Fluh zu gewinnen. Aber wiederum waren die Österreicher gleichzeitig in ähnlicher Richtung zu seiner Linken vorgerückt, und Überläufer zeigten Friedrich an, daß es auf Ohlau abgesehen sei, wo das daselbst niedergelegte preußische Geschütz eine wichtige Beute gewesen wäre. So war Friedrichs Lage plötzlich sehr bedenklich geworden; er war von dem größeren Teile seiner Truppenmacht, von der Verbindung <145>mit seinen Staaten abgeschnitten, wichtige Punkte Schlesiens waren teils in sicherem Besitz der Feinde, teils in der Gefahr, bald genommen zu werden. Die Verwirrung zu vermehren, fiel dichter Schnee, so daß man kaum um sich sehen und in dem überdeckten Boden nur mühsam fortschreiten konnte. Aber auch die Österreicher hatten ihren Marsch unternommen, ohne von des Königs Nähe zu wissen.
Eine Schlacht war jetzt für Friedrich ein dringendes Erfordernis, — eine Schlacht, in welcher das Exerzitium der Preußischen Armee, die taktischen Studien ihrer Führer zum ersten Mal gründliche Anwendung finden sollten, deren Folgen zugleich für den ganzen Verlauf des Krieges von höchster Wichtigkeit sein mußten. Das Glück begünstigte den Beginn. Die Sonne ging am 10. April klar und heiter auf; der Boden, zwar noch immer hoch mit Schnee bedeckt, bot wenigstens keine weiteren Hindernisse dar. Die preußischen Truppen machten sich in kriegerischer Ordnung marschfertig, in der Richtung, in welcher die Österreicher vor ihnen hingezogen waren. Durch Gefangene erfuhr man, daß das Zentrum der österreichischen Armee in dem Dorfe Mollwitz, unfern der Festung Brieg, kantonniere. Um Mittag hatte man Mollwitz erreicht, ohne daß die Österreicher die Annäherung wahrgenommen hätten. Hier stellte sich die preußische Armee nach hergebrachter Weise in Schlachtordnung auf, bis endlich der Feind aus dem Dorfe hervorrückte. Man hätte ihn überfallen können, aber noch folgte man dem alten schulmäßigen System, dessen Unzweckmäßigkeit erst erprobt werden mußte. Unter dem lebhaften Feuer der preußischen Artillerie rückten die Österreicher ins Feld. Der linke Flügel der trefflichen österreichischen Kavallerie, unter dem General Römer, kam zuerst an. Dieser erkannte die Gefahr, die bei längerem Zögern drohte; seine Regimenter verlangten dringend, aus dem Kugelregen, dem sie ausgesetzt waren, gegen die Preußen geführt zu werden. So warf er sich mit schnellem Angriff auf die preußische Kavallerie des rechten Flügels, die, minder beweglich und in momentan ungünstiger Stellung, dem Angriff nicht Stand zu halten vermochte. Sie stürzte zwischen die Reihen der eignen Infanterie zurück und die Österreicher mit ihnen. Die Verwirrung bei diesem ersten unvorhergesehenen Anfall war groß. Friedrich selbst, der sich auf dem rechten Flügel befand und die Fliehenden aufzuhalten suchte, ward in dem Getümmel fortgerissen, Es gelang ihm. einige Schwadronen zu sammeln. Mit dem Rufe: « Ihr Brüder, Preußens Ehre! eures Königs Leben! » führte er sie aufs Neue dem Feinde entgegen. Aber auch diese Schar war bald wieder auseinandergesprengt. Alles schoß durcheinander, ohne zu wissen, ob auf Feinde oder Freunde.
Fast schien die Schlacht bereits verloren. Friedrich war zum Feldmarschall Schwerin geritten, der auf dem linken Flügel hielt. Dieser machte ihn mit Nach<146>druck, obgleich der Verlust der Schlacht noch so wenig wie der Gewinn entschieden sei, auf die große Gefahr aufmerksam, welcher an diesem Orte, abgeschnitten von den übrigen Teilen seiner Armee, sein ganzes Geschick aussetze. Wolle er die Schlacht verlassen, gelinge es ihm, das jenseitige Oderufer zu gewinnen und ein bedeutenderes Korps, mit dem man sich vergebens zu vereinigen gehofft, zu erreichen, so könne er in jedem Fall den größten Nutzen herbeiführen. Er, Schwerin, werde unterdessen alles mögliche für den Gewinn der Schlacht tun. Friedrich war unentschlossen. Aber die Österreicher drangen aufs neue lebhaft vor, und so befolgte er endlich, obschon mit schwerem Herzen, den Rat des erfahrenen Feldherrn.
Um über die Oder zu gelangen, mußte Friedrich den Weg nach dem entlegenen Oppeln einschlagen, wo er eins seiner Regimenter vermutete. Nur mit geringer Bedeckung machte er sich auf den Weg. Ein Korps Gendarmen folgte ihm nach, aber er ritt so scharf, daß sie ihn nicht zu erreichen vermochten. Mitten in der Nacht kam er mit seinem kleinen Gefolge an das Tor von Oppeln; man fand es verschlossen. Auf den Wer-da-Ruf der Wache gab man die Antwort: Preußischer Kurier! — aber das Tor ward nicht geöffnet. Die Sache schien bedenklich. Friedrich befahl, daß einige absteigen und näher nachfragen sollten, weshalb die Stadt verschlossen bliebe. Sowie diese sich näherten, erfolgten Flintenschüsse durch das Gattertor; — die Stadt war von einem Trupp österreichischer Husaren besetzt. Eilig wandte man nun die Pferde und jagte den Weg zurück. Mit Tagesanbruch kam Friedrich nach Löwen, einem Städtchen in der Mitte zwischen Mollwitz und Oppeln. Hier fand er die Gendarmen, die ihm am vorigen Abende gefolgt waren; außer diesen aber auch einen Adjutanten, der ihm die Nachricht von der siegreichen Beendigung der Mollwitzer Schlacht brachte. Unmittelbar von Löwen begab sich <147>Friedrich nun auf das Schlachtfeld zurück, so daß er in einem Ritte vierzehn Meilen zurückgelegt hatte. Die Tüchtigkeit und Präzision, der Mut, die unerschütterliche Standhaftigkeit seiner Infanterie, als diese erst Raum fand, ihre Kräfte zu entwickeln, hatte den Österreichern den Sieg entrissen. Neipperg hatte sich mit bedeutendem Verluste, in der Richtung nach Neiße, zurückgezogen; den geschlagenen Feind zu verfolgen und zu vernichten hinderte teils die einbrechende Nacht, teils konnte man nicht zu einem übereinstimmenden Entschlusse kommen.
Friedrich hat nachmals, als er die Geschichte seiner Zeit schrieb, ein strenges Urteil über seine erste kriegerische Tätigkeit gefällt; er zählt alle Fehler auf, die er vor und während der Schlacht von Mollwitz begangen. Aber er bemerkt auch zum Schlusse seiner Kritik, daß er reifliche Überlegungen über alle von ihm begangenen Fehler angestellt und sie in der Folge zu vermeiden gesucht habe. Und in der Tat, er hat sie vermieden!
Der nächste Erfolg des Sieges war, daß man jetzt ungestört die Belagerung von Brieg unternehmen konnte. Die Besatzung kapitulierte in kurzer Frist. Dann ward in Strehlen, wo die Armee ganz Niederschlesien deckte, ein Lager aufgeschlagen. Zwei Monate, die man hier in Ruhe zubrachte, benutzte Friedrich dazu, seine Armee wieder zu vervollständigen und seiner Kavallerie durch fleißige Exerzitien eine größere Schnelligkeit und Beweglichkeit zu geben.
<148>Ungleich wichtiger jedoch, als jener äußere Gewinn, den Friedrich durch die Schlacht von Mollwitz erwarb, waren die moralischen Folgen derselben. Man sah, daß die Truppen, die aus der Schule Eugens herstammten, nicht unüberwindlich seien, und daß die preußische Armee, die bis dahin nur die Künste des Exerzierplatzes gekannt, auch im Feuer standzuhalten wisse. Man glaubte schon den Koloß der österreichischen Monarchie zusammenstürzen und im preußischen Staate ein neues Gestirn am politischen Horizonte aufsteigen zu sehen. In der Tat hatte Friedrich durch diesen einen Schlag ein bedeutendes Gewicht in den europäischen Angelegenheiten erlangt. Aus Frankreich, England und Spanien, aus Schweden und Dänemark, aus Rußland, Österreich, Bayern und Sachsen eilten Gesandte in sein Lager, das nunmehr der Schauplatz eines folgereichen politischen Kongresses ward. Frankreich zunächst bemühte sich, da England auf Österreichs Seite stand, um die Gunst des preußischen Königs. Mit Bayern hatte Frankreich bereits ein Bündnis (zu Nymphenburg) geschlossen, worin dem Kurfürsten Karl Albrecht Unterstützung in seinen Ansprüchen auf Österreich und in der Wahl zum Kaiser versprochen war; jetzt schlug man auch Friedrich vor, an diesem Bündnisse teilzunehmen, wogegen ihm Gewährleistung für den Besitz von Niederschlesien verheißen ward. Friedrich zögerte mit seinem Beitritt, indem er vielleicht hoffte, daß Österreich nach jener Niederlage auf seine noch immer sehr gemäßigten Forderungen eingehen würde. Aber diese Hoffnungen blieben unerfüllt; im Gegenteil schien eine mächtige Verbindung zur Verteidigung der österreichischen Interessen zustande zu kommen. Zu den hannöverschen Truppen, die schon seit dem April im Lager standen, gesellten sich, in englischem Solde, dänische und hessische Regimenter; Sachsen rüstete sich, um auch seine Truppen mit ihnen zu vereinigen; russische Truppen sammelten sich in Livland. Jetzt schien eine längere Zögerung gefährlich, und so trat Friedrich, am 5. Juli, dem Nymphenburger Bündnis bei.
Das Bündnis Friedrichs mit Frankreich war geheimgehalten worden, bis die Militärmacht des letzteren Staates schlagfertig dastand. Dem österreichischen Hofe kam dasselbe, als es bekannt ward, gänzlich unerwartet; denn auch jetzt noch hatte man sich nicht zu überzeugen vermocht, daß Friedrich zu handeln verstehe. Der englische Gesandte in Wien, der dem dortigen Ministerrat beiwohnte, berichtet, daß die Minister bei der Kunde jenes Bündnisses in ihre Stühle zurückgesunken seien, als hätte sie der Schlag gerührt. Bald vernahm man auch, daß zwei französische Armeen in Deutschland eingerückt seien, — die eine im Süden zur Unterstützung des Kurfürsten von Bayern, die andere im Norden, um England in Schach zu halten, — und daß auf russische Hilfe nicht zu rechnen sei, da dies plötzlich in einen <149>Krieg mit Schweden verwickelt war. Jetzt entschloß sich Maria Theresia, die bis dahin zu keiner Nachgiebigkeit gegen Friedrich zu bewegen war, endlich zu einer Art von Unterhandlung. Der englische Gesandte aus Wien ward in Friedrichs Lager geschickt und bot ihm, — für alle seine Ansprüche in Schlesien, zwei Millionen Gulden und eine Entschädigung in dem ferngelegenen Geldern.
Friedrich stellt, in der Geschichte seiner Zeit, den Gang dieser letzteren Unterhandlung mit großer Laune dar. Der englische Gesandte war ein Enthusiast für Maria Theresia, die freilich durch ihre persönliche Liebenswürdigkeit zu fesseln wußte; seine geringfügigen Anerbietungen wurden im größten Pathos vorgetragen; er glaubte, daß der König sich glücklich schätzen werde, so leichten Kaufes davonzukommen. Aber Friedrich hatte dazu wenig Lust, und das sonderbare Benehmen des Gesandten reizte ihn, in gleichem Stile zu antworten. Seine Gegenrede überbot das Pathos des Engländers gewaltig. Er fragte ihn, wie er, der König, nach einem so schimpflichen Vergleiche seiner Armee wieder unter die Augentreten könne, wie er es verantworten dürfe, seine neuen Untertanen, namentlich die Protestanten Schlesiens, aufs neue der katholischen Tyrannei zu überliefern. « Wäre ich (fuhr er mit erhöhtem Tone fort) einer so niedrigen, so entehrenden Handlung fähig, so würd' ich die Gräber meiner Vorfahren sich öffnen sehen; sie würden heraufsteigen und mir zurufen: Nein, du gehörst nicht mehr zu unserm Blute! Wie? Du sollst kämpfen für die Rechte, die wir auf dich gebracht haben, und du verkaufst sie? Du befleckst die Ehre, die wir dir, den schätzbarsten Teil unseres Erbvermächtnisses, hinterlassen haben? Unwert des Fürstenranges, unwert des Königsthrones, bist du nur ein verächtlicher Krämer, der Gewinn dem Ruhme vorzieht! » Er schloß damit, daß er und sein Heer sich lieber unter den Trümmern Schlesiens würden begraben lassen, als solcher Schmach sich dahingehen. Dann nahm er schnell, ohne die weiteren Erörterungen des Gesandten abzuwarten, seinen Hut und zog sich in den inneren Teil seines Zeltes zurück. Der Gesandte blieb ganz betäubt stehen und mußte unverrichteter Sache nach Wien heimkehren. Friedrich hatte seine Rolle so meisterlich gespielt, daß auch noch in dem Berichte, den der Gesandte über diese Verhandlung nach London schickte, das Entsetzen über die Donnerrede Friedrichs nachklingt.
Aber nicht bloß zu diplomatischen Unterhandlungen, nicht bloß zu militärischen Übungen dient das Lager in Strehlen; auch die Künste des Friedens, wissenschaftliche Beschäftigung, Poesie, Musik, werden hier von Friedrich geübt, als seien die heiteren Tage von Rheinsberg zurückgekehrt. Vor allem sind es Friedrichs Briefe an Jordan, die fort und fort von seiner fröhlichen Stimmung Kunde geben. Bald genügt ihm die briefstellerische Prosa nicht mehr; Verse und Reime wechseln mit der <150>ungebundenen Rede, um die blühende, festlich bunte Färbung hervorzubringen, die allein jetzt seinen Gedanken angemessen ist. Je glücklicher seine Erfolge sich gestalten, je mehr er die politische Bedeutsamkeit fühlt, zu der er sich rasch emporgeschwungen, um so lebhafter wachsen auch Laune und Witz; häufig gemahnen diese Briefe an den großartigen Humor des britischen Dichters. Ja, wenn man die Briefe betrachtet, so bleibt es in der Tat, trotz aller ästhetischen Verhältnisse dieser Zeit, rätselhaft, daß Friedrich in Shakespeare nicht den verwandten Geist zu finden vermochte. Schon früher ist bemerkt, daß ihm der friedliche Sinn des Freundes oft Gelegenheit zu ironischen Äußerungen bot; die vorzüglichste Gelegenheit aber war erst ganz neuerlich gekommen, als Jordan unmittelbar nach der Schlacht von Mollwitz in Friedrichs Lager berufen war, sich aber, bei einem unvorhergesehenen Waffenlärm, eilig aus dem Lager nach Breslau geflüchtet hatte. Dafür überschüttet ihn der König, trotz aller Zärtlichkeit, mit sprudelnder Satire, und ganz vergebens bemüht sich Jordan, Gründe zu seiner Rechtfertigung vorzubringen. Nach manchen Pausen noch kommt Friedrich mit unbezähmbarer Laune auf diese Begebenheit zurück. So beweist er ihm in einem Briefe, den er ihm im folgenden Jahre aus Böhmen zusandte, die vollkommene Größe seiner Tapferkeit folgendergestalt: Die Klugheit (so heißt es in diesem Briefe), die Sie mit Ihrem Mute unzertrennlich verbinden, ist nicht die kleinste von Ihren bewundernswerten Eigenschaften.
Die Klugheit ist des wahren Mutes Quell
Und sichrer Halt: der Rest ist blinde Wut,
Vor der, verführt von tierischem Instinkt,
So viele Toren in Bewundrung stehn.
Sie wissen es zu gut, daß wir niemals tapferer sein können, als wenn unsre Behutsamkeit uns lediglich nur aus Notwendigkeit oder aus Gründen einer Gefahr aussetzt. Da Sie nun äußerst vorsichtig sind, so setzen Sie sich derselben niemals aus; und daraus muß ich denn schließen, daß Ihnen wenige Helden an Mut gleichkommen. Ihre Tapferkeit hat die Jungferschaft noch; und da alles Neue besser ist als das Alte, so muß sie folglich über und über bewunderungswert sein. Sie ist eine Knospe, die soeben aufbrechen will und noch nichts von den glühenden Strahlen der Sonne oder von den Nordwinden gelitten hat; kurz, ein Wesen, das der Achtung so würdig ist, als der Metaphysik und solcher Abhandlungen, wie die Marquise (Voltaires Freundin, über deren physikalische Arbeiten Friedrich oft scherzt) sie über die Natur des Feuers schreibt. Es fehlt Ihnen bloß ein weißer Federhut, um die Ufer Ihrer Kühnheit zu beschatten, ein langer Säbel, große Sporen, eine etwas weniger schwache Stimme, und siehe da! mein Held wäre fertig. Ich mache <151>Ihnen mein Kompliment darüber, göttlicher und heroischer Jordan, und bitte Sie, werfen Sie von der Höhe Ihres Ruhmes einen huldreichen Blick auf Ihre Freunde, die hier mit der übrigen Menschenherde im böhmischen Kote kriechen.
Inzwischen war ganz in der Stille ein Unternehmen vorbereitet worden, das leicht für Friedrich sehr nachteilig werden konnte. In Breslau nämlich befand sich eine beträchtliche Anzahl alter Damen, die aus Österreich und Böhmen gebürtig und dem preußischen Regimente ebensosehr wie dem protestantischen Glauben abhold waren. Durch Mönche unterhielten diese Damen Verbindungen mit der österreichischen Armee; in Gemeinschaft mit einigen Mitgliedern des breslauischen Rates faßten sie den Plan, die Stadt dem Feinde in die Hände zu spielen. Der Feldmarschall Neipperg ging darauf ein; er beschloß, Friedrich durch einige kriegerische Bewegungen aus seiner günstigen Stellung zu locken und dann in Eilmärschen gegen Breslau vorzurücken. Aber Friedrich erfuhr von diesen Anschlägen; es gelang ihm, eine falsche Schwester in die politischen Zusammenkünfte, die von jenen Damen des Abends gehalten wurden, hineinzubringen. Durch diesen Kanal ward dem König der ganze Plan enthüllt, und er konnte nun seine Vorkehrungen treffen.
Die Neutralität Breslaus war zu gefährlich, als daß er sie länger bestehen lassen konnte. Die fremden Gesandten, die sich dort aufhielten, wurden schnell in das Lager nach Strehlen berufen, um bei etwa vorfallender Unordnung gesichert zu sein. Ein preußisches Armeekorps unter dem Erbprinzen von Dessau begehrte freien Durchzug durch die Stadt; die Stadtsoldaten waren ins Gewehr getreten, um dasselbe zu geleiten. Während dies Korps jedoch in das eine Tor einrückte, erhub sich in einem zweiten Tore eine plötzliche Verwirrung und andere preußische Truppen drangen ein, indem sie sich schnell der Wälle bemächtigten und die Tore sperrten. Der Stadtmajor machte dem Prinzen von Dessau Vorstellungen, empfing aber den Rat, den Degen einzustecken und nach Hause zu reiten. Niemand wagte Widerstand, und in weniger als einer Stunde war die Stadt, ohne Blutvergießen, in den Händen der Preußen. Die Bürgerschaft mußte den Huldigungseid leisten; unter das Volk ward Geld ausgeworfen, und allgemeiner Jubel erscholl durch die Straßen.
Neipperg hatte bereits seine Bewegungen begonnen, um Friedrich von Breslau abzuschneiden. Als er die schnelle Besetzung der Stadt durch preußische Truppen vernahm, war er genötigt, sich wieder zurückzuziehen. Doch nahm er seine Stellung so geschickt, daß er Oberschlesien deckte, während Friedrich, aus seinem Lager aufbrechend, sich gegen Neiße bewegte, das noch immer in den Händen der Österreicher war. Durch Märsche und Gegenmärsche hielten sich beide Armeen einige Zeit in Schach, während der kleine Krieg zwischen ihnen ohne entscheidende Erfolge fortging.
<152>Indes waren die Franzosen und Bayern bereits weiter vorgerückt, und auch Sachsen war dem Nymphenburger Bündnis beigetreten, wofür es die Anwartschaft auf Mähren erhielt. Der österreichische Hof sah sich dringender zur Nachgiebigkeit genötigt. Der englische Gesandte aus Wien ward wieder an Friedrich abgeschickt. Er brachte eine Karte von Schlesien mit, auf welcher die Abtretung eines großen Teiles von Niederschlesien durch einen Tintenstrich bezeichnet war. Aber er erhielt zur Antwort, daß, was zu einer Zeit gut sein könne, es zu einer andern Zeit nicht mehr sei. Ebenso ward auch ein folgender Antrag, in welchem ganz Niederschlesien und Breslau geboten wurde, nicht angenommen. Aber immer höher steigerte sich die Not Österreichs; schon war Linz von der bayrisch-französischen Armee eingenommen; schon flüchteten die Bewohner Wiens, und auch der Hof war im Begriff aufzubrechen. Gleichzeitig drang auch Friedrich in Schlesien vor; er bemächtigte sich der Stadt Oppeln und nötigte Neipperg, sich von Neiße zu entfernen.
Durch englische Vermittelung ward der österreichische Hof nunmehr dahin gebracht, in die Abtretung von Niederschlesien und Neiße zu willigen, falls Friedrich unter dieser Bedingung vom Kriege abstehen wolle. Hierauf ging Friedrich ein, obschon er dem Anerbieten nicht ganz traute. Denn es lag keineswegs in seinem Plane, durch Unterdrückung Österreichs eine Überlegenheit Frankreichs zu begründen und dadurch aus einem selbständigen Verbündeten zu einem abhängigen Knechte herabzusinken. Am 9. Oktober kam es in Schnellendorf zu einer geheimen Zusammenkunft des Königs mit Feldmarschall Neipperg, an welcher nur ein Paar vertraute Offiziere und der englische Gesandte teilnahmen. Hier ward ausge<153>macht, daß Neiße nur zum Scheine belagert und in vierzehn Tagen, gegen freien Abzug der Besatzung, an Friedrich übergeben werden solle; daß ein Teil der preußischen Truppen seine Winterquartiere in Oberschlesien nehmen, und daß nur des Scheines halber von Zeit zu Zeit ein kleiner Krieg geführt werden solle; daß der vollständige Vertrag bis zu Ende des Jahres abgeschlossen, daß aber über all diese vorläufigen Bedingungen das strengste Geheimnis, — dessen Friedrich natürlich im Verhältnis zu seinen Verbündeten bedurfte, — beobachtet werde. Er äußerte sich übrigens mit lebhafter Teilnahme für Maria Theresia und gab sogar zu verstehen, daß er, möglichenfalls, geneigt sein dürfe, auf ihre Seite zu treten.
Infolge dieses Übereinkommens ging Neipperg mit seiner Armee nach Mähren zurück. Neiße übergab sich nach zwölf Tagen; die österreichische Besatzung war noch nicht ausgezogen, als die preußischen Ingenieurs in der Festung bereits die neu anzulegenden Werke zeichneten. Ein Teil der preußischen Armee lagerte sich in Oberschlesien, ein anderer rückte in Böhmen ein; einige Regimenter wurden zur Blockade von Glatz abgeschickt.
Am 4. November traf Friedrich in Breslau ein, wohin die sämtlichen Fürsten und Stände des Herzogtums Niederschlesien bis an die Neiße beschieden waren, um die Erbhuldigung zu leisten. Der feierliche Einzug des Königs eröffnete eine Reihe festlicher Tage, welche die höheren und niederen Kreise der Stadt mit Jubel erfüllten. Dem Volke bereitete man ein seltenes Fest, indem man ihm einen gebratenen Ochsen überlieferte, der mit Kränzen geschmückt, mit größerem Geflügel gefüllt und mit kleineren Vögeln bespickt war; die letzteren hatte man kunstreich zu Wappengebilden, Namenszügen und dergleichen zusammengesetzt. Der 7. November war zum Huldigungstage bestimmt. Ein endloser Zug bewegte sich durch das Gedränge des Volkes nach dem Rathause, wo in dem Fürstensaale die Zeremonie vor sich gehen sollte. Seit Jahrhunderten hatte die Stadt keinen ihrer Regenten in ihren Mauern gesehen; die Vorbereitungen zur Huldigungsfeier waren mithin eben nur so gut getroffen, als es sich in der Eile tun ließ. Ein alter Kaiserthron war für die Zeremonie neu eingerichtet worden; den österreichischen Doppeladler, der darauf gestickt war, hatte man dadurch zum preußischen umgestaltet, daß ihm der eine Kopf abgenommen und Friedrichs Namenszug auf die Brust geheftet wurde. Friedrich bestieg, unter den glänzend Versammelten, den Thron in seiner einfachen militärischen Uniform. Der Marschall hatte das königliche Reichsschwert, das er zur Seite des Königs halten sollte, vergessen; Friedrich half dem Übelstande schnell ab, indem er den Degen, der Schlesien erobert hatte, aus der Scheide zog und ihn dem Marschall hinreichte. Nun ward den Versammelten eine Rede gehalten, worauf sie den Eid <154>ablegten und den Knopf am Degen des Königs küßten. Der laute Ruf: « Es lebe der König von Preußen, unser souveräner Herzog! » beendigte die Zeremonie. Am Abend war die Stadt glänzend erleuchtet. Neue Festlichkeiten schlossen sich dem Tage an, aber auch mannigfache Wohltaten. Friedrich erließ den Ständen das gebräuchliche Huldigungsgeschenk von hunderttausend Talern und sorgte im Gegenteil für Unterstützung der verarmten Einwohner. Auch durch Standeserhöhungen und Ordensverleihungen bewies er den neuen Untertanen seine gnädigen Gesinnungen. Von Breslau kehrte er, im Laufe des Novembers, nach Berlin zurück.
<155>SECHZEHNTES KAPITEL Feldzug des Jahres 1742.
