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[Drittes Buch. Heldenthum]

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VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL Der erste Feldzug des Siebenjährigen Krieges. 1756.

Friedrich hatte den Plan gefaßt, seine Gegner rasch anzugreifen, ehe sie mit ihren Rüstungen fertig sein würden, und solchergestalt den Krieg, mit dem sie ihn bedrohten, von den Grenzen seines eignen Staates abzuwenden. Von den Russen wußte er bestimmt, daß sie außerstande sein würden, noch im laufenden Jahre etwas zu unternehmen; nach dieser Seite hin genügte also, für den Notfall, eine wenig bedeutende Verstärkung der Besatzung seiner östlichen Provinzen. Die Hauptmacht der preußischen Armee sollte gegen Sachsen und Böhmen geführt werden. In Sachsen beschloß Friedrich sich vorerst sicher zu stellen, um durch dies Land die Mark <246>Brandenburg zu decken und eine feste Grundlage für seine Unternehmungen gegen Böhmen zu gewinnen. Alle Veranstaltungen zur Ausführung dieses Planes waren ebenso verschwiegen, wie schnell ins Werk gerichtet worden; nur die vertrautesten Feldherren wußten um Friedrichs Absichten; die Brigadegenerale erfuhren erst am Tage vor dem Ausmarsche, wohin der Zug gerichtet sein sollte.

Am 29. August rückten 60,000 Mann preußischer Truppen in drei Kolonnen in Sachsen ein. Niemand war hier auf so plötzlichen Ausbruch des Krieges vorbereitet. In größter Eile wurden die sächsischen Truppen, deren Zahl sich auf 17,000 belief, aus ihren Standquartieren in ein festes Lager bei Pirna zusammengezogen; König August und sein Minister Brühl, ratlos in der allgemeinen Verwirrung, verließen Dresden und suchten im Lager Schutz. Man hatte zuerst die Absicht, mit der sächsischen Armee nach Böhmen zu gehen und sich mit den Österreichern zu verbinden; auf den umsichtigen Rat des französischen Gesandten, des Marschalls Broglio, entschloß man sich jedoch, die günstige Stellung, welche das Lager bei Pirna darbot, zu benutzen, damit Friedrich durch dasselbe aufgehalten und der österreichischen Armee Zeit gegeben werde, die angefangenen Rüstungen zu vollenden und zum Schutze Sachsens heranzukommen. Die Sachsen besetzten nunmehr das ganze Plateau, welches sich, in einem Umfange von vier Meilen, zwischen Pirna und Königstein erhebt. Steile Abhänge schützten dasselbe von allen Seiten gegen feindlichen Angriff; zur Verteidigung der wenigen Zugänge, die emporführten, wurden mannigfache Verhaue angelegt.

Friedrich hatte somit das ganze Land offen gefunden. Wittenberg, Torgau, Leipzig und viele andere Städte waren ohne Widerstand besetzt; in Dresden hielt Friedrich am 9. September seinen Einzug. In der Nähe der Residenz vereinigten sich nun die verschiedenen Korps der preußischen Armee und nahmen eine solche Stellung, daß sie dem sächsischen Lager die Gemeinschaft mit dem Lande abschnitten.

Friedrich erklärte, daß ihn die Verhältnisse des Krieges nötigten, das sächsische Land als Unterpfand in Verwahrsam zu nehmen. So wurden die wohlversehenen Zeughäuser von Dresden, Weißenfels und Zeitz ausgeräumt und Waffen und Geschütz nach Magdeburg geführt. Torgau ward befestigt und mit preußischen Truppen besetzt. Das sächsische Ministerium ward außer Tätigkeit gesetzt; die Kanzleien wurden versiegelt, die Kollegiensäle geschlossen und eine preußische Landesverwaltung in Dresden angeordnet. Im ganzen Lande endlich wurden die kurfürstlichen Kassen in Beschlag genommen. Dabei aber wurde mit so großer Milde, als möglich, verfahren. Die preußischen Truppen wurden befehligt, die ge<247>naueste Kriegszucht zu beachten. Das Eigentum der Untertanen ward auf alle Weise geschont. Friedrich selbst bewies sich in Dresden äußerst zuvorkommend gegen jedermann; er hielt täglich offene Tafel und bezeugte namentlich der Gemahlin Augusts und der gesamten königlichen Familie, die in Dresden zurückgeblieben war, alle irgend erforderliche Höflichkeit.

Indes hatte diese plötzliche Besitznahme von Sachsen alle Welt aufmerksam gemacht; Friedrichs Gegner waren aufs eifrigste bemüht, sein Unternehmen als einen Landfriedensbruch darzustellen. Der Kaiser erließ an Friedrich ein Abmahnungsschreiben, in welchem er ihn väterlichst aufforderte, « von seiner unerhörten, höchst frevelhaften und sträflichen Empörung abzulassen, dem Könige von Polen alle Kosten zu erstatten und still und ruhig nach Hause zu gehen ». Zugleich ward allen preußischen Generalen und Kriegsobersten vom Kaiser anbefohlen, « ihren gott<248>losen Herrn zu verlassen und seine entsetzlichen Verbrechen nicht zu teilen, wofern sie sich nicht der Ahndung des Reichsoberhauptes bloßstellen wollten ». Sich gegen solche Vorwürfe, die er bereits vorausgesehen, zu rechtfertigen, hatte Friedrich beschlossen, die ganze Reihenfolge der zu seinem Verderben angesponnenen Verhandlungen, die er in Abschriften aus dem Dresdener Archiv in Händen hatte, durch den Druck zu veröffentlichen. Damit man aber nicht imstande sei, die Echtheit dieser Verhandlungen zu leugnen, so sah er sich genötigt, sich der Originalschriften zu bemächtigen. Doch hatte man sich auch sächsischerseits auf einen solchen Fall bereits gefaßt gemacht. Das Archiv sollte nach Polen geschickt werden; bei der Nähe der Gefahr hatte man dasselbe einstweilen in die Gemächer der Königin gebracht, und sie, die eine ebenso erklärte Feindin Friedrichs war, wie Brühl, bewahrte selbst die Schlüssel zu den Schränken. Sie sah sich indessen genötigt, die Schlüssel herauszugeben; ihr Zaudern, ihre Bitten waren umsonst; die Schränke wurden geöffnet, und das Archiv wanderte unverzüglich nach Berlin. In wenig Tagen erschien eine ausführliche, mit allen Urkunden belegte Darstellung jener Verhandlungen im Drucke. Von Seiten der Gegner erfolgte hierauf eine Menge von Gegenschriften, die indes nicht die Echtheit der Urkunden, sondern nur die Schlußfolgerungen, die Friedrich aus ihnen ziehen mußte, angriffen.

Mit König August hatte Friedrich seit seinem Einmarsche in Sachsen in unausgesetzter Korrespondenz gestanden. Er verlangte von ihm entweder die tätlichen Beweise einer vollkommenen Neutralität oder, noch lieber, eine Verbindung zum gemeinsamen Wirken gegen Österreich. Friedrich hatte die Mittel, seinen Anforderungen einen energischen Nachdruck zu geben. Ein Sturm auf das sächsische Lager schien zwar, wenn nicht unausführbar, so doch mit allzu vielem Blutvergießen verbunden. Aber das Lager war von allen Seiten so fest durch preußische Truppen eingeschlossen, daß den Sachsen jede Gelegenheit genommen ward, sich mit Nahrungsmitteln, daran sie schon Mangel zu leiden begannen, zu versehen; nur für die Küche König Augusts, der von Entbehrung keinen Begriff hatte, war freier Transport verstattet worden. Zugleich lag es in der eigentümlichen Stellung der Sachsen, daß ein Angriff von ihrer Seite auf die Preußen ihnen ebensoviel Gefahr bringen mußte, wie der umgekehrte Fall ihren Gegnern. So durfte Friedrich hoffen, daß der Hunger sie in kurzer Frist zur Ergebung zwingen würde. Doch gab August den Anträgen Friedrichs kein weiteres Gehör, als daß sich letzterer mit dem Versprechen der Neutralität begnügen möge. Auf ein solches allgemeines Versprechen hin hatte aber Friedrich nicht Lust, sein Heer nach Böhmen zu führen; die früheren Erfahrungen in Sachsen hatten ihn hinreichend die Gefahr kennen gelehrt, der er sich aussetze, <249>wenn er ein feindliches Heer im Rücken behalte. So blieb es bei der strengen Einschließung des sächsischen Lagers; diese nahm jedoch den größern Teil seiner Truppen in Anspruch und verhinderte ihn, mit Nachdruck gegen die österreichische Armee in Böhmen aufzutreten.

Die letztere hatte sich, zwar immer noch nicht mit allem Nötigen ausgerüstet, in zwei Korps gegen die Grenzen von Sachsen und von Schlesien zusammengezogen. Dem einen Korps trat eine besondere preußische Armee, unter Schwerin, aus Schlesien entgegen. Doch bezogen die Österreicher hier ein so vorteilhaftes Lager, daß sie dadurch jede Schlacht vermieden und daß zwischen diesen Armeen nur unbedeutendere Gefechte vorfallen konnten. Dagegen hatte König August Gelegenheit gefunden, dem österreichischen Hofe seine täglich drohendere Lage vorzustellen und um schleunigen Entsatz zu bitten. So erhielt nun das zweite Korps der Österreicher, welches der Feldmarschall Browne anführte, den Befehl, zur Befreiung der Sachsen entscheidende Schritte zu tun. Browne versammelte alsbald seine Armee zu Budin und schickte sich an, über den Egerfluß vorzurücken.

Zur Beobachtung dieses österreichischen Korps war von Friedrich derjenige Teil seiner Truppen, den er bei der Einschließung des sächsischen Lagers entbehren konnte, bereits gegen die böhmische Grenze vorausgeschickt. Diese Truppen bemächtigten sich der Engpässe, welche die Verbindung zwischen Sachsen und Böhmen verteidigen, und benachrichtigten Friedrich von den Bewegungen des Feindes. Die Verbindung der Österreicher mit den Sachsen zu verhindern, mußte jetzt Friedrichs vorzüglichstes Augenmerk sein; er entschloß sich, jenen mit den vorausgesandten Truppen, einem freilich nur geringen Teile seiner Macht, sofort entgegenzugehen. Er eilte zu ihnen und führte sie aus dem Gebirge gegen die Ebenen der Elbe hinab. <250>Bei dem Flecken Lowositz an der Elbe, welcher am Ausgang der Berge liegt, trafen die beiden Armeen aufeinander. Beiden war die gegenseitige Annäherung gerade an dieser Stelle unerwartet; Friedrich gewann den Vorteil, daß er zwischen den Bergen, welche seine Straße auf beiden Seiten einschlossen, eine feste Stellung einnehmen konnte.

Am Morgen des ersten Oktobers stellte Friedrich seine Armee in Schlachtordnung. Aber ein dichter Nebel hatte sich über die Ebene gelagert und verhinderte, die Gegenstände deutlich zu unterscheiden. Wie durch einen Flor sah man nur den Ort Lowositz vor sich und zur Seite einige Haufen feindlicher Reiterei. Der linke Flügel der preußischen Armee wurde, sowie er aufrückte und die Anhöhe zur Linken erstieg, durch ein verlorenes Gewehrfeuer empfangen, das aus den Weinbergen, die sich hier zur Elbe hinabzogen, unterhalten ward. Es waren ein paar tausend Panduren, die hinter den Mauern der Weinberge versteckt lagen. Alles dies ließ Friedrich vermuten, daß er nicht die ganze feindliche Armee, sondern nur einen vorausgesandten Teil derselben vor sich habe. Er ließ aus seinen Geschützen auf die österreichischen Reiterhaufen feuern, und da dies fruchtlos blieb, sandte er zwanzig Schwadronen Dragoner ab, um sie zu zerstreuen und den Kampf zu beenden. Diese drangen rüstig auf den Feind ein und warfen nieder, was ihnen entgegenstand. Als sie aber die Flüchtigen verfolgten, so wurden sie von vorn und von der Seite durch ein lebhaftes Flinten- und Geschützfeuer empfangen und zum Rückzuge genötigt. Friedrich erkannte jetzt erst, daß er die ganze feindliche Armee, die ihm um mehr als um das Doppelte überlegen war, gegen sich habe. Er sandte einen Adjutanten zu seinen Dragonern, um diese in eine andere Stellung zu beordern; aber schon hatten Dragoner und Kürassiere vereint sich aufs neue der feindlichen Reiterei entgegengestürzt, diese, trotz desselben Feuers und trotz ungünstigen Terrains, zurückgedrängt und bis nahe vor die Schlachtordnung der Österreicher verfolgt. Jetzt aber ward das Geschützfeuer der letzteren so stark, daß sie wiederum zum Rückzuge genötigt waren, der indes in bester Ordnung vor sich ging. So war noch immer nichts Entscheidendes geschehen. Der Nebel begann indes zu sinken, und man konnte zu angemessenen Maßregeln schreiten. Friedrich suchte nun seine Stellung, trotz der feindlichen Übermacht, so günstig als möglich zu nehmen und sich mit Anspannung aller Kräfte das Schicksal des Tages geneigt zu machen. Das Hauptaugenmerk des Feindes war jetzt auf den linken preußischen Flügel gerichtet, den man von der Anhöhe, auf welcher er sich befand, zu vertreiben suchte. Aber die Preußen drangen unerschrocken vor, erkämpften in den Weinbergen eine Grenzmauer nach der andern, stiegen in die Ebene hinab und verfolgten die Feinde, von <251>denen ein Teil sich in die Elbe stürzte, während ein anderer sich in Lowositz festsetzte. Neue österreichische Heerhaufen stellten sich den Preußen entgegen. Diese hatten sich durch sechsstündiges Feuern verschossen und drohten nun, da ihnen Pulver und Blei fehlte, mutlos zu werden. Doch der Herzog von Bevern, der diesen Teil der preußischen Armee führte, rief den Seinen heiteren Mutes zu: « Bursche, seid darüber unbekümmert! Weshalb hätte man euch sonst gelehrt, den Feind mit gefälltem Gewehr anzugreifen? » Diese Worte weckten allen Mut seiner Scharen, und obgleich die feindlichen Heerhaufen sich noch immer mehr verstärkten und namentlich an Lowositz einen festen Stützpunkt fanden, so warfen sie doch mit gefälltem Bajonett alles vor sich nieder, drangen in Lowositz, zwischen den Häusern, die jetzt in Feuer aufloderten, hinein und trieben den ganzen Teil der österreichischen Armee, der ihnen hier entgegenstand, in die Flucht.

So war der Sieg, um 2 Uhr nach Mittag, errungen, aber nicht ohne große Opfer. Die Verluste Friedrichs waren bedeutender als die der Österreicher. Auch wußte Feldmarschall Browne seinen geschlagenen rechten Flügel durch den linken so geschickt zu decken, daß er sich ohne weiteren Verlust zurückziehen konnte. Der rechte Flügel der preußischen Armee, bei welchem Friedrich sich befand, hatte, mit Aus<252>nahme der Verstärkungen, welche er dem linken zusenden mußte, gar nicht an der eigentlichen Schlacht teilnehmen können. Es wird erzählt, daß Friedrich nach Beendigung der Schlacht — ermüdet, da er drei Tage und zwei Nächte nicht geschlafen hatte — sich in einen Wagen gesetzt habe, um ein wenig auszuruhen. Plötzlich sei, als von österreichischer Seite der Retraiteschuß geschah und hiezu aus Versehen eine scharfgeladene Kanone genommen ward, die Kugel dieses Schusses durch den untern Teil des Wagens gefahren, so daß sie dem Könige beide Beine würde zerschmettert haben, wenn er sie nicht eben auf den Rücksitz des Wagens gelegt hätte.

Friedrich konnte die österreichische Armee nicht verfolgen, da ihn die Angelegenheit mit den Sachsen, die er jetzt zu Ende zu bringen wünschte, zurückrief und er im Augenblicke zu schwache Mittel zur Hand hatte, um Entscheidenderes in Böhmen auszuführen. Auch hatte es ihm die Schlacht von Lowositz wohl deutlich gemacht, daß er nicht mehr die alten Österreicher, sondern ein ungleich besser diszipliniertes Heer, wiederfinde. Zugleich aber konnte er mit gerechtem Stolz von seiner eignen Armee sagen: « Nie haben meine Truppen solche Wunder der Tapferkeit getan, seit ich die Ehre habe, sie zu kommandieren. » Jedenfalls war durch den Sieg die Verbindung der österreichischen Armee mit der sächsischen unterbrochen. Friedrich ließ somit den größten Teil der Armee, die bei Lowositz gefochten hatte, in einer festen Stellung zurück und brach am 13. Oktober mit den übrigen nach Sachsen auf.

Hier hatten indes die Dinge eine andere Wendung genommen. Mit unerschütterlicher Treue hatten zwar die sächsischen Truppen trotz des immer drückenderen Mangels ausgeharrt. Als aber rings um die Abhänge des weiten Kerkers das Viktoriaschießen erscholl, mit welchem die Preußen die Siegesnachricht begrüßten, und der jubelnde Donner von allen Bergen widerhallte und durch die Täler fortgetragen ward, da schien alle Hoffnung verloren. Das einzig übrige Rettungsmittel schien nun, die Wachsamkeit der Preußen zu täuschen und sich mit dem Degen in der Hand einen Ausweg zu eröffnen. Man sandte geheime Boten nach Böhmen an den Feldmarschall Browne; dieser setzte sich an die Spitze eines Korps von 6000 Mann und rückte am jenseitigen Elbufer, im Rücken der Preußen, heran, um durch kräftige Mitwirkung die Rettung der Sachsen zu erleichtern. Zur bestimmten Stunde, am 11. Oktober, war er am verabredeten Orte eingetroffen; aber der erste Versuch des Überganges der Sachsen über die Elbe, der gleichzeitig erfolgen sollte, mißlang. In der folgenden Nacht machten die Sachsen den Übergang möglich, während Kanonenschläge von der Höhe des Königsteins den Österreichern das Zeichen zum Angriff auf die preußischen Posten, welche hier noch den Sachsen ent<253>gegenstanden, geben sollten. Aber der Sturm des Himmels überschallte die Kanonenschläge. Browne blieb in seiner Stellung. Sowie die Sachsen die Höhen von Pirna verließen, waren auch die Preußen vorgedrungen und der Nachtrab und das Gepäck in ihre Hände gefallen. Nun wurden auch die preußischen Posten jenseit der Elbe verstärkt und die Sachsen aufs neue in der unwegsamsten Gegend eingeschlossen. Bis zum 14. Oktober harrte Browne aus; dann kehrte er, dessen eigne Stellung mit jeder Stunde gefahrvoller wurde, nach Böhmen zurück. Zweiundsiebzig bange Stunden brachten die entkräfteten Sachsen unter offnem Himmel, bei anhaltendem Regen, ohne Nahrung und ohne Schlaf zu. Brühl und der König, die sich auf dem festen Königstein aller Bequemlichkeit und allen Genusses erfreuten, geboten verzweiflungsvollen Angriff; aber die sächsischen Generale sahen die gänzliche Unmöglichkeit ein. Sie versuchten jetzt, durch eine ehrenvolle Kapitulation ihre Freiheit zu erlangen. Graf Rutowski, der Oberbefehlshaber der Sachsen, sandte einen Offizier mit seinen Bedingungen an Winterfeldt. Dieser versicherte jedoch, daß er dazu vom Könige keine Erlaubnis habe, führte jenen, damit den Sachsen auch der letzte Schimmer des Mutes genommen werde, selbst durch die ganze Kette <254>der preußischen Posten und entließ ihn endlich mit der Anweisung, er möge dem Grafen Rutowski nur eine genaue Beschreibung der preußischen Stellung machen. So blieb der gesamten sächsischen Armee nichts übrig, als sich der Gnade des preußischen Königs zu Kriegsgefangenen zu übergeben. Sämtliche Regimenter mußten das Gewehr strecken. Friedrich kam die Reihen heraufgeritten, hieß die feindlichen Generale, als diese ihm mit entblößtem Haupte entgegentraten, achtungsvoll willkommen und lud sie zu seiner Tafel. Unter die halbverhungerten Soldaten wurde reichlich Brot ausgeteilt. Die sächsischen Offiziere erhielten, als sie ihr Ehrenwort gegeben hatten, daß sie während dieses Krieges nicht gegen die Preußen kämpfen wollten, die Erlaubnis, nach Hause zurückzukehren. Die Soldaten aber, über deren Unterhalt und Bewahrung man in Verlegenheit war, wurden genötigt, zur preußischen Fahne zu schwören. Sie erhielten preußische Uniformen, preußische Offiziere und wurden zum Teil unter die preußischen Regimenter verteilt, teils blieben sie ganz beisammen. Friedrich vermehrte durch sie sein Heer ansehnlich, aber er hatte dabei nicht auf das Nationalgefühl der Sachsen gerechnet; die Dienste, die sie ihm leisteten, waren gering, und mehrfach gingen nachmals ganze Regimenter in voller militärischer Ordnung wieder zum Feinde über.

<255>Hiermit war der erste Feldzug zu Ende. König August, der vom Königstein aus Zeuge der Gefangenschaft seines Heeres gewesen war, erbat sich Pässe von Friedrich und ging mit seinen jüngsten Söhnen und mit Brühl nach Warschau, wo er sich in brillanten Hoffesten zu erholen bemühte. Doch blieb seine Gemahlin in Dresden zurück und ließ es sich fort und fort angelegen sein, insgeheim feindlich gegen Friedrich zu wirken. Die preußischen Armeen wurden aus Böhmen zurückgezogen und der Grenzkordon zur Sicherung der Winterquartiere errichtet.

Aber der erste Feldzug war nur das Vorspiel zu ungleich gewaltigeren Bestrebungen. Die Kühnheit, mit der Friedrich seinen Gegnern zuvorgekommen war, reizte ihre Eifersucht zum glühendsten Hasse. Der Kaiser machte den Kampf zu einer Angelegenheit des deutschen Reiches und der katholischen Kirche; Friedrichs Absicht sollte auf die Unterdrückung der letzteren gehen; als Reichsstand sollte er der Acht verfallen sein, und in der Tat kam es schon jetzt so weit, daß der Reichstag gegen ihn, im Januar 1757, eine « eilende Reichs-Exekutionsarmee » aufbot, zu deren Führer der Reichsfeldmarschall Prinz Joseph Maria Friedrich Wilhelm Hollandinus von Sachsen-Hildburghausen ernannt ward. Durch einen schlimmen Druckfehler in der öffentlichen Kundmachung dieses Aufgebotes war aber die « eilende » Armee bereits vorläufig als eine « elende » bezeichnet, und als solche trat sie auch nachmals, ohne sich zugleich übergroßer Eile zu befleißigen, hervor. Das Deutsche Reich, als solches, war schon lange zu einem leeren Schattenbilde herabgesunken.

Bedeutender war die Gefahr, die von den auswärtigen Mächten drohte. Der französische Hof erklärte, daß er den Einfall Friedrichs in Sachsen als eine Verletzung des westfälischen Friedens, dessen Bürge Frankreich sei, betrachte. Zu den schon vorhandenen Gründen des Hasses waren hier neue gekommen. Die Königin von Polen war eine Mutter der Gemahlin des Dauphins von Frankreich; an ihr fand die Mätresse des Königs eine willkommene Bundesgenossin gegen Friedrich, und zugleich stimmte mit ihren Ansichten das französische Ministerium überein, dem es nur erfreulich war, wenn der Seekrieg mit England, dem Verbündeten Friedrichs, in einen Landkrieg gegen Hannover verwandelt wurde. So ward ein furchtbares Heer gerüstet, um dasselbe über den Rhein gegen Hannover und gegen Preußen zu führen. Schweden mußte dem Interesse Frankreichs folgen; von dieser Seite ward der Entschluß gefaßt, den Teil von Vorpommern, den Schweden an Friedrichs Vater hatte abtreten müssen, durch Waffengewalt wieder zurückzufordern. Rußland schloß im Januar 1757 einen neuen Bund mit Österreich gegen Friedrich. Österreich <256>lieferte Subsidiengelder, die jedoch eigentlich von Frankreich kamen, zur Unterstützung der russischen Rüstungen.

Gegen die Übermacht dieser Feinde hatte Friedrich nur wenig Verbündete von Bedeutung. In Deutschland hielten nur einige kleinere Fürsten, die zum Teil in englischem Solde dienten, zu ihm. Sein Bündnis mit England wurde am 11. Januar 1757 fester erneut, und das Volk von England erwies ihm eine an Begeisterung grenzende Verehrung; aber die Häupter der englischen Regierung standen in feindlichem Parteikampfe gegeneinander und verloren das Interesse für den wichtigeren Kampf, der sich jetzt vorbereitete, aus den Augen. Der Hof dachte nur daran, die Grenzen von Hannover gegen feindlichen Einfall zu decken. Friedrich konnte die hannöverschen Minister nicht bewegen, den Franzosen eine Armee über den Rhein entgegenzuschicken, und da er seine eignen Kräfte nicht zersplittern durfte, so sah er sich genötigt, Wesel, die Hauptfeste seiner westfälischen Provinzen, aufzugeben.

Zur Verstärkung seiner eignen Macht, in der somit allein sein Heil beruhen konnte, mußte ihm zunächst Sachsen die Mittel hergeben. Das Land mußte sich zu einer ansehnlichen Kriegssteuer, zur Lieferung von Rekruten und Nahrungsmitteln verstehen; die zum Teil überflüssig ausgedehnten Gehalte der Beamten wurden verringert oder ganz eingezogen; die ungeheuren Porzellanvorräte aus der Meißner Fabrik wurden für Friedrichs Rechnung verkauft. Das königliche Schloß in Dresden, sowie die Kunstschätze, die König August mit großen Kosten gesammelt hatte, ließ Friedrich indes unangerührt. Er besuchte während des Winters, dessen größte Zeit er in Dresden zubrachte, mehrfach die dortige Gemäldegalerie und machte in ihr seine Studien zu der Sammlung, die er in Sanssouci anzulegen gedachte; die Aufseher der Galerie, die die anvertrauten Schätze in Gedanken schon eingepackt und nach Berlin geführt sahen, wurden dabei reichlich beschenkt; und als sich Friedrich das Bild der heiligen Magdalena von Batoni, an dem er ein besondres Wohlgefallen fand, kopieren lassen wollte, so bat er den sächsischen Hof ausdrücklich um Erlaubnis. Im übrigen erfreute er sich an der Oper und an den Konzerten, für deren Ausführung Dresden treffliche Mittel darbot, sowie an all denjenigen Dingen, welche daheim seine Mußestunden ausgefüllt hatten. Mit dem Hofe der Königin von Polen und ihres Sohnes, des Kurprinzen, wurden nach wie vor die nötigen Höflichkeitsbezeugungen gewechselt. Doch duldete Friedrich nicht, daß sie sich auf irgendeine Weise in seine Verwaltung des sächsischen Landes mischten; und als er die Königin in Verdacht einer eifrigen Korrespondenz mit den Österreichern hatte, ordnete er an <257>den Toren eine so strenge Kontrolle an, daß man auch bald im Innern einer Sendung von Würsten, die angeblich zu dem Geschenk für eine Freundin der Königin bestimmt waren, die Briefschaften entdeckte. Dies hatte wenigstens zur Folge, daß man sich bei den weiteren Mitteilungen einer größeren Vorsicht befleißigte.

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FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL Beginn des Feldzuges von 1757. Prag und Kollin.

So war der Winter vergangen, und der ernstlichere Kampf um das weitere Dasein der preußischen Herrschaft mußte bald beginnen. Friedrich hatte sein Heer so weit verstärkt, daß er (nach ausgedehntester Berechnung) über ungefähr 200,000 Mann zu gebieten hatte; aber er konnte auch berechnen, daß ihm die Feinde, mit vereinten Kräften, an 500,000 Mann entgegenzusetzen imstande seien. Doch waren weder Frankreich, noch Rußland, noch Schweden, noch die Reichsarmee mit ihren Rüstungen fertig; nur Österreich stand ihm drohend gegenüber. So entschloß er sich aufs neue, seinen Gegnern zuvorzukommen, den einen gerüsteten Feind mit aller Macht anzugreifen und sich vorerst auf der einen Seite Luft zu machen, damit er alsdann um so freier den nachfolgenden Gegnern die Stirn bieten könne.

<259>Den Oberbefehl über die österreichische Armee führte noch der Feldmarschall Browne. Sein Plan war, Friedrich in Sachsen anzugreifen und auf diese Weise dieselben Vorteile zu erstreben, die Friedrich selbst seither bei seinen raschen Angriffen zu erreichen gewußt hatte. Er hatte demgemäß eine vorteilhafte Aufstellung seiner Truppenkorps angeordnet und Magazine in der Nähe der sächsischen Grenze eingerichtet. Friedrich tat, als ob er dem Gegner freies Spiel lassen wolle; er verschanzte Dresden und sprengte das Gerücht aus, daß er den Angriff der Österreicher abwarten werde. Plötzlich sandte das österreichische Kabinett an Brownes Stelle den Prinzen Karl von Lothringen, den Bruder des Kaisers, den nach der Stelle des Oberbefehlshabers gelüstete. Prinz Karl brachte ein anderes Operationssystem mit und machte mancherlei Veränderungen in den bisherigen Anordnungen, ohne jedoch den alten Plan durch einen neuen von gleicher Konsequenz zu ersetzen. Dies kam Friedrich höchst erwünscht; er fuhr in seinen Scheinmaßregeln fort und wiegte die Feinde in stolze Sicherheit. Ehe es sich diese versahen, drang nun, gegen Ende April, seine Armee von vier Seiten, gleich vier reißenden Bergströmen, in Böhmen ein, trieb die einzelnen Truppenkorps der Österreicher, die noch auf weitere Verstärkungen warteten, vor sich her und nahm ihnen die Magazine weg. Nur eins der österreichischen Korps wagte Widerstand; aber es wurde von dem Herzog von Bevern, der aus der Lausitz in Böhmen einrückte, bei Reichenberg geschlagen.

Bei Prag vereinigte sich der größere Teil der österreichischen Korps zu einer bedeutenden Macht. Dorthin gingen auch, nach Friedrichs Anordnung, die preußischen Truppen, um den entscheidenden Kampf zu beginnen. Am 6. Mai, in morgendlicher Frühe, traf die preußische Hauptmacht unter Friedrich, Schwerin und dem Herzog von Bevern, am rechten Elbufer unterhalb Prag zusammen, während ein viertes Korps, unter dem Prinzen Moritz von Dessau, den Befehl hatte, Prag auf dem linken Elbufer zu umgehen, dann über den Fluß zu setzen und dem Feinde in den Rücken zu fallen. Friedrich eröffnete Schwerin seine Absicht, die Österreicher unverzüglich anzugreifen und ihnen keine Zeit zur weiteren Besinnung zu lassen. In der Tat waren diese auch auf die Nähe der Preußen so wenig vorbereitet, daß sie davon erst durch einige Schüsse, die bei der Vereinigung der preußischen Armee gegen einen Kroatenhaufen fielen, benachrichtigt wurden; sie begannen jetzt erst, zum Teil mit Hinterlassung des Gepäckes und Feldgerätes, sich in Schlachtordnung zu stellen. Schwerin aber stellte dem Könige vor, daß die Truppen durch nächtlichen Marsch ermüdet seien, daß man dem Feinde nur auf Umwegen beikommen könne und daß man überhaupt von der Beschaffenheit des Bodens keine genaue Kenntnis habe. Als jedoch Friedrich auf seinem Willen bestand, so drückte der alte Feldmar<260>schall, wie er es zu tun gewohnt war, seinen Hut in die Augen und rief aus: « Soll und muß denn gerade heute eine Schlacht geliefert werden, so will ich die Österreicher gleich hier angreifen, wo ich sie sehe! » Das wäre freilich allzu schwer ins Werk zu richten gewesen; die Österreicher hatten sich sehr vorteilhaft auf einem Höhenzuge, der durch eine sumpfige Niederung geschützt war, aufgestellt. Doch ward der General Winterfeldt ausgesandt, die weitere Beschaffenheit des Bodens zu untersuchen; er brachte schnell den Bescheid, daß man den Feind sehr leicht umgehen könne, indem seitwärts eine Abflachung der Berge und grünende Saatflächen zwischen Teichen einen günstigeren Zugang darböten. So ward die preußische Armee seitwärts geführt, während jedoch die Österreicher gleichzeitig derselben Bewegung folgten.

Aber was Winterfeldt für Saatflächen angesehen hatte, waren grünüberwachsene Sümpfe, die jetzt dem Vorrücken der Preußen, namentlich dem linken Flügel, den Schwerin führte und der dazu bestimmt war, dem Feinde zuerst in die Seite zu fallen, sehr unerwartete Hindernisse entgegensetzten. Nur ein geringer Teil der Truppen fand schmale Dämme, auf denen einzelne Rotten hinübermarschieren konnten; die übrigen waren genötigt, durch die Sümpfe zu waten, in denen sie bei jedem Tritte einsanken; auch war es nicht möglich, die erforderliche Anzahl der Kanonen dem Feinde entgegenzuführen. So geschah der Übergang langsam und nicht ganz in Ordnung. Doch griffen die ersten Bataillone, die festen Fuß gefaßt hatten, den Feind rüstig an, aber ein mörderisches Kartätschenfeuer zwang sie zum Stehen; die Österreicher, von Browne geführt, der patriotisch die Stelle eines Unterbefehlshabers übernommen hatte, drängten vor, und bald wandte sich das Vordertreffen der Preußen auf dieser Seite zur Flucht. Da kam Schwerin auf dem Kampfplatze an; er riß einem Hauptmann die Fahne, welche dieser ergriffen hatte, aus der Hand und bemühte sich, die Soldaten zu sammeln und sie aufs Neue dem Feuer des Feindes entgegenzuführen; aber kaum war er ein paar Schritte vorwärts geritten, als er, von fünf Kartätschenkugeln durchbohrt, entseelt vom Pferde sank. Gleichzeitig war aber auch Browne schwer verwundet worden, so daß er sich aus der Schlacht forttragen lassen mußte.

Ein Kavallerieangriff, zur Seite des linken Flügels der Preußen, war, obschon ebenfalls nicht ohne hartnäckigen Widerstand, glücklicher vonstatten gegangen. Die feindliche Reiterei wurde hier gänzlich zerstreut. Der Prinz von Lothringen bemühte sich vergebens, seine Reiterscharen zum Stehen zu bringen; er ward mit fortgerissen, ein Brustkrampf befiel ihn, und so ward auch er bewußtlos aus dem Getümmel fortgetragen. Indes war der linke Flügel der Preußen verstärkt worden und drang nun, den Tod des verehrten Führers zu rächen, mit erneutem Ungestüm vor. <261>Bald waren die Österreicher zum Weichen gebracht. Von allen Seiten hatte jetzt die preußische Armee den Übergang möglich gemacht und sich auf die Feinde geworfen. In einer Menge von einzelnen Gefechten, wie es die Natur des Bodens mit sich brachte, ward jetzt mit größtem Heldenmute gekämpft; überall kamen die Österreicher, trotz der hartnäckigsten Gegenwehr, zum Weichen; der Mangel eines oberen Befehlshabers ließ ihre Anstrengungen zu keiner übereinstimmenden Wirkung kommen. Friedrich selbst aber brachte den Kampf zur Entscheidung. Er bemerkte, daß im Mittelpunkt der österreichischen Armee eine Lücke entstanden war; hier stürzte er sich, obgleich von beiden Seiten alsbald das heftigste Feuer erfolgte und viele neben ihm niedergeschmettert wurden, an der Spitze von drei Bataillonen hinein und sprengte die Feinde auseinander. Der Rückzug der Österreicher ward jetzt zur verwirrten Flucht und alles war nur darauf bedacht, hinter den Toren von Prag Schutz zu suchen; ein Teil der Österreicher, der die Stadt nicht hatte erreichen können, flüchtete ins Weite. Es würde eine gänzliche Niederlage der Feinde erfolgt sein, hätte <262>Prinz Moritz von Dessau, seinem Auftrage gemäß, den Übergang über die Elbe schnell genug bewerkstelligen und die Flüchtigen in die Seite nehmen können.

Der Sieg war errungen, aber mit vielem und schwerem Blute; die Preußen hatten 18,000 Mann verloren. Von Schwerin sagte Friedrich nachmals: « Sein Tod machte die Lorbeeren des Sieges verwelken! » Und außer ihm war noch eine bedeutende Anzahl ausgezeichneter Führer gefallen oder verwundet. Doch war der Verlust der Österreicher noch bedeutender. Auch sie verloren an Browne einen ihrer vorzüglichsten Feldherrn. Friedrich hatte letzterem, der an seinen Wunden wenige Wochen darauf starb, sein Beileid bezeigen und ihm den Tod Schwerins melden lassen.

Der größere Teil des österreichischen Heeres hatte sich nach Prag gerettet. Friedrich faßte den kühnen Gedanken, hier im großen Maßstabe zu wiederholen, was er im vorigen Jahre vor dem sächsischen Lager bei Pirna vollbracht hatte. Die weitläufige Stadt sollte belagert, die Armee zur Übergabe gezwungen werden. Schon am Abend nach der Schlacht ließ er sie dazu auffordern, doch erhielt er eine abschlägige Antwort. Nun schloß er die Stadt rings mit seinen Truppen ein, errichtete eine Reihe von Belagerungswerken und hoffte sie so in kurzer Frist durch Feuer und durch Hunger zur Übergabe zu nötigen. Die glühenden Kugeln, welche er in die Stadt hineinwerfen ließ, unterhielten eine fortwährende Feuersbrunst, der zusammengedrängten Menschenmasse begann es an Nahrungsmitteln zu fehlen, Krankheiten und Tod räumten furchtbar unter der Menge auf, der Mut der österreichischen <263>Armee schien ganz gesunken, und einige schwache Ausfälle, zu denen sie sich entschloß, wurden ohne Mühe zurückgeschlagen. Friedrich ließ es sich angelegen sein, geheime Kundschafter in die Stadt zu senden; die Nachrichten, die sie ihm brachten, verhießen ein baldiges Ende nach seinem Wunsche. Der Hof in Wien zitterte, denn an dem Schicksal Prags schien das ganze Schicksal des Krieges zu hängen; das Reich zitterte, denn bereits war ein kühnes Freikorps aus Böhmen bis nach Bayern vorgedrungen und verbreitete den Schrecken des preußischen Namens bis an die Tore von Regensburg; schon dachte man auf Mittel, durch neue Aufopferungen den Frieden von dem bis dahin unüberwindlichen Preußenkönige zu erkaufen.

Aber die in Prag eingeschlossene Armee, auf baldigen Entsatz hoffend, hielt mit Standhaftigkeit die Schrecken der Belagerung aus. Eins der österreichischen Korps, die in Böhmen schlagfertig gestanden hatten, war später als die übrigen gegen Prag vorgerückt und am Tage der Prager Schlacht noch mehrere Meilen vom Schlachtfelde entfernt gewesen. Der Feldmarschall Daun befehligte dies Korps. Er zog sich nun weiter, auf der Straße gegen Kolin, zurück, und zu ihm stießen die Scharen der Österreicher, die in der Schlacht zersprengt und von Prag waren abgeschnitten worden. Gegen ihn hatte Friedrich zuerst den General Zieten mit seinen Husaren ausgeschickt; und da dieser die Feinde stärker fand, als man erwartet hatte, so war mit Zieten ein besonderes Beobachtungskorps, unter dem Herzog von Bevern, vereinigt worden. Dies Korps rückte gegen Daun vor, und er, obgleich der Stärkere, wich zurück, ließ die Preußen Kolin mit einem reichlichen Magazine wegnehmen und ließ sie selbst Kuttenberg besetzen. Aber durch diesen Rückzug näherte er sich zugleich mehr und mehr den mittleren Provinzen des österreichischen Staates, zog, ohne sich zu schwächen, immer neue Unterstützungen, die ihm entgegengesandt wurden, an sich und vermehrte so nach und nach seine Armee zu einer bedeutenden Macht.

So waren mehr als fünf Wochen seit der Schlacht von Prag verflossen, ohne daß Friedrich imstande gewesen war, eine Entscheidung herbeizuführen. Wie im vorigen Jahre durch das Lager von Pirna, so ward er jetzt durch Prag in der raschen Ausführung seiner Entschlüsse aufgehalten. Aber die Verzögerung mußte jetzt, da es sich um größere Heermassen handelte, auch größere Gefahr bereiten; und, schlimmer noch als dies, auch von den andern Seiten rückte die drohende Gefahr bereits näher. Die Franzosen waren mit einer mächtigen Armee über den Niederrhein gegangen und standen schon in Westfalen; die Russen und Schweden, sowie die Reichsarmee machten sich ebenfalls zum Anzuge bereit. Ein drückender Unmut bemächtigte sich der Seele des großen Königs. Der Sieg von Prag hätte all diese Hemmnisse, wie es schien, <264>vereiteln können, wäre der Prinz von Dessau zur bestimmten Stunde auf dem Schlachtfelde erschienen; daß die Säumnis des letzteren jedoch unverschuldet war, wurde von Friedrich überhört. Der Herzog von Bevern hätte jetzt, so meinte Friedrich, mit raschem Angriffe das Korps des Feldmarschall Daun zerstreuen können; daß aber dies Korps dem preußischen bedeutend überlegen war, daß die Österreicher den Preußen standhalten würden, davon wollte der König nichts wissen. Er entschloß sich, selbst auszuführen, was Bevern nicht wage; er nahm alle Truppen zu sich, die er bei der Belagerung von Prag irgend entbehren konnte, und verließ am 13. Juni das Lager, um zu Bevern zu stoßen.

Inzwischen war Daun, als er sich stark genug fühlte, wieder vorgerückt; er hatte jetzt den ausdrücklichen Befehl erhalten, zur Entsetzung von Prag alles zu unternehmen. Auch dies wollte Friedrich, als er sich mit Bevern vereinigt hatte, nicht glauben. Alle Berichte, die ihm darüber gebracht wurden, nahm er mit Unwillen auf, so daß es endlich niemand mehr wagte, ihm zu widersprechen. Aber mit Kümmernis sahen seine Getreuen die Wolke, die den hellen Sinn des Königs umdüstert hielt. Zieten, der mit seinen Husaren genaue Kundschaft eingezogen hatte, sprach es öffentlich aus, daß er das Unglück des Königs und seiner Armee vor Augen sehe. Endlich, am Mittage des 17. Juni, erblickte Friedrich selbst, als er seine Vorposten besuchte, die ganze österreichische Armee, die ihm um ein sehr Bedeutendes überlegen war, in einem festen Lager zwischen Kolin und Planian. Er entschloß sich, sie am folgenden Tage anzugreifen, da es ihm um die Entscheidung zu tun war und da er fürchtete, daß, wenn er sich der Schlacht entziehe, er genötigt sein werde, alle jüngst errungenen Vorteile aufzugeben.

Der Morgen des 18. Juni brach an; aber die österreichische Armee war wiederum den Blicken der Preußen entschwunden. Man wußte nicht, ob Daun nur seine Stellung verändert, oder ob er sich unter dem Schutze der Nacht ganz zurückgezogen habe. Friedrich beschloß, nach Kolin zu marschieren, wo er jedenfalls feindliche Truppen erwarten durfte. Als er indes die Höhen bei Planian erreicht hatte, sah er auf den jenseitigen Bergzügen aufs neue die feindliche Armee vor sich, die ihn, zum Kampfe bereit, in der vorteilhaftesten Stellung erwartete. Friedrich rückte nun weiter auf der Straße gegen Kolin vor, um den Punkt ausfindig zu machen, auf welchem der Feind anzugreifen wäre. Um 10 Uhr erreichte man ein auf der Straße gelegenes Wirtshaus, dessen obere Fenster einen vollkommenen Überblick über die Stellung der Österreicher verstatteten. Hier entwarf Friedrich den Plan zur Schlacht. Der linke Flügel der Feinde war durch tiefe Abhänge geschützt, auch das Mitteltreffen schien dem Angriff bedeutende Schwierigkeiten entgegenzustellen; der <265>rechte Flügel aber schien durch kein Hindernis des Bodens verteidigt. Auf diese Stelle beschloß Friedrich alle Kräfte zu konzentrieren; der Feind sollte hier umgangen und dann mit voller Macht von der Seite angefallen werden. Bis Mittag ließ Friedrich seine Truppen, die durch die Hitze des Tages und den Marsch schon angegriffen waren, rasten; dann gab er das Zeichen zum Aufbruch. Aber der österreichische Feldherr bemerkte die Absicht Friedrichs und bemühte sich, seinen schwachen rechten Flügel zu verstärken.

Der Vortrab der Preußen begann den Kampf. Die Zietenschen Husaren, die Grenadiere, die den Vortrab ausmachten, fielen dem Feinde in die Seite und gewannen ihm, trotz der heftigsten Gegenwehr, bedeutende Vorteile ab. Aber plötzlich änderte Friedrich selbst seinen Plan. Er befahl, daß der übrige Teil seiner Armee Halt machen, sofort aufmarschieren und daß die Infanterie des linken Flügels gerade von vorn den feindlichen Reihen entgegenrücken solle. Prinz Moritz von Dessau, der das Haupttreffen kommandierte, suchte ihn auf die Gefahr, der man sich hiebei aussetzen würde, aufmerksam zu machen. Der König blieb bei seinem Befehl; aber der Prinz wiederholte seine Einwendungen und sagte endlich: ohne seine Pflicht zu verletzen und ohne die schwerste Verantwortung auf sich zu laden, könne er diesem Befehle nicht genügen. Dieser Widerspruch reizte den Zorn des Königs; mit entblößtem Degen <266>ritt er auf den Prinzen zu und fragte ihn mit drohender Stimme, ob er gehorchen wolle oder nicht? Der Prinz fügte sich, und seine Regimenter rückten gegen den Feind. War es neuer düsterer Ungestüm, war es Trotz gegen das Schicksal, daß Friedrich von dem so weise überlegten Plane abging?

Und dennoch schien er dem Heldenmute und der Tapferkeit seiner Krieger nicht zuviel zugemutet zu haben. Sie drangen, trotz des schmetternden Geschützfeuers, gegen die Reihen der Österreicher empor, sie vereinigten sich mit den Regimentern des Vortrabes und warfen mit diesen vereint eine furchtbare feindliche Batterie. Der rechte Flügel des Feindes wankte, der Sieg schien sich auf die Seite der Preußen zu neigen; schon ließ Daun auf einem mit Bleistift geschriebenen Zettel den Befehl zum Rückzuge durch seine Armee laufen. Doch einer von seinen Oberoffizieren bemerkte zur rechten Zeit, daß die Schlacht sich wiederum günstiger gestalte, und hielt den Zettel an. Denn jetzt hatte sich das Mitteltreffen der Preußen, durch einen allzu heftigen General geführt, verleiten lassen, gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs an der Schlacht teilzunehmen. Es rückte gegen ein Dorf vor, das von Kroaten besetzt war, trieb diese hinaus und versuchte nun gegen die Österreicher emporzustürmen. Aber auf dem abhängigen Boden, der mit glattem, ausgedörrtem Grase bedeckt war, versagte jeder Tritt, und von dem Berge herab sprühte ihnen ein fürchterlicher Kartätschenregen entgegen. Reihenweis wurden hier die tapfern Preußen hingestreckt. Durch dies unzeitige Unternehmen war den Regimentern des linken Flügels und dem Vortrabe der Preußen die nächste nötige Unterstützung geraubt. Friedrich sandte ihnen Kürassiere und Dragoner zu, die errungenen Vorteile festzu<267>halten und weiter zu verfolgen. Zweimal drangen die Reiter vor, aber sie mußten dem Geschützfeuer, das sie von der Seite empfing, weichen; zum drittenmal setzte sich Friedrich selbst an ihre Spitze, aber auch jetzt vermochten sie nicht standzuhalten.

Nun hatten jene siegreichen Scharen, die seit zwei Stunden im Feuer standen, sich verschossen; von keiner Seite konnte ihnen Verstärkung zugeführt werden. Sächsische Reiterhaufen, die von Polen aus zu der österreichischen Armee gestoßen waren, drangen auf sie ein, andere Scharen österreichischer Kavallerie folgten, ein wildes Gemetzel erhub sich. Die Sachsen, der argen Niederlage gedenkend, die sie vor zwölf Jahren erlitten, riefen bei ihren Säbelhieben triumphierend aus: Das für Striegau! Verzweifelt wehrten sich die Preußen; was nicht erlag, wandte sich endlich zur Flucht. Noch einmal sucht Friedrich dem Schicksal des Tages Trotz zu bieten. Er sprengt den Flüchtigen nach, er bemüht sich, sie zu sammeln, 40 Mann folgen seinen Befehlen, seinen Bitten; er führt diese, in der Hoffnung, daß auch die übrigen sich anschließen werden, unter klingendem Spiel gegen eine feindliche Batterie. Umsonst! auch die wenigen Getreuen fliehen aufs neue, sobald sie von den feindlichen Kugeln erreicht werden. Friedrich bemerkt es nicht; nur einige Adjutanten sind noch bei ihm, als er der Batterie allein entgegen reitet. Einer von diesen fragt ihn endlich: « Sire, wollen Sie denn die Batterie allein erobern? » Da hält Friedrich sein Pferd an, sieht das leere Feld um sich, zieht ein Fernrohr hervor und beobachtet die feindliche Batterie, deren Kugeln zu seinen Seiten niederschlagen. Endlich wendet er das Pferd und reitet stumm und langsam nach dem rechten Flügel <268>seiner Armee, wo der Herzog von Bevern kommandierte. Hier gibt er das Zeichen zum Rückzuge.

Der rechte Flügel hatte gar nicht an dem Kampfe teilgenommen. Jetzt sollte er dazu dienen, den Rückzug der übrigen Heeresteile zu decken. Aber während dieser Rückzug vor sich ging, ward auch er noch in ein Gefecht mit dem linken Flügel der Österreicher, der ihm entgegenrückte, verwickelt. Der neue Kampf ward mit nicht geringerer Erbitterung geführt, als die früheren Gefechte des blutigen Tages. Die Preußen vermochten gegen das mörderische Kartätschenfeuer der Österreicher nicht standzuhalten, ganze Regimenter wurden aufgerieben. Endlich, es war 8 Uhr des Abends, mußte auch dieser Teil des preußischen Heeres den Rückzug antreten. Daun aber begnügte sich, das Schlachtfeld zu behaupten. Zufrieden mit dem ersten siegreichen Erfolge über die preußischen Waffen, ließ er Friedrichs Armee ungehindert und in guter Ordnung sich über Planian nach Nimburg zurückziehen, und in edlem Stolze sandte er dem Besiegten die Verwundeten, die man in Planian hatte zurücklassen müssen, nach.