Die bayrisch-französische Armee hatte im Herbst 1741 unausgesetzt glückliche Erfolge gehabt, während gleichzeitig auch aus dem verbündeten Sachsen eine Armee in Böhmen einrückte. Durch einen kühnen Entschluß hätte Karl Albrecht sich Wiens bemächtigen können. Aber ihn gelüstete vorerst nach der böhmischen Königskrone, und die Franzosen, die Bayern nicht auf Kosten Österreichs zu mächtig werden lassen wollten, bestärkten ihn in dem Entschlusse, nach Böhmen zu gehen, indem sie ihm über die Fortschritte der sächsischen Bundesgenossen Eifersucht einzuflößen wußten. So wandte sich die feindliche Armee von dem Siegeszuge ab, und Maria Theresia war gerettet. Karl Albrecht eroberte mit übermächtigen Scharen Prag und vergeudete die Zeit in dem Rausche der Krönungsfeierlichkeiten. Von Prag ging er nach Frankfurt am Main, <156>um hier das höchste Ziel seines Strebens, die Kaiserkrone, zu erlangen. Er erreichte, was er wünschte. Am 24. Januar 1742 wurde er unter dem Namen Karl VII. zum deutschen Kaiser erwählt; — aber indem er nach dem Scheine der Macht haschte, verlor er die Macht selbst aus den Händen.
Denn schon hatte sich für Maria Theresia im Innern ihres Reiches ein lebendiger Enthusiasmus erhoben. Das ungarische Volk vornehmlich, oft zwar von ihren Vorfahren geknechtet, ward jetzt durch ihre Jugend, ihre Schönheit und ihre Not zu glühender Begeisterung entflammt. « Blut und Leben für unsern König Maria Theresia! » hatten die Magnaten Ungarns ausgerufen, als die junge Königin auf dem Reichstage zu Preßburg vor ihnen in der verehrten Tracht der ungarischen Könige, ihren Säugling Joseph auf dem Arme, erschienen war; und dem Schwure folgte schnell die Tat. Bald war ihr Heer mächtig angewachsen; der Teil der französisch-bayrischen Armee, welcher nicht nach Böhmen gegangen war, wurde aus Österreich verjagt, durch Bayern selbst verfolgt und München, die Residenz des neuen Kaisers, erobert. Die Österreicher zogen an demselben Tage, dem 12. Februar, in München ein, an welchem Karl in Frankfurt gekrönt ward. In dem bayrischen Lande verübten die wilden Scharen Ungarns die Greuel einer fürchterlichen Rache.
Diese veränderten Begebenheiten hatten auch Friedrich zu neuen Entschlüssen genötigt, und um so mehr, als von österreichischer Seite nicht nur nichts geschah, um jenem, in Schnellendorf geschlossenen Vertrage gemäß auf den Abschluß eines wirklichen Friedens hinzuarbeiten, sondern vielmehr, dem Vertrage zuwider, das dabei zur Pflicht gemachte Geheimnis nach allen Höfen umhergetragen ward. Mit um so größerer Energie mußte Friedrich nunmehr in die Unternehmungen der Verbündeten eingreifen. Dem Heere der letzteren, welches in Böhmen stand, war eine österreichische Armee in einer sehr vorteilhaften Stellung gegenübergetreten. Gegen diese Armee mußten neue Kräfte geführt werden, und dazu schien vor allem ein Eilmarsch in Mähren vorteilhaft. Friedrich wünschte indes, seine Truppen soviel wie möglich zu schonen, da Mähren überdies, nach den früheren Verträgen, dem Könige von Sachsen zugedacht war, so war es auch billig, daß Sachsen die Hauptarmee zu dieser Unternehmung stellte. Dies zu bewirken, begab sich Friedrich, noch im Winter, nach Dresden, nachdem er in Berlin kurze Rast genossen und soeben, am 6. Januar, die Vermählung seines Bruders, des Prinzen August Wilhelm, gefeiert hatte.
Es war indes eine schwierige Aufgabe, den, nach kriegerischen Taten wenig lüsternen August III. (Kurfürsten von Sachsen und König von Polen), oder viel<157>mehr seinen Minister, den Grafen Brühl, für jene Unternehmung zu gewinnen. Brühl hatte, wie in der Regel die kleinen Geister gegen die großen, eine natürliche Abneigung gegen Friedrich; dazu kam, daß er nicht ohne Verbindlichkeiten gegen den österreichischen Hof war und von dort aus hart bedrängt wurde. Aber Friedrich war in diplomatischen Künsten wohlerfahren. Es wurde eine Konferenz in den Gemächern des Königs August angesetzt, an welcher außer Brühl auch einige sächsische Generale teilnahmen. Friedrich wußte den Einwendungen, die ihm gemacht wurden, geschickt zu begegnen. Als König August eingetreten war und man die nötigen Höflichkeitsbezeugungen gewechselt hatte, suchte Brühl, der den Charakter seines Herrn sehr wohl kannte, die Unterhandlung abzubrechen; er hatte die Karte von Mähren, deren man sich eben bedient, schnell zusammengeschlagen. Friedrich indes breitete die Karte ruhig von neuem aus und suchte dem Könige begreiflich zu machen, zu welchem Behufe man seine Truppen nötig habe und wie vornehmlich ihm der Vorteil der Unternehmung zufließen werde. August konnte nicht umhin, zu allem Ja zu sagen. Brühl indes, gepeinigt durch diese fortgesetzte Zustimmung seines Herrn, in dessen Zügen zugleich der Ausdruck eines mehr und mehr verringerten Interesses sich deutlich genug aussprach, warf geschickt die Bemerkung dazwischen, <158>daß die Oper anfangen werde. Diese Erinnerung war für König August zu wichtig, als daß er noch länger an der Konferenz teilnehmen konnte. Aber auch Friedrich benutzte den Moment und ließ den armen König nicht eher los, als bis dieser schnell seine vollkommene Zustimmung zu dem Plane gegeben hatte.
So ging Friedrich an der Spitze einer sächsischen Armee durch Böhmen und Mähren. In Olmütz traf er mit einem Korps seiner eigenen Armee zusammen, welches von Schlesien aus in Mähren eingedrungen war. Die ersten Erfolge waren nicht unglücklich; die Preußen brachen in Oberösterreich ein, ihre Husaren streiften bis nahe vor die Tore von Wien und setzten die Hauptstadt aufs neue in Schrecken. Aber Friedrich hatte den Wert der sächsischen Truppen nach dem Maßstabe seiner eigenen abgeschätzt; hierin hatte er sich geirrt, und dieser Irrtum war schuld, daß die Unternehmung nicht zum erwünschten Ausgange führte. Die Langsamkeit, der Mangel an gutem Willen von Seiten der Sachsen verdarben überall, was durch die Preußen gewonnen ward. Man unternahm die Belagerung von Brünn, und Friedrich forderte hiezu von König August das nötige Geschütz; August lehnte die Anforderung ab, da es ihm an Geld fehle; er hatte soeben die Summe von 400,000 Talern auf den Ankauf eines großen grünen Diamanten, für sein grünes Gewölbe in Dresden, verwenden müssen. Nun rückte auch die österreichische Armee aus Böhmen in Mähren ein, und während Friedrich ernstliche Anstalten zur Gegenwehr machte, zeigten sich unter den sächsischen Truppen nur Feigheit, Ungehorsam und Untreue. So blieb Friedrich nichts übrig als die Unternehmung auf Mähren ganz aufzugeben und sich zu der preußischen Armee, welche in Böhmen stand, zurückzuziehen. Der sächsische Minister Bülow, der Friedrich nach Mähren gefolgt war, stellte ihm hiebei zwar die betrübte Frage, wer denn jetzt seinem Herrn die mährische Krone aufsetzen werde; Friedrich aber gab trocken zur Antwort, daß man Kronen in der Regel nur mit Kanonen zu erobern pflege.
Während dieser Begebenheiten war durch ein anderes preußisches Korps, unter dem Erbprinzen von Dessau, die Festung Glatz erobert und die Erbhuldigung der ganzen Grafschaft Glatz durch den Erbprinzen angenommen worden. Einige Zeit darauf legten auch die Stände des oberschlesischen Distrikts jenseit der Neiße die Erbhuldigung vor einem andern Bevollmächtigten des Königs ab.
Am 17. April traf Friedrich zu Chrudim in Böhmen mit dem Erbprinzen von Dessau zusammen und legte hier seine Truppen in Erholungsquartiere. Die Sachsen, welche Mähren ebenfalls verlassen hatten, gingen durch Böhmen und lagerten sich an der sächsischen Grenze; sich mit den Franzosen an der Moldau zu vereinen, wodurch sie der österreichischen Macht ein neues Gegengewicht hätten geben können, <159>waren sie nicht zu bewegen. In Chrudim fand Friedrich eine vierwöchentliche Muße, die wiederum dem Genusse der Wissenschaft und Kunst gewidmet war. Zugleich wurde diese Frist, unter englischer Vermittelung, zu neuen Unterhandlungen mit Österreich benutzt. Friedrich sah ein, wie wenig Vorteil ihm durch seine Verbündeten zufiel; denn auch auf die Fähigkeit der französischen Kriegsführer und auf die bayrische Armee durfte er so wenig als die Willfährigkeit der Sachsen, weitere Pläne bauen, und selbst für die sehr geringe Aufrichtigkeit des französischen Kabinetts hatte er überzeugende Zeugnisse in Händen; England aber lag es daran, Friedrich von dem feindlichen Bündnisse abzuziehen, damit dasselbe hernach um so leichter zu zerstreuen sei. Da Friedrich aber jetzt ganz Schlesien und die Grafschaft Glatz in Anspruch nahm und da die Österreicher bedeutende Vorteile erlangt zu haben meinten, so zeigten sich die letztern weniger nachgiebig als im vergangenen Herbste.
Friedrich fand also für gut, es noch einmal auf die Entscheidung der Waffen ankommen zu lassen. Er nahm eine vorbereitende Stellung ein und ließ Verstärkungen aus Oberschlesien zu seiner Armee in Böhmen einrücken. Unterdes verließ auch die österreichische Armee, unter dem Herzog Karl von Lothringen und dem Feldmarschall Königseck, Mähren und richtete ihren Marsch gegen Prag; unterwegs sollten die preußischen Truppen, von deren Stärke die Österreicher eine nur mangelhafte Kunde hatten, überfallen und geschlagen werden. Bei der Annäherung dieser Armee forderte Friedrich den Befehlshaber der französischen Truppen, den Marschall Broglio, auf, von der Moldau vorzurücken und sich mit ihm zu vereinen. Er erhielt aber zur Antwort, der Marschall habe dazu keine Ordre; doch wolle er von diesem Verlangen des Königs eiligsten Bericht nach Paris abstatten, und er hoffe, daß ihm die ermangelnde Ordre bald werde zugefertigt werden. Darauf konnte Friedrich freilich nicht warten.
Denn schon war ein Teil der österreichischen Armee zu seiner Seite vorgerückt und verriet die Absicht, sich der preußischen Magazine zu bemächtigen. Dies Vorhaben zu vereiteln, setzte sich Friedrich selbst an die Spitze seiner Avantgarde und nahm schnell eine seinen Zweck begünstigende Stellung, während ihm die Hauptarmee unter dem Erbprinzen von Dessau nachfolgte. Die letztere sollte die Stadt Czaslau besetzen; aber das schwere Geschütz hatte ihren Marsch verzögert, so daß sie nur bis zu dem unfern gelegenen Dorfe Chotusitz gelangte, während die Österreicher in Czaslau einrückten. So war die Schlacht vorbereitet. Am 17. Mai, in aller Frühe, kehrte Friedrich mit dem Vortrabe zu seiner Hauptarmee zurück, und kaum hatte er dieselbe erreicht, als auch bereits der Angriff von Seiten der Österreicher <160>erfolgte. Der Donner des Geschützes begann. Die preußische Kavallerie des rechten Flügels, unter dem Feldmarschall Buddenbrock, benutzte die günstige Stellung, in der sie sich befand, stürzte sich mit kräftigem Ungestüm auf die Feinde und warf die Entgegenkommenden nieder; aber der ungeheure Staub, der sich bei diesem Angriffe erhob, brachte Verwirrung hervor, so daß keine weiteren Vorteile diesmal erreicht werden konnten. Jetzt führte Königseck die Infanterie des österreichischen rechten Flügels auf den linken preußischen vor, der sich, in der Nähe von Chotusitz, in wenig günstiger Stellung befand. Zwar erwarb sich die dort befindliche preußische Reiterei durch kühne Taten Ruhm, aber die Infanterie ward zum Weichen gebracht. Der Feind benutzte diese rückgängige Bewegung, das Dorf in Brand zu stecken; dadurch beraubte er indes sich selbst der Früchte seines eben erlangten Gewinnes, denn das Feuer bildete alsbald eine Scheidewand zwischen beiden Armeen. Nun aber griff Friedrich selbst mit raschem Entschlusse den linken Flügel der österreichischen Armee an; er warf ihn ungestüm auf den rechten Flügel zurück, drängte beide in einem ungünstigen Terrain zusammen, und bald wandte sich die ganze österreichische Armee zur Flucht. So war in drei Morgenstunden der Sieg erfochten, der Friedrich an das Ziel seiner Wünsche führte.
<161>Die Unterhandlungen mit Österreich wurden nunmehr mit erneutem Eifer aufgenommen, und Maria Theresia willigte in Friedrichs Forderungen. Der preußische Kabinettsminister, Graf Podewils, und der englische Gesandte, Lord Hyndfort, beiderseits mit genügenden Vollmachten versehen, schlossen vorläufig, am 11. Juni, in Breslau den Frieden, durch welchen in Friedrichs Besitz Schlesien, die Grafschaft Glatz und ein Distrikt von Mähren — mit Ausnahme eines Teiles von Oberschlesien, etwa hundert Quadratmeilen umfassend — übergingen. Dagegen verpflichtete er sich, eine auf Schlesien haftende Schuld an England abzutragen. Alsbald ward der Friede überall in den Staaten des Königs verkündet. Im Lager zu Kuttenberg, welches Friedrich nach der Schlacht bezogen, machte er ihn selbst zuerst bei einem Gastmahle bekannt, zu dem er die höheren Offiziere seiner Armee versammelt hatte; dabei ergriff er sein Glas und trank auf die Gesundheit der Königin von Ungarn und auf die glückliche Versöhnung mit ihr. In Berlin ward der Friede am 30. Juni durch einen Herold ausgerufen, der auf einem prächtig geschmückten Pferde, einen Szepter in der Hand tragend, durch die Straßen ritt.
Ehe Friedrich nach Berlin zurückkehrte, bereiste er noch die schlesischen Festungen. In Glatz erzählte man ihm, daß, während der Belagerung dieses Ortes durch die Preußen, eine vornehme Dame das Gelübde getan habe, der heiligen Jungfrau in einer dortigen Jesuitenkirche ein schönes Kleid zu verehren, wenn die Belagerung aufgehoben würde, daß nun aber das Gelübde natürlich nicht erfüllt worden sei. Friedrich befahl sogleich, ein Kleid von dem kostbarsten Stoffe verfertigen zu lassen, und sandte dasselbe den Jesuiten mit der Äußerung, daß die heilige Jungfrau seinethalben das versprochene Geschenk nicht entbehren solle. Die Jesuiten waren schlau genug, das Kleid anzunehmen und dem Könige in einer feierlichen Prozession ihren Dank darzubringen.
In Berlin traf Friedrich am 12. Juli ein und ward mit großem Jubel empfangen. Am 28. Juli kam hier der definitive Abschluß des Friedens zustande. England hatte die Bürgschaft für den Frieden übernommen. Kursachsen war in denselben eingeschlossen worden, obgleich König August so wenig von seinen eigenen Angelegenheiten wußte, daß er, als ein preußischer Abgesandter ihm den Sieg von Chotusitz meldete, diesen fragte, ob seine Truppen sich gut dabei gehalten hätten. In Frankreich brachte die Nachricht von dem Friedensschlusse, der eine Reihe wohlersonnener Pläne unwillkommen zerstörte, das größte Entsetzen hervor. Der ganze Hof war wie vom Donner gerührt; einige fielen in Ohnmacht; der alte Kardinal Fleury, der Lenker des Staates, brach in Tränen aus. Friedrich hatte letzterem die Gründe auseinandergesetzt, die ihn zu dem Friedensschlusse bewogen; in dem weh<162>mütigen Antwortschreiben des Kardinals heißt es unter anderm bedeutsam: « Ew. Majestät werden jetzt der Schiedsrichter von Europa; dies ist die glorreichste Rolle, welche Sie jemals übernehmen können! »
Maria Theresia aber hatte nur mit wundem Herzen sich in das Notwendige gefügt. Sie klagte, daß der schönste Edelstein ihrer Krone ausgebrochen sei. So oft sie einen Schlesier erblickte, vermochte sie die Tränen nicht zurückzuhalten.
<163>SIEBZEHNTES KAPITEL Zwei Friedensjahre.
Als Friedrich den Frieden von Breslau schloß, war der königliche Schatz bereits auf die Summe von 150,000 Talern zusammengeschmolzen. Auch dieser Umstand hatte eingewirkt, um, von Seiten des Königs, ungesäumt auf den Abschluß des Friedens einzugehen. Aber die Erwerbung Schlesiens vermehrte die jährlichen Einkünfte Friedrichs um mehr als viertehalb Millionen Taler, und so sah er sich alsbald imstande, auf die Herstellung und Vermehrung der Kräfte seines Staates mit Nachdruck hinzuarbeiten. Denn noch immer waren die politischen Verhältnisse in solcher Verwirrung, daß er über kurz oder lang aufs neue in einen Krieg hineingerissen werden konnte; seine vorzüglichste Sorge aber war, im Fall der Not nicht ungerüstet dazustehen.
Das nächste Augenmerk Friedrichs war auf die Ordnung der schlesischen Verhältnisse gerichtet. Die eigentümlichen Verhältnisse der neuerworbenen Provinz sollten soviel als möglich geschont, zugleich aber diejenigen neuen Einrichtungen ge<164>troffen werden, welche erfordert wurden, wenn Schlesien an den Pflichten und an den Wohltaten der übrigen Provinzen teilnehmen sollte. Die Verwaltung des Landes wurde demnach von der der übrigen Provinzen des Staates besonders geführt; die Stellen der Beamten wurden vorzugsweise durch Eingeborene besetzt. Dabei aber wurde das bisher vielfach drückende Steuerwesen nach einem zweckmäßigen Plane umgeändert und die Sicherheit des Verkehrs durch die Einführung preußischer Rechtspflege und Polizei fester begründet. Die protestantischen Bewohner erhielten freie Religionsausübung, ohne daß jedoch die katholische Kirche in ihren Rechten auf irgendeine Weise gekränkt ward. In diesem Punkte der religiösen Duldung fand Friedrich einen würdigen Mitarbeiter an dem Fürstbischofe von Breslau, dem Kardinal Grafen Sinzendorf, der an der Spitze der katholischen Kirche Schlesiens stand. Friedrich ernannte ihn, mit päpstlicher Genehmigung, zum Generalvikar und obersten geistlichen Richter für alle Römischkatholischen in den preußischen Staaten; Sinzendorf aber erließ, schon im August 1742, einen Hirtenbrief, worin er die Eiferer seines Glaubens zu Frieden und Duldung ermahnte und namentlich den Gebrauch des Wortes « Ketzer » ernstlich untersagte. Dafür erfreute sich denn auch Sinzendorf mannigfach anderweitiger Gnadenbezeugungen des Königs.
Zur größeren Sicherung Schlesiens gegen künftige feindliche Anfälle wurden die dortigen Festungen ausgebessert und mit neuen Werken vermehrt. Besonders Neiße ward durch großartige Anlagen zu einem der festesten Plätze des Landes gemacht. An dem jenseitigen Ufer des Neißeflusses, auf der Anhöhe, von welcher Friedrich die Stadt im Jahre 1741 beschossen hatte, wurde ein neues starkes Fort, das den Namen Preußen erhielt, angelegt. Friedrich selbst legte, am 30. März 1743, den Grundstein desselben mit silberner Kelle und Hammer; die in den Grundstein eingelegte Inschrift scheint diesen Akt mit dem Großmeistertum des Königs im Orden der Freimaurer in Verbindung zu bringen.
Ebenso ward auch Glatz durch bedeutende Arbeiten zu einer Hauptfestung des Staates erhoben. Bei der Erweiterung der Festungswerke dieses Ortes fanden sich unter anderm zwei Heiligenstatuen, St. Nepomuk und St. Florian, der Schutzpatron gegen das Feuer, die zur österreichischen Zeit irgendwo aufgestellt gewesen waren. Man bewahrte beide, bis der König nach Glatz kam, und fragte ihn, was mit den Figuren gemacht werden solle. « Der Florian (antwortete Friedrich) ist fürs Feuer gut, doch geht er mich nichts an; aber den Schutzpatron von Böhmen müssen wir in Ehren halten. Es soll auf dem Schlosse ein Turm gebaut und der heilige Nepomuk darauf gestellt werden. » So entstand in den Werken von Glatz der runde Turm, dessen oberste Plattform die Statue des Heiligen einnimmt. Als Friedrich <165>wieder dorthin kam und sah, daß der Heilige sein Gesicht nach Schlesien kehrte, bemerkte er lächelnd, daß das nicht recht sei, der heilige Nepomuk müsse auf das Land schauen, das ihm eigentlich gebühre. Die Statue ward darauf umgewandt, so daß sie das Gesicht nach Böhmen kehrte. — Ebenso wurden die Befestigungen von Glogau und Brieg verstärkt. Die Stadt Kosel in Oberschlesien, bis dahin unbefestigt, wurde gleichfalls mit starken Werken versehen und die Grenze gegen Österreich hiedurch um so mehr gesichert.
Mit nicht geringerem Eifer wurde an der Vermehrung und an der vollkommenen Durchbildung des Heeres gearbeitet; der erste Krieg hatte den Gesichtskreis erweitert und die noch mangelhaften Punkte kennen gelehrt. Friedrich begann die Reiterei, die unter dem vorigen Könige vernachlässigt worden war, aus einer wenig brauchbaren Truppengattung zu einer der furchtbarsten umzuschaffen. Aber auch für den inneren Wohlstand seiner Staaten war Friedrich unablässig bemüht. Er traf neue Einrichtungen, um Manufakturen und Handel zu bedeutenderer Höhe zu erheben; Elbe und Oder wurden durch einen Kanalbau verbunden. Die Akademie der Wissenschaften trat neuverjüngt ins Leben und hielt ihre erste Versammlung im königlichen Schlosse zu Berlin; ausgesetzte Preise dienten dazu, die Männer der Wissenschaft zu höherem Wetteifer aufzumuntern.
Dabei ward endlich auch der Glanz und die Freude des Lebens nicht vergessen. Das königliche Schloß zu Charlottenburg wurde durch den Anbau eines prächtigen <166>Flügels, unter Knobelsdorffs Leitung, um ein Bedeutendes erweitert. Zum würdigen Schmuck dieses Schlosses wurde die berühmte Antikensammlung verwandt, welche Friedrich im Jahre 1742 aus dem Nachlaß des Kardinals Polignac kaufte. Berlin erhielt an dem Opernhause, welches ebenfalls von Knobelsdorff erbaut und schon im Dezember 1742 eröffnet wurde, eine seiner vorzüglichsten Zierden. Die Besuche fremder Fürsten gaben Gelegenheit zur Entfaltung der reichsten königlichen Pracht. Friedrich aber fand, trotz seiner vielseitigen Beschäftigung, Muße genug, den ersten Teil der Geschichte seiner Zeit, welcher die Geschichte des Ersten schlesischen Krieges enthält, zu schreiben und sich darin den Historikern des klassischen Altertums, den steten Begleitern seiner Muße, würdig an die Seite zu stellen. Daneben entstanden mancherlei poetische Arbeiten. Für die Hochzeit seines Freundes Keyserling, im November 1742, dichtete Friedrich eine Komödie in drei Akten: die Schule der Welt. Den höchsten poetischen Genuß aber brachte wiederum Voltaire, der sich im Jahre 1743 zum Besuche einfand.
Über diesen Besuch des französischen Dichters berichtete der in Berlin anwesende englische Gesandte seinem Hofe, wenig erbaut, folgendes: « Herr Voltaire ist hier wieder angekommen und stets in der Gesellschaft des Königs, welcher entschlossen scheint, ihm Stoff zu einem Gedichte über die Vergnügungen Berlins zu geben. Man spricht hier von nichts als von Voltaire: er liest den Königinnen und Prinzessinnen seine Trauerspiele vor, bis sie weinen, und überbietet den König in Satiren und übermütigen Einfällen. Niemand gilt hier für gebildet, der nicht dieses Dichters Werke im Kopfe oder in der Tasche hat, oder in Reimen spricht. »
<167>Übrigens glaubte sich Voltaire zugleich berufen, die Rolle eines Politischen Unterhändlers von Seiten des französischen Hofes zu spielen; da er aber kein Beglaubigungsschreiben vorzubringen vermochte, so betrachtete Friedrich das als eine bloße Spielerei, zu der ihn seine Eitelkeit vermocht habe. Denn schon bei dem ersten Besuche des Dichters hatte er erkannt, daß sein moralischer Charakter, trotz seiner schöngeglätteten Verse, keineswegs von Flecken frei sei. Damals war ihm der Gelddurst des Franzosen lästig geworden, ohne daß er es ihn jedoch persönlich besonders scharf hatte merken lassen. Jetzt führte Voltaires Eitelkeit noch andere Ursachen zu kleinen Reibungen herbei. Er übersandte, mit dichterischer Freiheit, der liebenswürdigen Prinzessin Ulrike, einer jüngeren Schwester des Königs, ein zierliches Madrigal, welches nichts weniger als eine direkte Liebeserklärung enthielt. In der Übersetzung dürfte dasselbe etwa also lauten:
Der gröbsten Lüge zeiget sich
Ein wenig Wahrheit oft verbunden:
Ich hatte einen Thron gefunden
Heut' Nacht, — ein Traum betörte mich;
Ich liebte, Fürstin, Dich, ich wagte, Dir's zu sagen, —
Und ich erwachte, doch nicht all mein Glück entwich:
Nur meinem Thron mußt' ich entsagen.
Die Prinzessin antwortete mit äußerst galanten Versen, die Friedrich verfaßt hatte und in denen der Dichter auf die verbindlichste Weise über den Unterschied der Stände belehrt ward. Er, hieß es darin, habe aus eigner Kraft sich auf dem Gipfel des Helikon niedergelassen, sie verdanke alles nur ihren Ahnen. Aber es erfolgte von Friedrichs Hand auch noch eine zweite Entgegnung, die dasselbe Thema minder verblümt behandelte. Sie lautete ungefähr so:
Der Traum, das liegt einmal im Blut,
Stimmt überein mit dem, was man im Wachen tut.
Es träumt der Held, daß er den Rheinstrom überschreite,
Der Kaufmann, daß sich ihm Gewinn bereite,
Der Hund, daß er den Mond anbelle;
Doch wenn in Preußen sich Voltaire, durch Lügenkünste,
Zum König träumt und nur den Narren bringt zur Stelle:
Das heißt Mißbrauch der Traumgespinste!