Friedrich hatte sich gleich, als er die Schlacht verloren sah, unter geringer Bedeckung auf den Weg nach Nimburg gemacht. Der abendliche Ritt war sehr gefahrvoll, denn rings, in Dörfern und Gebüschen, lagen Trupps feindlicher Husaren und Kroaten zerstreut. Auch erhub sich während des Rittes plötzlich das Gerücht, es seien österreichische Husaren im Anzuge; man sah sich genötigt, eine halbe Stunde lang mit verhängtem Zügel fortzujagen. In einem Dorfe mußte man darauf kurze Rast machen, um die erschöpften Pferde zu tränken. Ein alter verwundeter Kavallerist trat zu dem Könige und reichte ihm in seinem Hute einen kühlen Trank, den er aus dem Pferdeeimer geschöpft hatte, mit den Worten: « Trink Ew. Majestät doch und laß Bataille Bataille sein! Es ist nur gut, daß Sie leben; unser Herrgott lebt gewiß, der kann uns schon wieder Sieg geben! » Solche Worte mochten wohl tröstlich in das Ohr des Königs klingen, aber es waren nicht viele in der Armee, die ebenso sprachen. — Als die Offiziere, die weiter zu Friedrichs Gefolge gehörten, nach Nimburg kamen, fanden sie ihn auf einer Brunnenröhre sitzend, den Blick starr auf den Boden geheftet und mit seinem Stocke Figuren in den Sand zeichnend. Niemand wagte ihn in seinen düsteren Gedanken zu stören. Endlich sprang er auf und gab mit Fassung und erzwungener Heiterkeit die nötigen Befehle. Bei dem Anblick des kleinen Restes seiner geliebten Garde traten ihm Tränen in die Augen. « Kinder », sagte er, « ihr habt heute einen schlimmen Tag gehabt. » Sie antworteten, sie seien leider nicht gut geführt worden. « Nun, habt nur Geduld », fuhr Friedrich fort, « ich werde alles wieder gut machen. »

<269>Es war die erste Schlacht, die Friedrich verloren hatte. Sein Verlust belief sich auf nahe an 14,000 Mann, der der Österreicher nur auf wenig über 8000. Der schlimmere Verlust war das gebrochene Selbstvertrauen. Über das ganze Heer, das sich bis dahin für unüberwindlich gehalten, verbreitete sich eine Mutlosigkeit, welche erst neuer glänzender Siege bedurfte, um wieder der alten Zuversicht Platz zu machen. Als den Offizieren des Belagerungsheeres bei Prag die Niederlage bekannt gemacht ward, folgte eine dumpfe Stille von mehreren Minuten; der sonst so sanftmütige Prinz Wilhelm von Preußen aber brach in lautes Wehklagen über das Benehmen seines königlichen Bruders aus.

Jetzt durfte Friedrich nicht länger an einen Angriffskrieg in Böhmen denken; die Belagerung von Prag mußte aufgehoben werden. Friedrich selbst war gleich von Nimburg dahin geeilt, die nötigen Anordnungen zum Abzuge zu treffen. Am zweiten Tage nach der verlornen Schlacht verließ das preußische Heer die Verschanzungen mit klingendem Spiele, ohne daß der Prinz von Lothringen, welcher die Österreicher <270>in der Stadt kommandierte und durch eine Marketenderin, die von Kolin aus nach Prag gekommen war, die Siegesnachricht erhalten hatte, ihnen ein besonderes Hindernis in den Weg gelegt hätte. Erst auf die letzten Abteilungen der preußischen Truppen, die zu lange gesäumt hatten, wagte er einen Ausfall und brachte ihnen allerdings einen, obschon nicht bedeutenden Verlust bei. Noch weniger unternahm Daun zur Verfolgung der Preußen; er ließ in seinem Lager, während die beiden preußischen Armeen sich vereinigten, ruhig den ambrosianischen Lobgesang anstimmen. Dann ging er mit seiner Armee nach Prag, sich mit dem Prinzen von Lothringen zu verbinden.

Friedrich hatte die Absicht, sich so lange als möglich in Böhmen zu halten, vornehmlich, um aus dem nördlichen Teile des Landes vorerst alle Lebensmittel an sich zu ziehen und dadurch die künftigen Unternehmungen des Feindes auf Sachsen zu erschweren. Er hatte deshalb seine Armee in zwei Hauptkorps geteilt, die zu beiden Seiten der Elbe in festen Stellungen standen. Das auf der östlichen Seite, welches sich später nach der Lausitz zurückziehen sollte, führte sein Bruder, der Prinz von Preußen. Die österreichische Armee war mehrere Wochen untätig gewesen; dann wandte sie sich mit ihrer Hauptmacht gegen das Korps des Prinzen von Preußen. Dieser, der die Gefahr drohend gegen sich heranschreiten sah, ließ Friedrich mehrfach von den Bewegungen des Feindes benachrichtigen; aber Friedrich wollte auch jetzt, wie vor der Koliner Schlacht, den Nachrichten über die Stärke und über die Entschlossenheit der Gegner keinen Glauben beimessen. Endlich sah Prinz Wilhelm sich zu eiligem Rückzuge gegen Zittau, wo ein bedeutendes Magazin vorhanden war, genötigt. Aber er wählte hiezu eine minder günstige, mit mannigfachen Hindernissen verknüpfte Straße durch das Gebirge, so daß dieser Rückzug aufs neue der preußischen Armee einen bedeutenden Verlust zufügte, während der Feind zugleich auf einer kürzeren Straße gegen Zittau vordrang. Hier trafen beide Heere gegeneinander. Eine Schlacht vermied Prinz Wilhelm; aber der Prinz von Lothringen richtete gegen die Stadt Zittau, deren Magazine durch eine geringe Schar von Preußen verteidigt wurden, ein barbarisches Bombardement, welches die blühende Handelsstadt in einen Trümmerhaufen verwandelte. Auf die Nachricht von dem Rückzuge seines Bruders war auch Friedrich mit seiner Armee nach Sachsen gegangen. Nachdem er hier die Grenzen versichert, führte er den Hauptteil seiner Truppen zu der Armee des Prinzen Wilhelm. In Bautzen traf er mit letzterem zusammen. Die Begegnung war nicht freundlich. Der Prinz und sämtliche Generale seiner Armee (mit Ausnahme Winterfeldts, den Friedrich dem Prinzen, gewissermaßen als Ratgeber, beigegeben) mußten die härtesten <271>Beschuldigungen über die Verluste jenes Rückzuges anhören. Friedrich ließ den Generalen ausdrücklich sagen, sie hätten sämtlich verdient, daß ihnen der Kopf vor die Füße gelegt werde. Prinz Wilhelm verließ auf solche Begegnung das Heer und ging nach Berlin zurück; hier kränkelte er bald und starb im folgenden Sommer.

<272>

SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL Fortsetzung des Feldzuges von 1757.

Indes rückten von allen Seiten die Gefahren näher und Friedrich wünschte nichts mehr, als den Österreichern, die nun in der oberen Lausitz standen, sobald als möglich eine Schlacht zu liefern. Aber der Prinz von Lothringen hatte mit seiner Armee eine so vortreffliche Stellung genommen, daß ein Angriff auf diese eine Tollkühnheit gewesen wäre. Friedrich suchte ihn durch mehrere künstliche Märsche aus seiner Stellung zu entfernen; aber die Österreicher wichen nicht. Auch eine andere eigentümliche Kriegslist, die Friedrich anwandte, blieb ohne Erfolg. Wider seine Gewohnheit speiste er eines Abends in Gesellschaft mehrerer Generale unter freiem Himmel. Hier wurde von nichts, als von dem auf den folgenden Tag beschlossenen Angriffe, und zwar so laut gesprochen, daß alle, die sich um die königliche Tafel drängten, — und man durfte auch Kundschafter unter diesen vermuten — die Unterredung mit anhören konnten. Zugleich wurden während der Nacht alle Vorbereitungen, wie zu einer Schlacht getroffen. Zahlreiche Überläufer kamen zum Prinzen von Lothringen und benachrichtigten ihn von diesen Umständen; aber er ließ sich zu keiner falschen Bewegung verleiten.

<273>Friedrich durfte nicht länger säumen, wollte er jetzt nicht Sachsen den Angriffen der Franzosen und der Reichsvölker, die schon im vollen Anmarsch begriffen waren, preisgeben. Er ließ also den größeren Teil der Armee unter dem Oberbefehl des Herzogs von Bevern zurück, welcher die Lausitz und Schlesien gegen die Österreicher decken sollte, und machte sich selbst an der Spitze von 12,000 Mann auf den Weg nach Dresden, um die dortigen Truppen noch an sich zu ziehen und sodann gegen die Saale zu marschieren. Dem Herzoge von Bevern hatte er Winterfeldt zur Seite gestellt und von der Kühnheit und Erfahrung dieses Generals, der sein besonderes Wohlwollen besaß, glückliche Erfolge erwartet. Die Österreicher verharrten in ihrer Untätigkeit, bis der österreichische Staatskanzler, Graf Kaunitz, in dem Lager des Prinzen von Lothringen eintraf, um diesen zu lebhafteren Unternehmungen aufzumuntern. Dem Vertrauten der Kaiserin eine Probe von der Entschlossenheit des Heeres zu geben, ward schnell ein Angriff auf ein vereinzeltes preußisches Korps — freilich mit sehr bedeutender Übermacht — veranstaltet. Winterfeldt, welcher dies Korps befehligte, ward bei diesem Gefechte durch die Brust geschossen und starb nach wenigen Stunden. Die Österreicher siegten in dem ungleichen Kampfe, ohne jedoch andere Vorteile damit zu verknüpfen. Der Herzog von Bevern fürchtete nun, die Österreicher möchten ihn von Schlesien abschneiden; er begab sich mit seinem Heere dahin auf den Weg; der Prinz von Lothringen ließ ihn ruhig den Übergang über die Flüsse, welche die Lausitz von Schlesien scheiden, vollenden, und machte sich dann bereit, ihm nach Schlesien zu folgen. Als Friedrich die Nachricht von Winter<274>feldts Tode erhielt, rief er schmerzergriffen aus: « Gegen die Menge meiner Feinde hoffe ich noch Rettungsmittel zu finden; aber nie werde ich einen Winterfeldt wiederbekommen! »

Doch schon waren die Erfolge der zahlreichen Feinde von solcher Art, daß jeder andere als Friedrich an der Möglichkeit einer Rettung verzweifeln mußte. Am Niederrhein war eine mächtige französische Armee, unter dem Marschall d'Estrées, in Westfalen eingerückt, wo ihr ein aus Hannoveranern, Hessen, Braunschweigern und anderen Deutschen zusammengesetztes Heer gegenüberstand. Den Oberbefehl über letzteres führte der Herzog von Cumberland, ein Sohn des Königs von England. Auch einige preußische Truppen befanden sich unter den Verbündeten; diese wurden jedoch, als die Armee des Herzogs von Cumberland, dem Willen des hannöverschen Ministeriums gemäß, sich bis an die Weser zog, von Friedrich abberufen und zur Verstärkung der Festung Magdeburg gebraucht. Zu Hastenbeck, unweit Hameln, kam es, am 26. Juli, zur Schlacht zwischen beiden Armeen. Von beiden Seiten ward teils mit Vorteilen, teils mit Verlusten gefochten; beide Heerführer glaubten sich geschlagen und ordneten gleichzeitig den Rückzug an. Die Franzosen aber waren die Klügeren; sie bemerkten ihren Irrtum und besetzten schnell das Schlachtfeld, so daß sie als Sieger erschienen. Der Herzog von Cumberland zog sich eilig zurück; die französische Armee folgte ihm, und jener hielt sich jetzt für so ganz hilflos, daß er zu Kloster Seeven, am 8. September, die Hand zu einer schimpflichen Konvention bot, derzufolge die ganze Armee der Verbündeten auseinandergehen sollte; den Hannoveranern wurden Kantonierungsquartiere bei Stade verstattet. Braunschweig wurde nun von den Franzosen besetzt; sie fielen in die preußischen Elbprovinzen ein und übten alle möglichen Greuel und Erpressungen aus. Der Herzog von Richelieu, den man aus Paris gesandt hatte, um den Marschall d'Estrées zu ersetzen, ließ es sich aufs eifrigste angelegen sein, durch diese Erpressungen sein eignes, bedeutend zerrüttetes Vermögen wiederherzustellen.

Etwas später als die französische Armee war ein großes russisches Heer in Preußen eingerückt. Die wilden Schwärme asiatischer Barbaren, die mit diesem Heere kamen, verwüsteten alles Land, welches sie betraten, und bereiteten den Bewohnern ein namenloses Elend. Memel ward erobert, die Russen drangen bis an den Pregelfluß vor, wo ihnen die preußische Armee, wenig stärker als das Viertel der russischen Macht, unter dem Feldmarschall Lehwald entgegentrat. Am 30. August kam es bei Groß-Jägerndorf zur Schlacht. Die geregelte Tapferkeit der Preußen schien den Sieg über die unermeßlichen barbarischen Horden davonzutragen, bis die errungenen Vorteile durch manche Fehler des Anführers und durch einige zufällige Umstände verlorengingen. Die Preußen verließen <275>das Schlachtfeld, ohne jedoch von den Russen verfolgt zu werden; auch betrug ihr Verlust nur etwa die Hälfte von dem der letzteren.

Gleichzeitig war ferner eine schwedische Armee nach Stralsund übergesetzt und machte Streifzüge nach Pommern und nach der Uckermark. Endlich war auch die Reichsexekutionsarmee, unter dem Prinzen von Hildburghausen, zusammengezogen; sie hatte sich, gegen Ende August, mit einem besondern französischen Korps unter dem Prinzen Soubise, das Frankreich außer jener großen Armee, zufolge seines Vertrages mit Österreich, stellen mußte, in Thüringen vereinigt und bereits Erfurt besetzt.

So war Friedrich auf allen Punkten seines Reiches, ohne Ausnahme, bedroht, und fast überall schon standen die feindlichen Heere auf dem Boden seiner Provinzen. Der furchtbarsten Übermacht hatte er nur ein kleines, schon zusammengeschmolzenes Heer entgegenzusetzen, das überdies durch die Niederlage von Kolin und durch den Rückzug aus Böhmen mutlos geworden war. Nach menschlicher Berechnung schien es unmöglich, daß er dem gänzlichen Verderben entgehen könne. Und um das Maß seines Kummers voll zu machen, so mußte ihn, während der beängstigenden Fortschritte seiner Feinde, neben dem Verluste so vieler tapferer, ihm zum Teil so nah befreundeter Männer, noch ein Unglück treffen, das sein Gemüt im Allertiefsten ergriff. Seine Mutter, die ihm ihres kräftigen, entschiedenen Charakters, ihrer ganzen Geistesrichtung wegen, wert war wie nur wenige Frauen, war zehn Tage nach der Schlacht von Kolin gestorben. Eine finstre Melancholie hatte sich seiner Seele bemächtigt; und obgleich er es, mit ungeheurer Gewalt, möglich zu machen wußte, daß seine Umgebungen nur zuversichtliches Handeln, ungetrübten Mut, selbst Laune <276>und Heiterkeit an ihm sahen, so zitterten seine Vertrautesten doch, denn sie wußten, daß er ein schnell tötendes Gift bei sich trug, und daß er entschlossen war, den Sturz seines Reiches nicht zu überleben. In den Gedichten, die er in dieser Zeit niederschrieb, atmet nur der Gedanke des Todes, in dem allein er Ruhe vor den Stürmen des Schicksals zu finden hoffte. Er malt es sich als ein süßes Gefühl aus, freiwillig von dem traurigen Schauplatze abzutreten. Hier sind die Bruchstücke eines von diesen Gedichten, das an seinen Freund, den Marquis d'Argens, gerichtet ist.

Nun ist das Los geworfen, Freund!
Ermüdet von dem Schicksal, das mich quält,
Ermüdet, mich zu beugen seiner Last,
Verkürz' ich selbst das Ziel, das die Natur
In mütterlichem Sinn, verschwenderisch,
Bestimmt für meine leiderfüllten Tage.
Mit festem Herzen, unverwandtem Blick
Schreit' ich dem Ziel entgegen, welches bald
Mich vor des Schicksals Wüten schirmen soll.
Furchtlos und mühlos, in der Parze Händen,
Zerreiß' an ihrer trägen Spindel ich
Den allzu langen Faden. Mir hilft Atropos,
Und schnell dring' ich in jenen Nachen ein,
Der Fürst und Hirten, ohne Unterschied,
Hinüberführt ins Land der ew'gen Ruhe.

Lebt wohl, ihr trügerischen Lorbeerkränze!
's ist allzuteurer Kauf, wer leben will
In der Geschichte Büchern.
Oft geben vierzig arbeitsvolle Jahre
Nicht mehr als einen Augenblick des Ruhms
Und Haß von hundert Mitbewerbern!

Erträumte Größe, lebe wohl!
Dein flücht'ger Schimmer soll die Augen mir
Nicht fürder blenden.
— — — —

Schon lang' hat Morpheus, karg mit seinem Mohne,
Kein Korn mehr auf mein trübes Aug' gestreut.
Den Blick von Tränen schwer, sprach ich zum Morgen:
Der Tag, der bald erwachen wird, verkündet
Nur neues Unheil mir! Ich sprach zur Nacht:
Bald ist dein Schatten da, der meine Schmerzen
Zur Ewigkeit verlängert!
— — — —

<277> Jetzt, um zu enden meine Pein,
Gleich jenen Armen, die im Kerker schmachten,
Die ihrem grausen Schicksal, ihren Henkern
Trotz bietend, kühnen Muts die Ketten brechen;
Zerreiß' auch ich — nicht sorg ich ob des Mittels! —
Das unglücksvolle, feingewebte Band,
Das allzulange schon an diesen Leib,
Den gramzernagten, meinen Geist gefesselt.

Leb wohl, d'Argens! In diesem Bilde siehst
Du meines Todes Ursach. Denke nicht,
Ich bitte dich darum, daß aus dem Nichts
Des Grabes ich nach Götterwürde dürste.
Die Freundschaft fordert Eines nur von dir:
Solang' hienieden noch des Himmels Fackel
Die Tage dir erhellt, indes ich ruhe,
Und wenn der Frühling neu erscheint und dir
Aus reichem Schoße holde Blumen beut,
Dann jedesmal, mit Myrten und mit Rosen,
Sollst schmücken du mein Grab!

Aber daß es dem Könige gegeben war, seinen Gram in Worten auszusprechen, daß er ihm, als ein künstlerisches Gebilde, aus seinem Innern abgetrennt vor sich hinstellen konnte, das war es, was ihn befreite. Die Poesie war das Gegengift, welches er bei sich trug und welches ihn vor dem letzten furchtbaren Schritte schützte. Und bald klingt wieder in seinen Gedichten ein anderer Ton, als der der gänzlichen Hoffnungslosigkeit; er wagt es, wieder mutig in die Zukunft zu schauen; er reißt sich, mitten aus der Verzweiflung seiner damaligen Lage, in kühner Begeisterung empor und verkündet das siegreiche Ende des schreckenvollen Kampfes. So ruft er in einer Ode, die seinem jüngeren Bruder, dem Prinzen Heinrich, gewidmet ist, seinem Volke die Worte zu:

Ihr Preußen, hört! zu euch spricht des Orakels Stimme,
Zu euch, die dem Geschick und seinem herben Grimme
Ihr wurdet Untertan:
Noch immer hat ein Volk, im Werden seiner Größe,
Bis an das Ziel durcheilt gar ohne dräu'nde Stöße
Des Glückes Siegerbahn!

Er verweiset die Preußen auf das Beispiel des römischen Volkes, das ebenfalls unter tausend Gefahren groß und weltherrschend geworden war. Dann wendet er sich an seinen Bruder:

<278> O du, auf den mit Lust hinblicket unsre Jugend,
Für künft'ge Taten du, in deiner holden Tugend,
Ihr Vorbild, Schmuck und Schild:
Erhalte diesen Staat, des Ruhm so hell gefunkelt,
Mein Bruder, und der jetzt, von Wolken rings umdunkelt,
Sich schon in Nacht verhüllt.

So wird die Zeit, die nie verarmt an Blüt' und Kränzen,
O Preußenland! auch dir, solang' die Sterne glänzen,
Neu bringen Blüt und Kranz!
So kündet mein Gesang, der Zukunft zugewendet,
Dem Staate Glück und Heil, bis einst die Zeit sich endet, —
Und ew'gen Ruhmes Glanz!

Auch hier noch scheint der Gedanke durchzugehen, daß vielleicht nicht durch ihn, den König, diese Zukunft werde heraufgeführt werden. Aber er hatte einmal die Zuversicht des siegreichen Ausganges gefunden; und so fand er auch in dieser Zuversicht die Kraft, die ihn die Übermacht seiner Feinde brechen ließ. Von hier an beginnen die herrlichsten Taten des großen Königs.

<279>

SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL Fortsetzung des Feldzuges von 1757. Roßbach.

Nach mancherlei kleinen Gefechten war Friedrich gegen Erfurt vorgerückt. Die vereinigte Armee der Reichstruppen und Franzosen hatte sich bei dem ersten Erscheinen des Vortrabes zurückgezogen und die Stadt sich den Preußen übergeben. Auch aus Gotha wurden die vereinigten Truppen vertrieben und mit Verlust bis Eisenach zurückgedrängt. Doch sah sich Friedrich wiederum genötigt, seine kleine Armee durch Entsendung zweier Korps, das eine gegen die Franzosen unter Richelieu, das andere gegen eine neue österreichische Armee, die in die Lausitz eingedrungen war und die Mark Brandenburg bedrohte, bedeutend zu schwächen. Dem Feinde seine Schwäche zu verbergen, wurden jetzt die einzelnen Abteilungen der preußischen Truppen in den Dörfern verteilt, mußten öfters ihre Quartiere ändern, und jedes Regiment betrat den neuen Ruheplatz unter neuem Namen. Die Spione bemerkten getreulich die Menge dieser Namen von Regimentern, unterrichteten den Prinzen von Soubise von der bedeutenden Stärke der Preußen, und dieser wagte, trotz seiner großen Überlegenheit, kein entscheidendes Unternehmen.

<280>Als Soubise jedoch hörte, daß Friedrich Gotha nur durch einige Kavallerieregimenter unter dem General Seydlitz besetzt habe und mit der Hauptmacht nach Erfurt zurückgekehrt sei, so beschloß er, wieder auf Gotha vorzugehen. Seydlitz, der sich bereits bei Kolin durch kühne Unternehmungen hohen Ruhm erworben, verließ darauf die Stadt, hatte aber keineswegs im Sinne, dem Feinde freien Spielraum zu geben. In einiger Entfernung stellte er sich mit seiner kleinen Schar in Schlachtordnung, und zwar in einer Weise, daß man sie von weitem allenfalls für eine große Armee halten konnte. Ein Dragoner war in die Stadt geschickt worden; dieser gab sich für einen Deserteur aus und versicherte, der König selbst sei wieder im Anmarsch. Als nunmehr die Franzosen und Reichstruppen, nachdem sie Gotha besetzt, zur Schlacht ausrückten und die langen Linien sich gegenüber sahen, auch Infanterie zwischen den Reitern zu bemerken glaubten (es waren einige Schwadronen Husaren, die Seydlitz, um den Feind zu täuschen, hatte absitzen lassen), so zweifelten sie nicht, daß sie die ganze preußische Armee vor sich hätten. Seydlitz gab das Zeichen zum Angriff, und bald wichen die Feinde zurück. Eine Schar preußischer Husaren und Dragoner sprengte mit verhängtem Zügel nach der Stadt, wo eben Soubise und seine Generale an der herzoglichen Tafel festlich bewirtet wurden. Diese schwangen sich in Eile auf ihre Pferde, und nur mit Mühe entgingen sie der Gefangenschaft. Den Preußen fiel, außer einer Schar feindlicher Soldaten, der ganze Troß und das Gepäck der Franzosen in die Hände. Die Husaren ergötzten sich an den Pomaden, den Pudermänteln, Haarbeuteln, Schlafröcken, Sonnenschirmen und Papageien, die sie in großer Masse unter dem Gepäck der französischen Offiziere gefunden hatten; die Kammerdiener, Lakaien, Köche, Friseurs, Mätressen, Feldpaters und Komödianten aber, die den Troß ausmachten, sandten sie unentgeltlich zurück. Bis Eise<281>nach hin hatte Seydlitz die feindliche Armee verfolgt. Friedrich spendete ihm für das kühne Unternehmen reichliches Lob. An sich zwar war dasselbe ohne erhebliche Folgen, aber es hatte den Charakter des Feindes kennen gelehrt; und die ganze Weise, wie der letztere sich Friedrichs kleiner Armee gegenüber benahm, war sehr wohl geeignet, den alten preußischen Mut wieder lebendig werden zu lassen.

Doch mußte Friedrich sich wieder aus Thüringen zurückziehen. Er erhielt die Nachricht, daß jene österreichische Armee, die in der Lausitz stand, den Marsch auf die Mark Brandenburg anzutreten im Begriff sei, daß ein Korps ungarischer Husaren unter dem General Haddik bereits nach Berlin vorgehe, und es war zu vermuten, daß gleichzeitig auch die Schweden von Norden aus einen Angriff auf die Mark machen würden. Friedrich begab sich auf diese Nachricht nach Torgau, während Prinz Moritz von Dessau an der Spitze eines besonderen Korps den General Haddik von Berlin abzuhalten suchte. Der letztere aber war dort einen Tag früher angekommen, während der Hof in Eile nach Spandau geflüchtet war, hatte sich eine Kontribution von 200,000 Talern auszahlen und außerdem auch 24 Paar feiner Damenhandschuhe, zum Geschenk für die Kaiserin, übergeben lassen. Die letzteren erhielt er sorgfältig eingepackt; als aber die Kiste geöffnet ward, paßten sämtliche Handschuhe nur auf die linke Hand. Dann war er schnell vor dem herannahenden Korps des Prinzen Moritz entwichen. Die größere österreichische Armee aber blieb ruhig in dem Lager, welches sie zu Bautzen bezogen hatte.