Indes hinderten diese leichten Gefechte nicht, daß die schönen Verse Voltaires, und ebenso auch der Dichter als solcher, unausgesetzt mit lebhaftem Enthusiasmus bewundert wurden. Und als er wieder von Berlin schied, blieb nur der Wunsch rege, ihn dereinst ganz am Hofe behalten zu können. —
<168>Im Mai des Jahres 1744 wurden Friedrichs Staaten durch ein neues Gebiet, Ostfriesland, vermehrt, als der letzte Fürst des Landes ohne Erben gestorben war. Zufolge einer aus den Zeiten des Großen Kurfürsten herrührenden Anwartschaft nahm Friedrich sogleich von dem Lande Besitz und empfing, durch Abgeordnete, die Huldigung am 23. Juni. Friedrich bestätigte die Gerechtsame und Freiheiten der Stände; Wohlstand und Zufriedenheit blühten schnell in dem Ländchen, das früher viel von inneren Fehden zu erdulden gehabt hatte, empor. Seine für den Seehandel günstige Lage machte es dem König besonders wichtig.
Unterdes hatte Friedrich mit scharfem Blicke den Gang der politischen Begebenheiten verfolgt und die weiteren Maßregeln getroffen, die seine eigne Sicherheit erforderte. Nach dem Abschluß des Breslauer Friedens hatte Österreich seine ganze Macht gegen die in Böhmen befindlichen französischen Armeen gewandt und das Land von ihnen freigemacht. Dann war das österreichische Heer gegen Bayern vorgerückt; es vertrieb den Kaiser, der inzwischen Gelegenheit gehabt hatte, von seiner Residenz Besitz zu nehmen, aufs neue. Die Bayern und Franzosen wurden bis an den Rhein gedrängt. Gleichzeitig hatte sich auch der König von England gerüstet und war mit bedeutender Heeresmacht den Franzosen in Deutschland gegenübergetreten. Er schlug sie am Main. Nun machten Frankreich und der Kaiser dem österreichischen Hofe vorteilhafte Friedensanträge, aber sie wurden nicht gehört; Maria Theresia dachte nur an die Absetzung des Kaisers, an dessen Stelle ihr Gemahl, der Herzog Franz, erwählt werden sollte. Vielmehr ward zwischen Österreich, England, Holland und Sardinien ein Bündnis zur Verteidigung und zum Angriff geschlossen (zu Worms, im September 1743); Sardinien war hiezu durch einige Abtretungen von seiten Österreichs bewogen worden. Als sich Maria Theresia gegen den König von England beklagte, daß sie fortwährend, wie früher gegen Preußen, so jetzt wieder zu Abtretungen genötigt werde, schrieb ihr Georg II. bedeutungsvoll zurück: « Madame, was gut zu nehmen ist, ist auch gut wiederzugeben. » Friedrich erhielt eine Abschrift des Briefes und verstand die Warnung, die auch für ihn darin lag.
Noch deutlicher wurde ihm die Absicht der Verbündeten, als auch Sachsen dem Wormser Bündnisse beitrat und Friedrich von den, zwar geheimgehaltenen Artikeln des Bundes Kunde erhielt. Darin verpflichteten sich die Teilnehmer zur wechselseitigen Gewährleistung ihrer Besitzungen auf den Grund gewisser namhaft gemachter älterer Traktate, unter denen aber der Bestimmungen des Breslauer Friedens auf keine Weise gedacht war. Die geheimen Verhandlungen aus jener Zeit zeigen es in der Tat klar genug, daß Friedrich jetzt nicht länger müßig zuschauen durfte, ohne sich selbst der größten Gefahr auszusetzen.
<169>Von seiten des Kaisers, der in Frankfurt ein kümmerliches Dasein fristete, wurde er zu gleicher Zeit dringend um Hilfe angegangen. Er beschloß, tätig einzugreifen; sein Gedanke war, eine Verbindung der kleineren deutschen Fürsten zustande zu bringen, um auf diese Weise gegen die österreichische Übermacht ein Gegengewicht zu bilden. Zu dem Ende machte er im Frühjahr 1744, unter dem Vorwande, seine Schwestern in Anspach und Bayreuth zu besuchen, eine Reise in das Reich und brachte in der Tat, am 22. Mai, die Frankfurter Union zustande, welche « Deutschland seine Freiheit, dem Kaiser seine Würde und Europa die Ruhe » wiedergeben sollte. Aber — da Frankreich den Teilnehmern der Union keine Hilfsgelder zahlen wollte, so trat die Mehrzahl derselben wieder zurück.
So mußte Friedrichs Augenmerk vorzugsweise auf den Hauptfeind von England und Österreich, auf Frankreich, gerichtet bleiben, ehe dieser Staat genötigt ward, vom Waffenschauplatze abzutreten. Doch hatten sich die französischen Verhältnisse seit kurzem wesentlich geändert. Der Kardinal Fleury war gestorben, und es fehlte dem Staate jetzt an einer leitenden Idee; die Maitressenregierung Ludwigs XV. mit all ihren Intrigen und Widersprüchen hatte begonnen. Friedrich erkannte das sehr wohl, und er gab es auch eines Tages dem französischen Gesandten ziemlich deutlich zu verstehen. Es war in der Oper; der Bühnenvorhang erhob sich zufällig ein wenig, so daß man die Beine einiger französischer Tänzer erblickte, die ihre Kunststücke einübten. Der König wandte sich zu dem englischen Gesandten, der neben ihm saß, und flüsterte diesem, aber so laut, daß es der französische Gesandte hören konnte, ins Ohr: « Sehen Sie da, ein vollkommenes Bild des französischen Ministeriums: lauter Beine ohne Kopf! »
<170>Mit einem solchen Ministerium erfolgreich zu unterhandeln, war nicht leicht. Friedrich entschloß sich, in der Person des Grafen Rothenburg einen neuen Gesandten nach Paris zu schicken; dieser, der früher in französischen Diensten gestanden und sich bedeutender verwandtschaftlicher Verbindungen am dortigen Hofe erfreute, kannte am besten die dortigen Verhältnisse. Um sich indes vollständig von den Fähigkeiten seines Gesandten zu überzeugen, beschloß er, diesen zuvor einer Probe zu unterwerfen. Er ließ ihn zu sich kommen, übernahm selbst die Rolle der französischen Minister und hob alle nur möglichen Schwierigkeiten und Gegengründe wider seine eigenen Anträge hervor, ohne sich selbst dabei zu schonen. Rothenburg widerlegte alles so geschickt, daß der König zuletzt sagte: « Wenn Er so gut spricht und so gute Gründe vorbringt, wird Ihm gewiß der Erfolg nicht fehlen. » — Friedrich hatte sich nicht geirrt. Rothenburgs Erfolge waren so glücklich, daß Frankreich sich aufs neue rüstete und am 5. Juni 1744 auf den Grund der Frankfurter Union ein Angriffsbündnis mit Preußen gegen Österreich, zum Schutze des Kaisers, schloß. Frankreich versprach mit zwei Armeen, am Niederrhein und am Oberrhein, vorzurücken; Friedrich dagegen sollte in Böhmen einfallen und von den etwaigen Eroberungen das österreichische Schlesien und den an Schlesien zunächst angrenzenden Teil Böhmens erhalten.
Zu gleicher Zeit war Friedrich bemüht, sich auch gegen die nordischen Staaten sicherzustellen. Mit Rußland hätte er gern ein Bündnis zustande gebracht, doch ward ein solches durch englische Guineen hintertrieben. Gleichwohl brachte er es dahin, daß die Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst (die nachmalige Kaiserin Katharina II.), die in Preußen erzogen und deren Vater Feldmarschall der preußischen Armee war, dem russischen Thronfolger verlobt wurde. Hiedurch blieb Friedrich vorderhand wenigstens nicht ganz ohne Einfluß auf Rußland.
Ein näheres Verhältnis gestaltete sich zu Schweden, indem die Prinzessin Ulrike, Friedrichs Schwester, mit dem schwedischen Thronfolger vermählt ward. Die Vermählung geschah zu Berlin am 17. Juli 1744; von Seiten des schwedischen Hofes war der Graf Tessin mit der Blüte des schwedischen Adels zur feierlichen Werbung nach Berlin gesandt worden; die Stelle des Bräutigams vertrat hier der Prinz August Wilhelm von Preußen. Es war der letzte Glanzpunkt, mit welchem die kurzen Friedensjahre wiederum erlöschen sollten. Friedrich entwickelte bei dieser Gelegenheit die größte königliche Pracht, aber die Anmut der Braut ward durch allen Schmuck, in dem sie erschien, nicht in Schatten gestellt. Feste drängten sich auf Feste bis zum Tage der Abreise. Man suchte den Schmerz der Trennung von <171>einem der geliebtesten Glieder der königlichen Familie zu betäuben, noch am Tage der Abreise versammelte man sich zur Oper, Friedrich überreichte der Schwester ein Abschiedsgedicht, aber nun brachen auch auf allen Seiten die Gefühle übermächtig hervor. Friedrich selbst vermochte die Tränen nicht zurückzuhalten. Die Prinzessin bestieg den Reisewagen; und der König schritt aus dem Glanz der Feste und aus den Tränen des Abschiedes aufs neue dem Kriege entgegen.
<172>ACHTZEHNTES KAPITEL Ausbruch des Zweiten schlesischen Krieges. Feldzug des Jahres 1744.
Schon hatten die französischen Armeen den Doppelfeldzug begonnen. Die Nordarmee, bei der sich König Ludwig XV. selbst befand, war in die österreichischen Niederlande eingerückt und hatte in kurzer Zeit glückliche Fortschritte gemacht. Die zweite Armee am Oberrhein aber war nicht so glücklich. Ihr stand, an der Spitze der österreichischen Hauptmacht, ein einsichtsvoller Feldherr, Graf Traun, gegenüber. Traun war in das Elsaß eingedrungen, seine Truppen streiften bereits nach Lothringen, und es ward nötig, die französische Nordarmee zu schwächen, um im Süden nicht wesentliche Verluste zu erleiden. Hiedurch ward Friedrich genötigt, seine Unternehmung auf Böhmen schleuniger ins Werk zu richten, als es seine Absicht gewesen war.
Das preußische Heer machte sich marschfertig, um in drei Kolonnen in Böhmen einzurücken; zwei von diesen sollten durch Sachsen, die dritte durch Schlesien gehen, während zwei Armeekorps zum Schutze der Mark Brandenburg und Oberschlesiens <173>zurückblieben. Ein preußischer Generaladjutant brachte ein kaiserliches Requisitorialschreiben nach Dresden, worin König August durch Karl VII. aufgefordert ward, den zu seiner Hilfe bestimmten preußischen Truppen freien Durchzug durch Sachsen zu verstatten. König August war in Warschau; die sächsischen Minister protestierten, das Land setzte sich in eine Art Verteidigungszustand; man erreichte dadurch aber nur, daß der Durchmarsch der Preußen, zum Nachteil des Landes, langsamer vonstatten ging.
Am 15. August (1744) betraten die preußischen Armeen die böhmischen Grenzen. Dem Einmarsch derselben ward ein Manifest voraufgeschickt, welches sich im allgemeinen auf die Artikel der Frankfurter Union bezog; auch wurden Patente in Böhmen ausgegeben, in welchen die Einwohner vor allen Widersetzlichkeiten streng gewarnt wurden. Die Preußen fanden keine feindlichen Truppen von Bedeutung vor sich; die geringen Hindernisse, die dem Einmarsch und dem Wassertransport des Proviants entgegengesetzt waren, wurden bald beseitigt. In Leutmeritz an der Elbe wurden die Magazine für die Armee angelegt, indem es an Transportmitteln fehlte, um dieselben zu Lande weiter zu beschaffen. Am 2. September vereinigten sich die verschiedenen Korps der Preußischen Armee vor Prag.
Alsbald machte man die Anstalten zur Belagerung der böhmischen Hauptstadt, die durch ein Korps von 12,000 Mann verteidigt wurde. Am 10. September abends wurden die Laufgräben an drei verschiedenen Orten eröffnet. Schwerin hatte einen Angriff auf den Ziskaberg vorbereitet. Prinz Heinrich, der Bruder des Königs, besuchte ihn dort während der Nacht. Er fragte den Feldmarschall im Laufe des Gespräches, ob er wohl den Namen der Kapelle wisse, bei welcher der König sich gelagert habe. Jener verneinte es; der Prinz aber schwang den Hut und rief: « Sankta Viktoria! » — « Da müssen wir freilich », entgegnete Schwerin, « alles anwenden, um mit dieser schönen Heiligen näher bekannt zu werden. » Am folgenden Tage geschah der Angriff, und der Ziskaberg ward genommen. Friedrich, der sich während des Angriffes in einem der anderen Laufgräben befand, trat, um denselben zu beobachten, mit vielen Offizieren ins Freie hervor. Die österreichische Besatzung aber ward durch die große Menge der vornehmen Uniformen aufmerksam gemacht, sie richtete ihre Kanonen nach dieser Stelle, und ein unglücklicher Schuß tötete den Markgrafen Wilhelm, einen der Vettern des Königs, an der Seite des letzteren. (Ein älterer Bruder Wilhelms, Markgraf Friedrich, hatte schon in der Schlacht von Mollwitz den Heldentod gefunden.) Friedrich wurde durch den Tod dieses Prinzen sehr schmerzlich berührt. Im übrigen waren die Erfolge der Belagerung so glücklich, daß die Besatzung am 16. September kapitulieren und sich zu Kriegsgefangenen ergeben mußte. Sie ward in die schlesischen Festungen abgeführt.
<174>Von Prag rückte Friedrich nach Süden vor und besetzte die Städte Tabor, Budweis und Frauenberg, so daß er bereits den österreichischen Grenzen nahe stand. Er war zu einem Unternehmen in dieser Richtung durch das Übereinkommen bewogen worden, welches zwischen ihm und König Ludwig XV., in Rücksicht auf ein gemeinsames Zusammenwirken getroffen war. Aber die Franzosen entsprachen ihrer Verpflichtung nicht sonderlich. Sie gestatteten der österreichischen Armee nicht nur alle mögliche Bequemlichkeit, als dieselbe, auf die Nachricht von Friedrichs Einfall in Böhmen, sich aus dem Elsaß zurückzog; sie folgten auch nicht einmal, wie es doch ausdrücklich verabredet war, den Österreichern, als diese mit schnellen Schritten gegen Friedrich heranzogen. Statt dessen begannen die Franzosen, nur auf ihr eignes nächstes Interesse bedacht, Angriffe auf die österreichischen Besitzungen im Breisgau.
Dieser Umstand machte Friedrichs Stellung in dem südlichen Böhmen bedenklich; aber es traten noch andere, eigentümlich ungünstige Verhältnisse hinzu. Friedrich befand sich in einem Lande, welches nur geringe Mittel zur Ernährung seiner Truppen und zur Fortschaffung der Magazine darbot. Den Bauern war von seiten der österreichischen Regierung anbefohlen worden, ihre Hütten bei Annäherung der Preußen zu verlassen, ihre Getreidevorräte zu vergraben und in die Waldungen zu flüchten. So erblickte die Armee auf ihren Wegen überall nur Wüsteneien und leere Dörfer; niemand brachte Lebensmittel zum Verkauf ins Lager. Der Adel, die Geistlichkeit, die Beamten waren treue Anhänger des Hauses Österreich; religiöse Ansichten gaben ihnen einen unüberwindlichen Haß gegen die ketzerischen Preußen. <175>Endlich ward die preußische Armee durch ein zahlreiches Korps von Husaren umschwärmt, welches aus Ungarn eingerückt war und alle Verbindungen abschnitt, so daß Friedrich vier Wochen hindurch nichts von Prag erfuhr, nichts von dem Orte, nach welchem die österreichische Rheinarmee unter Traun sich gewandt hatte, nichts von den Rüstungen, die in Sachsen für Österreich unternommen wurden. Die Preußischen Reiter, die auf Kundschaft ausgeschickt wurden, fielen stets jenen überlegenen Scharen in die Hände. Die Armee stand überall, nach Weise der Römer, verschanzt und auf den Umkreis ihres Lagers eingeschränkt da.
Der Mangel an Nahrung zwang endlich Friedrich, den Rückmarsch anzutreten. In den festen Orten, die er eingenommen hatte, ließ er Besatzungen zurück, die jedoch bald durch ungarische Truppen belagert und, da ihnen die Nahrung abgeschnitten ward, auch in kurzer Zeit zur Übergabe gezwungen wurden.
Nach einigen Tagemärschen traf Friedrich mit der großen feindlichen Armee, die durch ein bedeutendes Korps sächsischer Truppen verstärkt war, zusammen. Jetzt glaubte er das Ziel seiner Mühseligkeiten vor sich zu sehen; durch eine Feldschlacht hoffte er entscheidende Erfolge zu erringen und sich zum Herrn des widerwilligen Landes zu machen. Aber Traun wußte für sein Lager eine so vorteilhafte Stellung zu wählen, daß ein Angriff von Seiten der Preußen unmöglich war. Mangel an Nahrung zwang die letzteren, wiederum weiterzurücken. Das österreichische Heer folgte ihnen nach, und immer wiederholte Traun, der überdies durch die Bereitwilligkeit der Bewohner des Landes alle Unterstützung erhielt, dasselbe Verfahren.
So verstrich einige Zeit unter Märschen und Gegenmärschen zwischen der Sassawa und oberen Elbe, bis Friedrich, da der Mangel, die böse Jahreszeit, die Beschwerlichkeiten der Märsche eine Menge Krankheiten in seinem Heere erzeugt hatten, sich genötigt sah, über die Elbe zurückzugehen. Er glaubte, die Österreicher, durch den zwiefachen Feldzug erschöpft, den sie in diesem Jahre geführt hatten, würden jetzt ihre Winterquartiere jenseit dieses Flusses nehmen. Er traf seine Anstalten, um sich diesseit zu behaupten und den Fluß zu decken. Die Feinde aber wußten auch jetzt die Kunde, die ihnen überall über die preußischen Bewegungen und Stellungen zugebracht ward, aufs günstigste zu benutzen. Sie erzwangen am 19. November, ganz unvorhergesehen, an einer Stelle des Flusses, wo die geringste Bedeckung stand, bei Solonitz, den Übergang. Nur ein einziges Bataillon, unter dem Oberstleutnant Wedell, trat ihnen hier entgegen. Mit bewunderungswürdiger Standhaftigkeit trotzte dasselbe fünf Stunden lang und gegen das Feuer von fünfzig Kanonen den österreichischen Angriffen; dreimal schlug es die österreichischen Grenadiere zurück. Wedell hatte Husaren zur preußischen Armee abgeschickt; diese aber <176>fielen den Österreichern in die Hände, und da keine Hilfe ankam, so zog er sich endlich, doch in vollkommener Ordnung, mit dem Überreste seiner tapfern Schar zu der Armee zurück. Diese Tat erwarb ihm den Ehrennamen des preußischen Leonidas. Der Prinz Karl von Lothringen (der den Namen des Anführers der österreichischen Armee führte) vermochte dem kühnen Feinde seine Bewunderung nicht zu versagen. « Wie glücklich », so sprach er zu seinen Offizieren, « wie glücklich würde die Königin sein, wenn sie in ihrem Heere Offiziere hätte, die diesem Helden glichen! »
Durch den Übergang der österreichischen Armee war das Schicksal des diesjährigen Feldzuges entschieden. Friedrich mußte sich entschließen, Prag aufzugeben, wo er von Schlesien abgeschnitten gewesen wäre, und nach Schlesien zurückzukehren, wo allein für seine Truppen zweckmäßige Winterquartiere zu finden waren. Der Rückmarsch geschah in drei Kolonnen und in so guter Ordnung, daß die Feinde keine anderweitigen besonderen Vorteile über die Preußen erlangen konnten. Der Nachtrupp der Kolonne, bei welcher Friedrich sich befand, wurde bei Pleß heftig von einem Korps Panduren angegriffen; als aber die letzteren, mitten im Gefechte, das Geschrei von Schweinen aus dem Dorfe vernahmen, eilten sie unverzüglich zu dieser willkommenen Beute zurück und ließen die Preußen ungestört über den Bach Metau vorrücken. Nur die Prager Besatzung war auf ihrem Rückzuge, durch die Unvorsichtigkeit und Unentschlossenheit ihres Anführers, des Generals Einsiedel, größeren Unannehmlichkeiten und selbst Verlusten ausgesetzt. Friedrich gab deshalb dem General <177>Einsiedel den Abschied, und auch der Erbprinz von Dessau, bisher der vorzüglichste Gönner des Generals, entzog ihm seine Achtung. Schwerin aber, der schon oft der Ansicht des Erbprinzen gegenübergetreten war, so daß der König, um unangenehme Folgen zu verhüten, seine ganze Autorität zur Versöhnung der beiden Feldherren hatte gebrauchen müssen, suchte das Benehmen des Generals zu verteidigen. Da ihm dies nicht gelang, so nahm auch er seinen Abschied und verließ die Armee. — Am 4. Dezember hatte der König den schlesischen Boden erreicht. Von da ging er nach Berlin zurück, um seine Vorbereitungen für die nächste Zukunft zu treffen.
Friedrich hat auch diesen Feldzug, in dem zweiten Teile der Geschichte seiner Zeit, einer strengen Kritik unterworfen, ohne die Fehler, die er in demselben begangen, zu verdecken. « Der ganze Vorteil dieses Feldzuges (so sagt er) war auf seiten Österreichs. Herr von Traun spielte in demselben die Rolle des Sertorius, der König die Rolle des Pompejus. Trauns Benehmen ist ein vollkommenes Muster, welches jeder Krieger, der seine Kunst liebt, studieren muß, um es nachzuahmen, wenn er die Fähigkeiten dazu besitzt. Der König hat es selbst gestanden, daß er diesen Feldzug als seine Schule in der Kriegskunst und Traun als seinen Lehrer betrachten muß. Das Glück hat oft für Fürsten ungleich traurigere Folgen, als das Mißgeschick; jenes macht sie trunken von Eigendünkel, dieses gibt ihnen Vorsicht und Bescheidenheit. »
Kaum hatte indes Friedrich seine Armee verlassen, als auch die Österreicher von der preußischen Furcht, wie sie es nannten, Vorteil ziehen wollten. Zahlreiche Truppenkorps rückten zu Ende des Jahres in Oberschlesien und in der Grafschaft Glatz ein; die preußischen Korps zogen sich in die festen Plätze zurück. Dabei ver<178>teilten die Österreicher ein Manifest, in welchem Maria Theresia den Breslauer Friedensschluß für abgedrungen erklärte, die Schlesier ihres Gelübdes gegen Friedrich entband und sie an die glückselige Zeit erinnerte, welche sie unter der österreichischen Herrschaft genossen hatten. Doch schnell traf Friedrich seine Gegenmaßregeln. Da Schwerin abgegangen war und der Erbprinz von Dessau gefährlich krank lag, so ward der Vater des letzteren, Leopold, der alte berühmte Kriegsheld, der inzwischen das im Brandenburgischen zurückgebliebene Armeekorps befehligt hatte, nach Schlesien berufen und erhielt den Oberbefehl über die dortigen Truppen. Zugleich erschien ein königliches Patent zur Beruhigung der Schlesier, in welchem das österreichische Manifest widerlegt und namentlich auch der angebliche Segen der ehemaligen österreichischen Regierung näher beleuchtet ward. Allen Unbilden der Witterung zum Trotz griffen die Preußen die verschiedenen Korps der Österreicher mit Mut und Entschlossenheit an und trieben sie, indem sie ihnen zum Teil große Verluste zufügten, über die schlesischen Grenzen zurück. Am 21. Februar (1745) ward bereits in Berlin für die Befreiung Schlesiens ein feierliches Tedeum gesungen. Die Truppen bezogen nun die Winterquartiere, die indes häufig durch die Streifereien der leichten Völker der österreichischen Armee beunruhigt wurden.
Als Friedrich nach Berlin zurückgekehrt war, hatte ihn ein hoffnungsreiches Ereignis begrüßt. Seinem Bruder August Wilhelm war während des Feldzuges in Böhmen der erste Sohn (der nachmalige König Friedrich Wilhelm II.) geboren worden, so daß nun die Thronfolge des königlichen Stammes durch den ersten Sprößling einer neuen Generation gesichert ward. Da Friedrichs Ehe kinderlos blieb, so hatte er, schon vor dem Ausbruch des Zweiten schlesischen Krieges, seinen Bruder durch den Titel des « Prinzen von Preußen » zu seinem Nachfolger erklärt. Dem Neugebornen hing er am zweiten Tage nach seiner Rückkehr, andeutend, wie hoch er dies günstige Zeichen des Schicksals schätze, eigenhändig den Schwarzen Adlerorden um.
Aber noch war die Gegenwart von dunklen Wetterwolken umhüllt. Im Anfange des Jahres 1745 schlossen Österreich, England, Holland und Sachsen in Warschau ein neues Bündnis zu gegenseitiger Verteidigung. Sachsen machte sich anheischig, gegen englische Hilfsgelder ein bedeutendes Armeekorps zu stellen. Dafür hatte es anfangs mit allgemeinen Worten, in einem späteren Übereinkommen aber mit bestimmter Angabe, die Anwartschaft auf verschiedene Provinzen des preußischen Staates erhalten, während Österreich der Besitz von Schlesien und Glatz garantiert ward.
Noch bedenklicher wurden die Aussichten für Friedrich, als am 20. Januar Kaiser Karl VII. starb und Österreich bald darauf den Sohn des Kaisers zum Frieden bewog, indem es ihm seine Stammlande zurückgab, während er allen weiteren <179>Ansprüchen auf Österreich entsagte und die Wahl des Großherzogs Franz zum Kaiser zu unterstützen versprach. Hiedurch war die Frankfurter Union in sich zerfallen. Unmittelbar nach dem Tode des Kaisers hatte Friedrich den König von Frankreich dringend ermahnt, jetzt seinen Verpflichtungen nachzukommen und die Operationen gegen Österreich ihrem gemeinsamen Zwecke gemäß zu beginnen. Aber König Ludwig war hiezu wenig geneigt; der Tod des Kaisers mochte ihm, zur Entwirrung der Verhältnisse, nicht ganz unwillkommen sein, und Friedrich war ihm, der von seinen Beichtvätern ebenso wie von seinen Mätressen regiert ward, als Haupt der Ungläubigen im Grunde seines Herzens verhaßt. Er sammelte seine ganze Macht gegen Flandern, und sein Heer erfocht hier in der Tat bereits am 11. Mai, bei Fontenay, einen glänzenden Sieg.
So sah sich Friedrich, mächtigen Feinden gegenüber, ganz auf seine eigenen Kräfte zurückgeführt. Alle Mittel wurden nun zur Anwendung gebracht, um den Angriffen, die man zu gewärtigen hatte, durch außerordentliche Rüstungen begegnen zu können. Mehr als sechs Millionen wurden aus dem Schatze genommen; anderthalb Millionen schossen die Landstände vor; die Mehrzahl des massiven Silbergerätes aus dem Berliner Schlosse, wozu Friedrich Wilhelm I. einen Teil seiner Schätze umgeschmolzen hatte, die Kronleuchter, Tischplatten, Kamingeräte, besonders aber der prunkvolle silberne Musikantenchor aus dem Rittersaale, wurden zu Gelde ausgeprägt. Friedrichs geheimer Kämmerer ließ diese Gegenstände bei Nachtzeit durch zwölf Heiducken in ein Schiff und von da insgeheim auf dem Wasser zur königlichen Münze transportieren, damit das Volk durch ein solches Zeichen der Not nicht mutlos gemacht werde. Durch diese Mittel wurde es möglich gemacht, aufs reichlichste für die Vermehrung und für die künftige Verpflegung der Armee zu sorgen. Als alle Zurüstungen vollendet waren, reiste Friedrich, am 15. März, wieder zur Armee ab.
<180>NEUNZEHNTS KAPITEL Feldzug des Jahres 1745.
Um seine Armee nicht zum zweiten Male den Mühseligkeiten des vorjährigen Feldzuges auszusetzen, hatte sich Friedrich entschlossen, den Angriff des Feindes auf Schlesien abzuwarten und seine ganze Macht an demjenigen Punkte, auf welchem der Feind eindringen würde, zusammenzuziehen. Ein wichtiger Vorteil für ihn war es dabei, daß Traun von der österreichischen Armee nach Italien abberufen und seine Stelle durch minder umsichtige Heerführer ersetzt war. Die Vorbereitungen der Österreicher deuteten mit Bestimmtheit darauf hin, daß dieser Angriff von Böhmen aus geschehen würde, obgleich, bald nach seiner Ankunft bei der Armee, zahlreiche Scharen leichter ungarischer Truppen in Oberschlesien einbrachen, um ihn in seinen Vermutungen irrezuführen. Er ließ sich hiedurch nicht täuschen; die Streifereien der Ungarn hatten nur die Folge, daß die preußische Reiterei Gelegenheit fand, ihre Kräfte zu üben und sich in einzelnen kühnen Gefechten Ruhm zu erwerben. Besonders zeichnete sich Winterfeldt in diesem kleinen Kriege aus.
Nachdem Friedrich zuerst nach Neiße gegangen war, zog er, im Mai, seine Hauptarmee vor den Gebirgen, welche die Grafschaft Glatz von Schlesien trennen, <181>zusammen. Sein Hauptquartier nahm er in dem Zisterzienserkloster Camenz. Hier entging Friedrich — kurz zuvor, ehe das Hauptquartier nach Camenz verlegt ward — auf merkwürdige Weise der Gefahr der Gefangenschaft, die ihn in dieser Gegend schon einmal bedroht hatte. Die sichersten Zeugnisse stimmen dahin überein, daß die Begebenheit, von der eben die Rede ist, in diese Zeit fällt. Es scheint, daß Friedrich einen vorläufigen Besuch in dem Kloster gemacht hatte und daß dies einem österreichischen Streifkorps verraten war. Plötzlich erscholl im Kloster die Meßglocke; alle Mönche wurden zur ungewöhnlichen Stunde, es war des Abends, in den Chor berufen. Der Abt erschien mit einem Fremden, beide im Chorkleide; es wurden Complett und Metten gehalten, was sonst zu dieser Zeit nie stattfand. Kaum hatte man den Gesang begonnen, so erhub sich im Klosterhofe großer Lärm; Kroaten drangen in die Kirche ein, wagten aber nicht, den Gottesdienst zu stören, der unausgesetzt fortging. Endlich, nachdem der Lärm lange vorüber war, gab der Abt das Zeichen, den Gesang zu beenden; nun erfuhren die Mönche, daß die Kroaten den König von Preußen gesucht, daß sie aber nur seinen Adjutanten gefunden und diesen mit sich fortgeführt hätten. Der fremde Geistliche war niemand anders gewesen als Fried<182>rich selbst. Für solche Treue und Geistesgegenwart blieb Friedrich dem Abte von Camenz, Tobias Stusche, fortan äußerst gnädig gewogen. Mancherlei angenehme Geschenke wurden dem letzteren übersandt. Unter anderm erhielt er im folgenden Jahr vom Könige ein Kostbares Meßgewand zugeschickt; Tobias ließ darauf den preußischen Adler sticken und weihte dasselbe am nächsten Namensfeste Friedrichs bei einer feierlichen Messe ein. Noch wird jenes seltne Meßgewand in Camenz aufbewahrt, und eine Inschrift in der Kirche erzählt den Nachkommen die Gefahr und die Rettung des Königs.
Indes ward Friedrich durch die Bewegungen der Feinde genötigt, sich zum Beginn des ernstlichen Krieges vollständig bereit zu machen. Noch stand ein Armeekorps unter dem Markgrafen Karl in Oberschlesien, aber das ganze Land war mit ungarischen Scharen überschwemmt, welche alle Verbindung abschnitten und die Vereinigung des Markgrafen mit dem Könige zu verhindern suchten. Zieten, der sich bereits im ersten Kriege durch kühne Taten ausgezeichnet hatte und schnell aus einer niederen Stelle zum Befehlshaber eines Husarenregiments emporgerückt war, erhielt den Auftrag, mit seinem Regimente zum Markgrafen zu eilen und ihm den Befehl zum ungesäumten Aufbruch zu überbringen. Der Auftrag war nicht leicht ausführbar, doch boten die eben angekommenen neuen Pelze des Regiments Gelegenheit zu einer kecken List. Die Pelze wurden angelegt, und das Regiment sah in ihnen fast einem der kaiserlichen Regimenter gleich. So zog man ruhig des Weges hin, schloß sich unerkannt einem österreichischen Trupp an und ritt mitten durch die Scharen der Feinde. Ganz spät erst wurde Zieten erkannt, aber nun schlugen die Husaren sich glücklich durch und brachten selbst noch einige gefangene Offiziere mit. Der Marsch des Markgrafen Karl zur Hauptarmee war beschwerlicher; weit überlegene Scharen traten ihm entgegen. Aber mutig griff er ein Regiment nach dem anderen an, bahnte sich mit siegreicher Hand den Weg und führte sein Korps in das Lager des Königs, wo den Tapferen reiches Lob gespendet ward. Das ganze Heer brannte vor Begierde, sich ähnlichen Ruhm zu erwerben. Die Gelegenheit dazu war nicht mehr fern.
Die Armeen der Österreicher und Sachsen hatten sich zu Trautenau vereinigt und rückten von hier gegen die schlesische Grenze vor. Friedrich zog mit seiner Armee nach Schweidnitz und besetzte in vorteilhafter Stellung die Strecke zwischen Schweidnitz und Striegau. Um den Feind sicher zu machen, hatte er das Gerücht aussprengen lassen, daß er sich nach Breslau zurückziehe; auch war zu demselben Behufe an den Straßen, die nach Breslau führen, gearbeitet worden. Jetzt berief Friedrich auch den Vortrab seiner Armee aus dem Gebirge zurück und ließ dasselbe Gerücht <184>wiederholen. Der Feind ging in die Falle und traf auf keine Weise die Vorsichtsmaßregeln, deren er, einer so bedeutenden Armee gegenüber, bedurfte. So kamen die feindlichen Armeen bis zum Ausgang der Gebirge. Auf dem Galgenberge bei Hohenfriedberg, wo die ganze Ebene vor den Blicken ausgebreitet liegt, hielten die sächsischen und österreichischen Generale Kriegsrat; Friedrichs Truppen waren durch Gebüsche und Erdwälle so versteckt, daß nur geringe Scharen sichtbar blieben. Dies bestärkte die Gegner in ihrem Irrtum, und schon wurden die Pläne entworfen, wie man mit geringster Beschwerde ganz Schlesien in Besitz nehmen könne. Darauf begannen ihre Truppen den weiteren Marsch.
In der darauffolgenden Nacht, vor dem 4. Juli, ließ Friedrich seine Armee in aller Stille sich bei Striegau versammeln, in einer Stellung, welche dem niederrückenden Feinde die günstigste Gegenwehr darbot. Mit Tagesanbruch stellten sich die Preußen in Schlachtordnung. Ehe diese aber noch vollendet war, kam bereits die sächsische Armee, welche den Befehl hatte, Striegau einzunehmen, die Anhöhe herabgezogen. Sie war aufs höchste durch die Gegenwart der Preußen überrascht. Der rechte Flügel der letzteren warf sich unverzüglich mit solchem Ungestüm auf die Sachsen, daß sie schon niedergeschmettert und in die Flucht getrieben waren, ehe noch die Österreicher genaue Kunde von dem Ereignis bekamen. Der Prinz von Lothringen, der die österreichische Armee befehligte, hatte zwar das Schießen gehört; er meinte jedoch, es sei der Angriff auf Striegau. Da meldete man ihm, alle Felder seien mit Sachsen besät, und nun mußte auch er sich in Eile zum Kampfe bereit machen. Aber auch die Österreicher wurden mit gleicher Heldenkühnheit empfangen. Keins der preußischen Korps wich, alles drang unaufhaltsam vor, jeder suchte es dem andern an Tapferkeit und Unerschrockenheit zuvorzutun, und so ward in wenig Morgenstunden der glänzendste Sieg erfochten. Den höchsten Ruhm erwarb sich das Dragonerregiment von Bayreuth, unter Anführung des Generals Geßler, welches ganz allein zwanzig feindliche Bataillone in die Flucht trieb, 2500 Gefangene machte und 66 Fahnen und vier Geschütze erbeutete. Friedrich selbst hatte den Seinen das Beispiel der entschlossensten Todesverachtung gegeben, als er drei Bataillone gegen die österreichischen Feuerschlünde führte, die die Mannschaft rottenweis neben ihm niederstreckten, so daß nur 360 Mann mit ihm die Anhöhe erreichten. Hier ließ er sie mit gefälltem Bajonett auf die Batterie eindringen. Im ganzen hatten die Österreicher in dieser Schlacht, die von Hohenfriedberg oder von Striegau benannt wird, an 7000 Gefangene und 4000 Tote, samt vielen Fahnen und Kanonen, verloren, während der Verlust der preußischen Armee sich nur auf 1800 Mann an Gefangenen und Toten zusammen belief. Dem bayreuthischen Dragoner<185>regiment wurden vom Könige, zum steten Andenken an seine kühne Tat, außerordentliche Ehrenzeichen verliehen. Friedrich aber sagt, in der Geschichte seiner Zeit, bei Gelegenheit des Sieges von Hohenfriedberg: Die Welt ruhet nicht sicherer auf den Schultern des Atlas, als Preußen auf einer solchen Armee.
Ein französischer Botschafter, der Ritter de la Tour, der an Friedrich die Nachricht von dem Siege von Fontenay überbracht hatte, war bei dem preußischen Siege gegenwärtig gewesen. Als er, vorher, Friedrich um die Erlaubnis bat, einige Zeit bei seinem Heere verweilen zu dürfen, fragte ihn dieser: « Sie wollen also zusehen, wer Schlesien behalten wird? » — « Nein, Sire », entgegnete der französische Ritter, « ich will nur davon Zeuge sein, wie Ew. Majestät Ihre Feinde züchtigen und Ihre Untertanen verteidigen werden. » Jetzt erhielt er von Friedrich ein Antwortschreiben <186>an König Ludwig XV., in dem es hieß: « Ich habe den Wechsel bei Friedberg eingelöst, den Sie bei Fontenay auf mich gezogen. » Der bittre Ton dieser Bemerkung war durch Ludwigs Benehmen veranlaßt worden. Friedrich hatte es, ehe es zum Kampfe kam, nicht an neuen Bemühungen fehlen lassen, um den König von Frankreich zu entschiedeneren Schritten gegen Österreich zu vermögen. Man hatte sich von dort auf den Sieg von Fontenay berufen. Friedrich aber hatte darauf bemerkt, daß die Franzosen in Flandern kaum 6000 Österreicher in Beschäftigung hielten, daß die französischen Siege zwar höchst glorwürdig für König Ludwig seien: seinen Verbündeten aber ungefähr ebenso nützlich, wie ein Sieg am Ufer des Skamander oder wie die Einnahme von Peking. Darauf war eine kalte und stolze Antwort erfolgt, und so schien das freundschaftliche Verhältnis der beiden verbündeten Könige, auch was die äußerlichen Formen anbetrifft, seinem Ende entgegenzugehen.
Die fliehenden Feinde waren bis auf die ersten Anhöhen des Gebirges verfolgt worden. Hier hatte Friedrich Halt machen lassen, da seine Truppen, durch den vorangegangenen Nachtmarsch und die Anstrengung des hitzigen Treffens erschöpft, der Ruhe bedurften. Feldgeräte, Munition und Proviant waren in Schweidnitz zurückgeblieben und mußten vorerst der Armee nachgeführt werden. So konnte die letztere erst am nächsten Tage zur Verfolgung des Feindes aufbrechen; ihr Vortrab erreichte den Nachtrab des Feindes, griff diesen, der an der Friedberger Schlacht nicht teilgenommen hatte, an und schlug ihn in die Flucht. Die feindlichen Armeen zogen sich, mit neuem Verlust, in Eile nach Böhmen zurück. Als Friedrich auf diesem Zuge in Landshut eintraf, umringte ihn ein Haufe von zweitausend Bauern, die ihn um die Erlaubnis baten, alles, was von Katholiken in jener Gegend sei, totschlagen zu dürfen. Es war der Ausbruch einer Rache für all jene harten Bedrückungen, welche die schlesischen Protestanten von den katholischen Priestern zu erdulden gehabt hatten. Friedrich erinnerte die empörte Menge an die Gebote der Schrift, daß sie ihre Beleidiger segnen und für ihre Verfolger beten sollten. Die Bauern wurden durch solche Äußerungen der Milde betroffen; sie sagten, der König habe recht, und standen von ihrem grausamen Begehren ab.
Friedrich war, wie er bereits vor der Schlacht von Hohenfriedberg den Plan gefaßt hatte, dem Feinde nach Böhmen gefolgt, um die böhmischen Grenzdistrikte ihrer Nahrungsmittel zu berauben und hiedurch die Österreicher zu verhindern, ihre Winterquartiere wieder in der Nähe von Schlesien zu beziehen. Tiefer in Böhmen einzudringen wagte Friedrich nicht; er mußte darauf bedacht sein, daß er fortwährend Gelegenheit behielt, die Bedürfnisse für seine Truppen aus Schlesien zu beziehen. Der Prinz <187>von Lothringen hatte ein festes Lager zu Königingrätz eingenommen; Friedrich stand ihm in gleich sicheren Lagern, anfangs zu Jaromirz, hernach zu Chlumetz, gegenüber. Nur der kleine Krieg zwischen den leichten Truppen, die Angriffe auf die Proviantzüge und dergleichen brachten Abwechslung in das einförmige Leben und gaben Gelegenheit zu kühnen, zuweilen auch zu launigen Taten. So hatte sich einst ein preußisches Detachement, welches zu Smirschitz stand, eine ergötzliche Kriegslist ausgedacht, um den Panduren die Lust an ihren fortgesetzten Angriffen auf eine dort befindliche Schanze zu verderben. Die preußischen Grenadiere verfertigten nämlich, so gut sie es eben zustande bringen konnten, einen Gliedermann, kostümierten diesen als Grenadier und stellten ihn an der Stelle auf, welche gewöhnlich von dem äußersten Wachtposten eingenommen ward. Sie selbst verbargen sich hinter Gesträuchen und fingen an, den Gliedermann durch Schnüre zu bewegen. Die Panduren bemerkten aus der Ferne den fröhlichen Mut der Wache, schlichen sich heran, schossen sie glücklich nieder und stürzten nun schnell näher, um den Gefallenen seiner Habseligkeiten zu berauben. Jetzt aber empfing sie ein lebhaftes Feuer aus dem Gebüsche, die Verwundeten wurden gefangen gemacht, und die Entfliehenden jagten ihrem Korps hinlängliche Furcht ein, so daß ähnliche Angriffe fortan unterblieben. — Zu unausgesetzter Vorsicht und Entschlossenheit wurden die preußischen Streifkorps durch einen kühnen österreichischen Parteigänger, Franchini, aufgefordert. Auch zu den Beweisen ritterlicher Gesinnung fand sich Gelegenheit. So äußerten einmal die Offiziere eines österreichischen Detachements, als sie mit einem preußischen Korps <188>zusammentrafen, zu den Offizieren des letzteren verbindlicherweise: « Es ist ein Vergnügen, mit euch, ihr Herren, zu fechten; man findet dabei immer etwas zu lernen. » Die Preußen erwiderten, nicht minder höflich, die Österreicher seien ihre Lehrer gewesen; wenn sie gelernt hätten, sich gut zu verteidigen, so sei dies geschehen, weil man sie allezeit gut angegriffen habe. — Zu unausgesetzter Vorsicht und Entschlossenheit wurden die preußischen Streitcorps besonders durch einen kühnen österreichischen Parteigänger, Franchini, genötigt.
Friedrich war um so mehr veranlaßt, sich in sicheren Lagerplätzen vor einem unvorhergesehenen Angriffe der österreichischen Armee zu schützen, als er die seinige durch die Absendung einiger bedeutenden Korps hatte schwächen müssen. Als Oberschlesien von den preußischen Truppen geräumt ward, fanden die Ungarn Gelegenheit, sich dort frei und nach Bequemlichkeit auszubreiten; auch die Festung Kosel fiel, jedoch nur durch den Verrat eines der Offiziere der Besatzung, in ihre Hände. Jetzt sandte Friedrich einen Teil seiner Truppen dahin zurück, der auch in kurzer Zeit, am 6. September, Kosel wieder eroberte und sodann ganz Oberschlesien von den Ungarn frei machte. Ein zweites Korps ward zur Verstärkung der preußischen Armee geschickt, die in Halle unter dem Fürsten von Dessau stand und den Angriffen, die man von Sachsen zu erwarten hatte, begegnen sollte. Denn in Sachsen hatten aufs neue Rüstungen stattgefunden, die auf ein feindliches Unternehmen schließen ließen und die ein sehr ernstliches Manifest von Seiten Friedrichs veranlaßten. Der Marsch der preußischen Truppen nach Halle hatte zur Folge, daß auch der größte Teil der sächsischen Truppen, welche mit den Österreichern zusammen in Böhmen standen, nach Sachsen berufen wurde.
Vorerst indes verfuhr Friedrich gegen Sachsen nicht angriffsweise, da er neue Hoffnungen zu einer friedlichen Beendigung seiner Angelegenheiten fassen durfte. Der englische Hof hatte schon seit einiger Zeit, infolge eines Ministerwechsels, friedlichere Gesinnungen geäußert, und so kam jetzt, am 22. September, zu Hannover eine Konvention zwischen Friedrich und dem Könige von England zustande, wodurch der letztere jenem aufs neue den Besitz von Schlesien verbürgte und auch Österreich und Sachsen zum Frieden zu bewegen versprach, während Friedrich sich verpflichtete, die Wahl des Großherzogs Franz zum Kaiser anzuerkennen. Diese Wahl war zu Frankfurt am 13. September, trotz der Protestationen der Gesandten von Preußen und Kurpfalz, erfolgt. Aber nun war auch in Maria Theresia der ganze altkaiserliche Stolz ihrer Vorfahren erwacht; sie hielt es für unvereinbar mit ihrer Würde, wenn sie sich mit einem Fürsten, den sie als einen rebellischen Untertan betrachtete, in Unterhandlungen einließe; sie sagte öffentlich, daß sie lieber das <189>Kleid vom Leibe als Schlesien missen wolle. Ebensowenig war Sachsen zum Abschlusse des Friedens geneigt. König August wünschte vor allem, die polnische Krone seinem Hause erblich zu machen, wozu ihm eine Vergrößerung seiner Macht und eine Verbindung seiner sächsischen Erbländer mit Polen durch einige Provinzen des preußischen Staates allzu vorteilhaft bedünkte.
Dem Prinzen von Lothringen waren Verstärkungen zugesandt worden, auch ein paar Feldherrn, welche ihn in dem Entwurf seiner Operationen unterstützen sollten. In der Tat versuchten die Österreicher alsbald einige heftigere Angriffe, die indes durch die Tapferkeit der preußischen Truppen zurückgeschlagen wurden. Friedrichs Lager hatte eine zu sichere Stellung, als daß es mit Erfolg anzugreifen gewesen wäre. Friedrich vergnügte sich daran, aus seinem Zelte, das auf einer Anhöhe lag, die österreichischen Generale zu beobachten, wie diese täglich zur Beratschlagung hervortraten, lange Fernrohre auseinanderschoben, um seine Stellung zu untersuchen, und dann wieder, bessern Rat von der Zukunft erwartend, zurückgingen.
Indes sah sich Friedrich genötigt, den Standpunkt seiner Armee zu verändern. Er ging weiter nordwärts, um nun auch den Teil des böhmischen Gebirges, welches sich zwischen Niederschlesien und die Grafschaft Glatz hineinschiebt, von seinen Nahrungsmitteln zu entblößen und dadurch die Scheidewand, welche Schlesien während des bevorstehenden Winters vor feindlichen Einfällen schützen sollte, vollkommen zu machen. Zur Besetzung der Gebirgspässe mußte er jedoch sein Heer aufs neue durch die Absendung einiger Korps schwächen, so daß seine ganze versam<190>melte Streitmacht nur aus 18,000 Mann bestand, während die der Österreicher, die seinem Gange gefolgt waren, sich bis auf 40,000 Mann belief.
Er hatte sein Lager bei dem Dorfe Staudenz genommen und war im Begriff, von dort nach Trautenau vorzurücken, als unvermutet, am 30. September frühmorgens, die österreichische Armee in Schlachtordnung gegen ihn anrückte. Seine Stellung war wenig günstig, indem es ihm an Mannschaft gebrach, um alle wichtigen Punkte des Terrains genügend zu besetzen; aber auch die Österreicher befanden sich in einer unvorteilhaften Stellung, da sie, umgekehrt, nicht Gelegenheit fanden, ihre Kräfte vollkommen auszubreiten. Friedrich benutzte diesen Umstand mit rascher Entschlossenheit. Statt, wie die Österreicher erwartet hatten, sich zurückzuziehen und sich so unter vielleicht noch ungünstigeren Verhältnissen angreifen zu lassen, breitete er schnell seine ganze Macht in einer Linie aus, so daß er von dem Feinde nicht überflügelt werden konnte. Diese Aufstellung mußte unter einem sprühenden Regen feindlicher Granaten vollzogen werden; aber kein Soldat äußerte Furcht, keiner verließ seinen Platz. Friedrich selbst ritt eine starke Viertelstunde lang unter diesem Kugelregen, ohne jedoch getroffen zu werden; eine Kugel, die ihn niedergerissen haben würde, ward durch den Kopf seines Pferdes, das sich eben scheu emporbäumte, aufgefangen. Die Österreicher ließen diese Aufstellung im übrigen ruhig geschehen. Nun brach die preußische Reiterei auf die feindliche ein; sie stürzte das erste Treffen der letzteren, dieses fiel auf das zweite, das zweite auf das dritte; 50 Schwadronen wurden so durch 12 Schwadronen in kurzem Anfall überwältigt, und das ungünstige Terrain verhinderte sie, sich aufs neue zu sammeln. Dann stürmte der rechte Flügel der Preußen jene Batterie, mit welcher die Österreicher die Schlacht eröffnet hatten, während ein einzelnes Bataillon des linken Flügels eine starke Kolonne der Feinde in die Flucht trieb. Unaufhaltsam schritten nun die Preußen vor. Noch war im Mittelpunkte des Treffens eine steile Anhöhe von den Österreichern besetzt; auch diese ward in kurzer Frist von der preußischen Garde genommen. Das Schicksal wollte es, daß hier zwei Brüder einander im Kampfe gegenüberstanden; denn die Österreicher befehligte hier Prinz Ludwig von Braunschweig, während der jüngere Bruder desselben, Prinz Ferdinand, an der Spitze der preußischen Garde stand und hier zuerst die Proben des Heldenmutes ablegte, der ihn später so berühmt gemacht hat. Noch suchten sich die zurückgetriebenen Österreicher auf den einzelnen Anhöhen des bergigen Bodens wieder zu sammeln, aber immer drangen die Preußen ihnen nach, bis sie sich endlich in vollkommener Flucht in die ausgebreiteten Waldungen retteten, die dem sogenannten Königreiche Silva <191>angehören. Friedrich hemmte das Nachsetzen bei dem Dorfe Soor, nach welchem die Schlacht in der Regel benannt wird. Der Sieg war vollkommen. Nur einen großen Teil der Bagage hatte Friedrich verloren, indem diese einem ungarischen Korps in die Hände gefallen war. Doch hatte gerade dieser Umstand den Sieg wesentlich erleichtert; denn die Ungarn ließen die willkommene Gelegenheit zur Beute nicht vorübergehen und versäumten es dadurch, ihrer Bestimmung gemäß den Preußen in den Rücken zu fallen.
An der Verfolgung des Feindes wurden die Preußen durch den Wald gehindert, indem sie dort, ohne sonderlichen Vorteil zu erlangen, nur den größten Gefahren würden ausgesetzt gewesen sein. Die augenblickliche Unbequemlichkeit des Verlustes der Bagage war bei so großem Gewinne leicht zu verschmerzen. Selbst der König hatte sein ganzes Feldgerät und seine Bedienung verloren; er konnte den Sieg nach Breslau nur durch ein paar mit Bleistift geschriebene Zeilen melden. Auch fehlte es für den Augenblick an Nahrung. Als Friedrich zu Abend speisen wollte und sich nur ein paar Flaschen Wein vorfanden, mußte ein Offizier ausgeschickt werden, um Brot beizutreiben. Nach langem Suchen fand dieser endlich einen Soldaten, der noch ein Brot übrig hatte. Er bot ihm einen Dukaten dafür, aber der Soldat wollte es nicht hergeben, auch nicht für reicheren Lohn; als er jedoch hörte, daß es für den König bestimmt sei, so entschloß er sich, diesem die Hälfte zu bringen. Friedrich nahm das kostbare Geschenk mit freundlichem Danke an. In kurzer Zeit aber war der Mangel wieder ersetzt; auch statt seiner verlorenen Bücher ließ sich Friedrich schleunig andere aus Berlin zusenden, da er die Stunden der Muße nicht gut ohne wissenschaftliche Lektüre verbringen konnte.