Während so eine drohende Gefahr ohne bedeutenden Verlust vorüberging, kamen auch andere günstige Nachrichten. Die Russen hatten ihren Sieg in Preußen nicht benutzt; vielmehr war die Armee, nachdem man in Memel eine Besatzung zurückgelassen, wieder über die russischen Grenzen zurückgeführt worden. Der Grund war eine plötzliche Krankheit der Kaiserin Elisabeth; man erwartete ihren Tod, und Bestuschef, so feindlich er gegen Friedrich gesinnt war, fand es doch für gut, sich durch diese Maßregel dem Thronfolger zu empfehlen. Dafür aber ward nachmals der allmächtige Minister, als die Kaiserin wider Erwarten genas, nach Sibirien geschickt. In Pommern hatten die Schweden einen unerwarteten Widerstand an den Landmilizen gefunden, die von dieser Provinz aus eignen Mitteln in nicht unbeträchtlicher Anzahl gestellt waren. Durch sie war Stettin, das nur eine äußerst schwache Besatzung hatte, gegen eine große schwedische Armee verteidigt und diese in ihrem Marsche gegen Berlin aufgehalten worden. Im ganzen Verlaufe des Siebenjährigen Krieges spielen diese Landmilizen, die zu einer Zeit, da man nur stehende Heere kannte, als eine seltene, hochachtbare Erscheinung betrachtet werden müssen, eine wichtige Rolle in der Verteidigung des Landes und seiner Festungen. Darum, <282>sowie aus andern Beweisen pommerscher Treue, hat aber auch Friedrich nachmals, in seinem « politischen Testamente » seinen Nachfolgern erklärt, « daß sie sich vorzüglich auf die pommersche Nation verlassen und dieselbe als die erste Stütze des preußischen Staates ansehen könnten und müßten ». Nach diesem Vorbilde wurden nun auch in der Mark und im Magdeburgischen ähnliche Landmilizen eingerichtet. Als jene russische Armee sich aus Preußen zurückgezogen hatte, ließ Friedrich das dortige Korps seinen Pommern zu Hilfe kommen, so daß die Schweden bald nach Stralsund und Rügen zurückgedrängt waren.

Zugleich hatte Friedrich mit dem Herzoge von Richelieu Unterhandlungen angeknüpft. Dieser gehörte nicht zu der Partei der Marquise Pompadour, sondern zu derjenigen kleineren Partei des französischen Hofes, welche die Fortdauer des alten Bündnisses mit Friedrich gewünscht hatte. So machten ihn die feinen Schmeicheleien in Friedrichs Briefen und das willkommene Geschenk von 100,000 Talern bereit, auf diese Unterhandlungen einzugehen. Zwar waren die Verhältnisse nicht derart, um dem französischen Hofe Eröffnungen hierüber zu machen; doch verstand sich Richelieu gern dazu, vorderhand nicht weiter feindlich gegen die preußischen Provinzen zu verfahren. Auch an den König von England hatte Friedrich geschrieben, als die schmachvolle Konvention von Kloster Seeven bekanntgeworden war; er hatte ihn stolz aufgefordert, ihn jetzt nicht auf eine so entehrende Weise zu verlassen, wie es der Herzog von Cumberland in jener Konvention eingegangen war. Friedrich traf mit diesem Begehren den wunden Fleck im Gemüte König Georgs. Denn dieser selbst war über die Konvention im höchsten Grade entrüstet; er hatte den Herzog von Cumberland öffentlich mit den Worten empfangen: « Hier ist mein Sohn, der mich zugrunde gerichtet und sich selbst beschimpft hat! » und so bewies man sich englischerseits für jetzt wenigstens insofern willfährig, als man die Ratifikation der schimpflichen Konvention durch allerlei Ausflüchte zu verzögern suchte.

Ein Feind, den man in früheren Jahrhunderten als den furchtbarsten von allen angesehen hätte, ward auf eine leichte und fast ergötzliche Weise abgewiesen. Dies war die Reichsacht, die über Friedrich zu fällen der in Regensburg versammelte Reichshofrat sich jetzt, da der König von Preußen schon erdrückt schien, nach allen Kräften angelegen sein ließ. Am 14. Oktober erschien der Hofgerichtsadvokat April in der Würde eines kaiserlichen Notars, begleitet von zweien Zeugen, in der Wohnung des preußischen Gesandten zu Regensburg, Freiherrn von Plotho, diesem « die fiskalische Citation wegen der Achtserklärung zu insinuieren ». Das war eine « Vorladung des Kurfürsten und Markgrafen von Brandenburg, zu sehen und zu <283>hören, wie er werde in des Reiches Acht und Aberacht erkläret, und aller seiner Lehen, Rechte, Gnaden, Freiheiten und Anwartschaften beraubt werden ». Plotho empfing den Notar im Schlafrocke. Den Erfolg der Citation erzählt der letztere selbst, in einem gerichtlich aufgesetzten Dokument, mit folgenden Worten: « Und seind Sr. Exzellenz Freiherr von Plotho in einen heftigen Zorn und Grimm gerathen, also zwar, daß dieselben Sich nicht mehr stille zu halten vermöget, sondern mit zitternden Händen und brinnenden Angesicht beede Arme in die Höhe haltend gegen mir aufgefahren, dabei auch die fiscalische Citation annoch in seine rechte Hand haltend, in diese Formalia wider mich ausgebrochen: Was! du Flegel insinuieren? Ich antwortete hierauf: Dieses ist mein Notariat-Ambt, deme ich nachkommen muß. <284>Dessen aber ohngeachtet fallete mich er Freiherr von Plotho mit allem Grimme an, ergriffe mich bei denen vorderen Theilen meines Mantels, mit dem Vermelden: Willst du es zurücknehmen? Da mich nun dessen geweigert, stoßete und schube er sothane Citation vorwärts zwischen meinen Rock mit aller Gewalt hinein, und da er mich annoch bei den Mantel haltend zum Zimmer hinausgedrucket, rufete er zu denen zweien vorhanden gewesenen Bedienten: Werfet ihn über den Gang hinunter! » — Damit hatte es für diesmal sein Bewenden; denn bald erfocht Friedrich neue Siege, die dem Reichshofrat etwas mehr Bedachtsamkeit einflößten.

Friedrich hatte jetzt die Absicht, nach Schlesien zu gehen, wo der Herzog von Bevern hart bedrängt ward, als er plötzlich die Nachricht erhielt, daß die verbündete Armee der Reichstruppen und Franzosen, verstärkt durch ein Korps von Richelieus Armee, sich aus ihrer bisherigen Untätigkeit emporgerafft habe, nach Sachsen vordringe und zum Teil bereits in die Nähe von Leipzig gekommen sei. Er beschloß also, sich vorerst aufs neue gegen diesen Feind zu wenden und ihn wieder nach Thüringen zurückzudrängen, damit derselbe nicht in allzu großer Nähe von Kursachsen — der Monat Oktober ging bereits zu Ende — seine Winterquartiere nehmen könne. In großer Schnelligkeit hatte Friedrich die verschiedenen Korps seiner Armee zusammengezogen und Leipzig gedeckt. Die feindliche Armee wich bis zur Saale zurück und besetzte, um den Übergang der Preußen über diesen Fluß zu verhindern, die Städte Halle, Merseburg und Weißenfels. Friedrich folgte den Gegnern rasch und drang selbst, an der Spitze des Vortrabes seiner Armee, in Weißenfels ein, während die Feinde sich über den Fluß flüchteten; sie zündeten die dortige, zierlich überbaute Brücke an, um Friedrich vom jenseitigen Ufer abzuschneiden, lieferten dadurch aber, indem dies zu eilfertig geschah, eine bedeutende Anzahl ihrer eignen Truppen in die Hände der Preußen. Friedrich wünschte die Brücke zu retten; doch hatte man dieselbe mit leicht brennbaren Stoffen ausgefüllt, so daß sie in einem Augenblicke ganz in Flammen stand; zugleich hinderte ein scharfes Musketenfeuer die Löschanstalten der Preußen. Als Friedrich hierauf am Ufer des Flusses rekognoszieren ritt, ward ihm eine drohende Gefahr bereitet, der er nur durch den Edelmut des französischen Anführers, des Herzogs von Crillon, entging. Dieser hatte nämlich zwei Offizieren den Auftrag gegeben, von einer kleinen Insel in der Saale die Bewegungen der Preußen zu beobachten. Einer von ihnen brachte die eilige Nachricht von der Nähe des Königs und fragte um Erlaubnis, ob er, durch das Gebüsch der Insel gedeckt, auf ihn schießen dürfe. Aber der Herzog erwiderte, nicht zu diesem Zwecke habe er dem Offizier den Posten auf der Insel gegeben: die geheiligte Person eines Königs müsse stets verehrt werden.

<285>Zwei Korps, die Friedrich von Weißenfels gegen Merseburg absandte, fanden an beiden Orten die Brücken ebenfalls bereits abgebrochen und die feindliche Armee auf dem Rückzuge begriffen, die sich nun, einige Meilen jenseit der Saale, bei Mücheln vereinigte. Sie ließ es ruhig geschehen, daß die preußische Armee Schiffbrücken schlug, ebenfalls über die Saale ging und Mücheln gegenüber ein Lager bezog. Die Stellung der verbündeten Truppen war aber so wenig geschickt gewählt, daß die preußischen Husaren Gelegenheit fanden, in das feindliche Lager einzubrechen und Pferde und selbst Soldaten aus den Zelten zu entführen. Friedrich beschloß einen Angriff. Als er jedoch am folgenden Tage, dem 4. November, vorrückte, fand er, daß der Feind, durch die Kühnheit der preußischen Husaren gewarnt, über Nacht eine veränderte, sehr günstige Stellung angenommen habe. So gab er den Angriff gegen den dreimal überlegenen Feind wieder auf, ging zurück und bezog ein Lager in der Nähe von Roßbach. Im Lager der Feinde aber war ob dieser vermeinten Flucht des Preußenkönigs großer Jubel; Musik und Trommelschlag tönte von ihrer Anhöhe herab weit über die Felder, als ob sie eine gewonnene Schlacht zu feiern hätten. Die französischen Offiziere wollten witzig sein und behaupteten: es geschehe dem Herrn Marquis von Brandenburg viel Ehre, daß man sich mit ihm in eine Art von Krieg einlasse; sie sandten bereits Boten nach Paris, welche dort die Gefangenschaft Friedrichs anmelden mußten. Sie dachten nicht daran, daß, so überlegen sie waren, ihrer Armee doch der Geist fehle, der, von Friedrich ausgehend, das preußische Heer belebte; daß die Eifersucht, die zwischen den deutschen und den französischen Truppen ihres Heeres und zwischen den Anführern beider herrschte, den gemeinsam raschen Entschluß unmöglich machte; daß auf die Reichstruppen, die buntscheckig zusammengewürfelt und ohne alle militärische Organisation waren, leider kein Verlaß sei, daß aber auch die Disziplin der französischen Truppen gar <286>wenig Lob verdiene; und daß endlich Übermut in der Regel der Vorbote des Falles zu sein pflegt.

Der Morgen des 5. November brach an, und Friedrich erhielt die Nachricht, daß die Feinde ihre Stellung verließen. Sie rückten im weiten Bogen um Friedrichs Armee, während ein einzelnes Korps ihm gegenüber stehen blieb. Offenbar war es ihre Absicht, ihm den Rückzug abzuschneiden, ihn von allen Seiten einzuschließen und so zu erdrücken. Friedrich blieb den Vormittag über, als ahne er nichts von der Gefahr, die ihm bereitet ward, ganz ruhig zu Roßbach, ließ die Mittagstafel bereiten und setzte sich mit seinen Generalen zu Tisch. Die Feinde waren entzückt über diese Ruhe der preußischen Armee; die Führer der letzteren aber, die den Plan des Königs ahnten, hatten in der Stille alles zum Aufbruch bereitgemacht. Endlich, halb drei Uhr nach Mittag gab Friedrich den Befehl zum Ausrücken; in weniger als einer halben Stunde war das ganze Lager abgebrochen, und die französischen Offiziere zollten selbst der Schnelligkeit, mit der dies geschah, so viele Bewunderung, daß sie es die Verwandlung einer Operndekoration nannten. Aber jetzt fürchteten sie, die preußische Armee möchte ihnen entschlüpfen, und um so eiliger setzten die Kolonnen des feindlichen Heeres ihren Marsch fort. Indes rückte Friedrich in ähnlicher Richtung vor. Die Reiterei, die von Seydlitz geführt ward, machte den Vortrab aus und verschwand den Blicken der Feinde hinter einer Hügelreihe, während die nachfolgende Infanterie zum Teil durch einen sumpfigen Boden gedeckt ward. Nun wurden auf dem bedeutendsten jener Hügel die preußischen Kanonen aufgefahren; ihr Donner begann den Kampf, ihre Stellung machte das Feuer sehr wirksam, während die feindlichen Kanonen aus der Tiefe wenig ausrichten konnten. Durch einen sonderbaren Zufall war zwischen beiden Armeen eine große Menge von Hasen eingeschlossen; diese wurden jetzt durch den Geschützdonner aufgeschreckt und machten vergebliche Versuche, nach der einen oder andern Seite durchzubrechen. Als eine der ersten französischen Kugeln einen von den Hasen vor der Front der preußischen Truppen zerschmetterte, riefen diese jubelnd aus: « Es wird alles gut gehen, die Franzosen schießen einander selbst tot! »

Immer mehr waren die feindlichen Kolonnen, die Kavallerie an ihrer Spitze, geeilt, um den Preußen ganz sicher in den Rücken zu fallen. Indes aber hatte sie Seydlitz, ungesehen, bereits überflügelt. Plötzlich hält er mit seinen rüstigen Schwadronen auf der Höhe; er gewahrt den günstigen Augenblick und beschließt den Angriff, ohne die Infanterie erst abzuwarten. Seine Reihen stehen in fester Ordnung da; er reitet weit voraus, der ganzen Linie sichtbar, schleudert zum Zeichen des Angriffs seine Tabakspfeife in die Luft, und augenblicklich stürmen die Scharen <287>auf die feindliche Reiterei ein, die vergebens ihre Linien aufzurollen sucht. Sie wird geworfen, einige Regimenter suchen zu widerstehen, aber umsonst. Nun wendet sich alles zur Flucht; ein tiefer Hohlweg hemmt ihren scharfen Ritt und spielt den preußischen Reitern eine große Menge von Gefangenen in die Hände; die übrigen fliehen unaufhaltsam bis zur Unstrut und lassen sich nicht wieder blicken. Seydlitz aber steht im Rücken der feindlichen Infanterie. Gegen diese hat Friedrich nun auch den linken Flügel seiner Infanterie samt dem Geschütz vorrücken lassen; es gelingt ihr ebensowenig wie der Kavallerie, sich in Linien aufzustellen; in ihren tiefen Reihen wütet das preußische Kartätschenfeuer; die preußische Infanterie bedrängt sie heftig von der einen Seite, die Kavallerie im Rücken, — endlich stäubt auch hier alles in wirrer Flucht auseinander und in ganzen Scharen werden die Fliehenden gefangengenommen. Nicht zwei Stunden hatte der Kampf gedauert; die früh eintretende Dunkelheit hemmte die weitere Verfolgung. Die preußische Armee, nicht <288>völlig 22,000 Mann stark, zählte an Getöteten nur 165, an Verwundeten nur 376 Mann, während von den 64,000 Feinden 6-700 getötet, mehr als 2000 verwundet, mehr als 5000 gefangen und ihnen außerdem eine große Menge von Geschützen, Fahnen, Standarten, sowie der größte Teil des Gepäckes genommen war. Dabei war bei weitem nicht die ganze preußische Armee im Feuer gewesen. Nur sieben Bataillone hatten am Kampfe teilgenommen; zehn Bataillone hatten keinen einzigen Schuß getan. So war bei den Preußen große Siegesfreude. Friedrich sagte seiner Armee feierlich Dank; Seydlitz, dessen Arm durch einen <289>Flintenschuß verwundet war, erhielt, als seltenste Auszeichnung, den Schwarzen Adlerorden und wurde dann vom jüngsten Generalmajor zum Generalleutnant befördert.

Am folgenden Tage brach das preußische Heer zur Verfolgung des feindlichen Heeres auf; eine große Menge von Nachzüglern wurde noch gefangengenommen. Aber die Mehrzahl der Feinde war so schnell geflohen, daß sie nicht mehr eingeholt werden konnte. Viele der Franzosen machten erst halt, als sie an den Rhein gekommen waren; stets glaubten sie noch die preußischen Husaren hinter sich. Um sich einigermaßen schadlos zu halten, bezeichneten sie ihren Weg durch Plünderungen und Ausschweifungen aller Art; dafür rotteten sich aber auch die thüringischen Bauern zusammen und übten ernstliche Rache.

Friedrich benahm sich gegen die französischen Gefangenen sehr gütig. Er tröstete die Verwundeten unter ihnen, die, gerührt durch solche Herablassung, ihn als den vollkommensten Eroberer begrüßten: er wisse nicht nur die Leiber seiner Feinde, sondern auch ihre Herzen zu bezwingen. Als sie Briefe unversiegelt schickten und Friedrich baten, dieselben nach Frankreich durchzulassen, antwortete er: « Ich kann mich nicht daran gewöhnen, Sie als meine Feinde zu betrachten, und ich habe kein Mißtrauen gegen Sie; also versiegeln Sie Ihre Briefe, und Sie sollen auch die Antworten ungeöffnet empfangen. » Dem schwerverwundeten General Cüstine stattete er, als er sich nach Leipzig zurückbegeben hatte, persönlich einen Besuch ab, und äußerte sich gegen diesen mit so vielem Interesse für die französische Nation, daß Cüstine, sich mühsam von seinem Lager emporrichtend, in die Worte ausbrach: « Sire, Sie gießen Öl in meine Wunden! »

<290>In Deutschland aber, selbst bei den Gegnern Friedrichs, war fast allgemeiner Jubel über den Sieg bei Roßbach, den man nur als eine Demütigung der wenig beliebten Franzosen betrachtete. Von jetzt an loderte das schon im Stillen genährte Feuer der Begeisterung für den deutschen Helden mächtig empor. Allenthalben sang man Siegeslieder auf die Preußen und Spottlieder auf die Gegenpartei. Der Deutsche fühlte endlich wieder den Stolz, ein Deutscher zu heißen. Viele von diesen Liedern leben noch heut im Munde des Volkes. Eins von ihnen schildert vortrefflich den kühnen Sinn von Friedrichs Truppen. Es beginnt mit den Strophen:

Ein preußischer Husar fiel in französ'sche Hände,
Soubise, der ihn sah, befragt ihn wohl behende:
Sag' an, mein Sohn, wie stark ist deines Königs Macht?
Wie Stahl und Eisen! sprach der Preuße mit Bedacht.

Mein Sohn, verstehst mich nicht, versetzt Soubise wieder;
Ich meine ja die Zahl, die Menge deiner Brüder.
Drauf stutzte der Husar und schaute in die Höh'
Und sprach: Soviel wie Stern' am blauen Himmel stehn! — u. s.-w.

Bitter mußte dieser Jubel freilich diejenigen kränken, die einmal von der Feindschaft gegen Friedrich nicht ablassen konnten. Die Königin von Polen, die in Dresden fort und fort Ränke gegen ihn angesponnen hatte, vermochte die Gefühle ihres Hasses nicht länger zu tragen. Eines Abends hatte sie ihren Hofstaat in tiefem Grame entlassen; am folgenden Morgen fand man sie tot in ihrem Bette.

Aber auch die fremden Nationen nahmen an dem Enthusiasmus der Deutschen teil; sogar die Franzosen, welche die Niederlage als eine Demütigung der Hofpartei betrachteten und sich in bitteren Spottliedern gegen Soubise Luft machten. In den Kaffeehäusern von Paris durfte geraume Zeit kein anderes als das preußische Interesse öffentlich laut werden. Den Prinzen Soubise suchte der Hof indes dadurch zu trösten, daß er ihm den Marschallstab verehrte. Vor allem lebhaft äußerte sich die Teilnahme für Friedrich in England; das englische Volk vergötterte ihn; auf allen Straßen von London ward sein Bildnis zum Kaufe ausgeboten; seine Siege wurden durch allgemeine Illuminationen gefeiert. Hier fand zugleich, eben als die Nachricht des Sieges von Roßbach nach London kam, eine günstige Veränderung im Ministerium statt. Man verweigerte die Bestätigung der Konvention von Kloster Seeven, indem man sich darauf berief, daß die Franzosen sie zuerst gebrochen hätten, und beschloß die Fortsetzung des Krieges. Da es den Engländern aber an einem <291>guten Heerführer fehlte, so empfahl ihnen Friedrich einen der vorzüglichsten Feldherrn seiner Armee, den Herzog Ferdinand von Braunschweig. Dieser wurde in der Tat unmittelbar darauf berufen, trat an die Spitze der Armee der Hannoveraner und ihrer Verbündeten, die schnell wieder auf dem Kriegsschauplatze erschien, und errang noch im Anfange des Winters einige Vorteile gegen die große französische Armee. Hiedurch war denn auch die letztere von den preußischen Grenzen abgewendet und Friedrich von dieser Seite für jetzt vollkommen gesichert.

<292>

ACHTUNDZWANZIGSTES KAPITEL Schluß des Feldzuges von 1757. Leuthen.

Von dem einen Feinde hatte sich Friedrich glücklich befreit; aber noch galt es, den zweiten, ungleich gefährlicheren zurückzuschlagen. Der Herzog von Bevern hatte sich von den Grenzen der Lausitz bis nach Breslau zurückgezogen und vor der Stadt ein verschanztes Lager eingenommen; die österreichische Armee unter dem Prinzen von Lothringen war ihm mit sehr überlegener Kraft gefolgt; ein besonderes Korps hielt das neubefestigte Schweidnitz, welches Friedrich als den Schlüssel zu Schlesien ansah, eingeschlossen. Nach kurzer Rast machte sich Friedrich nunmehr auf, dem Herzoge von Bevern zu Hilfe zu eilen. Jenes österreichische Korps, welches in der Lausitz stand, mußte jedoch, damit der Marsch der preußischen Armee nicht aufgehalten werde, zuvor von dort vertrieben werden. Feldmarschall Keith erhielt zu diesem Zwecke den Auftrag, mit einem kleinen Korps einen Streifzug nach Böhmen zu machen; er führte diese Expedition auch so kühn und glücklich aus, daß die Österreicher nicht nur schnell aus der Lausitz zur Verteidigung von Böhmen aufbrachen, sondern daß er auch eine Menge feindlicher Magazine zerstörte und mit reicher Beute ungefährdet zurückkehrte.

Aber schon in der Lausitz erhielt Friedrich die Nachricht, daß Schweidnitz, am 14. November, kapituliert hatte, wodurch den Feinden ein ganzes Truppenkorps, ein Magazin, eine Menge von Kriegsmunition und eine Kriegskasse in die Hände gefallen waren und wodurch sie Meister des böhmischen Gebirges wurden. Am 25. November traf die Nachricht ein, daß der Herzog von Bevern durch die Österreicher ange<293>griffen, geschlagen und selbst in die Hände der Feinde gefallen sei. Zwei Tage darauf erfuhr Friedrich, daß auch Breslau sich dem Feinde übergeben hatte und fast die ganze Besatzung, nahe an 5000 Mann, zu den Österreichern übergegangen war. Die Trümmer der Bevernschen Armee, 18,000 Mann, hatte General Zieten nach Glogau geführt. Nun schien Schlesien ganz verloren, und es war nicht zu erwarten, daß Friedrich die Österreicher würde hindern können, ihre Winterquartiere im Mittelpunkte des Landes zu nehmen. Die österreichisch gesinnten Bewohner des Landes hoben frohlockend ihr Haupt empor; viele Beamte huldigten der Kaiserin; der Fürstbischof von Breslau, Graf Schaffgotsch, der allein dem Könige von Preußen seine Würde und die mannigfachsten Gnadenbezeugungen verdankte, vergaß sich so weit, daß er von seinem Wohltäter mit den verächtlichsten Worten sprach und den Schwarzen Adlerorden mit Füßen trat.