<192>Mit dem Gepäck des Königs war zugleich ein zierliches Windspiel, das den Namen Biche führte, verlorengegangen. Dieser einzige Verlust war Friedrich sehr schmerzlich; er hatte sein besondres Wohlgefallen an dem anmutigen Tiere, wie er denn überhaupt stets von der Gesellschaft einiger zierlicher Hunde umgeben war. Die Feinde suchten indes dem Könige gefällig zu sein und sandten Biche wieder zurück. Es wird erzählt, daß Friedrich eben am Schreibtische gesessen habe, als das Windspiel heimlich in sein Zimmer hereingelassen ward; es sprang unbemerkt auf den Tisch und legte ihm die beiden Vorderpfoten um den Hals; Friedrich war durch das unerwartete Wiedersehen so freudig überrascht, daß ihm die Tränen ins Auge traten. Aber die kleine Biche hatte sich auch schon früher als eine wahrhaft getreue Freundin erwiesen. Friedrich hatte sich einst beim Rekognoszieren zu weit vorgewagt; plötzlich bemerkte er einen Trupp Panduren, der ihm des Weges entgegengeritten kam; ihm blieb nichts übrig, als eilig in einen Graben hinabzuspringen und sich unter einer Brücke zu verbergen. Aber nun fürchtete er, daß Biche, die bei ihm war, bei dem Geräusch der Huftritte der Pferde bellen und ihn so verraten würde; das Tier jedoch, als ob es die Gefahr seines Herrn ahne, schmiegte sich dicht an ihn und gab keinen Laut von sich.
Der Erfolg der Schlacht bei Soor war, daß Friedrichs Absichten für die Beendigung des Feldzuges keine weiteren Hindernisse im Wege standen. Denn zu neuen Unternehmungen in Böhmen war er wenig geneigt. Ehrenhalber blieb er mit seiner Armee fünf Tage lang auf dem Schlachtfelde stehen. Dann wandte er seinen Marsch nach Trautenau, die dortige Gegend noch auszufouragieren. Von da ging er nach Schlesien zurück, dessen Boden am 19. Oktober betreten ward. Der Marsch durch die Engpässe der Gebirge war nicht ohne Gefechte vor sich gegangen, indem die preußische Armee von leichten ungarischen Truppen umschwärmt ward; doch blieben die größeren Verluste dabei auf Seiten der letzteren. Der Hauptteil der Armee wurde in der Gegend von Schweidnitz, unter dem Oberbefehl des Erbprinzen von Dessau, in Kantonierungsquartiere gelegt. Nachdem Friedrich erfahren hatte, daß die österreichische Armee sich in drei Haufen getrennt habe, was ihre weitere Ausbreitung erwarten ließ, begab er sich nach Berlin zurück.
<193>ZWANZIGSTES KAPITEL Nachspiel des Zweiten schlesischen Krieges.
In Berlin war Friedrich als Sieger eingezogen; er wünschte und hoffte, daß jetzt für die Friedensunterhandlungen ein günstiger Zeitpunkt kommen würde. Aber die Österreicher und Sachsen teilten diese Gesinnung nicht; im Gegenteil hatte der sächsische Minister, Graf Brühl, der sich durch Friedrichs Manifest gegen Sachsen empfindlich verletzt fühlte, einen neuen Sturm heraufbeschworen. An demselben Tage, am 8. November, an welchem die Siegeszeichen der Schlachten von Hohenfriedberg und Soor in den Kirchen aufgehängt wurden, erhielt Friedrich die geheime Nachricht, daß die sächsische und die österreichische Armee unverzüglich zusammenstoßen würden, um ihn in der Mark Brandenburg anzugreifen. Bald kamen auch andere Nachrichten zur Bestätigung dieser ersten: in der sächsischen Lausitz wurden beträchtliche Magazine zum Unterhalt der österreichischen Truppen, die man daselbst erwartete, angelegt; ein Teil der österreichischen Armee machte sich bereit, aus Böhmen in Schlesien einzufallen; ein Korps der österreichischen Rheinarmee, unter dem General Grunne, war im Anmarsch, um einen Angriff unmittelbar auf Berlin zu unternehmen.
<194>Aber, so plötzlich diese Unternehmungen auf Friedrich hereinzubrechen drohten, ebenso schnell hatte er auch schon seine Maßregeln zu ihrer Abwehr ergriffen. Der alte Fürst von Dessau erhielt aufs neue den Oberbefehl über die Armee bei Halle, mit welcher er im Herbste den sächsischen Truppen gegenübergestanden hatte; er sollte von dieser Seite in Sachsen einbrechen, während Friedrich sich an die Spitze der schlesischen Armee setzte, um Sachsen von der Seite der Lausitz anzugreifen. So wollte man von beiden Seiten gegen Dresden vordringen. Zur Deckung Berlins konnte man nur eine geringe Besatzung zurücklassen; aber die Bürgerschaft stellte selbst ein beträchtliches Korps, welches sich rüstig im Waffenhandwerk übte; zugleich suchte man die Residenz durch Schanzarbeiten gegen einen ersten Angriff des Feindes sicher zu machen.
Friedrich traf am 15. November bei der schlesischen Armee in Liegnitz ein. Während die Österreicher in die Lausitz einrückten, beobachtete er dasselbe Verfahren, welches ihm schon einmal, bei Hohenfriedberg, zum Siege verholfen hatte. Er sprengte Gerüchte aus, als ob er furchtsam nur seine Grenzen zu decken suche und seine Hauptarmee zurückziehe; auch ließ er zu gleichem Zwecke wieder einige scheinbare Maßregeln treffen. Der Prinz von Lothringen ward glücklich aufs neue getäuscht. Unerwartet stand Friedrich in der Lausitz und traf am 23. November, bei Katholisch-Hennersdorf, auf die sächsischen Regimenter, welche den Vortrab der österreichischen Armee ausmachten. Diese wurden geschlagen, und ihr Verlust brachte die österreichische Hauptarmee so in Verwirrung, daß sie sich von einem Orte zum andern zurückzog. Görlitz, mit einem beträchtlichen Magazin, mußte sich Friedrich ergeben, bald auch Zittau, wo der Nachtrab der Österreicher geworfen und ihre <195>Bagage genommen ward; in kurzer Frist war die ganze Lausitz in Friedrichs Händen. Die österreichische Armee hatte sich nach Böhmen zurückgezogen. Gleichzeitig war auch der Angriff der Österreicher auf Schlesien glücklich abgeschlagen worden. Ganz Sachsen geriet in Schrecken, und das Korps des Generals Grunne, welches sich bereits den brandenburgischen Grenzen näherte, ward eilig zu der sächsischen Armee zurückberufen.
Friedrich benutzte diese ersten günstigen Erfolge, um König August die Hand zum Frieden, auf den Grund der mit England abgeschlossenen hannöverschen Konvention, zu bieten. Aber August, oder vielmehr Brühl, verlangte vorerst Einstellung der Feindseligkeiten und Bezahlung aller durch den Einmarsch der Preußen verursachten Kriegsschäden. Auf diese Bedingung hatte Friedrich natürlich nicht Lust einzugehen; auch weiter fortgesetzte Verhandlungen führten zu nichts. Brühl hatte seinen König klüglicherweise, als die Gefahr sich Dresden näherte, nach Prag geführt, damit er ihm so den Anblick des Kriegselendes erspare und damit nur seine Stimme das Ohr des Königs zu erreichen vermöge.
So mußte der Krieg mit erneutem Eifer fortgesetzt werden. Friedrich rückte in Sachsen ein und trieb den Fürsten von Anhalt, der seine Anstalten, aus Eigensinn oder Alter, ziemlich säumig begonnen hatte, zur Eile. So brach nun auch dieser auf, besetzte Leipzig am 30. November und kam am 6. Dezember zu Meißen an, während Friedrich sich demselben Punkte näherte. Der Prinz von Lothringen hatte indes Böhmen aufs neue verlassen; er vereinigte sich am 13. Dezember mit den Sachsen bei Dresden. Das sächsische Ministerium wies seiner Armee jedoch, unverständigerweise, so weitläufige Quartiere an, daß er vierundzwanzig Stunden Zeit gebraucht hätte, um sie zusammenzuziehen; seine Protestationen gegen diese Einrichtung waren vergeblich. An der Spitze der sächsischen Armee, die Dresden zunächst gegen den Angriff der Preußen decken sollte, stand Graf Rutowski; als diesen der Prinz von Lothringen ersuchte, ihn beim Fall eines Angriffes möglichst zeitig benachrichtigen zu lassen, erwiderte der Graf, er brauche keine Hilfe. So hatten die Sachsen ihr Schicksal selbst heraufbeschworen.
Am 15. Dezember rückte der Fürst von Anhalt gegen Dresden vor. Gleichzeitig besetzte Friedrich Meißen, welches die Verbindung der beiderseitigen Elbufer ausmachte, so daß er nach beiden Ufern hin den etwaigen Unternehmungen des Feindes begegnen konnte. Hier empfing er einen Brief, welcher von Seiten der sächsischen Regierung ein günstigeres Eingehen auf seine Anerbietungen verhieß und die Kunde brachte, daß auch Maria Theresia zum Frieden geneigt sei. Kaum aber hatte er den Brief zu Ende gelesen, als plötzlich der Himmel von einem Feuerscheine <196>übergossen ward und das Getöse einer fürchterlichen Kanonade erscholl. Es war der Beginn der Schlacht, welche der Fürst von Dessau den Sachsen lieferte.
Bei Kesselsdorf hatte Fürst Leopold diese in einer vortrefflichen Stellung gefunden. Nur der linke Flügel der Sachsen, der sich auf Kesselsdorf stützte, war zugänglich, aber hier drohte eine starke Batterie jeden Angriff abzuschlagen. Die übrigen Teile des sächsischen Heeres standen auf hohem Felsrande, dessen mit Eis und Schnee bedeckte Abhänge unersteiglich schienen. Um so größeren Ruhm aber verhieß der Sieg, — es war der Tag gekommen, an welchem der alte Heerführer seine fünfzigjährige Kriegerbahn durch die glänzendste Tat krönen sollte. Kaltblütig traf er seine Anordnungen. Auf den unerschrockenen Mut seiner Soldaten konnte er sicher bauen, denn ihm, den sie für ganz kugelfest hielten, folgten sie, wo er sie auch führen mochte. Er sprach noch ein kurzes Gebet, das seinen Sinn zu kräftigen wohl geeignet war, — « Lieber Gott (das waren seine Worte), stehe mir heute gnädig bei! oder willst du nicht, so hilf wenigstens die Schurken, die Feinde nicht, sondern siehe zu, wie es kommt! » — und gab das Zeichen zum Angriff. Zweimal wurde der Angriff durch den Hagel der feindlichen Granaten zurückgeschlagen. Da rückten die Sachsen zur Verfolgung vor, aber augenblicklich stürmte auch ein preußisches Dragonerregiment auf sie ein und schmetterte sie nieder. Schnell war das Dorf besetzt, die Batterie erobert, die feindliche Reiterei auseinandergesprengt, so daß alles in verwirrter Flucht sein <197>Heil suchte. Indes hatte der linke Flügel der Preußen, unter Anführung des Prinzen Moritz von Dessau, kühnen Mutes jenen morastigen Grund durchschritten und den Felshang erklettert; nach kurzem Kampfe waren die feinde auch hier zum Weichen gebracht. Der Graf Rutowski kam mit seinen Sachsen fliehend in Dresden an, wo der Prinz von Lothringen eben beschäftigt war, die österreichische Armee zusammenzuziehen. Dieser schlug dem Grafen vor, mit ihm vereint am folgenden Tage den Preußen aufs neue entgegenzugehen. Aber jener war zu sehr von Furcht erfüllt, als daß er etwas weiteres zu wagen versucht hätte. Er bewies dem Prinzen, daß sie, um ihre Truppen zu retten, sich gegen die böhmischen Grenzen zurückziehen müßten, was denn auch sogleich ins Werk gesetzt ward.
Friedrich besuchte am Tage darauf das Schlachtfeld und sah mit Bewunderung, wie sein tapferes Heer das unmöglich Scheinende möglich gemacht hatte. Der Fürst von Anhalt, der ihn führte, erhielt die schmeichelhaftesten Lobsprüche. Am 18. Dezember <198>zog Friedrich in Dresden ein, nachdem sich die Stadt seiner Gnade hingegeben hatte; ein Korps Landmiliz, das man überflüssigerweise nach dem Abmarsch der Armee in die Stadt gelegt, ward entwaffnet und, nebst andern Gefangenen, zur Ergänzung der preußischen Armee verwandt. Unmittelbar nach seinem Einzuge begab sich Friedrich auf das Schloß, zu den Kindern König Augusts, die hier zurückgeblieben waren. Er bemühte sich, ihre Besorgnisse zu mildern; als sie den Handkuß abstatteten, umarmte er sie liebreich und sicherte ihnen alle Ehren zu, die ihrem Range gebührten. Die Wache des Schlosses blieb zu ihrer freien Disposition. Ebenso begegnete er den Ministern des Königs und den fremden Gesandten aufs leutseligste. Am Abend besuchte er das Theater, wo man ihm die Oper Arminio vorführte. Es war eine von den Opern, mit denen Brühl den Gesinnungen seines Herrn zu schmeicheln wußte. Diese enthielt eine künstlerische Anspielung auf die Verbindung König Augusts mit Maria Theresia. Wohlweislich aber ließen die Sänger einen Chor aus, der auf Friedrichs Benehmen zielen sollte, dessen Moral aber jetzt auf König August selbst zurückfiel; es hieß darin, daß es törichter Stolz sei, seinen Thron auf den Ruinen einer fremden Macht zu erbauen. Am folgenden Tage wohnte Friedrich einem feierlichen Tedeum bei, das in der Kreuzkirche gesungen ward.
Nun gediehen die Friedensverhandlungen zum schnellen Schlusse, indem auch vom österreichischen Hofe ein Gesandter zu demselben Zwecke nach Dresden geschickt war. Am 25. Dezember wurde der Friede zu Dresden geschlossen. Es wurden darin im wesentlichen alle Bestimmungen des Breslauer Friedens wiederholt, nur mußte Sachsen sich dazu verstehen, an Preußen die Summe von einer Million Reichstaler zu bezahlen. Friedrich erkannte die Wahl des Großherzogs Franz zum Kaiser an.
Schon am 28. Dezember hielt Friedrich seinen Einzug in Berlin, den der Enthusiasmus des Volkes für den jungen königlichen Helden zu einem seltnen Feste gestaltete. Feierliche Züge holten ihn ein, Frauen und Mädchen bestreuten den Weg, auf dem er hinfuhr, mit Blumen, von allen Seiten erscholl der begeisterte Ruf: « Es lebe der König, es lebe Friedrich der Große! » Der König war ernst und tief bewegt; er grüßte nach allen Seiten, sprach mit allen, die seinem Wagen nahe kamen, und bemühte sich sorglich, die Zudrängenden vor Schaden zu behüten. Den Abend, die ganze Nacht hindurch war die Stadt festlich beleuchtet. Tausend verschiedenartige Sinnbilder waren an den Fenstern aufgestellt, fast an allen Häusern las man die Inschrift: Vivat Fridericus Magnus! Bis zum Morgen zog das Volk jubelnd umher, Freudenschüsse erschollen rings durch die Straßen.
Friedrich war am Abend, in Gesellschaft seiner Brüder, in die Stadt gefahren, Um noch einmal den Jubel seines Volkes in Augenschein zu nehmen. Doch hatte er <200>dabei ein besondres, schmerzlich teures Geschäft im Sinne. In einem abgelegenen Gäßchen ließ er den Wagen halten, trat in ein Haus und stieg die engen Treppen empor. Dort wohnte sein alter treuer Lehrer, Dühan. Der Greis hatte nicht zu ihm kommen können, denn die letzte Krankheit hielt ihn an sein Lager gefesselt. Friedrich trat an das Bett des Sterbenden. « Mein lieber Dühan », sprach er zu ihm, « wie schmerzt es mich, Sie in diesem Zustande zu finden. Wollte Gott, ich könnte etwas zu Ihrer Wiederherstellung und zur Linderung Ihrer Leiden tun: Sie sollten sehen, welche Opfer Ihnen meine Dankbarkeit mit Freuden bringen würde. » — Dühan antwortete: « Ew. Majestät noch einmal gesehen zu haben, ist der süßeste Trost, der mir zuteil werden konnte. Nun wird mir das Sterben leichter werden! » Er machte eine Bewegung, die Hand des Königs zu ergreifen und sie zu küssen. Friedrich ließ es nicht zu, sagte ihm mit tiefstem Schmerze Lebewohl und eilte fort. Am folgenden Morgen starb Dühan. — Auch andere waren nicht zu Friedrichs Begrüßung erschienen. Seine liebsten Freunde, Jordan und Keyserling, waren dem alten Lehrer im Laufe des verflossenen Jahres bereits vorangegangen. « Das war meine Familie » (so hatte Friedrich auf die Nachricht von ihrem Tode noch an Dühan geschrieben) « und ich glaube nun verwitwet und verwaiset zu sein und in einer Herzenstrauer, welche finster und ernstrer ist als die schwarzen Kleider. Erhalten Sie mir Ihre Gesund<201>heit und bedenken Sie, daß Sie mir beinahe allein noch von allen meinen Freunden übrig sind. » Friedrich sorgte mit Vatertreue für die Kinder der Verstorbenen.
Der Krieg zwischen Österreich und Frankreich währte noch geraume Zeit fort. Erst der Friede von Aachen, am 18. Oktober 1748, brachte denselben zum Schluß. Friedrich erhielt in diesem Frieden eine neue Gewähr für den Besitz Schlesiens. Sein Verhältnis zu dem Könige von Frankreich war so gut wie aufgelöst, obgleich das zwischen beiden bestehende Bündnis erst im Jahre 1756 zu Ende gehen sollte. Noch einmal hatte sich Friedrich, als die letzte drohende Gefahr ihm von Sachsen und Österreich bereitet ward, an König Ludwig gewandt, aber er hatte nur eine Antwort erhalten, die den abgeneigten Sinn mit leeren Höflichkeiten schlecht übertünchte. Dafür ward dem letztern der Friede von Dresden in ähnlichem Stile gemeldet. Und als, vor dem Abschluß des Aachener Friedens, ein englischer Gesandter mit Friedrich unterhandelte, so konnte dieser seinem Hofe in voller Wahrheit berichten: « Das Herz des Königs ist noch deutsch, ungeachtet der französischen Verzierungen, welche auf der Oberfläche erscheinen. »
<202>EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL Friedrichs Regierung bis zum Siebenjährigen Kriege.
Mit erneutem Eifer widmete sich Friedrich, nachdem er seinem Lande den Frieden zurückerkämpft, der Sorge für das Wohl seines Volkes. Im großen wie im kleinen strebte er fördernd, ratend, helfend einzuwirken; alle Kräfte des Staates setzte er zu fröhlichem Wetteifer in Bewegung. Elf Jahre der Ruhe, die ihm zunächst vom Schicksale vergönnt waren, bereiteten ihm das freudige Gefühl, daß sein Streben nicht vergeblich gewesen sei.
Durch die Erwerbung Schlesiens hatte er seine Staaten um ein Dritteil vergrößert; jetzt ließ er es sich angelegen sein, auch im Innern seines Reiches neue Eroberungen zu machen. Wüste Strecken wurden urbar gemacht, zahlreiche Dörfer angelegt und mit Kolonisten bevölkert. Schon im Jahre 1746 begannen die großartigen Arbeiten in den Brüchen des unteren Odertales, die vor allen durch den glücklichsten Erfolg belohnt wurden. Als Friedrich, nach Vollendung dieser Arbeiten, auf dem Damme des Oderbruches stand und die blühenden Fluren überblickte, die auf sein Wort hervorgetreten waren, konnte er mit innerer Befriedigung sagen: « Hier ist ein Fürstentum erworben, worauf ich keine Soldaten zu halten nötig <203>habe. » — Auch in Ostfriesland wurde durch Dämme gegen die Fluten angekämpft und Land wiedergewonnen, das schon seit Jahrhunderten von den Meereswellen überspült war.
Ebenso wurden, um die Flußschiffahrt zu begünstigen, mancherlei Kanalbauten unternommen. Zu Swinemünde, am Ausflusse der Oder in die Ostsee, wurde ein Hafen angelegt und hiedurch Stettin zu einer wichtigen Handelsstadt erhoben; verschiedene andere Einrichtungen dienten vorteilhaft zur Begünstigung des Stettiner Handels. Emden wurde zum Freihafen erklärt und dort eine asiatische und eine bengalische Handelsgesellschaft gestiftet. Mit noch größerem Eifer ward für die Verbesserung und Vermehrung der Fabriken und Manufakturen gesorgt. Durch alle diese Einrichtungen erhöhte sich die Zahl der Einwohner und die Summe der Staatseinkünfte in kurzer Zeit um ein Bedeutendes.
Vorzügliche Sorgfalt wandte Friedrich auf die Verbesserung der Rechtspflege. Die Justizverwaltung war in sehr üblem Zustande; tausend Mißbräuche waren eingerissen, in unendlichen Förmlichkeiten schleppten sich die Prozesse hin, die Erlangung des gebührenden Rechtes stand nur zu oft mit den aufzuwendenden Kosten in schlechtem Einklange. Friedrich hatte diesem Unwesen mit äußerstem Unwillen zugesehen; er entschloß sich jetzt, mit Macht durchzugreifen und schnell Ordnung zu schaffen. An dem Minister Cocceji fand er den Mann, der zu einem solchen Geschäfte Einsicht und Kraft besaß. Durch Cocceji wurde zunächst in der Provinz Pommern, wo vornehmlich die Justizverwaltung in der größten Verwirrung war, der Anfang gemacht, und er brachte es dahin, daß hier in der kurzen Zeit von acht Monaten die ungeheure Summe von 2400 Prozessen, die zum Teil schon lange schwebten zu Ende gebracht ward, so daß kein Prozeß übrigblieb, der älter als ein Jahr war. Hierauf ward eine besondre Prozeßordnung für Pommern ausgearbeitet. Friedrich war mit Coccejis Erfolgen so zufrieden, daß er ihn zu seinem Großkanzler ernannte und ihm die förmliche Justizreform in seinen gesamten Staaten übertrug. Auch dieser neuen, ungleich größeren Arbeit unterzog sich Cocceji, seinem hohen Alter zum Trotz, mit unermüdlichem Eifer, und in einem Jahre schon brachte er es dahin, daß alle untauglichen Richter und Sachwalter aus ihren Stellen entfernt und durch brauchbare und getreue Staatsdiener ersetzt waren. Nach Friedrichs Plane entwarf er ferner eine neue Prozeßordnung, derzufolge alle Prozesse in einem Jahre beendet werden sollten. Endlich ging er auch an die schwierigste Arbeit, die Grundlage des Rechts auf klare und bestimmte Prinzipien zurückzuführen, und schon im Jahre 1749 erschien sein Entwurf eines neuen preußischen Gesetzbuches (« Projekt des Corporis juris Fridericiani »). Friedrich ließ, zum Gedächtnis dieser wohl<204>tätigen Neuerungen, die von ganz Europa angestaunt und nachgeahmt wurden, eine Medaille prägen, auf welcher das Bild der Gerechtigkeit dargestellt war, in der Hand eine sehr ungleiche Wagschale haltend, die von dem Könige mit dem Szepter niedergedrückt und ins Gleichgewicht gebracht wird. Cocceji erhielt von Friedrich ein goldnes Exemplar dieser Medaille und andre sehr bedeutende Beweise der königlichen Gnade. Friedrich sagt von ihm, seine Tugend und Rechtschaffenheit seien der schönen Tage des römischen Freistaats würdig gewesen; seine Gelehrsamkeit und Aufklärung hätten ihn, gleich einem zweiten Tribonian, zur Gesetzgebung, zum Segen der Menschheit berufen. —
<205>Zugleich erforderte die ganze, eigentümliche Lage des preußischen Staates eine unausgesetzte Aufmerksamkeit auf die Angelegenheiten des Heeres, in welchem vornehmlich die Sicherheit und die ehrenhafte Stellung des Staates beruhte. Unermüdlich sorgte Friedrich für die immer mehr erhöhte Ausbildung, für die Geschicklichkeit, für die Zucht seiner Truppen. Jährlich versammelte er sie in großen Lagern, wo die mannigfaltigsten Manöver ausgeführt wurden. Das Fußvolk ward in verschiedenen Auswickelungen und Stellungen, im Angriff und in der Verteidigung verschiedenartiger Lokalitäten, im raschen Übergang über die Flüsse, überhaupt in allen den Bewegungen und Schwenkungen geübt, die man vor dem Feinde zu machen hat. Auf die Reiterei ward die vorzüglichste Sorgfalt gewandt, und unablässig arbeitete Friedrich daran, diese Truppengattung ganz auf diejenige Stufe der Bedeutung zu erheben, die von ihr im Kriege erfordert wird. Zu den von ihm selbst herangezogenen Offizieren berief er treffliche Reiterführer aus Ungarn und Polen, die mit ihm bemüht waren, ihre Untergebenen zur ungesäumten Befolgung der Befehle, in denen Kühnheit und List Hand in Hand gehen, geschickt zu machen. Schon unmittelbar nach dem Zweiten schlesischen Kriege, im Jahre 1746, ward ein großes Übungslager solcher Art bei Potsdam gehalten. Hier setzte Friedrich u. a. gewisse Prämien für diejenigen Husaren aus, die sich durch Keckheit und Verschlagenheit im Dienste auszeichneten. Es ist uns ein besondrer Zug aus diesem kriegerischen Spiele, der zugleich einen Blick in Friedrichs Herzensgüte gestattet, aufbehalten worden.