Aber Friedrich verzagte nicht. In Eilmärschen rückte er trotz der übeln Wege weiter auf der Straße nach Breslau vor. Schon am 28. November langte er in Parchwitz an; jenseit der Katzbach bezog er ein Lager, um seinen Truppen einige Rast zu gönnen. Die Österreicher lagerten vor Breslau in einer vortrefflichen Stellung; aber Friedrich war entschlossen, sie anzugreifen, wo er sie fände, wäre es auch — wie er sich ausdrückte — auf dem Zobtenberge. Bei Parchwitz stieß Zieten mit den Überresten der Bevernschen Armee zu ihm. « Diese Armee jedoch (so erzählt Friedrich) war mutlos und durch die kürzlich erlittene Niederlage gebeugt. Man faßte die Offiziere bei der Ehre, man erinnerte sie an ihre früheren Taten, man suchte die traurigen Bilder zu verscheuchen, deren Eindruck noch neu war. Selbst <294>der Wein ward ein Hilfsmittel, die niedergeschlagenen Gemüter zu gewinnen. Der König sprach mit den Soldaten; er ließ unentgeltlich Lebensmittel unter sie austeilen. Kurz, man erschöpfte alle ersinnlichen Mittel, um in den Truppen dasjenige Vertrauen wieder zu erwecken, ohne welches die Hoffnung auf den Sieg vergebens ist. Schon fingen die Gesichter an, sich aufzuheitern, und die, welche die Franzosen bei Roßbach geschlagen hatten, überredeten ihre Kameraden, guten Mut zu haben. Etwas Ruhe gab den Soldaten wieder Kraft; und die Armee war bereit, den Schimpf, welchen sie am 22. November erlitten hatte, wieder abzuwaschen. Diese Gelegenheit suchte der König und bald fand sie sich. »

Doch dünkte dies alles dem Könige noch nicht genug; seine ganze Armee bestand nur aus 32,000 Mann, während ihm 80 bis 90,000 Österreicher gegenüberstanden, die anders diszipliniert waren als die Feinde bei Roßbach, und die durch ihre seitherigen Fortschritte das Gefühl des Sieges in sich trugen. Friedrich berief daher die Generale und Stabsoffiziere seiner Armee zusammen und sprach zu ihnen die folgenden Worte, welche die Geschichte uns aufbewahrt hat:

« Sie wissen, meine Herren, daß es dem Prinzen Karl von Lothringen gelungen ist, Schweidnitz zu erobern, den Herzog von Bevern zu schlagen und sich Meister von Breslau zu machen, während ich gezwungen war, den Fortschritten der Franzosen und Reichsvölker Einhalt zu tun. Ein Teil von Schlesien, meine Hauptstadt und alle meine darin befindlich gewesenen Kriegsbedürfnisse sind dadurch verlorengegangen und meine Widerwärtigkeiten würden aufs höchste gestiegen sein, setzte ich nicht ein unbegrenztes Vertrauen in Ihren Mut, Ihre Standhaftigkeit und Ihre Vaterlandsliebe, die Sie bei so vielen Gelegenheiten mir bewiesen haben. Ich erkenne diese dem Vaterlande und mir geleisteten Dienste mit der innigsten Rührung meines Herzens. Es ist fast keiner unter Ihnen, der sich nicht durch eine große, ehrenvolle Handlung ausgezeichnet hätte, und ich schmeichle mir daher, Sie werden bei vorfallender Gelegenheit nichts an dem mangeln lassen, was der Staat von Ihrer Tapferkeit zu fordern berechtigt ist. Dieser Zeitpunkt rückt heran; ich würde glauben, nichts getan zu haben, ließe ich die Österreicher in dem Besitz von Schlesien. Lassen Sie es sich also gesagt sein: ich werde gegen alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere Armee des Prinzen Karl angreifen, wo ich sie finde. Es ist hier nicht die Frage von der Anzahl der Feinde, noch von der Wichtigkeit ihres gewählten Postens; alles dieses, hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen und die richtige Befolgung meiner Dispositionen zu überwinden suchen. Ich muß diesen Schritt wagen, oder es ist alles verloren; wir müssen den Feind schlagen, oder uns alle vor seinen Batterien begraben lassen. So denke ich — so werde ich handeln. Machen Sie diesen meinen <296>Entschluß allen Offizieren der Armee bekannt; bereiten Sie den gemeinen Mann zu den Auftritten vor, die bald folgen werden, und kündigen Sie ihm an, daß ich mich berechtigt halte, unbedingten Gehorsam von ihm zu fordern. Wenn Sie übrigens bedenken, daß Sie Preußen sind, so werden Sie sich gewiß dieses Vorzuges nicht unwürdig machen; ist aber einer oder der andere unter Ihnen, der sich fürchtet, alle Gefahren mit mir zu teilen, der kann noch heute seinen Abschied erhalten, ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden. »

Diese Rede des Königs (so erzählt ein Augenzeuge, v. Retzow) durchströmte die Adern der anwesenden Helden, fachte ein neues Feuer in ihnen an, sich durch ausgezeichnete Tapferkeit hervorzutun und Blut und Leben für ihren großen Monarchen aufzuopfern, der diesen Eindruck mit der innigsten Zufriedenheit bemerkte. Eine heilige Stille, die von Seiten seiner Zuhörer erfolgte, und eine gewisse Begeisterung, die er in ihren Gesichtszügen wahrnahm, bürgte ihm für die völlige Ergebenheit seiner Armee. Mit einem freundlichen Lächeln fuhr er darauf fort: « Schon im voraus hielt ich mich überzeugt, daß keiner von Ihnen mich verlassen würde; ich rechne also ganz auf Ihre treue Hilfe und auf den gewissen Sieg. Sollte ich bleiben und Sie für Ihre mir geleisteten Dienste nicht belohnen können, so muß es das Vaterland tun. Gehen Sie nun ins Lager und wiederholen Ihren Regimentern, was Sie jetzt von mir gehört haben. »

Friedrich hielt noch einen Augenblick inne; dann fügte er mit nachdrücklichem Ernst zum Schluß der Rede die Worte hinzu: « Das Regiment Kavallerie, welches nicht gleich, wenn es befohlen wird, sich unaufhaltsam in den Feind stürzt, lasse ich nach der Schlacht absitzen und mache es zu einem Garnisonregimente. Das Bataillon Infanterie, das, es treffe worauf es wolle, nur zu stocken anfängt, verliert die Fahnen und die Säbel, und ich lasse ihm die Borten von der Montierung abschneiden! — Nun leben Sie wohl, meine Herren; in kurzem haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder. »

Die Begeisterung (so fährt der genannte Augenzeuge fort), die Friedrich der Versammlung einzuflößen gewußt hatte, ergoß sich bald über alle übrigen Offiziere und Soldaten der Armee. Im preußischen Lager ertönte ein lauter Jubel. Die alten Krieger, die so manche Schlacht unter Friedrich gewonnen hatten, reichten sich wechselseitig die Hände, versprachen einander treulich beizustehen und beschworen die jungen Leute, den Feind nicht zu scheuen, vielmehr seines Widerstandes ungeachtet ihm dreist unter die Augen zu treten. Man bemerkte seitdem bei jedem ein gewisses inneres Gefühl von Festigkeit und Zuversicht, das in der Regel der Vorbote eines nahen Sieges.

<297>Am 4. Dezember rückte die preußische Armee aus ihrem Lager vor. Auf dem Marsche nach Neumarkt erfuhr Friedrich, der sich bei der Kavallerie des Vortrabes befand, daß dieser Ort bereits von österreichischen Husaren und Kroaten besetzt sei. Da ihm daran lag, sich der jenseitigen Höhen zu versichern, so stürmte er, ohne erst die Infanterie abzuwarten, mit seinen Husaren die Tore der Stadt und nahm die Mehrzahl der Feinde gefangen. Dann besetzte er die Höhen und erwartete seine Armee. Am Abend desselben Tages hörte er, daß die österreichische Armee ihre feste Stellung verlassen und über das Schweidnitzer Wasser vorgerückt sei. Es hatte nämlich dem Prinzen von Lothringen nicht anständig geschienen, den Angriff der « Berliner Wachtparade » (wie die Österreicher spottend die kleine preußische Armee nannten) in seinen festen Verschanzungen abzuwarten. Friedrich aber nahm diesen unerwarteten und unverständigen Schritt des Gegners als eine Vorbedeutung zum Siege auf; mit lebhafter Fröhlichkeit trat er in das Zimmer, wo er die Parole ausgeben wollte, und sagte lächelnd zu einem der Anwesenden: « Der Fuchs ist aus seinem Loche gekrochen, nun will ich auch seinen Übermut bestrafen! » Dann ordnete er schnell alles zu dem Angriffe, der den nächsten Tag unternommen werden sollte.

Der Morgen des verhängnisvollen 5. Dezember brach an; das Heer zog gerüstet dem Feinde entgegen. Friedrich wußte nichts Bestimmtes über die Stellung des Prinzen von Lothringen; aber wohl wußte er, daß er den schwachen Punkt des Feindes würde finden und an die Benutzung desselben den Sieg knüpfen können. Doch war er auf alles gefaßt. Als er sich an die Spitze seiner Armee begab, rief er einen Offizier mit 50 Husaren zu sich. Zu diesem sprach er: « Ich werde mich heut bei der Schlacht mehr aussetzen müssen wie sonst. Er, mit Seinen fünfzig Mann soll mir zur Deckung dienen. Er verläßt mich nicht und gibt acht, daß ich nicht der Kanaille in die Hände falle. Bleib' ich, so bedeckt Er den Körper gleich mit Seinem Mantel und läßt einen Wagen holen. Er legt den Körper in den Wagen und sagt keinem ein Wort. Die Schlacht geht fort und der Feind — der wird geschlagen! »

Die ersten Kolonnen der Armee hatten auf dem Marsche fromme Lieder mit Feldmusik angestimmt. Sie sangen:

Gib, daß ich tu' mit Fleiß, was mir zu tun gebühret,
Wozu mich dein Befehl in meinem Stande führet,
Gib, daß ich's tue bald, zu der Zeit, da ich's soll,
Und wenn ich's tu, so gib, daß es gerate wohl!

Ein Kommandeur fragte bei Friedrich an, ob die Soldaten schweigen sollten. Der König erwiderte: « Nein, laß Er das: mit solchen Leuten wird Gott mir heute gewiß den Sieg verleihen! »

<298>Jetzt war die preußische Avantgarde in die Nähe des Dorfes gekommen, vor dem eine feindliche Kavallerielinie aufgestellt war. Anfangs glaubte man, es sei einer der Flügel des österreichischen Heeres, doch überzeugte man sich bald, daß dies weiter zurückstand. Um indes ganz sicher zu gehen, ließ Friedrich die feindlichen Reiter angreifen; sie wurden bald geworfen und eine große Menge von ihnen gefangen genommen. Friedrich ließ die Gefangenen, die Reihen seiner Armee entlang, nach Neumarkt führen, um durch dies Schauspiel den Mut der Seinen aufs neue zu erhöhen. Doch war es fast überflüssig; denn kaum gelang es ihm, die Hitze der Husaren, die jenen Angriff gemacht hatten und die nun gerades Weges auf die österreichische Armee einbrechen wollten, in Schranken zu halten.

Auf einer Höhe angekommen, erblickte Friedrich nunmehr die ganze feindliche Schlachtordnung vor sich, die sich in unermeßlichen Reihen, über eine Meile lang, seinem Marsche entgegenbreitete. Vor ihrer Mitte lag das Dorf Leuthen. Durch den Angriff jenes Kavalleriekorps, das vor dem rechten Flügel der Österreicher gestanden hatte, glaubten sie, Friedrich würde sie von dieser Seite angreifen, und waren eiligst auf Verstärkung des rechten Flügels bedacht. Aber Friedrich fand, daß, wenn er auf den linken Flügel des Feindes einfiele, der weitere Erfolg ungleich größere Vorteile darbieten würde; er ließ somit seine Armee, die zum Teil durch Hügelreihen gedeckt ward, im weiten Bogen seitwärts ziehen. Die Österreicher bemerkten diese Bewegung, ohne jedoch Friedrichs Absichten einzusehen; man meinte, er suche der Schlacht auszuweichen. Feldmarschall Daun sagte zu dem Prinzen von Lothringen: « Die Leute gehen: man störe sie nicht! »

<299>Um Mittag war die preußische Armee dem linken feindlichen Flügel in die Flanke gekommen. Um 1 Uhr begann der Angriff. Prinz Karl hatte die Unvorsichtigkeit begangen, auf diesem Punkte seiner Schlachtordnung minder zuverlässige Truppen — württembergische und bayrische Hilfsvölker — zu stellen. Diese waren bald über den Haufen geworfen; in heftiger Flucht drängten sie bis Leuthen zurück, wo sie beinah von den eignen Alliierten mit Pelotonfeuer wären empfangen worden. Auf die Flucht der Hilfsvölker folgte bald eine gänzliche Verwirrung des linken Flügels der österreichischen Armee. Die Preußen wandten sich dem Mitteltreffen der Österreicher entgegen. Die Stellung des letzteren wurde durch das Dorf Leuthen gedeckt, welches breit und ohne einen Eingang darzubieten den feindlichen Angriff schwierig machte und aus dessen geschlossenen Gehöften die Preußen ein scharfes Feuer empfing. Ein hartnäckiger Kampf entspann sich um Leuthen. Ein Bataillon des preußischen Garderegiments machte einen Angriff auf das Dorf; der Kommandeur stutzte, als er die Schwierigkeit der Lage übersah, er war unentschlossen, was zu tun sei. Der älteste Hauptmann, von Möllendorf, der nachmalige berühmte Feldmarschall, sprang vor und rief den Soldaten zu ihm zu folgen. Es ging auf einen versperrten Torweg los. Man stieß und riß die Flügel auf; zehn Gewehre lagen in Anschlag; aber schon war Möllendorf mit dem Bataillon durch den gefähr<300>lichen Paß eingedrungen. Andere folgten, und bald, obgleich nicht ohne fortgesetzten hartnäckigen Kampf, war das Dorf genommen. Die Österreicher suchten sich auf den Höhen hinter dem Dorfe festzusetzen, während nunmehr die Preußen an Leuthen einen festen Halt fanden. Jene standen in dichten Massen; in ihren Reihen wütete furchtbar das preußische Geschütz, der Kampf währte stundenlang, ohne vor- oder zurückzuweichen. Es war 4 Uhr. Jetzt kam die österreichische Kavallerie des rechten Flügels, um die preußische Armee von der Seite anzugreifen. Aber auf diesen Augenblick hatte die preußische Kavallerie des linken Flügels nur gewartet; sie stürzte jener in die Seite und in den Rücken, und in kurzer Frist waren die österreichischen Reiter vom Schlachtfelde vertrieben. Dies war das Signal zur allgemeinen Flucht. In wilder Unordnung eilte die österreichische Armee über das Schweidnitzer Wasser, zahlreiche Massen von Gefangenen zurücklassend. Da brach die frühe Nacht herein und beendete den Kampf.

Scharfsinn, Gewandtheit und unerschütterlicher Mut hatten in vier kurzen Stunden gegen die furchtbarste Übermacht einen der glorreichsten Siege, welche die Weltgeschichte kennt, erfochten. Friedrichs Verfahren war im vollsten Sinne künstlerisch; wie der Orgelspieler, der mit leisem Fingerdruck die rauschende Flut der Töne erklingen läßt und sie in majestätischer Harmonie führt, so hatte er alle Bewegungen seines Heeres in bewunderungswürdigem Einklange geleitet. Sein Geist <301>war es, der in den Bewegungen seiner Truppen sichtbar ward, der in ihren Herzen wohnte, der ihre Kräfte stählte.

Noch auf dem Schlachtfelde bewies Friedrich dem Prinzen Moritz von Dessau, der das Haupttreffen des preußischen Heeres geführt hatte, die ehrenvollste Auszeichnung, indem er ihn zum Feldmarschall ernannte. Er tat dies mit den Worten: « Ich gratuliere Ihnen zur gewonnenen Bataille, Herr Feldmarschali! » Der Prinz, noch mit Dienstangelegenheiten beschäftigt, hatte auf die einzelnen Ausdrücke des Grußes nicht genau achtgegeben. Friedrich wiederholte also mit erhobener Stimme: « Hören Sie nicht, daß ich Ihnen gratuliere, Herr Feldmarschall? » Als nun der Überraschte sich bedankte, erwiderte der König: « Sie haben mir so bei der Bataille geholfen und alles vollzogen, wie mir noch nie einer geholfen hat. »

Ein tiefes Dunkel hatte sich über das Schlachtfeld, auf dem sich die Preußen, so gut es sein konnte, in Ordnung stellten, gelagert. Die Nacht hatte die weitere Verfolgung des Feindes und seine gänzliche Vernichtung gehindert. Friedrich aber gedachte auch jetzt noch nicht zu rasten, sondern mit rascher Entschlossenheit die Erfolge des glorreichen Tages festzuhalten. Es lag ihm daran, sich der Brücke zu versichern, welche bei dem Orte Lissa über das Schweidnitzer Wasser führt, damit er am folgenden Tage ungehindert die Verfolgung fortsetzen könne. Er nahm zu diesem Zwecke Zieten und einen Trupp Husaren, sowie einige Kanonen mit sich und suchte die Straße nach Lissa auf. In einem an der Straße belegenen Kruge ward Licht bemerkt; man pochte und forderte eine Laterne. Der Krüger, der seine Laterne nicht einbüßen mochte, kam selbst; Friedrich gebot ihm, seinen Steigbügel zu fassen und dem Zuge zu leuchten. So erreichte man den Weidendamm vor Lissa, während Friedrich den Krüger von den hohen Gästen, die über Nacht bei ihm geherbergt, und von den stolzen Reden, die sie über die Preußen geführt, berichten ließ. Alles horchte der treuherzig gemütlichen Erzählung, als plötzlich fünfzig bis sechzig Flintenschüsse fielen, die gegen die Laterne gerichtet waren, doch nur einige Pferde verwundeten. Es war ein österreichischer Posten, der den Damm bewacht hatte und nun schnell davonlief. Man war nahe vor Lissa; es schien gefährlich, mit dem kleinen Trupp weiter vorzugehen. Friedrich sandte schnell einen Adjutanten zur Armee zurück, einige der ersten Grenadierbataillone derselben herbeizuholen; bis diese Verstärkung nachkam, ließ er seinen Trupp halten und den Weg nach dem offenen Örtchen untersuchen; es ward indes keine weitere Gefahr entdeckt. In aller Stille rückte man nun in Lissa ein; die Straßen waren leer, in den Häusern rings aber war Licht und viel geschäftiges Leben. Einige österreichische Soldaten brachten Strohbündel aus den Häusern, sie wurden ergriffen und berichteten, sie hätten Befehl, <302>das Stroh auf die Brücke zu tragen, die abgebrannt werden sollte. Indes war man doch des preußischen Besuchs inne geworden; ein Trupp Österreichischer Soldaten hatte sich still gesammelt und fing plötzlich an, stark auf die Preußen zu feuern, so daß mehrere Grenadiere zu Friedrichs Seiten verwundet wurden. Die Preußen aber hatten ihre Kanonen bereits schußfertig und erwiderten ungesäumt den Gruß. In demselben Augenblick kam aus allen Häusern ein starkes Feuer auf die Preußen, und wieder schossen die Grenadiere auf die Fenster, aus denen gefeuert ward. Alles schrie und kommandierte durcheinander. Friedrich aber sagte gelassen zu seiner Umgebung: « Messieurs, folgen Sie mir, ich weiß hier Bescheid! » Sogleich ritt er links über die Zugbrücke, welche nach dem herrschaftlichen Schlosse von Lissa führt; seine Adjutanten folgten. Kaum war er vor dem Schloßportale angekommen, als eine Menge von hohen und niederen österreichischen Offizieren, die eben ihre Mahlzeit eingenommen hatten und nun, durch das Schießen aufgeschreckt, ihre Pferde suchten, mit Lichtern in den Händen aus den Zimmern und von den Treppen herabgestürzt kamen. Erstarrt blieben sie stehen, als Friedrich mit seinen Adjutanten ganz ruhig vom Pferde stieg und sie mit den Worten bewillkommnete: « Bon soir, Messieurs! <303>Gewiß werden Sie mich hier nicht vermuten. Kann man hier auch noch mit unterkommen? » Sie waren die größere Mehrzahl und hätten sich durch einen kühnen Entschluß der Person des Königs bemächtigen können; aber daran dachte in der Verwirrung niemand. Die österreichischen Generale und Stabsoffiziere ergriffen die Lichter und leuchteten dem Könige die Treppe hinauf in eins der ersten Zimmer. Hier präsentierte einer den andern dem Könige, der sich mit ihnen in ein freundliches Gespräch einließ. Währenddes fanden sich auf dem Schlosse immer mehr Adjutanten und andere Offiziere ein; endlich ward die Menge derselben so bedeutend, daß Friedrich verwundert fragte, wo sie denn alle herkämen; und jetzt erst hörte er, daß seine ganze Armee auf dem Wege nach Lissa sei.

Im Eifer des Sieges nämlich war diese gefolgt, als Friedrich jene Grenadierbataillone auf den Weg nach Lissa beordert hatte. Still und ernst hatte sich die Armee aufgemacht; jeder schritt in tiefen Gedanken über den bedeutungsvollen blutigen Tag vorwärts; der kalte Nachtwind strich schaurig über die Felder, die von dem Ächzen und Wimmern der Verwundeten erfüllt waren. Da stimmte ein alter Grenadier aus tiefer Brust das schöne Lied: « Nun danket alle Gott » an; die Feldmusik fiel ein, und sogleich sang die ganze Armee, mehr als 25,000 Mann, wie aus einem Munde:

Nun danket alle Gott
Mit Herze, Mund und Händen,
Der große Dinge tut
An uns und allen Enden!

Die Dunkelheit und die Stille der Nacht, die Schauer des Schlachtfeldes, wo man fast bei jedem Schritt auf eine Leiche stieß, gaben dem Gesange eine wunderbare Feierlichkeit; selbst die Verwundeten vergaßen ihre Schmerzen, um Anteil an diesem allgemeinen Opfer der Dankbarkeit zu nehmen. Eine erneute innere Festigkeit belebte die ermüdeten Krieger. Dann tönte ein lauter, hochgehaltener Jubel aus aller Munde; und als man nun das Feuern in Lissa hörte, so wollte es einer dem andern an Geschwindigkeit zuvortun, seinem Könige beizustehen. Alles, was von Feinden in Lissa war, wurde gefangengenommen.

Die Österreicher hatten an dem einen Tage 27,000 Mann, 116 Geschütze, 51 Fahnen und 4000 Wagen verloren, während sich der Verlust der Preußen nur auf 6000 Mann belief. Aber schon in der Frühe des folgenden Morgens drang die preußische Armee unaufhaltsam weiter vor, um alle Erfolge, die der Sieg gewähren konnte, festzuhalten. Nach allen Seiten setzte man den Feinden nach, und zahlreiche Scharen von Gefangenen und mannigfache Beute fielen noch ferner in die Hände <304>der Preußen. In Breslau hatte sich ein österreichisches Korps von nahe an 18,000 Mann geworfen. Friedrich belagerte die Stadt mit 14,000 Mann, beschoß sie trotz der heftigsten Kälte, und schon am 21. Dezember sahen sich die Österreicher genötigt, das Gewehr zu strecken; außer der Besatzung fielen zugleich bedeutende Vorräte und eine reiche Kriegskasse in Friedrichs Hände. Wenige Tage darauf ging auch Liegnitz, das die Österreicher flüchtig befestigt hatten, mit großen Vorräten über, doch erhielt die Besatzung freien Abzug. Nur Schweidnitz blieb in den Händen der Feinde, indem hier die hartgefrorne Erde die erforderlichen weitläuftigeren Belagerungsarbeiten unmöglich machte. Doch ward der Ort fest eingeschlossen. Bis auf Schweidnitz ward ganz Schlesien am Ende des Jahres von den Österreichern geräumt. Die Preußen bezogen ihre Winterquartiere. Von der gewaltigen österreichischen Armee betraten nur 37,000 Mann die böhmischen Grenzen.

<305>

NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL Beginn des Feldzuges von 1758. Der Zug nach Mähren.

Wohl durfte Friedrich hoffen, daß nach einem Jahre so blutiger Arbeit, nach dem gewaltigen Schlage, mit dem er alle Rachepläne Österreichs vernichtet, Maria Theresia zum Frieden geneigt sein dürfe. In der Tat schien sich eine solche Gesinnung von Seiten des kaiserlichen Hofes zu erkennen zu geben. Die Schriften der kaiserlichen Kanzlei und des Reichshofrates (die immer noch ihren Gang fortgingen) milderten etwas ihren beleidigenden, selbst unanständigen Ton. Auch beeiferte sich Graf Kaunitz, Friedrich von einer Verschwörung zu benachrichtigen, die gegen sein Leben angezettelt sei. Friedrich hielt dies für eine bloße Erfindung; doch ließ er seinen Dank für die Nachricht zurückschreiben, dabei aber auch hinzusetzen: es gebe zwei Arten des Meuchelmordes, — die eine durch den Dolch, die andere durch entehrende Schandschriften; die erste Art achte er wenig, gegen die zweite sei er jedoch empfindlicher. Indes säumte er nicht, soviel an ihm lag, für den Frieden zu arbeiten. Er sandte den kriegsgefangenen Fürsten Lobkowitz nach Wien, dort die Unterhandlungen einzuleiten; er schrieb selbst in dieser <306>Angelegenheit an die Kaiserin. « Ohne die Schlacht vom 18. Juni (so heißt es in diesem Briefe), in der mir das Glück zuwider war, würde ich vielleicht Gelegenheit gehabt haben, Ihnen meine Aufwartung zu machen: vielleicht hätte, wider meine Natur, Ihre Schönheit und Ihr hoher Sinn den Sieger überwunden, vielleicht hätten wir ein Mittel gefunden, uns zu vergleichen. .... Sie hatten zwar einigen Vorteil in Schlesien; aber diese Ehre war nicht von langer Dauer, und die letzte Schlacht ist mir wegen des vielen Blutes, welches dabei vergossen ward, noch schrecklich. Ich habe mir meinen Vorteil zunutze gemacht, .... und ich werde imstande sein, wieder in Böhmen und Mähren einzurücken. Überlegen Sie dies, meine teure Cousine; lernen Sie einsehen, wem Sie sich vertrauen! Sie werden sehen, daß Sie Ihre Lande ins Verderben stürzen, da Sie an der Vergießung so vielen Blutes schuld sind, und daß Sie denjenigen nicht überwinden können, der, wenn Sie ihn hätten zum Freunde haben wollen, so wie er Ihr naher Verwandter ist, mit Ihnen die ganze Welt hätte können zittern machen. Ich schreibe dieses aus dem Innersten meines Herzens, und ich wünsche, daß es den Eindruck machen möge, den ich verlange. Wollen Sie aber die Sache auf das Äußerste treiben, so werde ich alles versuchen, was mir nur meine Kräfte verstatten. Indes versichere ich Ihnen, daß ich ungern in Ihnen eine Fürstin untergehen sehe, welche die Bewunderung der ganzen Welt verdient. Wenn Ihre Bundesgenossen Ihnen so beistehen, wie es ihre Schuldigkeit ist, sehe ich freilich voraus, daß es um mich getan sein wird. Doch werde ich keine Schande davon haben; vielmehr wird es mir in der Geschichte zum Ruhme gereichen, daß ich einen Mit-Kurfürsten (Hannover) von der Unterdrückung habe erretten wollen, daß ich zur Vergrößerung der Macht des Hauses Bourbon nichts beigetragen, und daß ich zweien Kaiserinnen und dreien Königen Widerstand zu leisten wußte. » — Überzeugender konnte man freilich nicht sprechen.