Friedrich hatte, um Offiziere und Leute auf den Feldwachen und auf den Piketts munter zu erhalten, den Husaren den Befehl gegeben, an dem Lager umherzustreifen, die Wachen zu alarmieren und denen, die sich überrumpeln ließen, den Hut vom Kopfe zu nehmen. Auf den Hut hatte er den Preis eines Dukaten gesetzt. <206>Ein alter verdienter Kürassieroffizier, Major Leopold, hatte sich, nach der Hitze eines anstrengenden Manövers, mitten unter seinen Reitern einen Feldstuhl aufgeschlagen und war darauf unversehens eingeschlafen. Das merkte ein umherschwärmender Husar, schlich leise näher, nahm dem schlummernden Greise den Hut vom Kopfe und sprengte damit zum Könige. Friedrich erkundigte sich, wenig erfreut über das Ungeschick des Offiziers, wem der Hut gehöre; bei dem Namen des braven Greises ward jedoch sein finstrer Blick wieder ruhig. Am folgenden Morgen ließ er den Major zu sich kommen, der sehr niedergeschlagen über den Vorfall eintrat. Der König kam ihm freundlich entgegen und sprach, mit dem Finger drohend: « Hör Er, lieber Leopold, auf der Feldwacht muß man nicht schlafen! Er tut bei seinen Jahren am besten, wenn Er quittiert. Ich will Ihn mit fünfhundert Talern Pension in Ruhe setzen. Er hat einen Sohn im Regimente, der ist Standartenjunker; nicht so? » — Der Major bejahte es. « Sein Sohn », fuhr der König fort, « hat alle Anlagen zu einem tüchtigen Offizier. Damit er aber nicht nach dem Beispiel seines Vaters auf der Feldwacht einmal schläft, nehm' ich ihn als Kornett in der Garde du Corps mit nach Potsdam. »
Einen besonderen Ruf hat unter diesen militärischen Übungen das große Feldmanöver erhalten, welches im Jahre 1753 in der Gegend von Spandau ausgeführt wurde. Es waren zu demselben mehrere fürstliche Personen eingeladen und aus allen preußischen Provinzen Generale und Stabsoffiziere berufen. Doch hatten nur die ausdrücklich Berufenen Zugang zu dem Manöver, allen übrigen war der Zutritt streng verwehrt, da Friedrich eben nicht Lust empfand, seine Erfahrungen in weiterem Kreise mitgeteilt zu wissen. Wie im Kriege waren deshalb Vorposten ausgestellt, und die Husaren patrouillierten beständig; einige Neugierige, die sich trotz der Anordnungen des Königs näher wagten, wurden auf Befehl ein wenig geplündert, was denn die übrigen abschreckte. Dies alles spannte die Neugierde des Publikums in hohem Maße; sogar auswärtige Höfe wurden auf das Unternehmen, das wirkliche kriegerische Rüstungen zu verraten schien, aufmerksam. Der Neugierde zu genügen und den kriegsgelehrten Forschungen der Fremden Raum zu unschuldigen Untersuchungen zu geben, ließ Friedrich eine angebliche Beschreibung dieses bei Spandau gehaltenen Manövers im Druck erscheinen; sie enthielt aber nur die Schilderung ganz phantastischer, zum Teil verkehrter Kriegsübungen, nach dem Vorbilde jener Phantastereien, die in dem berühmten sächsischen Lustlager vom Jahre 1730, welchem Friedrich als Kronprinz selbst beigewohnt, ausgeführt worden waren. Nur wenige indes merkten den Spaß; die meisten studierten die Beschreibung als ein Ergebnis tiefsinniger und unergründlicher Kriegserfahrung. —
<207>Was die religiösen Angelegenheiten anbetrifft, so hielt Friedrich an dem weisen Regentengrundsatze fest, den er selbst in einer seiner Schriften mit den Worten ausgesprochen hat: « Der falsche Glaubenseifer ist ein Tyrann, der die Lande entvölkert; die Duldung ist eine zarte Mutter, welche sie hegt und blühen macht. » Und in der Tat trug die Befolgung dieses Grundsatzes wesenttlich zu der immer steigenden Blüte seiner Staaten bei. Einer solchen Ansicht durfte Friedrich, der zu der Höhe des Gedankens sich emporgearbeitet hatte und mehr auf den Inhalt als auf die Form sah, mit Überzeugung sich hingeben. Daß es ihm hiebei, trotz manchen leichten Witzwortes, welches ihm ein und das andere Mal wohl über heilig gehaltene Gegenstände entschlüpfte, in innerster Seele Ernst war, dafür hat er Zeugnis genug gegeben; nur wollte er für sich eben seinen Weg gehen. Eins der erhabensten Zeugnisse ist das Kirchengebet für die Erhaltung des Königs, das er während des Zweiten schlesischen Krieges bei der Armee, und nachmals auch in allen Kirchen seines Staates, einführen ließ. Früher hieß das Gebet: « Insonderheit laß dir, o Gott, empfohlen sein Ihro Majestät unsern teuersten König » (wobei der Name des Königs genannt ward). Friedrich hatte schon als Kronprinz daran Anstoß gefunden; der Prunk mit der irdischen Majestät schien ihm, dem höchsten Wesen gegenüber, wenig schicklich und die Nennung des Namens vor dem Allwissenden sehr überflüssig. Er setzte statt desselben die Worte: « Insonderheit laß dir, o Gott, empfohlen sein deinen Knecht, unsern König. »
Natürlich mußte die Erwerbung eines vorzugsweise katholischen Landes, wie Schlesien, die vorzüglichste Gelegenheit zu den Beweisen religiöser Duldung darbieten, <208>und Friedrich fuhr fort, seinen katholischen Untertanen sich als ein ebenso liebevoller Vater zu erweisen, wie er es den protestantischen Untertanen war; freilich forderte er von ihnen auch den gleichen Sinn, damit alle Bewohner seiner Lande ein Band der Liebe und Eintracht umschlinge. Der Papst war durch die glückliche Lösung der katholischen Verhältnisse Schlesiens höchlich erfreut und sorgte gern dafür, dem Könige Beweise seiner Teilnahme zu geben. So ermahnte er den Nachfolger des im Jahre 1747 verstorbenen Kardinals Sinzendorf, den Grafen Schaffgotsch, in seinem Bestätigungsbriefe ausdrücklich, er möge sich seinem gegen die katholische Kirche so wohlgesinnten Fürsten auf alle Art ergeben bezeigen. Eine besondre Freude erweckte es dem Papste, als Friedrich den Katholiken Berlins die Erlaubnis zu dem Bau einer eigenen prächtigen Kirche gab, auch ihnen den dazu erforderlichen Platz und einen Teil der Baumaterialien schenkte. Am 13. Juli 1747 wurde, unter allem Pomp und allen Zeremonien, welche die katholische Kirche vorschreibt, der Grundstein zu diesem Gotteshause durch einen königlichen Bevollmächtigten gelegt.
Dabei aber vergaß Friedrich nicht den hohen Beruf, der ihm, als dem mächtigsten der protestantischen Fürsten Deutschlands, zum Schutze des protestantischen Glaubens oblag. Der Erbprinz von Hessen-Kassel war zur katholischen Religion übergegangen; Friedrich verbürgte den Ständen des Landes, in Gemeinschaft mit dem Könige von England, die Erhaltung der evangelischen Landesreligion. Ebenso sicherte er den Württembergern den evangelischen Glauben ihrer künftigen Landesherren, als der katholische Prinz Friedrich Eugen von Württemberg sich mit einer <209>Prinzessin von Brandenburg-Schwedt vermählte. Mit besonderem Eifer nahm sich Friedrich der Protestanten in Ungarn an, die ihn, bereits im Jahre 1743, um sein Fürwort gegen die Bedrückungen, welche sie daheim erdulden mußten, gebeten hatten. Schon damals hatte er eine nachdrückliche Vorstellung nach Wien gesandt, in welcher er sich geradezu den Protektor der Protestanten nannte, die Königin auf die möglichen Folgen ihres Verfahrens aufmerksam machte und selbst mit Repressalien drohte, die er gegen die Katholiken Schlesiens gebrauchen würde. In Wien aber hatte man diese Vorstellung nicht eben wohlwollend aufgenommen; man hatte es sogar geleugnet, daß in Ungarn Religionsbeschwerden vorhanden seien. Da solchergestalt die unmittelbaren Unterhandlungen erfolglos blieben, jene Bedrückungen aber, nach dem Zweiten schlesischen Kriege, noch ärger wurden, auch eine Schrift des Bischofs von Vesprim erschien, welche die Kaiserin geradezu zur Vertilgung der Ketzer aufforderte, so sandte Friedrich, im Jahre 1751, dem Fürstbischofe von Breslau ein sehr ernstliches Schreiben zu, damit dieser von geistlicher Seite entgegenzuwirken suche. Das Schreiben ist voll des tiefsten Gefühles; Friedrich spricht es deutlich aus, wie es ihm nur um die Freiheit des Glaubens zu tun sei, indem er ja für die Ungarn, die im letzten Kriege Feindseligkeiten genug gegen ihn verübt, keine äußeren Verbindlichkeiten habe; er läßt es durchblicken, wie wenig erfreut die katholische Kirche sein dürfe, wenn einmal das Gegenteil eintrete und ein katholisches Land durch einen protestantischen Fürsten auf gleiche Weise geknechtet werde. Der Fürstbischof schickte das Schreiben an den Papst, und dieser verordnete wenigstens, für die schlesische Kirche besorgt, die Einziehung jener ärgerlichen Schrift des ungarischen Bischofs.
Durch das Verhältnis zu den ungarischen Protestanten und zu der geringen Willfährigkeit des Wiener Hofes gegen seine Bitten erklärt sich eine anziehende kleine Begebenheit, welche Friedrich herbeiführte, um wirklich einmal eine Art von Repressalie ausüben zu können; aber sie zeugt zugleich von der durchaus gemütlichen Laune des großen Königs, die ihn vielmehr nur zu einer scherzhaften Drohung, als zu einer wirklichen Bedrückung seiner Untertanen trieb. Es war im Jahre 1750. Der König begegnete in den Gärten von Potsdam einem jungen Manne von fremdartigem Äußeren und fragte ihn, wer er sei. Dieser nannte sich als den Kandidaten Hedhessi aus Ungarn; er sei reformierter Religion, habe in Frankfurt an der Oder Theologie studiert und wünsche jetzt, ehe er in sein Vaterland heimkehre, noch die Residenzen des Königs zu sehen. Friedrich ließ sich weiter in ein Gespräch mit ihm ein; die schnellen verständigen Antworten, die er erhielt, gefielen ihm so, daß er jenem endlich den Antrag machte, in seinen Staaten zu bleiben, er wolle für <210>sein Unterkommen sorgen. Der Kandidat jedoch sah sich, seiner Familienverhältnisse wegen, genötigt, diesen gnädigen Antrag abzulehnen. Friedrich sagte ihm nun, wenn er nicht bleiben könne, so möge er sich wenigstens eine andere Gnade von ihm ausbitten. Der Kandidat wußte nichts, was er von dem Könige von Preußen zu bitten hätte. « Kann ich Ihnen denn gar keinen Gefallen tun? » wiederholte Friedrich. « Etwas könnten Ew. Majestät », fiel jetzt der Kandidat ein, « doch für mich tun, wenn Sie die Gnade haben wollten. Ich habe mir verschiedene theologische und philosophische Bücher gekauft, die, meines Wissens, in Wien verboten sind; die wird man mir gewiß wegnehmen. Die Jesuiten haben die Revision der Bücher, und die sind sehr streng. Wollten nun Ew. Majestät die Gnade für mich haben - » Der König unterbrach ihn schnell und sprach: « Nehm' Er seine Bücher nur in Gottes Namen mit, kauf Er sich noch dazu, was Er denkt, daß in Wien recht verboten ist, und was Er nur immer brauchen kann. Hört Er? Und wenn sie Ihm in Wien die Bücher wegnehmen wollen, so sag' Er nur, ich habe sie Ihm geschenkt. Darauf werden die Herren Paters wohl nicht viel achten, das schadet aber nichts. Laß Er sich die Bücher nur nehmen, geh' Er aber dann gleich zu meinem Gesandten und meld' Er sich bei ihm: erzähl' Er dem die ganze Geschichte und was ich Ihm gesagt habe. Hernach geh' Er in den vornehmsten Gasthof und leb' Er recht kostbar. Er muß aber täglich wenigstens einen Dukaten verzehren, und bleib' Er so lange, bis sie Ihm die Bücher wieder ins Haus schicken, das will ich schon machen. Hört Er? so mach' Er's, sie sollen Ihm seine Bücher ins Haus schicken, dafür steh' ich Ihm, verlaß Er sich auf mein Wort, aber einen Dukaten muß Er, wie gesagt, jeden Tag verzehren. » Darauf befahl der König dem Kandidaten zu warten, ging in das Schloß und kam kurz darauf mit einem Papiere zurück, worauf die Worte standen: « Gut, um auf Unsere Kosten in Wien zu bleiben. Friedrich. » Der König befahl ihm, dies Papier dem Gesandten zu überbringen, ermahnte ihn noch einmal, in Wien nicht zu sparen, versicherte ihn auch, er solle noch die beste Pfarre in Ungarn erhalten, und wünschte ihm eine glückliche Reise. Es geschah, wie es vorauszusehen war; die Bücher des Kandidaten wurden, unmittelbar nach seiner Ankunft in Wien, von der dortigen Zensurkommission konfisziert. Hedhessi wandte sich nun an den preußischen Gesandten; dieser hatte bereits seine Instruktion erhalten, ließ ihn in den besten Gasthof führen und meldete den Stand der Dinge an den König. Alsbald erging ein Befehl des Königs nach Breslau, die kostbare Bibliothek des dortigen Jesuitercollegiums zu versiegeln und durch Wachen zu besetzen. Die Jesuiten wurden im höchsten Grade bestürzt; da ihnen aber in Breslau niemand den Grund der königlichen Ungnade entdecken konnte, so entschlossen sie sich, eine Deputation <211>an den König nach Potsdam zu schicken. Dort angekommen, hatten sie mehrere Wochen zu warten, ehe sie vorgelassen wurden. Als sie endlich zur Audienz gelangten, verwies sie Friedrich wegen dieser Angelegenheit an seinen Gesandten in Wien und bat sie, ihn gleichzeitig ihren Kollegen, den dortigen Bücherrevisionskommissarien, zu empfehlen. Sie gingen also unverrichteter Sache nach Breslau zurück, und man sah sich genötigt, eine neue Deputation nach Wien zu schicken. Der Gesandte bedauerte, daß er ebenfalls ihnen nicht Aufklärung geben könne; doch sei ein junger Mann am Orte, dem hätten die Jesuiten von Wien einen Kasten mit Büchern weggenommen. Jetzt wußten die Abgeordneten, was sie zu tun hatten; es verging kaum eine Stunde, und Hedhessi war im Besitz seiner sämtlichen Bücher. Ehe die Abgeordneten aber Wien verließen, hatten sie vorher auch noch die Gasthofsrechnung des Kandidaten zu bezahlen. Nun eilten sie wieder zurück nach Potsdam; der König empfing sie sehr gnädig und gab ihnen einen Kabinettsbefehl zur Wiedereröffnung ihrer Bibliothek. Der Pater Rektor aber empfing von Friedrich ein besondres Schreiben, des Inhalts, daß, wenn Hedhessi, oder die Seinen, oder überhaupt die Reformierten in Ungarn wegen dieser Sache beleidigt werden würden und wenn der Kandidat nicht die beste Pfarre in Ungarn erhalte, das Jesuitercollegium zu Breslau dafür einstehen müsse. Es geschah jedoch alles nach des Königs Wunsch. —
Durch die Ausführung großartiger Bauten sorgte Friedrich fort und fort für den würdigen Schmuck seiner Residenzen. Aber er hatte dabei nicht bloß den Ein<212>druck der Pracht und der künstlerischen Größe, welchen das vollendete Gebäude auf das Auge des Beschauers hervorbringt, im Sinne; er schaffte durch diese Unternehmungen zugleich einer Menge von Untertanen Verdienst, er sorgte durch sie für den schnelleren Umlauf des Geldes und gab den verschiedenen Handwerkern Gelegenheit zu ihrer vollkommneren Ausbildung. Daher berührte es ihn auch, wenn etwa ein unvorhergesehenes Unglück auf diese öffentlichen Anlagen einbrach, nicht besonders tief; die Wiederherstellung schaffte ihm nur neue Gelegenheit, seinen Untertanen die ebengenannten Vorteile zufließen zu lassen. So war es, als im Jahre 1747 im Charlottenburger Schlosse ein Brand ausbrach; der ganze Hof war eben in diesem Schlosse anwesend; alles drängte sich — es war zur Nachtzeit — in Verwirrung und Entsetzen durcheinander; nur Friedrich ging ruhig gefaßt auf der Terrasse vor dem Schlosse auf und ab: « Es ist ein Unglück », äußerte er, « doch werden die Handwerker in Berlin etwas dabei verdienen. » Er sorgte nur, daß niemand bei den Rettungsanstalten Schaden nahm. — So war bereits im Jahre 1742 das Gebäude des königlichen Marstalles unter den Linden zu Berlin, mit den kostbaren Sammlungen der Akademie der Künste und der Wissenschaften, die sich in demselben Lokale befanden, ein Raub der Flammen geworden. An seiner Stelle erhob sich bald ein neues, großes Gebäude, welches wiederum zu demselben Zwecke bestimmt ward. Auch andere Prachtbauten reihten sich in kurzer Frist diesem Neubau an.
Des Opernhauses, welches Friedrich bald nach dem Antritt seiner Regierung in Berlin ausführen ließ, ist schon früher gedacht worden. Ein anderes bedeutendes Gebäude, das bald nach dem Zweiten schlesischen Kriege erstand, war ein sehr geräumiges Invalidenhaus. Dann ward, am Lustgarten zu Berlin, ein neuer Dom gebaut. Dieser wurde im September 1750 eingeweiht. Der alte Dom hatte zum Erbbegräbnis des regierenden Hauses gedient; auch der neue Dom erhielt dieselbe Bestimmung, und schon im Januar 1750 waren die Särge der entschlafenen Mitglieder des Herrscherhauses an ihre neue Ruhestätte hinübergeführt worden. Friedrich war bei dieser feierlichen Beisetzung zugegen. Als der Sarg des Großen Kurfürsten gebracht ward, ließ er ihn öffnen. Der Kurfürst lag im vollen Staate da: im Kurmantel, mit der großen Perücke, die er in der späteren Zeit seines Lebens getragen hatte, mit großer Halskrause, reichbesetzten Handschuhen und gelben Stiefeln; die Züge des Gesichts waren noch ganz kenntlich. Friedrich betrachtete die teure Leiche geraume Zeit mit tiefem Schweigen. Dann ergriff er die Hand des Kurfürsten, Tränen rollten aus seinen Augen, und begeistert rief er seinem Gefolge zu: « Messieurs, der hat viel getan! »
<213>Auch außerhalb Berlins, namentlich in Potsdam, ließ Friedrich mancherlei Gebäude auf seine Kosten ausführen. Die beiden Residenzen verschönerte er zugleich durch eine ansehnliche Zahl bequemer Bürgerhäuser. Von dem Bau des Schlosses Sanssouci bei Potsdam wird im folgenden näher berichtet werden. Friedrich hat oft die Entwürfe zu seinen Bauten selbst gefertigt, oft auch gaben ihm die Werke von Palladio, Piranesi und anderen Meistern die Ideen dazu; die Architekten hatten unter dem königlichen Dilettanten keine ganz leichte Stellung.
Nicht minder eifrig war Friedrich für den Glanz der Schaubühne bemüht. Oper und Ballett wurden in höchster Vollkommenheit ausgeführt und gaben dem öffentlichen Leben Berlins ein eigen festliches Gepräge. Die vorzüglichsten Sänger, Sängerinnen und Tänzerinnen berief Friedrich zum Schmuck seiner Bühne. Unter diesen ward besonders die Tänzerin Signora Barberina, bei der sich körperliche Anmut und feine geistige Bildung in seltnem Maße verbanden, hoch gefeiert, und auch der König unterließ es nicht, ihr seine Huldigungen darzubringen. Nach der Oper pflegte er gern, wenn sie getanzt hatte, in ihrem Kabinette den Tee einzunehmen; zuweilen auch ward sie von Friedrich selbst in vertrauter Gesellschaft zum Abendessen eingeladen. Dies war eine seltne Auszeichnung, da Friedrich schon in dieser Zeit fast ausschließlich nur im Kreise der männlichen Freunde verkehrte. Noch gegenwärtig sieht man in den königlichen Schlössern von Berlin und Potsdam das Bildnis der anmutigen Tänzerin, von Pesne gemalt, mehrfach wiederholt; sie ist <214>zumeist tanzend dargestellt; ein kleines Tigerfell, das sie über dem Reifrocke trägt, und die Handpauke, die sie schwingt, bezeichnen dabei die Rolle der Bacchantin. Selbst auf großen historischen Darstellungen, die auf Friedrichs Befehl gemalt wurden, kehrten die Züge ihres Gesichtes wieder. Signora Barberina war im Jahre 1744 nach Berlin gekommen; 1749 heiratete sie den Sohn des Großkanzlers; die Ehe wurde aber wieder getrennt, und später, doch erst nach Friedrichs Tode, ward sie in den Grafenstand erhoben.
Friedrich widmete dem Theater auch eine besondre persönliche Teilnahme. In den Proben war er oft gegenwärtig und nahm teil an der Direktion. Für die Oper hat er selbst mehrere Texte geschrieben, auch verschiedene Musikstücke komponiert. Dabei muß aber in Erinnerung gebracht werden, daß die Bühne wesentlich eine Hofbühne war und vorzüglich dazu diente, die Pracht, die an den Hoffesten entfaltet wurde, zu erhöhen. Mancherlei Berichte über die Anordnung dieser Hoffeste sind auf unsre Zeit gekommen und versetzen uns lebhaft in das heitre Leben jener glücklichen Periode. Großen Ruf hat vornehmlich das Fest erlangt, welches Friedrich, seiner Schwester von Bayreuth zu Ehren, am 25. August 1750 veranstaltete. Es war ein Karussellreiten im Lustgarten zu Berlin, bei Nacht, während der ganze Platz, der von Schaugerüsten umfaßt war, durch ein unzähliges Lampenmeer erhellt war. Vier <215>Ritterscharen, deren von Gold, Silber und Steinen funkelnde Kostüme die Nationen der Römer, Karthager, Griechen und Perser vorstellten, und die von vier Prinzen des königlichen Hauses geführt wurden, kamen unter Fackelschein gezogen und begannen den Wettkampf im Ringstechen; die Prinzessin Amalie, eine jüngere Schwester Friedrichs, verteilte die Preise. Alles war von diesem glänzenden Feste entzückt; Voltaire, der sich damals in Berlin aufhielt, improvisierte auf der Stelle die elegantesten Verse zur Verherrlichung der Kämpfer und der Preisverteilerin; und auch Friedrich fand sich so befriedigt, daß er einige Tage darauf eine Wiederholung des Festes bei Tagesbeleuchtung anordnete.
In demselben Jahre, in welchem das ebengenannte Fest stattfand, erfreute sich Berlin auch noch eines andern seltenen Schauspieles. Ein tatarischer Aga erschien als Abgesandter des Chans der krimischen Tataren und seines Bruders, des Sultans von Budziak, dem preußischen Könige, dessen Ruhm nunmehr schon bis zu den fernen Völkerschaften gedrungen war, ein Zeugnis huldigender Ehrfurcht darzubringen. —
Von allem, was unter Friedrichs Regierung in der Verwaltung des Landes, in den Angelegenheiten des Heeres, in den Elementen geistiger Bildung, in den Dingen, die zum Schmucke des öffentlichen Lebens gehören, geschah, war er die Seele, er die bewegende Ursache, die leitende Kraft. Darauf ist schon früher hingedeutet worden; hier muß das Verhältnis noch einmal näher berührt werden. Die Einrichtung seiner Regierung war streng monarchisch; so hatte er dieselbe bereits von seinem Vater überkommen, so behielt er sie bei; aber er befestigte dieselbe mit einer Energie, die allein bei einem so überlegenen Geiste gefunden werden konnte. An die Stelle der Stände, welche früher dem Regenten beratend zur Seite standen, waren jetzt Beamte getreten, die nur zur Ausführung des königlichen Willens dienten. <216>Jede Angelegenheit des Staates ward unmittelbar vor die Augen des Königs gebracht; einsam in seinem Kabinette faßte er den Entschluß und erteilte auf alles und jedes seinen eignen selbständigen Bescheid. Die Kabinettsräte dienten dazu, diese Dinge dem Könige vorzulegen und seinen Willen zu vernehmen; die Minister hatten nur das Geschäft der Ausführung, je nach der besonderen Abteilung der Staatsverwaltung, welcher sie vorstanden. Friedrich ward dabei von dem Gefühle seiner persönlichen Überlegenheit geleitet; aber er hatte den ernstlichen Willen, einzig und allein nur für das Wohl seines Volkes zu sorgen. Keinem, auch dem Geringsten nicht, war es versagt, sich vertrauungsvoll an den Vater des Vaterlandes zu wenden; keiner, falls nicht etwa ganz Verkehrtes vorgebracht wurde, hatte eine Mißachtung des Gesuches zu befürchten. Friedrich betrachtete den Staat als eine künstlich zusammengesetzte Maschine, in der jeder an der Stelle, auf die ihn das Schicksal geführt, für das Wohl des Ganzen zu sorgen habe; in seiner Hand sah er die Fäden <217>zusammenlaufen, durch welche das Ganze angemessen und im Einklange bewegt ward. Er wußte alles, er kannte alles, und ein ungeheures Gedächtnis bewahrte ihn — soweit menschliches Vermögen zu bewahren ist — vor der Gefahr, Einrichtungen zu treffen, die mit dem einmal festgesetzten Organismus des Staates, wenn auch nur in untergeordneten Beziehungen, in Widerspruch gestanden hätten.
Manche charakteristische Züge sind uns erhalten geblieben, die von der Weise, wie er das Ganze im Einzelnen zu beherrschen vermochte, wie er alle einzelnen Zustände mit scharfer Aufmerksamkeit verfolgte, wie er unverrückt nur die Sorge für das Wohl seines Volkes im Auge behielt, Zeugnis geben. Statt vieler, stehe hier nur ein einziger Zug, der, so unbedeutend er erscheint, doch vorzüglich geeignet ist, sein sicheres Eingehen auf die Verwaltungsangelegenheiten und die Art seiner Gesinnung zu vergegenwärtigen. Es ward ihm einst die Bestätigung der Wahl eines Landrates zur Unterschrift vorgelegt. Bei dem Namen des Vorgeschlagenen stutzte er und verlangte den Minister zu sprechen. Er äußerte sich ungehalten über die Wahl, während der Minister dieselbe zu rechtfertigen und die löblichen Eigenschaften des Gewählten zu entwickeln suchte. Friedrich jedoch ließ sich nicht irre machen. Er befahl ein besondres Aktenstück aus dem Kammergerichte herbeizuholen und schlug eine darin enthaltene Verhandlung auf. « Seh' Er her », sprach er nun zu dem Minister; « dieser Mann hat mit seiner leiblichen Mutter um einige Hufen Ackers einen weitläufigen Prozeß geführt, und sie hat um eine solche Lumperei auf ihrem letzten Krankenlager noch einen Eid schwören müssen. Wie kann ich von einem Menschen mit solchem Herzen erwarten, daß er für das Beste meiner Untertanen sorgen wird? Daraus wird nichts, man mag einen andern wählen! »
Eine solche ganz außerordentliche Tätigkeit aber, der sich zugleich noch die mannigfachsten künstlerischen und wissenschaftlichen Beschäftigungen anschlossen, machte Friedrich nur dadurch möglich, daß er seine Zeit mit der gewissenhaftesten Genauigkeit einteilte, daß er für jedes Geschäft und für jede Erholung eine bestimmte Stunde hatte. Auf seinem Schreibtisch lag ein Kalender, in dem alle feststehenden Geschäfte verzeichnet waren. Seine Tageseinteilung war unverrückt dieselbe. Seine Natur bedurfte nur wenig Schlaf; mit dem frühsten Morgen begann seine Arbeit. Der Vormittag war ganz dem Staatsdienste in seinen verschiedenen Arten gewidmet, während der größere Teil des Nachmittags und der Abend dem Genusse der Kunst und Wissenschaft diente. Eigentümlich ist es, daß er gewisse Pausen, die er zwischen den Berufsarbeiten festgesetzt hatte, in der Regel durch Flötenspiel ausfüllte. Er ging dann meist, längere oder kürzere Zeit, phantasierend im Zimmer umher. Zu einem Freunde äußerte er einst, daß er während dieses <218>Phantasierens oft allerlei Sachen überlege und nicht daran denke, was er blase; daß ihm während desselben schon die glücklichsten Gedanken, selbst über Geschäfte, eingefallen seien. Die Kunst war es also, die, wenn auch ihm selbst unbewußt, sein Gemüt frei machte und seinen Geist in seiner selbständigen Kraft stärkte.
Auf gleiche Weise, wie der Tag, hatte auch das Jahr für Friedrich seine bestimmte Einteilung. Die Hauptabschnitte machten hierin die Reisen, die er zur Besichtigung der Truppen nach den verschiedener. Provinzen unternahm. Diese Reisen verbreiteten besonderen Segen über alle Teile seines Reiches; denn nicht allein nach den Truppen sah er, sondern auch nach allem, was die Verwaltung und das ganze Wohl des Landes anbetraf. So schnell er zu reisen pflegte, so hatte er doch Zeit genug, um an jedem Ruhepunkte die höheren oder niederen Beamten, die sich auf ausdrücklichen Befehl daselbst versammeln, ihn auch zuweilen eine Strecke lang begleiten mußten, zu sprechen, mit ihnen besondere Verabredungen zu treffen, Bittschriften entgegenzunehmen und, wenn möglich, auch sogleich zu beantworten. Auch Geschäftsmänner und Kaufleute sah er bei diesen Gelegenheiten gern um sich und ging mit ihnen teilnehmend in alle besonderen Verhältnisse der Provinzen ein. Im schlesischen Gebirge sagte er einst den Abgeordneten des Handelsstandes die ermutigenden Worte: « Wenden Sie sich nur an mich: ich bin Ihr erster Minister! » — Dabei war auch die Zeit, die er im Wagen zubringen mußte, für ihn nicht verloren. War auf dem Wege nichts, was seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, so hatte er Bücher bei sich, mit deren Lektüre er sich beschäftigte; und waren die Stöße des Wagens zu störend (denn Kunststraßen hat er nicht ausführen lassen), so rezitierte er sich Stellen seiner Lieblingsdichter, davon er vieles im Gedächtnis bewahrte.
<219>ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL Der Philosoph von Sanssouci.
Bereits vor dem Ausmarsch in den Zweiten schlesischen Krieg hatte Friedrich, von der Anmut der Potsdamer Gegend gefesselt, die Anlage des sogenannten « Lustschlosses im königlichen Weinberge » bei Potsdam befohlen. Der Plan zu der ganzen Anlage war von ihm selbst entworfen; auch hat sich dieser Entwurf bis auf unsre Zeit erhalten. Der Berghang wurde zu sechs mächtigen Terrassen umgestaltet; zu dem Lustschlosse, welches die Bekrönung der Terrassen bildet, wurde im April 1745 der Grundstein gelegt und dasselbe in zwei Jahren vollendet. Knobelsdorff führte die Leitung des Baues, der einfach, nur aus einem Geschoße bestehend, aufgeführt ward. Nach <220>der Vollendung erhielt das Gebäude den Namen « Sanssouci ». Unmittelbar darauf ward es von Friedrich bezogen, und es blieb bis an seinen Tod das Asyl, in dem er sich ungestört der geselligen Erholung und der reichen Einsamkeit seines Geistes erfreuen durfte. Alles, was den Menschen in Friedrich anbetrifft, ist fortan eng mit dem Namen Sanssouci verknüpft. Alle freundschaftlichen Briefe, die er hier schrieb, sind mit diesem Namen bezeichnet, während unter den geschäftlichen Schreiben stets der Name der Stadt steht. Auf den literarischen Werken, die von ihm bei seinen Lebzeiten dem Drucke übergeben wurden, nennt er sich « den Philosophen von Sanssouci ». Der Aufenthalt zu Sanssouci ward dem zu Rheinsberg ähnlich, nur mit dem Unterschiede, daß natürlich jene jugendlich unbefangene Heiterkeit nicht ganz wiederkehren konnte. Rheinsberg, das der Residenz zu entlegen war, als daß es fortan der Aufenthaltsort eines Königs sein konnte, hatte Prinz Heinrich, Friedrichs jüngerer Bruder, zum Geschenke erhalten.
Die Gegend von Potsdam, mit ihren breiten, vielgebuchteten Wasserspiegeln, welche den Fuß der grünen Laubhügel netzen, bildet eine heitre Oase zwischen den eintönigen Flächen der brandenburgischen Mark. Seit Friedrich dort sein Haus gegründet, sind die Fürsten seines Geschlechtes nicht müde geworden, die Reize der Natur, durch die ordnende und bildende Hand der Kunst, zur lieblichsten Entfaltung zu bringen. Ein Kranz von Parkanlagen dehnt sich um die Stadt hin; Schlösser und Villen erglänzen auf den Höhen und in den Tälern; Nähe und Ferne sind von frischem, erquicklichem Lebenshauche erfüllt. Aber unangetastet steht die Wohnung des großen Königs noch heute über jenen Terrassen, und durch das Leben des Tages wehen die Schauer einer großen Erinnerung.
<221>Friedrich verknüpfte mit dem Namen Sanssouci eine geheime, tiefere Bedeutung. Er hatte sich zur Seite des Schlosses, noch ehe dessen Grund gelegt war, eine Gruft bauen lassen, die dereinst seine irdischen Reste aufnehmen sollte. Sie ward mit Marmor überkleidet und ihr Zweck durch die Bildsäule einer Flora, welche darauf lagerte, spielend verhüllt. Diese Gruft, deren Dasein niemand ahnen konnte, war eigentlich mit jenem Namen gemeint. Einem Freunde sprach er einst davon und sagte, auf die Gruft deutend: « Quand je serai là, je serai sans souci! » (Wenn ich dort bin, werde ich ohne Sorge sein!) Aus dem Fenster seines Studierzimmers hatte er täglich das Bild der Blumengöttin, der Hüterin seines Grabes, vor Augen.
An die Geschichte der Anlagen von Sanssouci knüpfen sich mehrere Anekdoten, die wohl geeignet sind, die Charaktergröße des seltnen Königs wiederum in eigentümlichem Lichte zu zeigen. Bekannt ist es, daß nicht weit von der einen Seite des Schlosses eine Windmühle steht, deren Platz Friedrich gern mit in die Gartenanlagen hineinbezogen hätte. Friedrich, so wird erzählt, ließ den Müller zu sich kommen und forderte ihn auf, die Mühle ihm zu verkaufen. Jener aber hatte sie von seinem Vater geerbt und wünschte sie auch auf seine Kinder zu bringen. Der König versprach ihm nun, ihm eine bessere Mühle anderwärts zu bauen, ihm Wasserlauf und alles frei zu geben, auch noch die Summe, die er für seine Mühle fordern würde, bar auszahlen zu lassen. Aber der Müller bestand hartnäckig auf seinem Vorsatze. Jetzt ward Friedrich verdrießlich. « Weiß Er wohl », so sprach er drohend, « daß ich Ihm seine Mühle nehmen kann, ohne einen Groschen dafür zu geben? » — « Ja, Ew. Majestät », erwiderte der Müller, « wenn das Kammergericht in Berlin nicht wäre! » Auf diese Worte stand Friedrich von seinem Begehren ab und änderte den Plan seines Gartens. Noch heute erheben sich die Flügel der Mühle über das königliche Schloß, die Unterwerfung des Königs unter das Gesetz bezeugend. — Ziemlich ähnlich lauten die anderen Anekdoten.
In Sanssouci vereinigte Friedrich den Kreis der Männer um sich, denen er sein besondres freundschaftliches Vertrauen schenkte. Denjenigen, die ihm aus der schönen Rheinsberger Zeit geblieben waren, wußte er bald neue Freunde zuzugesellen. Unter den letztern ist besonders der Marquis d'Argens zu erwähnen, der, von provenzalischer Geburt, in der Heimat wegen seiner freien Gesinnung nur Verfolgungen erlitten hatte, hier aber ein sicheres Asyl fand; die Anmut seines Benehmens, die feine Bildung seines Geistes, vor allem aber die treue, anspruchslose Hingebung an den König machten ihn diesem bald so wert, daß er nachmals die Stelle in Friedrichs Herzen einnahm, die früher Jordan besessen hatte. Durch gleiche <222>Treue war Friedrichs literarischer Sekretär Darget ausgezeichnet. Als einer der alten Freunde ist hier noch der Baron Pöllnitz zu erwähnen, der schon unter König Friedrich I. gedient und sich durch vielseitige Kenntnisse, besonders aber durch eine unerschöpfliche gesellige Laune empfohlen hatte, obgleich der Leichtsinn und die Unbeständigkeit seines Charakters ihn stets daran hinderten, Friedrichs näheres Vertrauen zu gewinnen. Im Frühjahr 1744 hatte er sich sogar, durch sehr unüberlegte Handlungen, den völligen Verlust der königlichen Gnade zugezogen und konnte dieselbe nur dadurch wiedergewinnen, daß er sich auf strenge Bedingungen förmlich unterwarf. Die letzteren lauteten dahin, daß er mit keinem Gesandten verkehre, daß er die Freuden der königlichen Tischgesellschaft nie wieder verderbe, und daß öffentlich in Berlin verboten würde, ihm, bei hundert Dukaten Strafe, auch nur das Geringste zu leihen. Pöllnitz war eine Art lustiger Rat; ziemlich in gleicher Eigenschaft figurierte in Sanssouci der französische Arzt de la Metrie.
Die militärischen Freunde des Königs gehören ebenfalls in diesen Kreis. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß keiner von ihnen es je wagen durfte, seine dienstliche Stellung mit dieser freundschaftlichen zu verwechseln. Was sie im Dienste versehen hatten, wurde mit voller Strenge gerügt; aber dafür tat auch eine solche Rüge dem freundschaftlichen Verhältnisse keinen Abbruch. Winterfeldt genoß das nächste Vertrauen des Königs; als dessen Generaladjutant war er indes fast ganz dem Geschäftsleben hingegeben. Graf Rothenburg, der in der Schlacht von Czaslau schwere Wunden davongetragen hatte, ward Friedrich ein zweiter Keyserling. Aber auch er starb früh, und sein Tod machte dem Könige alle die Schmerzen lebendig, die er beim Tode des ersten Lieblings empfunden hatte. Friedrich selbst bewies ihm in der letzten Krankheit die innigste Teilnahme. Es war im Dezember 1751, als man ihm meldete, daß der Graf im Sterben liege. Halb angekleidet eilte Friedrich über die Straße in die Wohnung des Freundes. Er fand den Arzt bei ihm; dieser zuckte mit den Achseln, dem König stürzten die Tränen aus den Augen, und als man, als letztes Rettungsmittel, dem Grafen eine Ader schlug, hielt er den Teller, um das Blut aufzufangen. Da dieser Aderlaß die gehoffte Wirkung nicht tat, so verließ er den Sterbenden im tiefsten Schmerze; nach seinem Tode verschloß er sich mehrere Tage vor aller Gesellschaft.
Dem Obersten von Forcade, der in der Schlacht von Soor am Fuß verwundet ward, erwies Friedrich für seine Verdienste wiederholte Gnadenbezeigungen. Bei einer Cour auf dem Berliner Schlosse, als Forcade seinen Dank abzustatten kam und sich seines leidenden Fußes wegen an das Fenster lehnte, brachte ihm Friedrich selbst einen Stuhl und sagte: « Mein lieber Oberst von Forcade, ein so braver und wür<223>diger Mann, als Er ist, verdient sehr wohl, daß auch der König selbst ihm einen Stuhl bringt. »
Einen vorzüglichen Wert legte Friedrich auf die Erwerbung zweier Männer, die ein gleicher Gewinn für sein Herz wie für seinen Staat wurden. Dies waren die Gebrüder Keith aus Schottland, die als Anhänger der Stuarts ihr Vaterland meiden mußten. Der jüngere, Jakob Keith, kam zuerst zu Friedrich und erhielt sogleich die preußische Feldmarschallswürde. Der ältere, Georg Keith, Erbmarschall von Schottland und deshalb gewöhnlich nur Lord-Marschall genannt, kam später und war einer der Wenigen, die das Geschick für die späteren Tage des Königs erhielt.
Auch den alten Feldmarschall Schwerin, der im Zweiten schlesischen Kriege seinen Abschied genommen hatte, wußte sich Friedrich wiederzugewinnen. Er tat die ersten Schritte zur Versöhnung und lud Schwerin zu sich ein. Dieser gehorchte dem Befehle. Als er im Schlosse angekommen war und im Vorzimmer vernommen hatte, daß Friedrich wohlgelaunt sei, ließ er sich durch den Kammerhusaren, der den König bediente, melden. Der Kammerhusar erhielt jedoch keine Antwort auf seine Meldung; Friedrich ergriff statt dessen seine Flöte und ging phantasierend eine Viertelstunde im Zimmer auf und nieder. Endlich legte er die Flöte beiseite, steckte den Degen an und befahl, den Feldmarschall vorzulassen. Dies geschah, der König empfing ihn mit gnädigem Gruße und deutete dem Diener durch einen Wink an, das Zimmer zu verlassen. Im Vorzimmer hörte der Kammerhusar nun, wie das Gespräch zwischen dem Könige und Schwerin immer lauter ward, und endlich so heftig, daß ihm anfing, bange zu werden. Bald aber legte sich der Sturm, die Unterredung ward wieder ruhiger und endlich ganz leise. Dann öffnete sich die Tür, Schwerin verneigte sich mit einer heitern, zufriedenen Miene gegen den König, und dieser sagte mit gütigem Tone: « Ew. Exzellenz essen zu Mittag bei mir. » Fortan war das gute Vernehmen zwischen den beiden großen Männern wiederhergestellt. Was in jener Stunde gesprochen wurde, hat nie ein Dritter erfahren.
Mit dem größten Enthusiasmus aber wurde von Friedrich derjenige Mann aufgenommen, der ihn unablässig, wie kein zweiter, anzog, dessen Geist allein ihm zu genügen vermochte und den er schon oft vergeblich ganz für sich zu gewinnen versucht hatte, — Voltaire. Noch im Jahre 1749 hatte Friedrich dem französischen Dichter geschrieben: « Sie sind wie der weiße Elefant, dessentwegen der Schach von Persien und der Großmogul Kriege führen, und dessen Besitz, wenn sie glücklich genug gewesen sind, ihn erlangt zu haben, einen von ihren Titeln bildet. Wenn Sie hieher kommen, so sollen Sie an der Spitze des meinigen stehen: Friedrich von Gottes <224>Gnaden, König von Preußen, Kurfürst von Brandenburg, Besitzer von Voltaire u. s. w. u. s. w. » Da zerrissen plötzlich die Bande, die ihn an seine Heimat gefesselt hatten, und er folgte dem jahrelangen Andringen des Königs. Am 10. Juli 1750 traf er in Sanssouci ein, um fortan bei Friedrich zu bleiben. Er erhielt den goldnen Schlüssel der Kammerherren, den Verdienstorden und ein bedeutendes Jahrgehalt, welches sich bald bis auf die Summe von 5000 Talern steigerte. Friedrich bewies ihm die entschiedenste Huldigung; Prinzen, Feldmarschälle, Staatsminister beeiferten sich, ihm ihre Aufwartung zu machen.
Voltaires Gegenwart brachte in der Tat einen Reiz in das Leben von Sanssouci, der alles zu schnellerer Bewegung, zu vollerer Äußerung der Kräfte mit fortriß. Jeder war bedacht, sich ganz zusammenzunehmen, um so der scharfen Überlegenheit des Dichters entgegentreten zu können. Alles beschäftigte sich mit Wissenschaft und Poesie; die Prinzen und Prinzessinnen suchten in der Darstellung der Tragödien, zu denen man jetzt unverzüglich schritt, den Anforderungen des Meisters zu genügen. Dabei blieb in dem engeren Kreise aller Zwang, alles Zeremoniell verbannt. Voltaire fand vollkommene Muße zur Vollendung seiner Arbeiten, die er in Frankreich, wo das Wort nicht frei war, hatte liegen lassen müssen. Er konnte sein Leben gestalten, wie er wollte; nur die Abendmahlzeit pflegte den Kreis der Vertrauten zum heitersten Genusse zu vereinen. Hier war alles Witz und Geist, und Voltaire und Friedrich standen einander als die Herrscher im Reiche des Geistes gegenüber.
Daß Voltaire nicht der Mann des Gemütes, daß sein Charakter nicht frei von Flecken war, hatte Friedrich schon früher erkannt, aber er hatte ihn auch nicht berufen, um an ihm einen eigentlichen Freund zu gewinnen. Er wollte einen Gesellschafter an ihm haben, der seiner eignen geistigen Kraft genüge, einen Lehrer, der ihn in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen unterstütze, dem er seine Arbeiten zur Kritik, zur Vollendung der Form anvertrauen könne. Dies gewährte ihm Vol<225>taire bereitwillig, und so ward auch Friedrich durch seine unmittelbare Nähe wesentlich gefördert. Manche bedeutende literarische Arbeiten hatte Friedrich seit dem Frieden in rascher Tätigkeit verfaßt; diese wurden nun vollendet, und wieder andere reihten sich ihnen an. Den zweiten Teil der Geschichte seiner Zeit, welcher den Zweiten schlesischen Krieg enthält, hatte Friedrich schon im Jahre 1746 geschrieben. Im folgenden Jahre hatte er seine Memoiren zur Geschichte des brandenburgischen <226>Hauses (die Geschichte seiner Vorgänger) begonnen, deren einzelne Abschnitte in der Akademie vorgelesen, auch in den Schriften der Akademie gedruckt wurden; vollendet und in einer selbständigen Prachtausgabe erschien dies Werk im Jahre 1751. Auch verschiedene Gedächtnisreden, auf seine Freunde und andere Männer von Verdienst, hatte er für die Akademie verfaßt. Dann war eine Reihe von Gedichten mannigfacher Art entstanden, Oden, gereimte Briefe, ein Lehrgedicht über die Kriegskunst, ein komisches Epos unter dem Namen « Das Palladium » u. s. w. Diese wurden im Jahre 1750, unter dem Titel der « Werke des Philosophen von Sanssouci », in einer Prachtausgabe gedruckt. Voltaire leistete dabei hilfreichen Beistand. Doch waren diese Arbeiten, und ganz besonders die Gedichte, nur für die nächsten Freunde bestimmt, und es wurden nur wenige Exemplare, unter sorgfältiger Kontrolle der Empfänger, ausgegeben. Friedrich hatte dafür eine eigne Druckerei in dem Turme des Berliner Schlosses eingerichtet; daher führen diese Werke auf ihrem Titel die Ortsangabe: « Im Schloßturme » (Au Donjon de Château). Auf dem Titel der Gedichte steht außerdem noch: « Mit dem Privilegium Apollos. »
Neben der Literatur diente zugleich auch, wie in früherer Zeit, die Musik zur Erheiterung der Mußestunden. Die Stunde vor dem Abendessen wurde in der Regel durch Konzerte ausgefüllt, in denen Friedrich sein Lieblingsinstrument, die Flöte, übte. Zur bestimmten Stunde trat er, die Noten unter dem Arme, in das Konzertzimmer und verteilte die Stimmen, legte sie auch wohl selbst auf die Pulte. Er blies übrigens nur Konzerte, die Quantz, der seit seinem Regierungsantritt in seine Kapelle eingetreten war, für ihn gemacht hatte, oder Stücke seiner eignen Komposition. Allgemein bewunderte man den tiefen, rührenden Ausdruck, mit welchem er das Adagio vorzutragen wußte. In seinen Kompositionen fand man eine Beobachtung des strengen Satzes, die eine für einen Dilettanten seltne musikalische Bildung zu erkennen gab; doch folgte er diesen strengen Schulregeln nicht so blind, daß er dadurch den freien Ausdruck seiner Phantasie hätte verkümmern lassen. Merkwürdig und seiner Zeit fast vorgreifend ist es, daß er selbst das Rezitativ in die Instrumentalkomposition auf eine Weise einzuführen wagte, welche zu ganz eigentümlichen Erfolgen führte. Einst blies er ein solches Rezitativ, worin der Ausdruck des Flehens vorzüglich gelungen war. « Ich habe mir dabei », so erklärte er seine Absicht, « Coriolans Mutter gedacht, wie sie auf den Knien ihren Sohn um Schonung und um den Frieden für Rom bittet. »
Der alte Lehrmeister, Quantz, genoß bei diesen Konzerten besondre Vorrechte, die er geschickt in Anwendung zu bringen wußte. Er allein durfte dem Könige sein Bravo zurufen, was sonst nicht leicht ein anderer von den Musikern wagte. Zu <227>tadeln wagte er zwar nicht ohne besondre Aufforderung; doch sparte er in solchem Fall den Bravoruf, äußerte sich auch anderweitig vernehmbar genug. So spielte Friedrich einst ein neues Stück von seiner eignen Komposition, in welchem einige fehlerhafte Stellen vorkamen. Quantz räusperte sich dabei ziemlich laut. Friedrich merkte die Absicht, schwieg jedoch still und fragte ein paar Tage darauf einen andern Musiker um seine Meinung über jene Stellen. Dieser wies ihm den Fehler nach, und Friedrich berichtigte denselben, indem er sagte: « Wir müssen doch Quantz keinen Katarrh zuziehen. » —
So vereinigten sich in Sanssouci alle Elemente zum anmutvollsten geistigen Genusse. Doch sollte das schöne Zusammenwirken der verschiedenartigen Kräfte für einige Zeit widerwärtig gestört werden, und es mußte diese Störung Friedrich um so empfindlicher fallen, als sie von demjenigen ausging, der gerade als die Sonne <228>aller geistigen Bestrebungen dastand. Voltaire war es, der durch den Glanz der Stellung, welche Friedrich ihm eingeräumt, geblendet ward und es vergaß, was er seinem königlichen Gönner und was er seiner eignen Würde schuldig sei. Was ihm in so überschwenglichem Maße zuteil ward, reizte ihn, statt ihn zu befriedigen, nur zu immer heftigerem Durste; seine Stellung sollte ihm nur dazu dienen, um alle Nebenbuhler im Bereiche des Wissens zu unterdrücken, um seine Einkünfte auf beliebige Weise zu vergrößern, um eine politische Bedeutsamkeit zu erreichen. Er selbst hatte dem Könige früher einen jungen französischen Belletristen, d'Arnaud, zur Unterstützung in seinen literarischen Arbeiten empfohlen, und dieser war von Friedrich mit den schmeichelhaftesten Versen eingeladen worden. Diese Verse schienen Voltaires Ruhm zu nah zu treten, und da ihm überdies, seit er selbst nach Sanssouci gekom<229>men, der junge Dichter im Wege war, so brachte er es dahin, daß derselbe in kurzem weggeschickt ward. Größere Eifersucht flößte ihm der gelehrte Naturforscher Maupertuis ein, den Friedrich, gleichfalls auf seine Empfehlung, zum Präsidenten der neugegründeten Akademie berufen hatte; es entspann sich zwischen Beiden bald eine bittre Feindschaft, die nur des Anstoßes bedurfte, um öffentlich hervorzubrechen. Ein ekelhafter Prozeß, in den Voltaire mit einem jüdischen Kaufmanne verwickelt ward, stellte gleichzeitig seine Rechtlichkeit in ein zweifelhaftes Licht. Der Jude verklagte Voltaire, daß er ihn mit unechten Steinen übervorteilt habe; der richterliche Spruch fiel zwar zu des letzteren Gunsten aus, doch zog ihm die ganze Angelegenheit eine üble Nachrede zu. Noch verderblicher war es für seinen Ruf, daß er sich unterfing, gegen das ausdrückliche Edikt des Königs, sächsische Steuerscheine in Leipzig zu geringen Preisen aufkaufen zu lassen, um hernach als preußischer Untertan (einem besonderen Artikel des Dresdner Friedens zufolge) volle Bezahlung dafür zu erhalten. Endlich nahm er auch keinen Anstand, mit fremden Gesandten auf eine Weise zu verkehren, die Friedrich für seinen literarischen Genossen wenig schicklich erachtete. Alles das bemerkte Friedrich mit steigendem Unwillen; er sandte dem Dichter ernstliche Rügen über sein ganzes Benehmen zu, und das schöne Verhältnis schien in kurzer Frist seiner Auflösung nahe. Voltaire dagegen wollte sich auch im Rechte wissen; er erkannte es sehr wohl, daß Friedrich an ihm eben nichts als seine Kunst wert hielt. « Ich werde ihn höchstens noch ein Jahr nötig haben; man drückt die Orange aus und wirft die Schale fort », — so sollte sich Friedrich gegen einen Vertrauten über ihn geäußert haben. Den Verlust von Friedrichs Gnade wollte er nur einem verleumderischen Worte Maupertuis' zuschreiben. Dieser sollte nämlich ausgesprengt haben, ein General aus Friedrichs Umgebung sei einst bei ihm (Voltaire) gewesen, um sich ein eben vollendetes Manuskript durchsehen zu lassen; da habe ein Laufer ein Gedicht des Königs gebracht, und Voltaire habe den General mit den Worten abgefertigt: « Mein Freund, ein anderes Mal! Da schickt mir der König seine schwarze Wäsche zu waschen, ich will die Ihrige nachher waschen. »
Trotz all dieser Ursachen zur Mißstimmung konnten die beiden großen Geister indes noch immer nicht voneinander lassen. Nur im Andern fand jeder sich ergänzt, und die Vorwürfe machten wieder der schmeichelhaftesten Anerkennung Platz. Für Friedrich namentlich stand der Dichter noch zu hoch, als daß er dem Menschen nicht nachsichtig seine bisherigen Torheiten verziehen hätte. Das beweist vornehmlich eine Ode, die er ihm gerade in dieser Zeit widmete und in der er ihn über sein herannahendes Alter durch die Hinweisung auf seinen immer steigenden Dichterruhm zu trösten suchte. Die Ode schließt mit den glänzenden Worten:
<230>
Welch eine Zukunft wartet dein, o Meister,
Wenn deine Seele drang ins Land der Geister: —
Zu deinen Füßen sieh die Nachwelt hier!
Die eilenden Stunden
Im voraus bekunden
Unsterblichkeit dir!