In Wien aber hatte man sorgfältige Vorkehrungen getroffen, daß Maria Theresia weder von dem Elend und Jammer des Krieges, noch von der Schmach, die der österreichischen Armee am 5. Dezember widerfahren war, genügende Kunde erhielt. Man ging so weit, daß man selbst alle Ereignisse des Tages von Leuthen ins Märchenhafte verkehrte, um nur die Niederlage gebührend entschuldigen zu können. Und als nun auch die französische Politik mit angelegentlicher Geschäftigkeit eintrat, um jeden Gedanken an einen friedlichen Vergleich zu hintertreiben, da loderte alsbald der ganze alte Haß und das alte Rachebegehren in Maria Theresia empor. Die Unterhandlung des Fürsten Lobkowitz wurde mit einem Stolze abgewiesen, daß man hätte glauben sollen, nicht die mächtige österreichische Armee, sondern der König von Preußen sei bei Leuthen geschlagen worden.

<307>Die Verbindung Österreichs mit Frankreich und Rußland ward im Gegenteil enger geschlossen als bisher. Frankreich versprach erneute Rüstungen und fernere Subsidien an Rußland. Die russische Kaiserin aber suchte den Rückzug ihres Heeres aus Preußen, der in ihrer Krankheit wider ihren Willen geschehen war, dadurch gut zu machen, daß sie schleunig einen zweiten Einmarsch dieses Heeres in Preußen anordnete. Friedrich, der eben erst die Winterquartiere bezogen hatte, konnte dies nicht verhindern. Am 16. Januar bereits brach die russische Armee unter dem Feldmarschall Fermor von Memel auf und zog, da sie keinen Widerstand fand, sechs Tage darauf unter großer Feierlichkeit in Königsberg ein. Die Stadt mußte der russischen Kaiserin an Friedrichs Geburtstage huldigen, die öffentlichen Einnahmen wurden mit Beschlag belegt, die Verwaltung wurde durch russische Vorgesetzte geleitet und ganz Ostpreußen als eine russische Provinz betrachtet. Fermor wurde zum Generalgouverneur ernannt und erhielt vom Kaiser die Würde eines Reichsgrafen.

Dagegen ward nun auch die Verbindung Friedrichs mit England um so fester geknüpft. William Pitt, der englische Staatssekretär, der jetzt an der Spitze des dortigen Ministeriums stand und Friedrichs Größe mit hellem Auge erkannt hatte, nutzte die günstige Stimmung des Volkes und des Parlamentes, so daß am 11. April 1758 ein neuer Alliance- und Subsidien-Traktat zustande kam, durch welchen England sich verpflichtete, die hannoversche Armee durch englische Truppen zu verstärken und an Friedrich jährlich eine Summe von 670,000 Pfund Sterling als Hilfsgelder zu zahlen. Friedrich sandte dafür einige preußische Regimenter zur Verstärkung der hannöverschen Armee. Hilfsgelder von einer fremden Nation anzunehmen, stimmte freilich nicht mit seiner hochherzigen Gesinnung überein; er hätte lieber eine englische Flotte in der Ostsee zu seinem Beistande gesehen. Dies lehnten die Engländer jedoch ab; und da sich jetzt das Herzogtum Preußen und die westfälischen Provinzen in den Händen der Feinde befanden, so war Friedrich durch die unerbittliche Notwendigkeit dazu gezwungen; ja, er mußte sogar, um den dringenden Bedürfnissen zu begegnen, noch auf eine weitere Vermehrung jener Summe denken und sie in zehn Million Taler von geringerem Gehalte umprägen lassen. Denn wenn auch Sachsen starke Kontributionen zahlte, wenn Mecklenburg — dessen Herzog sich besonders feindlich erwies und vor allen deutschen Fürsten auf die Achtserklärung drang — noch härter büßen mußte, so reichte das alles doch nicht hin, um alle diejenigen Zurüstungen fortzusetzen, welche die Übermacht der Feinde nötig machte.

Friedrich war den Winter über, den er zumeist in Breslau zubrachte, damit beschäftigt, sein Heer wieder in den früheren Stand zu setzen. Die großen Schlachten <308>des vorigen Jahres, die beschwerlichen Märsche, pestartige Krankheiten in den Lazaretten hatten es auf den dritten Teil seines ursprünglichen Bestandes zurückgebracht. Jetzt sorgte man mit allen Kräften, es wieder vollzählig und die Scharen der Neugeworbenen mit allen Regeln des preußischen Dienstes vertraut zu machen. Dabei ward auch die Ordnung der schlesischen Angelegenheiten nicht vergessen. Über diejenigen, die sich bei dem Einmarsch der Österreicher treulos gezeigt, ward strenge Untersuchung verhängt und das Vermögen der Entwichenen eingezogen. Auch die Einkünfte des Fürstbischofs, Grafen Schaffgotsch, der über die Grenze gegangen war, aber beim Wiener Hofe, seines ehrlosen Betragens halber, kein Gehör fand, wurden mit Beschlag belegt.

Während die preußischen Soldaten noch von den Beschwerden des vorjährigen Feldzuges rasteten und die Rekruten eingeübt wurden, begann der Herzog Ferdinand von Braunschweig, an der Spitze der hannöverschen und verbündeten Truppen, bereits den Kampf gegen die Franzosen. Schon im Februar brach er aus seinen Winterquartieren auf, befreite Hannover und trieb die ganze große französische Armee vor sich her. Ohne Rast und Aufenthalt floh diese über die beschneiten Fluren Westfalens bis an den Rhein zurück und machte erst in Wesel halt; 11,000 Feinde fielen in Ferdinands Hände. Hier gönnte der Sieger seinen Truppen Rast und wartete die Verstärkungen aus England ab. Durch dies glänzende Unternehmen ward Friedrich von allen französischen Angriffen befreit; auch die folgenden Ereignisse hielten sie von seinen Grenzen ab. Am 1. Juni ging Ferdinand über den <309>Rhein und schlug die verstärkte französische Armee am 23. bei Krefeld. Nach weiteren glücklichen Erfolgen ward er zwar, als Soubise mit seiner Armee in Hessen eindrang, zum Rückzuge genötigt; aber die Art und Weise, wie er den Übergang über den Rhein bewerkstelligt, brachte ihm nur neuen Ruhm. Zweimal siegte Soubises Armee über vereinzelte Korps der Verbündeten, ohne jedoch einen wesentlichen Vorteil für Frankreich zu gewinnen. Ferdinands Märsche und Stellungen verhinderten vielmehr jede Verbindung der beiden französischen Armeen und nötigten sie, gegen das Ende des Jahres ihre Winterquartiere am Rhein zu nehmen; Soubise blieb diesseit des Stromes; die große Armee suchte ihre Quartiere zwischen Rhein und Maas.

Friedrich hatte indes den Plan gefaßt, den diesjährigen Feldzug wiederum nach seiner gewohnten Weise zu beginnen. Statt den Angriff oder gar die Verbindung der feindlichen Heere abzuwarten, gedachte er, sich schnell und unvermutet dem einen entgegenzuwerfen, damit er, wenn er diesen zurückgedrängt, sodann auch zur Bekämpfung des andern freie Hand behalte. Die Russen hatte er zwar an der Besetzung Preußens nicht hindern können; aber dies Land war durch Polen von seinen übrigen Provinzen getrennt, und er konnte berechnen, daß die russische Armee ohne geregelte Verpflegungsanstalten, somit unbehilflich in ihren Bewegungen, nicht imstande sein würde, vor dem Beginn des Sommers zu weiteren Angriffen zu schreiten. So entschloß er sich, seine Kräfte zunächst gegen Österreich zu wenden. Hier durfte er um so eher auf günstige Erfolge rechnen, als die österreichische Armee, durch die Verluste des vorigen Jahres und durch die Lazarettkrankheiten geschwächt, nicht ohne große Mühe und zeitraubende Anstrengungen wiederherzustellen war.

Zunächst war es nötig, die Österreicher von dem einen Punkte, den sie noch in Schlesien inne hatten, — von Schweidnitz zu vertreiben. Sowie es die Jahreszeit erlaubte, am 1. April, wurde die förmliche Belagerung eröffnet, und am 18. April streckte die Besatzung, ein Korps von 5000 Mann, das Gewehr, nachdem eins der Forts, welche Schweidnitz umgaben, durch nächtlichen Sturm genommen war.

Jetzt erwartete die österreichische Armee, die in Böhmen stand, Friedrichs Einmarsch in dieses Land. Feldmarschall Daun führte den alleinigen Oberbefehl über die Österreicher; Maria Theresia hatte zwar den Prinzen von Lothringen wieder an dieser Stelle zu sehen gewünscht; allein der Prinz hatte der im übrigen ungünstigen Stimmung, der er wegen der erlittenen Verluste ausgesetzt war, nachgegeben und das Heer verlassen. Dauns Rüstungen waren noch auf keine Weise vollendet; dieser Umstand, sowie die übergroße Vorsicht, die alle seine Handlungen charakterisiert, veranlaßte ihn, die gewaltigsten Verschanzungen an den böhmischen Grenzen aus<310>zuführen. Ganze Wälder wurden niedergeschlagen, das Holz zu der Ungeheuern Menge von Verhauen zu gewinnen. Friedrich tat alles, um den Gegner in seiner vorgefaßten Meinung zu bestärken. Unterdes aber hatte er ganz in der Stille die Vorbereitungen zu einem andern Unternehmen getroffen. Mit dem Beginn des Mai, ehe es jemand ahnen konnte, stand seine Armee in Mähren und machte sich zur Belagerung von Olmütz bereit. Es lag ihm zunächst daran, die Übereinstimmung zwischen den Operationen der Österreicher und ihrer Verbündeten und den hiernach entworfenen Feldzugsplan so viel als möglich zu beeinträchtigen.

So schnell aber die preußische Armee in Mähren eingerückt war, so langsam folgte der schwere Train, der das Belagerungsgeschütz herbeiführte. Unterdes hatte Daun Zeit gewonnen, dem Könige nach Mähren zu folgen und eine drohende Stellung einzunehmen. Doch begnügte er sich, das kleinere preußische Heer von seinen leichten Truppen umschwärmen zu lassen, einen entschiednen Erfolg von günstigeren Umständen abwartend. Indes wurde die Belagerung rüstig begonnen. Aber hiebei wurden jetzt von den leitenden Offizieren große Fehler gemacht; die ersten Batterien wurden in einer Entfernung von den feindlichen Werken aufgeführt, daß man eine große Menge von Kugeln ganz ohne Erfolg verschoß; und als man nähergerückt war, konnte man, bevor eine neue Zufuhr eingetroffen war, täglich nur eine geringe Anzahl von Schüssen tun, so daß die Belagerten Zeit gewannen, allen Schaden fort und fort wieder auszubessern. Überdies reichte die preußische Armee nicht hin, die Stadt vollkommen zu umschließen, so daß diese in Verbindung mit Dauns Armee blieb und sogar eine Verstärkung in sich aufnehmen konnte.

Alle Hoffnung eines günstigen Erfolges beruhte nun auf einem großen Transport, der von Schlesien aus die nötigen Kriegsbedürfnisse der preußischen Armee zuführen sollte. Die Bedeckung desselben zu verstärken, wurde ihm Zieten mit seinem Korps entgegengesandt. Aber diesmal hatte Daun in der Tat die trefflichsten Maßregeln zum Verderben des Feindes ergriffen. Ein bedeutend überlegenes Korps griff den Transport in den Gebirgspässen von allen Seiten an. Man feuerte mit Kanonen auf die Wagenburg, welche die Preußen in Eile bildeten, man sprengte die Pulverwagen in die Luft, schoß die Pferde tot, und bald war alles in der schrecklichsten Verwirrung. Die schützenden Truppen mußten der Übermacht weichen. Es war eine bedeutende Anzahl junger Rekruten aus Pommern und aus der Mark bei dem Transport gewesen; wenige von diesen wurden gefangen, die übrigen deckten mit ihren Leibern die Walstatt. Zieten war genötigt, sich, unter fortwährenden Gefechten, nach der schlesischen Grenze zurückzuziehen. Nur ein kleiner Teil der Wagen kam bei der preußischen Armee an.

<311>Jetzt blieb Friedrich nichts übrig, als das ganze Unternehmen aufzugeben und seine Armee aus Mähren zurückzuziehen. Doch waren auf diesem Rückzug die größten Schwierigkeiten zu erwarten. Darum berief Friedrich die sämtlichen höheren Offiziere zu sich in das Hauptquartier und sprach seinen Entschluß mit folgenden Worten aus: « Messieurs! Der Feind hat Gelegenheit gefunden, den aus Schlesien angekommenen Transport zu vernichten. Durch diesen widerwärtigen Umstand bin ich genötigt, die Belagerung von Olmütz aufzuheben. Die Herren Offiziere dürfen aber nicht denken, daß deshalb alles verloren ist. Nein! Sie können versichert sein, daß alles repariert werden soll, daß der Feind daran denken wird. Die Offiziere müssen allen Burschen Mut zusprechen und es nicht leiden, wenn etwa gemurrt werden sollte. Ich besorge nicht, daß Offiziere selbst sich verzagt bezeigen werden; sollt' ich, wider Vermuten, dies bei einem oder dem andern bemerken, so werd' ich's auf das Schärfste ahnden. Ich werde jetzt marschieren, und wo ich den Feind finde, ihn schlagen, er mag postiert sein, wo er will, eine oder mehrere Batterien vor sich haben, — doch » — hier hielt der König ein und rieb sich mit der Krücke seines spanischen Rohres die Stirn — « doch werd' ich's nie ohne Räson und Überlegung tun. Ich bin aber auch versichert, daß jeder Offizier bei vorfallender Gelegenheit, und jeder Gemeine ebenfalls, seine Schuldigkeit tun wird, sowie sie's bisher getan haben. »

In der Tat hatten sich jetzt wiederum die Verhältnisse auf eine Weise gestaltet, daß es der freisten, besonnensten Überlegung und des standhaftesten Mutes bedurfte, um ohne Gefährde daraus hervorzugehen. Aber, wenn man die Taten des großen Königs betrachtet, so findet man, daß er nirgend bewunderungswürdiger erscheint, als wenn die Gefahren sich zu häufen beginnen und nach gewöhnlicher <312>Berechnung der Untergang unvermeidlich erscheint. In diesen Fällen erhöhte sich die Spannkraft seines Geistes zu einem Grade, der eben außerhalb der Sphäre aller gewöhnlichen Berechnung lag. Jetzt sollte er mit einer kleinen Armee, deren Marsch durch die Masse des Belagerungsgeschützes und durch einen Zug von 4000 Wagen im höchsten Maße erschwert ward, aus dem Innern eines Landes zurückkehren, dessen Zugänge von bedeutend überlegenen Scharen besetzt und dessen Bewohner von feindseliger Stimmung erfüllt waren. Alle Welt war auf die Lösung dieses schwierigen Rätsels gespannt. Aber Friedrich hatte schon die zweckmäßigsten Anordnungen getroffen. Daun vermutete, daß er auf dem kürzesten Wege, unmittelbar nach Schlesien, zurückkehren werde, und Friedrich ließ es sich angelegen sein, den vorsichtigen Gegner aufs neue in seiner vorgefaßten Meinung zu täuschen. So fertigte er einen Feldjäger an den Kommandanten von Neiße ab, mit dem schriftlichen Befehl, Brot und Futter zur Ankunft der Armee in Bereitschaft zu halten. Der Feldjäger spielte seine Rolle so geschickt, daß er dem Feinde, der keine Kriegslist vermutete, in die Hände fiel und sich seiner, scheinbar so wichtigen Depesche berauben ließ. Nun hatte Daun nichts Eiligeres zu tun, als alle Wege und Pässe nach Schlesien zu besetzen. Friedrich aber gewann hierdurch einige Tage Vorsprung, um den Marsch nach der fast entgegengesetzten Richtung, nach Böhmen, anzutreten. Erst als er sich hintergangen sah, eilte Daun ihm nach. In den Pässen des mährischen Gebirges suchten nun die leichten Truppen der österreichischen Armee den Marsch der preußischen Kolonnen aufzuhalten; aber siegreich wurden alle Angriffe solcher Art, trotz der mannigfachsten Schwierigkeiten, zurückgeschlagen. Friedrich erreichte Böhmen und nahm sein Lager bei Königingrätz (am 12. Juli), ohne irgendeinen erheblichen Verlust erlitten zu haben und ohne daß Daun, auch unter diesen Umständen, eine Hauptschlacht gewagt hätte; von hier sandte Friedrich den beschwerlichen Belagerungstrain nach Glatz. Gern hätte er nunmehr, nachdem sein Heer gerastet und sich gestärkt hatte, die ganze Expedition mit einer ernstlichen Schlacht beschlossen; allein Daun hütete sich weislich, die feste Stellung, die er den Preußen gegenüber eingenommen hatte, zu verlassen. So kehrte Friedrich im Anfange August nach Schlesien zurück, von aller Welt über einen Rückzug bewundert, den man nur mit dem Rückzuge der zehntausend Griechen unter Xenophon zu vergleichen wußte. Der kaiserliche Hof aber weihte seinem Feldmarschall, der dem glücklichen Rückzuge der Preußen in bescheidener Ruhe zugesehen, eine Denkmünze, die ihm den Ehrennamen des « deutschen Fabius Maximus » gab, und auf der die Worte standen: « Du hast durch Zaudern gesiegt: fahre fort, durch Zaudern zu siegen! »

<313>Vielleicht während dieses Rückzuges war es, daß Friedrich durch rasche Geistesgegenwart einer persönlich drohenden Gefahr entging. Er war mit kleinem Gefolge zum Rekognoszieren ausgeritten; in einem Gebüsche lagen Panduren, die ihre Schüsse auf die kleine Schar richteten. Friedrich hatte dies nicht beachtet, als ihm plötzlich ein Feldjäger zurief, daß in der Nähe, hinter einem Baume versteckt, ein Pandur auf ihn anlege. Friedrich sah sich um, erblickte den zielenden Panduren, hob den Stock (den er stets, auch zu Pferde, trug) in die Höhe und rief ihm mit drohender Stimme zu: « Du! Du! » Der Pandur aber nahm erschrocken sein Gewehr vor den Fuß, entblößte sein Haupt und blieb in ehrerbietiger Stellung stehen, bis der König vorübergeritten war.

<314>

DREISSIGSTES KAPITEL Fortsetzung des Feldzuges von 1758. Zorndorf.

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Siebenjährigen Krieges und zu denjenigen Umständen, die Friedrich vorzugsweise Gelegenheit gaben, seine Feldherrngröße zu entfalten, daß er fort und fort von einem Unternehmen zu dem andern eilen mußte, daß er den Gegnern, die ihn auf verschiedenen Seiten bedrängten, nicht anders die Stirn bieten konnte, als indem er rastlos mit seiner Armee die weitesten Märsche machte und hiedurch die geringe Zahl seiner Truppen vielfach verdoppelte. Das vorige Jahr hatte ihn in Böhmen, in der Lausitz, in Thüringen, Sachsen und Schlesien gesehen; jetzt war er kaum aus Mähren und Böhmen zurückgekehrt, als er wiederum genötigt war, sich unverzüglich nach der entgegengesetzten Seite zu wenden. Die Russen hatten, unter dem Kommando des Feldmarschalls Fermor, ihr schwerfälliges Heer in Marsch gesetzt, waren langsam durch die nördlichen Provinzen des damaligen Polens (Westpreußen und Posen) gezogen, hatten am 2. August die Grenzen der Neumark überschritten und bedrohten nun das Innere der Staaten Friedrichs mit all den Greueln, welche ihre ungeregelten Kriege mit sich führten. Denn so mäßig sie sich in Preußen, das fortan als eine russische Provinz gelten sollte, betragen hatten, so wilde Bar<315>bareien übten sie an denjenigen Orten aus, die sie als feindliche Besitzung anerkannten. Brand, Blut und Elend bezeichneten ihre Schritte; die blühenden Fluren, über die sie gezogen waren, lagen als eine Wüste hinter ihnen.

Als die Russen sich den märkischen Grenzen näherten, war ihnen jenes Armeekorps entgegengezogen, welches im vorigen Jahre in Preußen gekämpft hatte und jetzt, unter dem Befehl des Grafen Dohna, die Schweden in Stralsund eingeschlossen hielt. Zu schwach jedoch, um gegen die Übermacht der Feinde etwas Entscheidendes unternehmen zu können, lagerte sich Dohna an der Oder und begnügte sich, das linke Ufer des Flusses zu decken und die Besatzung der Festung Küstrin zu verstärken, als Fermor mit seiner Hauptmacht gegen dieselbe vorrückte. Eine regelmäßige Belagerung dieses Ortes ließ die nächste, sumpfige Umgebung nicht zu; wohl aber hoffte Fermor, die Besatzung durch ein Bombardement zur Übergabe zu zwingen und auf diese Weise einen festen Waffenplatz an der Oder zu gewinnen. Eine ungeheure Menge von Bomben und Granaten wurde am 15. August in die Stadt geworfen, so daß alles in kurzer Frist in Flammen aufging. Die Einwohner der Stadt und die Menge der Bewohner des Landes, die hinter den Wällen von Küstrin Schutz gesucht vor den barbarischen Horden, sahen all ihre Habseligkeiten den Flammen preisgegeben und konnten nichts als ihr Leben retten, indem sie sich über die Oder flüchteten. Fermor ließ mit dem Bombardement so lange fortfahren, als nur noch Brandgeschosse in seinem Lager vorhanden waren. Doch war seine Absicht umsonst. Die Festungswerke blieben unversehrt; und als nach fünf Tagen der Kommandant zur Übergabe aufgefordert ward, mit dem Androhen, daß man, wenn die Übergabe nicht erfolge, sofort zum Sturme schreiten und die ganze Besatzung niedermetzeln würde, so erklärte jener, daß er sich bis auf den letzten Mann zu verteidigen gedenke.

Unterdes war ein besonderes Korps der russischen Armee gegen Pommern gesandt und die schwedische Armee aufgefordert worden, in Übereinstimmung mit den russischen Truppen vorzuschreiten. So hatte die Gefahr den höchsten Punkt erreicht. Doch verfuhren die Schweden äußerst langsam, und zwar auf den Rat des französischen Gesandten, dessen Wunsch es war, daß sie, um die französischen Armeen zu unterstützen, ihren Marsch gegen die Elbe wenden möchten. Und schon war der Retter nahe. Am 21. August traf Friedrich im Lager des Grafen Dohna, Küstrin gegenüber, ein und brachte 14,000 Mann seiner erprobten schlesischen Armee mit, die er, auf die Nachricht der drohenden Gefahr, der Sommerhitze zum Trotz in fliegenden Märschen von der böhmischen Grenze herübergeführt hatte. Gleich nach seiner Ankunft musterte er das Korps des Grafen Dohna. Der stattliche Aufzug, in dem dasselbe an ihm vorüberzog, fiel ihm auf; er wandte sich zu Dohna und <316>bemerkte gegen diesen laut, wohl an die vorjährige Niederlage der Truppen gedenkend: « Ihre Leute haben sich außerordentlich geputzt; ich bringe welche mit, die sehen aus wie die Grasteufel, aber sie beißen! »

Aber tiefe Trauer und heißes Rachebegehren mußten das Gemüt des Königs erfüllen, als er die rauchenden Trümmer der Stadt und all die Verwüstungen vor sich sah, welche die barbarischen Horden in seinem Lande angerichtet, und das Elend der Bewohner, die von ihm Linderung ihres grausamen Schicksales begehrten. Mildreich tröstete er die Unglücklichen auf den Brandstätten Küstrins. « Kinder », sagte er zu ihnen, als sie ihm treuherzig die einzelnen Umstände ihrer Leiden erzählten, — « Kinder, ich habe nicht eher kommen können, sonst wäre das Unglück nicht geschehen! Habt nur Geduld, ich will euch alles wieder aufbauen. » Auch bewährte er sein Wort durch die Tat und ließ ihnen augenblicklich, zur Bestreitung ihrer nächsten dringenden Bedürfnisse, die Summe von 200,000 Talern auszahlen. Schnell beschloß er, den Feind zur schweren Verantwortung zu ziehen. Während in der Nähe von Küstrin auf die russischen Verschanzungen gefeuert ward, so daß man glauben mußte, er werde hier sofort zum ernstlicheren Angriffe schreiten, ließ er mit dem Beginne der Nacht sein Heer aufbrechen, um eine Strecke unterhalb Küstrin unbemerkt die Oder überschreiten zu können. Als die Armee sich zum Abmarsch anschickte, <317>ritt er die Reihen entlang, begrüßte noch einmal seine Tapfern und rief ihnen freundlich zu: « Kinder, wollt ihr mit? » Alles antwortete mit einem jubelnden Ja! Einer sagte Zu ihm: « Wenn wir nur erst russische Beutepferde hätten, da sollte es noch geschwinder gehen. » Der König antwortete mit Laune: « Die wollen wir schon bekommen! »

Am 23. August ward der Übergang über den Fluß bewerkstelligt und der Feind nunmehr im weiten Bogen umgangen. Das ganze Heer ward über die Greuelszenen, die sich hier überall den Augen darboten, zur leidenschaftlichsten Rache entflammt. Man sah nichts als brennende oder eingeäscherte Dörfer; in den Schlupfwinkeln der Wälder lagen die elenden Bewohner, denen der Feind auch das letzte, was sie an Nahrungsmitteln besaßen, genommen hatte. Willig gaben ihnen die menschenfreundlichen Soldaten das Brot, das sie mit sich trugen; dafür trugen ihnen die Bauern Wasser zu, ihren Durst in der brennenden Hitze zu löschen; auch fand man an vielen Orten vorsorglich große Gefäße, selbst Sturmfässer mit Wasser zu diesem Behufe auf die Straße gestellt.