Aber schon war Neues hinzugetreten, um den Bruch zu erweitern und unheilbar zu machen. Maupertuis hatte in einer gelehrten Schrift ein neues Naturgesetz aufgestellt; ein anderer Gelehrter erklärte, daß dasselbe schon vor geraumer Zeit von Leibniz ausgesprochen sei; der Streit ward lebhaft, und die Berliner Akademie nahm sehr entschieden die Partei ihres Präsidenten. Diese Gelegenheit dünkte Voltaire günstig genug, um seinem Nebenbuhler einen empfindlichen Stoß zu geben; er schrieb anonym den Brief eines Akademikers von Berlin, der sehr geeignet war, Maupertuis lächerlich zu machen. Friedrich indes war nicht gewillt, den Präsidenten seiner Akademie verspottet zu sehen, und es erschien von seiner Hand, als Gegenschrift, aber gleichfalls anonym, ein zweiter Brief eines Akademikers, in welchem der Verfasser des ersten sehr ernsthaft zurechtgewiesen wurde. Aber eine andere Schrift von Maupertuis, die bedenklichere Blößen enthielt, gab bald Gelegenheit zu einer neuen, ungleich beißenderen Satire von Voltaires Hand, der « Geschichte des Doktor Akakia » u. s. w. Friedrich hatte dies Produkt im Manuskripte gelesen; der beißende Witz hatte ihm Vergnügen gemacht, aber er hatte verlangt, daß das Werk ungedruckt bleibe. Voltaire versprach es, — in kurzem jedoch erschien dasselbe, zum großen Jubel der Feinde des Präsidenten, gedruckt in Dresden. Friedrich war hierüber, obgleich Voltaire seine Schuld an diesem Ereignis leugnete, im höchsten Grade entrüstet, und der Dichter sah sich, um nicht alle Gnade des Königs zu verlieren, schmachvoll zu der Unterschrift eines Reverses genötigt, in welchem er fortan eine schicklichere Aufführung geloben mußte. Damit war aber die Angelegenheit nicht beendet. Aus seinem eignen Fenster, es war am 24. Dezember 1752, mußte er es mit ansehen, wie der Akakia auf öffentlicher Straße durch die Hand des Henkers verbrannt ward.
Auf so unerhörte Schmach war Voltaire nicht gefaßt gewesen. Er packte sein Pensionspatent, den Orden, den goldnen Schlüssel zusammen und sandte sie unverzüglich an Friedrich zurück. Auf den Umschlag des Pakets hatte er die Verse geschrieben:
Die ich empfangen, zart beglückt,
Ich sende sie zurück mit Schmerzen,
So wie ein Liebender, mit tief zerriss'nem Herzen
Zurück das Bildnis der Geliebten schickt!
<231>Ein Brief, der dem Paket bald nachfolgte, sprach unverhohlen und erschütternd die Gefühle der tiefsten Kränkung, der gänzlichen Trostlosigkeit aus. Dieser Brief verfehlte seine Wirkung nicht. Noch an demselben Tage erhielt Voltaire die Zeichen der königlichen Gnade wieder, und es ward noch einmal der Versuch gemacht, das alte Verhältnis wiederherzustellen.
Bald genug aber fühlte Voltaire deutlich, daß nach solchen Vorgängen die alte Vertraulichkeit nicht wiederkehren könne. Er bat um Urlaub zu einer Badereise nach Frankreich und erhielt ihn. Am 26. März 1753 reiste er von Potsdam ab. Kaum in Leipzig angekommen, ließ er neue beleidigende Blätter drucken. Dafür aber wartete seiner in Frankfurt, wo er am 1. Juni ankam, eine neue Schmach. Der König hatte ihm vor der Abreise befohlen, das Patent, den Orden, den Schlüssel, auch das Exemplar seiner Gedichte, welches er ihm anvertraut, zurückzulassen. Dies war nicht erfolgt, und so wurde er, auf Ansuchen des preußischen Ministers zu Frankfurt, so lange gefänglich eingehalten, bis, nach sechzehn Tagen, sein Koffer aus Leipzig hier ankam, in welchem sich die verlangten Gegenstände befanden. Manches Bittre, in Versen und in Prosa, folgte noch auf diese Vorfälle; und dennoch sahen sich beide Männer, der König und Voltaire, in kurzer Frist zum neuen Austausch ihrer <232>Gedanken angetrieben. Voltaire jedoch zurückzuberufen oder ihm den Orden und den goldnen Schlüssel wiederzugeben, dazu war Friedrich nicht zu bewegen.
Besser als Voltaire erkannte ein anderer französischer Gelehrter, d'Alembert, dem Friedrich ebenfalls hohe Anerkennung bewies und den er fort und fort in seine Nähe zu ziehen bemüht war, die Gefahr, die dem selbständigen Geiste in der Nähe des Thrones droht. Im Jahre 1755, als Friedrich eine Reise in die westlichen Provinzen seines Staates machte, fand eine persönliche Zusammenkunft in Wesel statt, und dringender wiederholte Friedrich seine Anträge; aber d'Alembert wußte denselben auch jetzt ebenso fein wie bestimmt auszuweichen. Doch hatte er, der von dem Geistesdruck in seiner Heimat viel leiden mußte, ein jährliches Gehalt von Friedrich dankbar angenommen. Der Briefwechsel, den Friedrich fortan mit d'Alembert führte, ist von großer Bedeutung.
Mit derselben Reise verknüpfte Friedrich noch einen weiteren Ausflug, dessen heitres Bild die Reihe seiner friedlichen Vergnügungen, die bald durch neu hereinbrechende Stürme auf lange Zeit zerstört werden sollten, anmutig beschließt. Er ging nach Holland, vornehmlich in der Absicht, die dortigen Kunstschätze zu besichtigen, denn er selber hatte jetzt im Sinne, in Sanssouci eine große Gemäldegalerie anzulegen. Doch legte er, um ungestört seinem Plane folgen zu können, auch diesmal die Zeichen seiner königlichen Würde ab und es gelang ihm besser, als auf seiner ersten Inkognitoreise nach Straßburg. Er nahm den Charakter eines reisenden Flötenspielers an; sein ganzes Gefolge bestand aus dem Obersten Balbi, der ein Kunstkenner war, und aus einem Pagen; er trug eine schlichte schwarze Perücke und ein zimtfarbenes Kleid mit goldnen Knöpfen.
Es werden manche komischen Szenen erzählt, zu denen dies Inkognito Anlaß gab. So im Gasthofe zu Amsterdam, wo er sich eine besondre kostbare Pastete, deren Geschmack ihm höchlichst gerühmt worden war, bestellen ließ. Die Wirtin, die von dem unscheinbaren Äußeren ihrer Gäste auf ihren Geldbeutel schloß, fragte, ob man denn auch imstande sein werde, das teure Gericht zu bezahlen. Sie erhielt zur Antwort, der Herr sei ein Virtuos, der mit seinem Flötenspiel in einer Stunde wohl mehr verdienen könne, als zehn Pasteten wert seien. Dies erweckte ihre Neugierde; sie eilte zu Friedrich, und ruhte nicht eher, als bis er sich vor ihr auf seinem Instrumente hören ließ. Ganz fortgerissen von der Schönheit seines Vortrages, rief sie endlich aus: « Gut, mein Herr, Sie können gar schön pfeifen und wohl einige Batzen verdienen: Ich werd' Ihnen die Pastete machen! »
Von Amsterdam fuhr Friedrich auf der ordinären Barke nach Utrecht, um das Vergnügen zu haben, die schönen Landhäuser am Ufer des Flusses zu sehen. Hier <233>machte er die Bekanntschaft eines Schweizers, le Catt, der als der Erzieher eines jungen Holländers reiste. Er lud ihn ein, an seiner Mahlzeit teilzunehmen. Das Gespräch, in dem der Schweizer mannigfache Kenntnisse entwickelte und, als Friedrich ein ziemlich scharfes Examen über die schweizerischen Zustände anstellte, durch geistreichen Widerspruch zu fesseln wußte, erweckte ebenso, wie de Catts ganzes Benehmen, die besondre Teilnahme des Königs. Er bat sich seine Adresse aus, mit dem Bemerken, daß er ihm in Zukunft einmal vielleicht gute Dienste leisten könne. Nach drei Monaten empfing le Catt eine Einladung von Friedrich, die Stelle eines Vorlesers und literarischen Gesellschafters bei ihm zu übernehmen. Doch war er damals krank und konnte der Einladung nicht folgen. Nach drei Jahren ward er aufs neue von Friedrich aufgefordert; jetzt reiste er zu ihm und blieb ihm über zwanzig Jahre ein treuer Diener.
<234>DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL Politische Verhältnisse bis zum Siebenjährigen Kriege.
Durch die Friedensschlüsse von Dresden und von Aachen war Ruhe über Europa zurückgekehrt; aber es war die Ruhe eines schwülen Sommertages. Trübe Dünste umzogen den Horizont, hier und dort stiegen drohende Wolken empor, von allen Seiten hörte man das dumpfe Gemurmel des Donners; — plötzlich hatten sich die Wolken zum finstern Knäuel zusammengeballt, und aufs neue, aber furchtbarer als zuvor, brach der verheerende Sturm los.
Vor allem war es die Eifersucht der übrigen Rangmächte auf Preußen, was zu einer solchen Umdüsterung der öffentlichen Verhältnisse Anlaß gab. Man konnte sich nicht darin finden, daß Friedrich, während man die Königswürde seiner beiden Vorgänger als eine unschädliche Spielerei betrachtet hatte, nun auch die ganze Bedeutung dieser Würde ins Leben einführte. Man fand es unangemessen, daß der « Markgraf von Brandenburg » (denn immer noch liebte man es, spottweise gerade diesen Titel zu gebrauchen) sich einen entscheidenden Einfluß auf die europäischen Angelegenheiten errungen und dadurch die Stellung der seitherigen Großmächte in <235>manchen Beziehungen wesentlich verändert hatte. Man hielt sich für überzeugt, daß Friedrich bei dem einmal Erworbenen nicht stehenbleiben werde, sondern fort und fort, zum Nachteil seiner Nachbarn und zum Nachteil der bestehenden Verhältnisse, nur auf neue Vergrößerung seines Reiches sinne. Zu alledem kam endlich mancherlei persönlicher Widerwille, so daß die Eifersucht und die Besorgnis sich hier und dort zu offenem Hasse steigerten.
Maria Theresia hatte Schlesien nicht vergessen können. Die steigende Blüte des Landes unter der preußischen Regierung, die bedeutend vermehrten Einkünfte, die es Friedrich darbot, machten in ihren Augen den Verlust nur empfindlicher. Auch jetzt noch betrachtete sie ihre Verzichtleistung auf Schlesien nur als eine Handlung, zu der sie, unfreiwillig, durch den gebieterischen Drang der äußeren Umstände gezwungen worden sei. Sie dachte nur daran, wie sie es möglich machen könne, das Verlorne dereinst mit besseren Kräften wieder zurückzufordern. Aber sie ließ es nicht bei müßigem Grübeln bewenden. Mit männlicher Energie sorgte sie dafür, <236>daß die innern Kräfte ihres Reiches erstarkten und daß sie durch enge Verbindung mit anderen Staaten noch eine größere Fruchtbarkeit gewann. Im Haushalt des Staates wußte sie so vortreffliche Einrichtungen zu treffen, daß, trotz der verschiedenen Einbußen, welche ihr Reich erlitten, ihre Einkünfte in kurzer Frist höher stiegen, als es unter ihrem Vater, Kaiser Karl VI., der Fall gewesen war. Unablässig, selbst mit persönlicher Teilnahme, war sie für die verbesserte Einrichtung, für die Ausbildung, für die gründliche Übung ihres Heeres bemüht, so daß dasselbe bald geeignet war, ihr ein festeres Vertrauen einzuflößen. Unter den Beamten, die sie in diesen Bestrebungen förderlich unterstützten, war besonders Graf Kaunitz, der in dieser Zeit ihr Staatskanzler ward, von hoher Bedeutung. Er begegnete seiner Herrin in ihrem Hasse gegen Friedrich, und er wußte die sichersten Mittel anzugeben, um dem erwünschten Ziele näher zu kommen. Er leitete mit großer Kunst die wichtigsten Staatsverträge ein. Nur der Gemahl der Maria Theresia, der Kaiser selbst, war ohne Bedeutung. An der Verwaltung der eigentlich österreichischen Angelegenheiten nahm er keinen Teil. Seine Haupttätigkeit bestand in Geldgeschäften, wozu er ein gutes Talent besaß; er ging in dieser einseitigen Tätigkeit sogar so weit, daß er, als der neue Krieg zwischen Österreich und Preußen ausgebrochen war, zu Anfange selbst an Friedrich Lieferungen für Geld machte.
<237>Sachsen, besonders der Graf Brühl, war nach dem Schlusse des Dresdner Friedens ebenfalls in derselben feindlichen Stimmung, wie früher, gegen Friedrich geblieben. Doch ward das Kurfürstentum, durch die Gefahr seiner äußeren Lage gegen die preußischen Staaten, zu behutsamen Schritten genötigt. In Rußland war die Stimmung, sowohl der Kaiserin Elisabeth, als ihres allvermögenden Ministers Bestuscheff, Friedrich nicht minder ungünstig. Dies war von der österreichischen Politik schnell benutzt worden, und schon im Jahre 1746 war zwischen beiden Mächten ein Defensivtraktat zustande gekommen; ein geheimer Artikel dieses Traktates besagte aber zugleich, daß, wenn Friedrich eine der beiden Mächte angreifen würde, er sein Recht auf Schlesien verwirkt haben solle und man unverzüglich dazu schreiten würde, dasselbe für Österreich wiederzugewinnen. Sachsen ward zum Beitritt zu dieser Verbindung eingeladen und bezeugte sich sehr bereit dazu; doch berief es sich dabei wiederholt auf die Gefahr seiner Stellung, und so bestand man nicht weiter auf förmlichen Beitritt; der Gesinnungen des sächsischen Hofes war man durch genügende Zeugnisse versichert. Österreich und Sachsen aber ließen es sich besonders angelegen sein, Rußland immer mehr gegen Preußen aufzureizen; sie fanden dafür einen sehr wohl zubereiteten Boden. Friedrich hatte über den wenig ehrenvollen Charakter der russischen Kaiserin und ihres Ministers manch beißendes Wort fallen lassen, das von geschäftigen Händen schnell hinübergetragen war; eine Menge von Erdichtungen und Verleumdungen kam hinzu, und endlich, im Jahre 1755, brachte man es dahin, daß es im russischen Staatsrate förmlich ausgesprochen ward, <238>Preußen sei selbst in dem Falle anzugreifen, wenn einer der russischen Verbündeten den ersten Angriff mache.
Für einen solchen Entschluß hatten, neben jenen Ränken, auch die englischen Guineen vorteilhaft mitgewirkt. Das Verhältnis Österreichs zu England war zwar bereits loser geworden, da die erstere Macht die Schuld der Abtretungen, zu denen sie genötigt worden war, vorzüglich auf England schob. Aber England stand seit früherer Zeit mit Rußland im Bunde, und jetzt glaubte es ebenfalls, sich durch solche Verbindung gegen Preußen verstärken zu müssen, vornehmlich deshalb, weil es Preußen noch als den Bundesgenossen von Frankreich betrachtete. Zwischen Frankreich und England aber drohte, wegen gewisser Streitigkeiten in Nordamerika, ein Seekrieg auszubrechen, und in diesem Falle wünschte man nichts mehr, als Hannover gegen einen Angriff von preußischer Seite in solcher Weise geschützt zu wissen.
Friedrich war nicht ohne Kunde über all diese Umtriebe geblieben. Der russische Thronfolger war sein feuriger Bewunderer und hatte ihm manche wichtige Nachricht aus Rußland mitgeteilt, ohne jedoch selbst, da er von der Kaiserin absichtlich zurückgesetzt ward, in die russischen Verhältnisse wirksam eingreifen zu können. Noch manche andere Kanäle hatte sich Friedrich geöffnet, um zur Kenntnis jener geheimen Verhandlungen zu kommen; besonders wichtig war es, daß er durch den Verrat eines sächsischen Kabinettskanzelisten Abschriften der sämtlichen Verhandlungen, die zwischen Sachsen und den Kaiserhöfen von Wien und Petersburg stattfanden, zugesandt erhielt. So konnte er, bei näherem Andringen der Gefahr, seine vollständigen Maßregeln treffen. Vorerst aber schaute er noch heiteren Mutes in das verworrene Getreibe. Er schrieb, im Jahre 1753, — eben als jener phantastische Bericht über das große Manöver bei Spandau erschien — seine anonymen « Briefe an das Publikum », in welchen er die diplomatischen Umtriebe der Zeit auf ergötzliche Weise parodierte. Der Berliner Hof, so berichtete er in diesen Briefen, hätte sich geweigert, bei seinen Festen die Menuetts eines Musikanten aus Aix spielen zu lassen, da er lieber nach eignen Tönen tanze; darauf hätten sich allerlei barbarische Staaten des Musikanten angenommen, es seien Bündnisse und Gegenbündnisse geschlossen worden, und es sei der fürchterlichste Krieg zu erwarten. Voltaire meinte damals, in resignierter Selbstgefälligkeit, Friedrich habe die Briefe nur geschrieben, um zu beweisen, daß er seiner Hilfe entbehren könne; und allerdings sieht man sehr deutlich, daß, wer eine so überaus anmutige, eine so klassische Satire, wie diese Briefe in der Tat enthalten, zu schreiben wußte, selbst eines Voltaire nicht bedurfte. Aber Friedrich hatte dabei wohl mehr im Sinne, als den französischen Poeten.
<239>Indes sah England sehr wohl ein, daß es, beim Ausbruch eines Krieges mit Frankreich, ungleich vorteilhaftere Resultate gewinnen würde, wenn es den Frieden auf dem festen Lande erhalte, und daß im Gegenteil Österreichs Bemühungen nur dahin gingen, einen solchen Krieg, gegen Friedrich, zu erregen. Auch erkannte es, daß Friedrich ebenso nur den Frieden wünsche; denn in der Tat strebte dieser, dem der Ruhm und der Erwerb der ersten Kriege durchaus genügten, auf keine Weise, Gelegenheit zum Bruche mit seinen Nachbarn zu geben. Auch gab er davon, schon gegen Ende des Jahres 1754, an Frankreich ein hinlängliches Zeugnis, als er von dort zu einer Unternehmung gegen Hannover aufgefordert ward. « Es gibt dabei », so ward dem preußischen Gesandten in Paris gesagt, « etwas zu plündern: der Schatz des Königs von England ist gut gefüllt, der König von Preußen braucht ihn nur wegzunehmen. » Friedrich hatte darauf antworten lassen, daß man dergleichen Anträge vielleicht sehr schicklich bei anderen vorbringe, daß er aber bitte, einen Unterschied unter den Personen zu machen. Auf solche Gesinnungen versuchte England eine Annäherung an Friedrich, um ein freundschaftliches Verhältnis zustande zu bringen, und die beiderseitigen Interessen begegneten sich so wohl, daß am 16. Januar 1756 ein wirkliches Schutzbündnis zwischen beiden Mächten geschlossen ward. Dabei hatte man freilich sehr bestimmt darauf gerechnet, und die Kabalen am russischen Hofe hatten es zu bestätigen geschienen, daß Rußland auf Englands, somit auch auf Preußens Seite treten würde.
In den Tagen, als der Abschluß dieses Bündnisses erfolgte, war ein neuer französischer Gesandter bei Friedrich anwesend, der ihm den Antrag zur Erneuerung jenes früheren Bündnisses mit Frankreich, das eben jetzt zu Ende lief, machte und ihm als Lohn die Oberherrschaft über — die Insel Tabago in Westindien verhieß. Den letzteren, stark abenteuerlichen Vorschlag nahm Friedrich nur als einen Scherz auf; im übrigen sprach er seine Absicht aus, daß er entschieden nur den Frieden erhalten wolle und daß er aus diesem Grunde jenes Schutzbündnis mit England geschlossen habe. Durch diese Erklärung aber fand sich der französische Hof empfindlich gekränkt, und man beklagte sich laut über die « Abtrünnigkeit » des preußischen Königs.
Dies führte schnell zu einer Verbindung zwischen Frankreich und Österreich. Schon lange hatte Kaunitz, die laue Stimmung Englands berücksichtigend, mit kluger Geschicklichkeit auf ein solches Ziel hingesteuert und alles dazu vorbereitet. Schon gleich nach dem Frieden von Aachen hatte er Anträge solcher Art gemacht, die zunächst zwar von dem französischen Ministerium zurückgewiesen wurden, die aber, als man sie wiederholte, wenigstens dem Gedanken an die Möglichkeit einer solchen <240>Umwälzung der Politik Raum gaben. Wirksam wurden diese Anträge, als Kaunitz die Mätresse des Königs von Frankreich, die Marquise Pompadour, dafür gewann. Sie mußte Friedrich hassen, denn er hatte es im königlichen Sinne verschmäht, sich um die Hochachtung der Buhlerin zu bewerben. Sein Gesandter war es allein, der ihr, unter allen fremden Ministern, nicht die Aufwartung machte. Voltaire hatte an Friedrich, als er 1750 nach Sanssouci kam, zarte Grüße von seiten der Marquise mitgebracht; Friedrich aber hatte trocken geantwortet: « Ich kenne sie nicht. » Überhaupt verachtete er die ganze französische Mätressenregierung, und er pflegte die Epochen derselben, je nach den verschiedenen regierenden Unterröcken, in « Kotillon 1., 2., 3. » abzuteilen. Daß auch König Ludwig XV. selbst keine sonderlich freundschaftlichen Gefühle für Friedrich hegte, ist schon früher bemerkt worden. Dagegen war von österreichischer Seite alles geschehen, um die Gunst der alles vermögenden Marquise zu gewinnen. Sogar Maria Theresia opferte ihren hehren Stolz der Rache gegen Friedrich in solchem Maße, daß sie es über ihr Herz gewann, die Buhlerin in freundschaftlichen Briefen als « Prinzessin », « Cousine », « teuerste Schwester » anzureden. Der letzteren aber lag persönlich alles am Kriege, indem sie nur dadurch ihre Kreaturen einflußreich genug machen konnte, und die europäischen <241>Mächte, wenn die Politik einmal an ihre Person geknüpft war, auch dafür sorgen mußten, daß jede Nebenbuhlerin aus der Nähe des Königs entfernt blieb. So waren schon im Herbste 1755, auf einem Lustschlosse der Pompadour, förmliche Konferenzen gehalten worden, die nun, am 9. Mai 1756, zu einem Schutzbündnis zwischen Frankreich und Österreich führten, welches dem englisch-preußischen entgegengesetzt wurde.
In Bezug auf Rußland aber hatten England und Preußen sich einer falschen Voraussetzung hingegeben. Das Gewicht der englischen Guineen war nicht so stark wie der Haß der Kaiserin und ihres Ministers gegen Friedrich, und wie die Bestechungen, die von österreichischer Seite angewandt wurden. Mit Preußen wollte es keine Verbindung; so brach es jetzt auch mit England und trat zur Gegenpartei. Endlich, um die Zahl der Feinde noch weiter zu vermehren, war in Schweden eine Staatsumwälzung ausgebrochen, welche alle Macht in die Hände des, vom französischen Gelde abhängigen Reichsrates gab. Friedrichs Schwester Ulrike, die jetzige Königin von Schweden, war hiedurch, ebenso wie ihr Gemahl, aller Macht und allen Einflusses beraubt worden.
Der Seekrieg zwischen England und Frankreich war inzwischen ausgebrochen. Gleichzeitig wurden große Rüstungen in der Nähe der preußischen Grenzen vorgenommen. In Böhmen wurden ungewöhnliche Massen von Truppen zusammengezogen, Magazine angelegt und andere Einrichtungen getroffen, die nur bei kriegerischen Unternehmungen stattfinden. In Livland sammelte sich ein bedeutendes russisches Heer. Friedrich wußte durch jene geheimen Kanäle, daß diese Rüstungen nur ihm gelten sollten, daß sie zwar noch nicht so weit gediehen waren, um einen Angriff schon in diesem Jahre befürchten zu lassen, daß sie aber noch bedeutend, namentlich durch ein großes Heer in dem noch ungerüsteten Sachsen, vermehrt werden sollten, und daß die Feinde nichts weiter wünschten, als ihn zum Angriffe zu reizen, damit sie den Schein des Rechts auf ihrer Seite hätten. Seine eignen Anstalten waren so, daß er jeden Augenblick zum Kriege fertig sein konnte; es stand bei ihm, seinen Gegnern unverzüglich zuvorzukommen, aber er wollte wenigstens das letzte Mittel zur Erhaltung des Friedens anwenden. Er ließ also, am 26. Juli 1756, die Kaiserin von Österreich um eine offene Erklärung über den Zweck ihrer Rüstungen ersuchen. Die Antwort, die Kaunitz der Kaiserin in den Mund legte, lautete dahin, « daß in der starken Krisis, worin sich ganz Europa befinde, ihre Pflicht und die Würde ihrer Krone erfordere, hinreichende Maßregeln zu ihrer eignen und zu ihrer Verbündeten Sicherheit zu ergreifen. » Die Erklärung war absichtlich mit so dunklen Worten gegeben, damit man ungehindert in den Rüstungen fortfahren <242>könne. Friedrich erbat sich nun, am 2. August, einen deutlicheren Bescheid und die ausdrückliche Zusicherung, daß er weder in diesem noch in dem nächsten Jahre werde angegriffen werden. Aber auch hierauf erfolgten nur ausweichende Redensarten, und die verlangte Zusicherung ward ganz übergangen. Noch einmal fragte Friedrich in Wien an, da ward aber alle fernere Erklärung auf eine ungestüme, schnöde und stolze Art ganz abgeschlagen. Friedrich betrachtete diese dreimalige Weigerung als eine Kriegserklärung, und er beschloß, die Frist des Jahres noch schnell zu benutzen, damit die Gegner ihn nicht mit überlegener Kraft überfallen möchten.
Als der Krieg ausgebrochen war, sandte Voltaire eine poetische Epistel an Friedrich, worin er ihm dafür, daß er aufs neue den Brand des Krieges angefacht, — denn so stellten es natürlich die Gegner dar, — den ganzen Untergang seines Ruhmes, den er als Held und als Weiser errungen, verkündete. Friedrich antwortete, ebenfalls in Versen, daß er wahrlich das Glück des Friedens dem Kriege vorziehe, daß er aber auch die Pflicht kenne, die das Schicksal ihm auferlegt. Voltaire, so fährt er fort, möge sich in sicherer Zurückgezogenheit der Ruhe des Weisen freuen; « doch ich », so schließt er, —
Doch ich, umdräuet von Verderben,
Muß kühn dem Sturm entgegenziehn,
Als König denken, leben, sterben!