Am Morgen des 25. August hatte Friedrich das russische Heer so weit umgangen, daß er dasselbe von der vorteilhaftesten Seite angreifen konnte. Eine gedehnte Ebene verstattete ihm einen freien Angriff, während im Rücken und zur Seite des Feindes sumpfige Niederungen und ein kleiner Nebenfluß der Oder befindlich waren. Die Brücken über den letzteren hatte Friedrich abbrechen lassen, da er dem Feinde allen Rückzug abschneiden wollte; er gedachte, das ganze feindliche Heer zu vernichten und so mit einem Schlage eine blutige Entscheidung zu erzwingen. Dann freilich durfte er hier nicht lange säumen, da er erwarten konnte, daß die Österreicher seine Abwesenheit bald zu gefährlichen Unternehmungen benutzen würden. <318>Darum hatte er auch die feindliche Bagage, die in einer Wagenburg abgesondert zur Seite stand und die durch ihn bereits von der Hauptarmee abgeschnitten war, nicht, was ohne Mühe hätte geschehen können, angegriffen; ohne bedeutenderes Blutvergießen hätte er hierdurch den Feind nötigen können, ein Land zu verlassen, in dem er sich nicht zu erhalten vermochte. Aber die Vollendung dieses Unternehmens hätte längere Wochen erfordert.

Die preußische Armee bestand aus 32 760 Mann, die der Russen aus ungefähr 52,000 Mann. Die letztere hatte sich, als Friedrich heranrückte, in einem Ungeheuern länglichen Viereck, Reiterei, Troß und Reserve in der Mitte, aufgestellt. Eine solche Aufstellung hatte sich in den Türkenkriegen, gegen die regellosen Angriffe eines wilden Feindes, bewährt gezeigt; gegen eine europäisch disziplinierte Armee war sie jedoch wenig zweckmäßig. Friedrich entschloß sich, mit seinem linken Flügel gegen die ungefüge Last des feindlichen Heeres vorzurücken, die rechte Ecke desselben in gewaltigem Stoße zu zerschmettern und von hier aus Verwirrung und Niederlage über seine dichtgedrängten Glieder zu verbreiten. Zwischen beiden Heeren lag das Dorf Zorndorf. Umherschwärmende Kosakenscharen hatten dasselbe in Brand gesteckt; aber der Rauch trieb den Russen entgegen und verhinderte sie, die Aufstellung des Gegners zu beobachten.

Am 9 Uhr begann der Angriff. Die Avantgarde und der linke Flügel der preußischen Armee rückten gegen die rechte Seite des russischen Heeres vor, die durch eine sumpfige Niederung von der Hauptarmee abgetrennt war. Das Geschütz begann sein furchtbares Spiel und wütete auf eine unerhörte Weise in den tiefen Reihen der Russen; durch eine Kugel sollen 42 Mann niedergestreckt worden sein. Der Troß im Innern der Scharen geriet in Verwirrung, die Pferde mit ihren Wagen rissen aus und brachen durch die Glieder; nur mit Mühe konnte man denselben zu einer Aufstellung hinter den Truppen sammeln. Die preußische Infanterie benutzte diese Verwirrung, zog eilig näher, feuerte heftig und warf das Vordertreffen der Russen. Aber der Aufmarsch der Preußen war mit mancherlei Ungeschick verbunden worden; ihre Scharen waren zum Teil getrennt, zum Teil in einer schwachen Linie geführt; die feindlichen Heerführer benutzten dies, und nun brachen das Fußvolk und die Reiterei der Russen mit dem wilden Rufe Ara, Ara! (Viktoria!) auf die Preußen ein, deren Infanterie in verwirrter Flucht sich zurückzog. Aber die preußische Kavallerie, unter Seydlitz, war bis dahin ruhig zur Seite vorgerückt. Als nun die Russen in Unordnung ihren Gegnern nachsetzten, gab Seydlitz, den richtigen Moment scharf erfassend, das Zeichen zum Angriff, und augenblicklich stürmten seine Scharen in geregelter Kraft auf die feindlichen Haufen ein. Jetzt erhob sich ein fürchterlicher <320>Kampf, der in der europäischen Kriegsgeschichte fast unerhört ist. Denn ob auch die ersten Reihen der Russen niedergeschmettert waren, so standen die nachfolgenden doch unerschütterlich fest. Auch diese wurden geworfen, aber immer ballten sich neue Massen zusammen, mit ihren Leibern dem Gegnern einen Wall entgegensetzend, der nicht anders als durch gänzliche Niedermetzelung erstiegen werden konnte. Ob sie auch ihre Pulvervorräte verschossen hatten, doch wichen die Russen nicht eher, als bis sie von der Klinge des Gegners durchbohrt niedersanken. Stundenlang währte dies Morden. Einige Haufen der Russen gerieten über ihre Bagage, plünderten die Marketenderwagen und öffneten die Branntweinfässer, nach dem berauschenden Tranke lechzend. Die Offiziere schlugen die Fässer in Stücke; einige warfen sich auf den Boden, den Trank auch noch im Staube aufzulecken, andere kehrten ihre Waffen in wilder Wut gegen ihre Befehlshaber und mordeten die, welche ihnen den Trank verschüttet. Endlich, nachdem die Mittagsstunde bereits vorüber war, endete der Kampf auf dieser Seite. Was von den Russen nicht niedergemetzelt lag, war in die Sümpfe versprengt. Seydlitz aber zog seine tapfern Scharen vor dem feindlichen Kanonenfeuer zurück, das nunmehr von der andern Seite auf ihn gerichtet ward.

Die übrigen Teile beider Armeen waren bis jetzt noch nicht zum Kampfe gekommen. Friedrich hatte sich auf dem rechten Flügel seiner Truppen befunden. Nun ordnete er seine Armee zum Angriff und rückte vor. Vor dem rechten Flügel befand sich eine Batterie, die, da sie durch einen beträchtlichen Zwischenraum von der Truppenlinie getrennt war, durch ein besonderes Bataillon gedeckt wurde. Auf diese stürzte sich eine große Schar feindlicher Kavallerie und nahm schnell die Batterie und jenes Bataillon gefangen. Dann sprengte sie der Armee entgegen; hier ward sie aber durch lebhaftes Feuer zurückgeworfen. Jetzt brach sich auch jenes gefangene Bataillon wieder zu den Seinigen Bahn, mit dem lauten Rufe: Viktoria, es lebe der König! Friedrich aber ritt zu ihnen heran und sagte: « Kinder, ruft noch nicht Viktoria; ich werde es euch schon sagen, wenn es Zeit ist! » — In dem Augenblicke stürzten neue Scharen der russischen Reiterei auf den linken Flügel der preußischen Armee. Dieser war aus den Regimentern des Grafen Dohna gebildet; ein Teil von ihnen war es gewesen, der schon bei jenem ersten Angriff auf den rechten Flügel der Russen geflohen war. Jetzt ergriff sie insgesamt bei dem Anbrausen der feindlichen Haufen ein panischer Schrecken; in schmachvoller Flucht verließen sie aufs neue das Schlachtfeld. Und wieder war es dem Helden des Tages, Seydlitz, vorbehalten, die bedrohliche Gefahr abzuwenden. Aufs neue stürmte er mit seinen tapferen Scharen auf die Feinde ein, warf die russische Kavallerie in wilder Unordnung <321>zurück und griff die noch stehenden Infanterietreffen der Russen, trotz des lebhaftesten Kartätschen- und Gewehrfeuers, mutig an. Bald kam auch Friedrich mit dem erprobtem Teile seiner Infanterie heran, und nun entstand wiederum ein Gemetzel, jenem gleich, welches dem rechten Flügel der Russen bereits den Untergang gebracht hatte. Mann kämpfte gegen Mann, keine Abteilung vermochte mehr Ordnung zu erhalten, Russen und Preußen, Infanterie und Kavallerie, alles war in dichten Knäueln durcheinandergedrängt. Friedrich selbst ward in Person auf eine Weise mit in das Gefecht verwickelt, daß seine Pagen um ihn her gefangen, verwundet und getötet wurden. Der furchtbare Staub des heißen Tages und der Pulverdampf hatten alle Gesichter unkenntlich gemacht; der König ward von seinen Truppen nur an der Stimme erkannt. Kein Teil wich dem andern an Mut, aber die Kriegszucht der Preußen trug den Sieg davon; es gelang den Führern, sie aus dem wilden Gewühl aufs neue in geregelten Scharen zusammenzuziehen, und als der Abend sank, waren die Russen, die nicht niedergemetzelt lagen, vom Kampfplatze zurückgedrängt.

Während Friedrich seine Armee zur Nachtruhe ordnete, suchten die Russen in einzelnen Haufen ihr Heil in der Flucht. Da sie aber überall die Brücken abgebrochen fanden, so hinderte dies die gänzliche Auflösung ihres Heeres, dessen Führer es sich nun auf alle Weise angelegen sein ließen, die Zerstreuten zu sammeln. Eine Schar von einigen tausend Russen hatte sich wieder auf dem Schlachtfelde aufgestellt. Gegen sie ließ Friedrich noch einmal Truppen marschieren; doch blieb dieser letzte, übrigens unbedeutende Angriff fruchtlos, da es teils an Munition fehlte, teils auch die Hälfte der Angreifenden, aus Bataillonen des linken Flügels bestehend, zum dritten <322>Mal vor dem feindlichen Feuer entfloh. Indes veranlaßte dieser kleine und für das Schicksal des Tages so ganz gleichgültige Erfolg den russischen Heerführer, prahlerische Siegesnachrichten nach Petersburg und nach den Höfen der Bundesgenossen zu senden, die sich gern auf kurze Zeit dem angenehmen Traume überließen.

Über Nacht hatten sich die Russen gesammelt und am folgenden Morgen sich aufs neue in Schlachtordnung gestellt. Es schien sich eine zweite Schlacht entspinnen zu wollen, und in der Tat begann auch eine Kanonade, die vier Stunden lang währte. Aber auf beiden Seiten war die Erschöpfung groß, zugleich fehlte es auch an Munition, so daß es zu keinem ernstlicheren Angriffe kam. Fermor hielt nun um einen Waffenstillstand von einigen Tagen an, unter dem Vorwande, die Toten zu begraben. Friedrich ließ ihm antworten, dies sei die Pflicht des Siegers. So benutzte Fermor die folgende Nacht, den linken Flügel des preußischen Heeres zu umgehen und seine Wagenburg wiederzugewinnen, wo er sich vorläufig verschanzte.

Gefangene waren am Tage der Schlacht von Zorndorf auf beiden Seiten nur wenige gemacht worden. Man hatte Pardon weder gegeben noch genommen. Man sagt, Friedrich selbst habe es verboten gehabt. Erst am folgenden Tage war eine größere Anzahl der versprengten Russen in die Hände der Preußen gefallen. Die Verluste im ganzen waren sehr bedeutend. Friedrich hatte über 11,000 Mann, die Russen das Doppelte verloren. An Trophäen hatten die Preußen 103 Kanonen und 27 Fahnen und Standarten erobert. « Der Himmel hat Ew. Majestät heute wieder einen schönen Sieg gegeben! » so redete der englische Gesandte, Sir Mitchell, der Friedrich in den Krieg gefolgt war, den letzteren auf der Walstatt an. « Ohne diesen », erwiderte Friedrich und zeigte dabei auf Seydlitz, « ohne diesen würde es schlecht mit uns aussehen! » Seydlitz aber lehnte das ehrenvolle Wort bescheiden ab und sprach das ganze Verdienst der gesamten Reiterei zu. Auch fand sich Friedrich veranlaßt, dem Feldmarschall Daun den wahren Erfolg der Zorndorfer Schlacht zu melden. Ihm war nämlich ein Brief des letzteren an Fermor in die Hände gefallen, worin dem russischen Heerführer geraten ward, er möge keine Schlacht wagen mit einem listigen Feinde, den er noch nicht kenne: er möge nur zögern, bis Dauns Unternehmen auf Sachsen zu Ende gebracht sei. Friedrich schrieb nun zurück: « Sie haben recht gehabt, dem General Fermor zu raten, daß er vor einem feinen und listigen Feinde, den Sie besser kenneten, auf seiner Hut sei. Denn er hat Stich gehalten und ist geschlagen worden. »

Unter den Gefangenen befanden sich fünf russische Generale. Als diese, noch auf dem Schlachtfelde, dem Könige vorgestellt wurden, so bedeutete er sie, wie er bedaure, daß er kein Sibirien habe, wohin er sie schicken könne, damit sie für ihre <323>barbarische Weise der Kriegführung bestraft und ebenso behandelt würden, wie in Rußland die preußischen Offiziere. Sie fanden darauf ihre Wohnungen in den gewölbten Kellern unter den Wällen Küstrins. Als sie dorthin geführt wurden und gegen einen solchen unziemlichen Aufenthalt protestierten, erwiderte ihnen der Kommandant, mit Rücksicht auf die Erklärung des Königs: « Sie haben, meine Herren, nicht mir, sondern der armen Stadt die Ehre angetan, sie zu beschießen, und sich selbst kein Haus übrig gelassen. Sie müssen für jetzt so vorlieb nehmen! » Indes gestattete Friedrich schon nach einigen Tagen, daß die russischen Generale ihre Keller verlassen und sich in der nicht abgebrannten Neustadt von Küstrin Wohnungen mieten durften. Ja, als darauf die Nachricht von einer mildern Behandlung der Preußen in Petersburg kam, so erlaubte er ihnen, nach Berlin zu gehen und selbst an den dortigen Hoffesten teilzunehmen. Damals waren es Gefangene fast aus allen europäischen Nationen, welche an den Hoftagen zu Berlin der Königin ihre Aufwartung machten.

Die preußische und die russische Armee hatten indes noch einige Tage untätig einander gegenübergestanden, bis am 1. September Fermor sich auf Landsberg zurückzog. Friedrich folgte ihm, sah sich indes schon am 2. September genötigt, mit einem Teile seiner Armee nach Sachsen aufzubrechen, wohin ihn neue Not der Seinen berief. Ein Korps von 16,000 Mann blieb zur Beobachtung der Russen zurück. Fermor rückte nun in Pommern ein und zog jene Abteilung seiner Truppen, die in Gemeinschaft mit den Schweden hatte operieren sollen, wieder an sich; dann sandte er ein anderes Korps nach dem Ufer der Ostsee, Kolberg zu belagern. Die Besatzung dieser Festung war sehr schwach, aber Landmilizen und selbst die gesamte <324>Bürgerschaft nahmen teil an der Verteidigung; ein mehrfach wiederholtes Bombardement blieb fruchtlos, und selbst ein Sturmangriff, nachdem die Russen bereits in den bedeckten Weg eingedrungen waren, wurde glücklich abgeschlagen. Endlich, am Ende Oktober, wurde die Belagerung aufgehoben, und die gesamte russische Armee zog sich, jenseit der Weichsel, in ihre Winterquartiere. — Den Fortschritten der Schweden war nach der Schlacht von Zorndorf durch ein besondres preußisches Korps Einhalt getan.

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EINUNDDREISSIGSTES KAPITEL Schluß des Feldzuges von 1758. Hochkirch.

Als Friedrich die böhmischen Grenzen verließ und gegen die Russen zog, dünkte es seinen übrigen Gegnern die günstigste Zeit, nun auch ihrerseits angriffsweise gegen seine Besitzungen zu verfahren. Die preußischen Truppen, die in Sachsen und Schlesien standen, waren an der Zahl nicht sonderlich bedeutend; man konnte ihnen sehr überlegene Massen entgegenstellen, und man meinte, daß vorderhand das Genie des Königs eben nicht weiter zu fürchten sei. Die Reichsarmee, die in Franken ihre Winterquartiere genommen und sich ansehnlich verstärkt hatte, rückte nun in Böhmen ein und wandte sich gegen die sächsischen Grenzen. Daun zog mit der großen österreichischen Armee nach der Lausitz und errichtete dort seine Magazine. Hier konnte er, je nach den Umständen, mit der Reichsarmee gemeinschaftlich gegen Sachsen operieren oder nach Schlesien einrücken, oder auch den vorschreitenden Russen in die Hände arbeiten. Zu dem letztern Behufe ließ er ein Korps leichter Truppen, unter dem General Loudon, in die Niederlausitz bis nach den Gegenden der Oder vorrücken. Loudon fand bei dieser Expedition keine besonderen Hindernisse und war somit leicht imstande, in Peitz, <326>einer kleinen alten Festung an einem Nebenflusse der Spree, einen militärischen Posten zur Sicherung seiner weiteren Unternehmungen festzusetzen. Doch geschah das letztere nicht, ohne dem preußischen Namen neue Ehre zu bereiten. Peitz war nämlich durch fünfzig alte preußische Invaliden besetzt; und als die Österreicher ohne sonderliches Zeremoniell einzudringen suchten, so wurden sie mit Verlust einiger Mann abgewiesen. Doch machte der österreichische Anführer ernsthaftere Anstalten zum Angriff; er ließ den Kommandanten in aller Form zur Übergabe auffordern, und dieser benahm sich nun, wie es ehrenhafter Krieger Sitte ist. Bevor er unterhandelte, machte er die Bedingung, daß zwei auf seiner Feste entsendete Offiziere, vom Feinde aufs Ehrenwort angenommen, sich überzeugen dürften, ob das feindliche Korps nach seiner Stärke berechtigt sei, die Räumung des Platzes zu fordern. Der Feind genügte dem Ansinnen des Kommandanten; die Offiziere kehrten zurück und bezeugten die überlegene Macht desselben. Jetzt erst schritt der Kommandant zur Kapitulation; er bewirkte sich und seinen fünfzig Veteranen einen freien Abzug nach Berlin, und ließ den Eroberern nichts als einige Stücke zumeist mittelalterlicher Armaturen zurück.

Prinz Heinrich, der Bruder des Königs, führte den Oberbefehl der sächsischen Armee. Durch mancherlei Streifkorps hatte er den Anmarsch der Reichsarmee verzögert; doch konnte er gegen die Hauptmacht derselben, als diese wirklich in Sachsen einrückte, nichts Entscheidendes wagen und mußte sich begnügen, sich vorderhand in einem festen Lager in der Nähe von Dresden sicherzustellen, während die überlegene feindliche Armee das Lager von Pirna besetzte. Indes war aber auch die schlesische Armee, unter dem Markgrafen Karl, aufgebrochen und hatte eine Stellung genommen, welche geeignet war, Schlesien gegen Dauns Angriffe von der Lausitz her zu decken. Zugleich war von dieser Seite der General Zieten abgesandt, um dem weiteren Vorschreiten des Loudonschen Korps entgegenzutreten. Unter diesen Umständen, und da von seiten der Russen kein näheres Eingreifen in das gemeinschaftliche Unternehmen stattfand, faßte Daun den schnellen Entschluß, sich gegen Sachsen zu wenden. Er rückte in kurzer Frist gegen Dresden vor und beschloß nun, den Prinzen Heinrich im Rücken anzufallen, während ihn die Reichsarmee von vorn angreifen sollte, damit das kleine preußische Heer zwischen der zwiefach überlegenen Übermacht erdrückt würde. Gleichwohl wußte sich Prinz Heinrich in einer so günstigen Stellung zu erhalten, daß kein Angriff auf ihn erfolgte; bald kam die Nachricht an, daß Friedrich sich, nachdem er bei Zorndorf gesiegt, mit raschen Schritten der sächsischen Grenze nähere. Am 10. September, nachdem er die Armee des Markgrafen Karl und das Zietensche Korps an sich gezogen und Loudon wieder zur rück<327>gängigen Bewegung auf die österreichische Hauptmacht genötigt hatte, traf Friedrich in der Gegend von Dresden ein. Hier standen nunmehr vier Armeen auf dem engen Räume von zwei Meilen einander gegenüber; jeder Tag schien eine blutige Lösung dieser eigentümlichen Verhältnisse zu verheißen. Friedrich wünschte nichts mehr als eine entscheidende Schlacht. Aber Daun hatte jetzt die Lust dazu verloren; als ein Meister im Verteidigungskriege, wußte er schnell eine so günstige Lagerstelle zu besetzen, daß ein Angriff auf ihn die größte Verwegenheit gewesen wäre. Ebenso stand die Reichsarmee in dem Lager von Pirna vollkommen sicher. Eine geraume Frist verging auf diese Weise, ohne daß irgendeine Entscheidung erfolgt wäre. Vergebens waren die verschiedenen Manöver, die Friedrich anstellte, um den Gegner aus seiner Stellung herauszulocken. Aber jeder Tag ward peinlicher für ihn, denn in der Zwischenzeit waren andere österreichische Korps in Oberschlesien eingerückt, hatten die Festungen Oppeln und Neiße eingeschlossen, und schon kam die Nachricht, daß alle Anstalten zu einer förmlichen Belagerung von Neiße gemacht würden.

Jetzt faßte Friedrich einen schnellen Entschluß. Da er hier den Feind zu keiner Schlacht bewegen konnte, so gedachte er, einen raschen Zug nach Schlesien zu unternehmen, um die Österreicher zu verhindern, in dieser Provinz festen Fuß zu fassen; hiedurch wurden zugleich die österreichischen Magazine in der Lausitz, aus denen Daun seinen Unterhalt bezog, bedroht. Es glückte ihm, durch ein vorgesandtes Korps Bautzen besetzen zu lassen; nach einigen Tagen folgte er selbst mit seiner Armee nach. Aber Daun hatte ebenso die Gefahr eingesehen, in die er durch die Wegnahme seiner Magazine versetzt werden mußte. Dies, und gleichzeitig auch Friedrichs Marsch nach Schlesien zu vereiteln, hatte er sich, ehe noch Friedrichs ganze Armee den beschlossenen Marsch antreten konnte, in derselben Richtung auf den Weg gemacht. Am 10. Oktober, als Friedrich, von Bautzen aus weiter vorrückend, das Dorf Hochkirch besetzt hatte, sah er seinen Schritt aufs neue durch die ganze österreichische Heeresmacht, die ihm gegenüber lagerte, aufgehalten.

Die Stellung, welche Daun eingenommen hatte, war wiederum überaus günstig. Er hatte eine Reihe ausgedehnter, bewaldeter Bergzüge, welche das Dorf Hochkirch in einem Winkel umschlossen, besetzt. Es war unmöglich, hier vorzudringen, und ein Aufenthalt in Hochkirch schien jedem Nachteile ausgesetzt. Friedrich indes, der es nicht für ehrenvoll hielt, vor dem bloßen Anblicke des Feindes umzuwenden, und der auch, wo es Angriff galt, dem österreichischen Heerführer keinen kühnen Entschluß zutraute, befahl, das Lager bei Hochkirch aufzuschlagen. Alle preußischen Generale, die sich zur Stelle befanden, sahen die Gefahr dieses Unter<328>nehmens ein; Fürst Moritz von Dessau erlaubte sich, dem Könige Vorstellungen darüber zu machen. Aber Friedrich achtete nicht darauf. Der Generalquartiermeister der Armee erhielt Befehl, das Lager abzustecken; dieser weigerte sich, zu dem Verderben der Armee beizutragen und ward mit Arrest bestraft. Ein Ingenieurleutnant mußte nun, nach Friedrichs eigener Anordnung, die Linien des Lagers ausstecken, während seine Fourierschützen bei diesem Geschäfte bereits durch die österreichischen Kanonenkugeln begrüßt wurden. Zur Sicherung des Lagers wurden indes auf beiden Seiten Batterien angelegt; die eine von diesen kam vor Hochkirch zu stehen, auf dem Abhänge, über dem das Dorf sich erhebt. Friedrichs Macht an dieser Stelle bestand aus 30,000, die der Österreicher aus 65,000 Mann.

Die preußische Stellung war um so gefährlicher, als man aus dem tiefer gelegenen Lager wenig oder nichts von dem wahrnehmen konnte, was die Österreicher auf und hinter ihren Höhen unternahmen, während diese alles deutlich unterschieden, was bei den Preußen vorging. Überdies waren die Waldungen am Fuße der Berge rings von den leichten Truppen der Österreicher besetzt, so daß den preußischen Vorposten und ihren Patrouillen auf keine Weise gestattet war, sich in eine größere Entfernung vom Lager hinauszuwagen, und daß den Österreichern alle Mittel zum unvorhergesehenen Überfall bereitstanden. Bei dem allen aber blieb Friedrich fest in der vorgefaßten Meinung, daß Daun sich zu keinem Angriff entschließen werde. Er unterdrückte selbst manche von den sonst nötigen Vorsichtsmaßregeln und ließ sogar <329>die Truppen unangekleidet in ihren Zelten ruhen. Der Feldmarschall Keith, der sich mit in der Armee befand, sagte ihm geradezu: « Wenn uns die Österreicher hier ruhig lassen, so verdienen sie gehangen zu werden. » Friedrich aber antwortete scherzend: « Wir müssen hoffen, daß sich die Österreicher mehr vor uns als vor dem Galgen fürchten. » In dieser Beharrlichkeit bestärkten ihn die falschen Berichte eines Spions. Er hatte nämlich, wie man erzählt, einen österreichischen Offizier erkauft, durch den er alles erfuhr, was in der feindlichen Armee vorging. Die Briefe wurden in einem Korbe mit Eiern, von denen ein ausgeblasenes das jedesmalige Schreiben enthielt, überbracht. Zufällig aber mußte Daun selbst eines Tages dem Überbringer der Eier begegnen und diesem befehlen, die Ware nach seiner eigenen Küche zu bringen. Hier ward das Geheimnis entdeckt. Daun ließ unverzüglich den verräterischen Korrespondenten vor sich fordern; dieser hatte natürlich sein Leben verwirkt, doch schenkte es ihm der Feldmarschall unter der Bedingung, daß er fortan dem König schreibe, was er ihm in die Feder diktieren würde. So erhielt Friedrich einige Tage lang nur Nachrichten, die von nichts als von dem bevorstehenden Aufbruche der österreichischen Armee und von ihrem Rückmarsche nach Böhmen sprachen, und die ihn somit aller Gedanken an die Gefahr seiner Lage überhoben.

Da indes dieser Aufbruch nicht so bald, als er erwartete, erfolgte, so entschloß sich Friedrich, um nicht länger untätig liegen zu bleiben, das österreichische Heer zu umgehen. Nur bedurfte er hiezu noch einiger Vorbereitungen für die weitere Verpflegung der Armee und konnte deshalb für den Abmarsch keinen früheren Tag als den 14. Oktober bestimmen. Aber schon hatte Daun seine Maßregeln getroffen. Es wäre allzu schmachvoll gewesen, wenn er hier noch länger gezaudert hätte, von der so überaus günstigen Gelegenheit einen wirksamen Gebrauch zu machen. Auch betrachtete die ganze österreichische Armee das Benehmen des Königs als eine förmliche Beleidigung, und allgemein sprach man es öffentlich aus, daß die Generale sämtlich verdienten, kassiert zu werden, wenn sie eine so verwegene Herausforderung nicht annähmen. Um indes ganz sicher zu gehen, ward ein nächtlicher Überfall, in der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober, beschlossen. Der Hauptschlag sollte gegen den wichtigsten Punkt des preußischen Lagers, gegen die Anhöhen, auf denen Hochkirch sich erhebt und die durch die Zelte des rechten Flügels besetzt waren, ausgeführt werden. Durch die bewaldeten Berghänge, welche die Österreicher besetzt hatten, wurden breite Wege geschlagen, um ohne alles Hindernis die Truppen zu den verschiedenen Punkten hinabführen zu können, von denen aus der rechte Flügel der Preußen auf allen Seiten angegriffen werden sollte. Zugleich war man darauf bedacht, in den Waldungen und auf den Höhen eifrige Befestigungsarbeiten sehen zu lassen, um die Absicht des Angriffes zu verhüllen und die Preußen in ihrer vermeintlichen Sicherheit zu bestärken.

<330>Die Nacht brach ein, und der zu diesem Unternehmen bestimmte Teil des österreichischen Heeres machte sich, in größter Ordnung und Stille, auf den Marsch. Auch dafür hatte man gesorgt, daß selbst der Schall der Tritte und das Rasseln der Kanonen dem Ohre der preußischen Vorposten fern blieb. Eine Menge Arbeiter waren in den Waldungen angestellt, die jenen Schall durch unaufhörliches Fällen von Bäumen, durch lautes Anrufen und Singen übertäuben mußten. Im preußischen Lager hörte man diesen Lärm und glaubte darin eine Fortsetzung jener ängstlichen Befestigungsarbeiten zu erkennen. Unbesorgt begab man sich zur Ruhe, und als auch einzelne Offiziers-Gesellschaften, die sich bis drei Uhr morgens mit Musik ergötzt hatten, verstummten, so breitete sich dunkle Nacht und tiefer Schlummer über das ganze Lager aus.

Die Turmuhr von Hochkirch schlug fünf, und plötzlich begann ein heftiges Gewehrfeuer auf die preußischen Posten, welche außerhalb des Lagers standen. Zu Anfang achtete man darauf wenig, denn in solcher Weise pflegten umherstreifende Panduren fast in jeder Nacht mit den Vorposten zu scharmutzieren. Als aber das Feuer heftiger ward, so griffen die nächsten Bataillone, größtenteils ohne Stiefeletten und Tornister, zu den Waffen und eilten dem Feinde entgegen. Es glückte ihnen, den Angriff zurückzuschlagen. Doch schlichen, als sie das Lager verließen, Kroaten und andere österreichische Truppen in dasselbe und feuerten nun in den Rücken der Preußen, während diese zugleich durch immer größere Übermacht von vorn bedrängt wurden. Ein furchtbares Gefecht erhub sich; Mann kämpfte gegen Mann, und da die Dunkelheit alle gegenseitige Erkennung verhinderte, so suchte ein jeder sich durch blindes Umherschlagen und Stechen, gleichviel ob gegen Freund oder Feind, zu verteidigen. Man tappte nach den Mützen der Gegner umher, und nur die Blechkappen der preußischen und die Bärenmützen der österreichischen Grenadiere gaben hier das Erkennungszeichen. Endlich mußten die Preußen weichen; nur mit großem Verluste konnten sie sich nach Hochkirch durchschlagen. Neue Bataillone kamen, gegen die Österreicher anzukämpfen; wieder drängten <331>sie dieselben zurück, und wieder mußten sie sich, von allen Seiten angegriffen, mit Verlust zurückziehen. Die Österreicher eroberten die Batterie, welche vor Hochkirch stand und welche den rechten Flügel des preußischen Lagers decken sollte, wandten die Geschütze um und beschossen damit das Dorf. Furchtbar wüteten die Kanonenkugeln in den Reihen der Preußen, welche, die lange Dorfgasse hinab, ihnen entgegenzudringen suchten. Nur die Blitze des Geschützes hatten bis dahin die Nacht erhellt; jetzt brach der Morgen an, aber ein dichter Nebel hielt noch geraume Zeit das Dunkel fest.

Erst durch den Donner der Kanonen waren die übrigen Teile der preußischen Armee aus ihrer Ruhe aufgeschreckt worden. Friedrich hatte sein Hauptquartier zur linken Seite des Zentrums, in dem Dorfe Rodewitz. Auch er ward erst jetzt erweckt und eilte sich anzukleiden. Kaum war er aus seiner Wohnung getreten, so erhielt er die Nachricht von den Verlusten des rechten Flügels, und als er zu Pferde stieg, begrüßten ihn schon die aus seinem eignen Geschütz abgeschossenen Kugeln. Noch aber war Hochkirch selbst nicht in den Händen der Feinde; noch hatte ein Bataillon die Gärten des Dorfes besetzt, ein zweites auf dem Kirchhofe eine feste Stellung genommen. Friedrich glaubte noch immer nicht an einen allgemeinen Angriff des Feindes; er beorderte einzelne Brigaden, den rechten Flügel zu unterstützen und die Österreicher von ihrer eingenommenen Stellung zu vertreiben. Der Feldmarschall Keith setzte sich an die Spitze einiger Bataillone; er drang zur Seite von Hochkirch vor, eroberte die preußische Batterie wieder und trieb den Feind beträchtlich zurück. Aber nun wurde er von der Übermacht eingeschlossen; man mußte sich mit dem Bajonett einen Rückweg bahnen, und Keith sank, von einer Gewehrkugel durchbohrt, entseelt zu Boden. <332>Die Österreicher drangen in Hochkirch ein und besetzten das Dorf, das in Flammen aufging, dessen Kirchhof jedoch immer noch mutvoll durch die Preußen verteidigt ward. Der Prinz Franz von Braunschweig rückte mit neuen Truppen den Österreichern entgegen; auch er hatte zu Anfange günstige Erfolge, aber auch er ward bald zur Umkehr genötigt und, ebenso wie Keith, blieb auch er auf dem Platze. Nicht andere Erfolge hatte der Fürst Moritz von Dessau, der tödlich verwundet aus dem Gefechte getragen ward. Immer neue Truppenmassen wurden von österreichischer Seite in das Dorf geführt, und endlich gelang es ihnen, auch des Kirchhofes Meister zu werden. Hier hatte sich, wie in einer kleinen Festung, jenes eine Bataillon, unter dem Major von Lange, mit standhafter Beharrlichkeit gegen die Angriffe von sieben österreichischen Regimentern gewehrt. Jetzt aber hatten die tapferen Preußen sich verschossen; von allen Seiten eingeschlossen, suchten sie sich mit Säbel und Bajonett durchzuschlagen, aber fast alle, der Major nicht ausgeschlossen, blieben sterbend oder verwundet auf dem Boden zurück, den sie so lange verteidigt. Noch einmal suchte Friedrich den Österreichern die errungenen Vorteile zu entreißen. Er selbst führte sechs Bataillone in den Kugelregen hinein; sein Pferd ward verwundet; kaltblütig bestieg er ein anderes und wich, trotz aller Bitten, mit denen ihn seine Getreuen bestürmten, nicht eher von der Stelle, als bis er sah, daß seinem Anstrengungen erfolglos blieben.

<333>Endlich war der Nebel gefallen. Ein heller Tag beleuchtete die traurigen Zeichen des blutigen Nachtkampfes. Friedrich zog nun diejenigen seiner Truppen, die bisher teil am Gefechte gehabt, zurück und stellte sie, Hochkirch gegenüber, in einer festen Linie auf. Der linke Flügel seiner Armee hatte bis dahin am Gefechte noch keinen Teil genommen. Jetzt geschah, dem von Daun entworfenen Plan gemäß, auch auf dieser Seite ein Angriff, der durch andere Abteilungen des österreichischen Heeres unternommen ward. Nach mutiger Gegenwehr wurden auch hier die Preußen genötigt, sich zurückzuziehen und die Batterie, welche den linken Flügel des Lagers decken sollte, ebenfalls den Feinden zu überlassen. Aber aufs neue stellten sie sich in Schlachtordnung. In diesem Augenblicke traf ein besonderes Korps preußischer Truppen in der Nähe der Walstatt ein, welches einen ferner gelegenen Punkt besetzt gehabt und einige Angriffe, die von seiten der Österreicher auf dasselbe geschahen, glücklich zurückgeschlagen hatte. Hiedurch wurde die Stellung der preußischen Armee in einer Weise gesichert und ausgefüllt, daß man mit Zuversicht neuen Angriffen entgegensehen konnte. Daun indes fand es für zweckmäßiger, das Gewonnene festzuhalten, statt noch einmal das Waffenglück mit einem gefährlichen Feinde zu wagen. Überdies hatte ihm der nächtliche Angriff den Kern seiner besten Truppen gekostet, und nur mit Mühe brachte er es jetzt dahin, seine Scharen, die sich in bunter Unordnung durcheinanderdrängten, in feste Linien zusammenzuziehen. Er begnügte sich, eine Stellung anzunehmen, in welcher seine Armee, statt aufs neue anzugreifen, vor einem Angriffe geschützt blieb, und sah in Ruhe zu, als Friedrich sich zum Rückzuge anschickte. Dieser Rückzug, den ein geschlagenes Heer, noch im Bereiche der feindlichen Kanonen, unternahm, geschah mit so vieler Ruhe, Gemessenheit und systematischen Ordnung, daß man das Schauspiel eines friedlichen Exerzierplatzes vor sich zu sehen glaubte, und daß selbst die Österreicher zur Bewunderung hingerissen wurden.

Die Verluste, welche der leidenschaftliche Kampf herbeigeführt, waren sehr bedeutend. Die Preußen zählten etwa 9000 Mann, die sie verloren; die Österreicher zwar nicht weniger, aber jene hatten zugleich den Tod der trefflichsten Heerführer zu beklagen und überdies waren ihnen 101 Geschütze, 28 Fahnen, 2 Standarten und der größte Teil ihrer Zelte genommen. Gleichwohl ging Friedrich nur auf eine Stunde Entfernung vom Schlachtfelde zurück und ließ hier, auf den Höhen zur Seite von Bautzen, seine Truppen ein Lager beziehen, so gut sie dasselbe eben, ohne Gezelte und Gepäck, aufzuschlagen imstande waren. Auch bemühte er sich, seinen tapferen Soldaten Mut einzusprechen: er hatte die Freude, zu sehen, dass es ihnen hieran wenigstens nicht fehle. Als die Regimenter an ihm vorüber zu <334>der Lagerstätte zogen und ein Trupp von Kanonieren und Grenadieren vorbeikam, rief er diesen mit Laune zu: « Kanoniers, wo habt ihr eure Kanonen gelassen? » — « Der Teufel hat sie bei Nachtzeit geholt! » war die Antwort. — « So wollen wir », erwiderte Friedrich, « sie ihm bei Tage wieder abnehmen! Nicht wahr, Grenadiers? » — « Ja », sagten diese im Vorbeigehen, « das ist recht! Sie sollen uns auch Interessen dazu geben! » — Friedrich lächelte und sagte: « Ich denke auch dabei zu sein! » — Einem Offizier sagte er: « Daun hat mir heute einen glupischen Streich gespielt! » Jener antwortete, es sei eine bloße Fleischwunde, die bald zu heilen dem Könige nicht schwer fallen werde. — « Glaubt Er das? » versetzte der König. — « Nicht allein ich », fuhr der Offizier fort, « sondern die ganze Armee traut dies Ew. Majestät vollkommen zu. » — « Er hat recht! » gab nun der König zur Antwort und faßte, wie er es bei vertraulicher Unterredung pflegte, einen Knopf an der Uniform des Offiziers: « Er soll sehen, wie ich Daun fassen werde; ich bedaure einzig, daß heut soviel brave Leute ums Leben kommen mußten. » — Es sind uns noch manche ähnliche Reden dieses Tages, in denen das traurige Schicksal der Armee mit kühner Laune besprochen ward, aufbehalten.

Im Innern aber fühlte Friedrich wohl, wie bedenklich aufs neue seine Lage geworden war, wie ihn vor allen die Schuld dieses Mißgeschickes treffe, und wieviel er namentlich an seinen Heerführern verloren hatte. Keith war überdies einer seiner vertrautesten Freunde gewesen. Und wie ihn nach der Schlacht von Kolin, die Bitterkeit seines Kummers zu vermehren, die Nachricht von dem Tode seiner Mutter traf, so jetzt die von dem Tode seiner geliebten Schwester, der Markgräfin von Bayreuth. Sie war an dem Tage des Überfalls von Hochkirch gestorben. Diese Nachricht berührte ihn tiefer, als alles übrige Leiden; an der Markgräfin hatte er <335>die teilnehmende Freundin seiner Jugend, die innigste Genossin seiner geistigen Freuden, die Stütze seines Gemütes unter den bedrohlichen Verhältnissen der Gegenwart verloren. Von seiner innigen Liebe zu ihr zeugt unter anderm ein Gedicht, das er wenige Tage zuvor geschrieben hatte und in dem er sie über die Krankheit, die ihr Leben schon bedrohte, zu trösten beabsichtigte. Die Schlußworte dieses Gedichtes, in dem er sein eignes Leben als Opfer für die Genesung der Schwester bereitstellt, lauten also:

Wenn das Geschick, unbeugsam uns beherrschend,
Ein blutig Opfer fordert — dann, ihr Götter,
Erleuchtet seinen richterlichen Spruch,
Daß seine strenge Wahl auf mich nur falle.
Dann will gehorsam ich und ohne Murren
Erwarten, daß der unerweichte Tod,
Von meiner Schwester seinen Schritt abwendend,
Abstumpfe seiner Sichel Glanz an mir.
Doch wenn so hohe Gunst, als ich erbitte,
Nicht einem Sterblichen zuteil kann werden, —
O meine Götter! Dann gewähret mir,
Daß beid' an einem Tage wir hinab
Zu jenen Fluren steigen, die von Myrten
Lieblich beschattet sind und von Zypressen,
Zu jenem Aufenthalt des ew'gen Friedens, —
Und daß Ein Grab umschließe unsern Staub!

Das Gedicht war noch nicht abgesandt worden; jetzt schickte er es mit einigen Zeilen, in denen sich der tiefste Schmerz ausspricht, dem Gemahl der Verstorbenen zu. Einige Monate später schrieb er ein Gedicht an den Lord Marschall Keith, ihn über den Tod des bei Hochkirch gefallenen Bruders zu trösten. Auch hier klingt das tiefe Gefühl des Leidens bei dem Verlust der Freunde durch. Eine Stelle darin ist zu charakteristisch für die Empfindsamkeit seines Herzens, als daß sie hier übergangen werden dürfte. Sie heißt:

Oft wähn' ich Reich und Leben zu verlieren,
Und nimmer noch vermochte das Geschick,
Das soviel Fürsten gegen mich vereint,
Zum Gegenstand des Mitleids mich zu machen.
Doch löset es der Freundschaft heilig Band,
Dann, teurer Lord, schlägt es mich grausam nieder: —
Achill auch war nicht gänzlich unverwundbar!

Auch an anderen Zeugnissen fehlt es nicht, die uns in die damalige Stimmung des gebeugten Königs blicken lassen. So wird berichtet, daß ihn sein Vorleser, <336>le Catt, als die Nachricht von dem Tode der Markgräfin eingelaufen war, eines Abends in den Predigten des berühmten Kanzelredners Bourdaloue lesend fand. Le Catt, den König zu erheitern, redete ihn scherzend an: « Es scheint, als wollten Ew. Majestät gar bigott werden. » Friedrich antwortete nichts; und als der Vorleser am nächsten Tage zur gewöhnlichen Stunde wiederkam, reichte er ihm eine Rolle schwarzgeränderten Papiers, mit dem Bedeuten, die Schrift in seiner Wohnung durchzulesen. Es war eine Predigt über einen besondern biblischen Text, die Friedrich, seinen gegenwärtigen Umständen gemäß, ausgearbeitet hatte. Le Catt hielt es für seine Pflicht, dem Könige Trost einzusprechen; dieser dankte für die Teilnahme, versicherte, daß er alles zur günstigen Veränderung seiner Lage versuchen werde, und schloß mit den bedeutenden Worten: « Auf allen Fall habe ich etwas, womit ich das Trauerspiel schließen kann. » Aber nicht dies geheimnisvolle fremde Etwas (ohne Zweifel das Gift, das er bei sich trug), die eigne Größe seines Geistes war es, was der traurigen Katastrophe schnell eine wunderbare Wendung gab. Wie er seinen Schmerz bezwingen und ihm Worte — hier merkwürdigerweise die Worte der Kanzel — zu verleihen wußte, so auch hatte er bereits alle Verhältnisse der Gefahr, die ihn äußerlich umfangen hielt, überschaut und sie seinem Glücke dienstbar gemacht; so konnte er, während Daun die günstige Zeit zu keinem erneuten Angriffe benutzte, mit Zuversicht die kühnen Worte aussprechen, die in eines jeden andern Munde eitel Prahlerei gewesen wären: « Daun hat uns aus dem Schach gelassen, das Spiel ist nicht verloren; wir werden uns hier einige Tage erholen, alsdann nach Schlesien gehen und Neiße befreien! »

<337>In der Tat vollführte Friedrich in kurzer Frist, aller Welt zum Erstaunen, das, was einem andern nur als die Frucht des vollständigsten Sieges zuteil geworden wäre. Daun hatte nach seinem Siege nichts Eiligeres zu tun gehabt, als den ambrosianischen Lobgesang anstimmen zu lassen, die erbeuteten Trophäen kunstreich aufzubauen, Siegesfeste anzustellen, Kuriere nach Wien und nach den Residenzen aller verbündeten Mächte zu entsenden und endlich sich aufs neue in einem festen Lager mit Sorgfalt zu verschanzen. Durch alles dies glaubte er die Erfolge seines Sieges so wohl vorbereitet, daß er dem General, welcher die Belagerung von Neiße leitete und in der Tat schon auf eine drohende Weise vorgerückt war, die Meldung machte: « Betreiben Sie Ihre Belagerung unbesorgt; ich halte den König fest; er ist von Schlesien abgeschnitten, und wenn er mich angreift, stehe ich Ihnen für den guten Erfolg. »

Friedrich aber hatte dem Prinzen Heinrich, der in Dresden geblieben war, den Befehl zugesandt, mit einem Teil der dortigen Armee, mit Geschützen, Munition und Proviant aufzubrechen und zu ihm zu stoßen. Ungestört vereinigten sich beide Heere bei Bautzen. Nun wurden die Verwundeten nach Glogau entsandt, und Friedrich machte noch einige andere Bewegungen, die den österreichischen Heerführer glauben ließen, er werde sich mit seiner ganzen Armee dahin zurückziehen und ihm in Sachsen freie Hand lassen. Unerwartet aber brach Friedrich am Abend des 24. Oktober auf, umging das wohlverschanzte Lager der Österreicher und marschierte auf Görlitz. Erst am folgenden Tage erfuhr Daun den Abmarsch der Preußen, durch den all seine schönen Pläne zerstört wurden; im Gegenteil mußte er jetzt wegen seiner Magazine in der Lausitz, die den Preußen offen standen, besorgt werden. Eilig folgte er also Friedrich zur Seite und besetzte, während jener in Görlitz einrückte, die seitwärts gelegenen Höhen. Dem Könige von Preußen wäre wiederum eine Schlacht erwünscht gewesen, aber Daun verließ seine schützenden Höhen nicht. So rückte Friedrich denn in eiligen Märschen nach Schlesien fort, während Daun, als er seine Magazine in Sicherheit sah, sich nach Dresden umwandte und nur durch seine leichten Truppen den Marsch der Preußen, ohne weiteren Nachteil, beunruhigen ließ. Am 7. November empfing Friedrich die frohe Nachricht, daß die Österreicher, auf die Kunde von seiner Annäherung, bereits die Belagerung von Neiße aufgehoben hätten und nach Mähren zurückgekehrt seien; hierauf war auch bald der Abmarsch sämtlicher österreichischer Korps aus Schlesien erfolgt. Friedrich machte nun noch einen Besuch in Neiße, sich der Trefflichkeit der von ihm angelegten Werke, die dem Bombardement widerstanden hatten, zu erfreuen, sah sich aber sodann wiederum zur schnellen Rückkehr nach Sachsen genötigt.

<338>Um sein Vorhaben nachdrücklich ausführen zu können, hatte Friedrich in Dresden nur einen geringen Teil seiner Armee zurückgelassen; zu dessen Verstärkung waren die preußischen Korps, die den Schweden und Russen gegenüberstanden, zurückberufen. Ehe die letzteren aber eintrafen, war Daun bereits aufs neue vor Dresden gerückt, und auch die Reichsarmee, die bis dahin unbeweglich geblieben war, hatte schon einige Schritte vorwärts versucht. Da die preußische Armee jetzt allzu schwach, die Besatzung von Dresden, unter dem General Schmettau, aber wohl ausgerüstet war, um auf einige Zeit eine Belagerung aushalten zu können, so beschloß man, eine Schlacht zu vermeiden, die Armee von Dresden zurückzuziehen und so den österreichischen Heerführer zu einer Belagerung zu veranlassen, bis genügende Kräfte zum Entsatz vorhanden seien. Für Daun war dieser Entschluß sehr erwünscht; er hoffte durch die Eroberung von Dresden seinen Feldzug auf eine glorreiche Weise schließen zu können. Als er sich aber zur förmlichen Belagerung anschickte, ließ ihm der General Schmettau sagen, er werde sich, auf den Fall einer weiteren Annäherung, genötigt sehen, die Vorstädte von Dresden abzubrennen. Die Warnung blieb unbeachtet, und die Drohung ging, am 10. November, in Erfüllung; es brannten 180 Häuser ab. Dies Verfahren, das indes durch die strenge Notwehr gerechtfertigt ward, empörte den österreichischen Feldmarschall; er ließ Schmettau wissen: « Nach solchen, in einer Residenz unerhörten Maßnehmungen, müsse der Kommandant für sein Benehmen persönlich verantwortlich bleiben. » Vielleicht dachte Daun in diesem Augenblicke nicht daran, daß die österreichische Armee im vorigen Jahre, als das blühende Zittau — überdies dem bundesverwandten Sachsen zugehörig — ohne alle Not eingeäschert ward, gar ärgere Schuld auf sich geladen hatte. Schmettau gab auch einfach zur Antwort: « Er sei beordert, die Stadt zu verteidigen; nähere sich der Feind noch mehr, so gehe auch der Überrest der Vorstädte im Feuer auf, und mit noch weiterem Vordringen treffe dies Schicksal jede Straße, in der er sich vom Walle bis ins Schloß verteidigen werde, um hier den Ausgang der Begebenheiten abzuwarten. »

Jetzt kam die Nachricht, daß Friedrich aufs neue nach Sachsen zurückkehre. Und da nun auch noch ein paar Unternehmungen von Seiten der Reichsarmee auf Torgau und Leipzig, zum Teil durch die aus Pommern heranrückenden Korps, vereitelt wurden, so fand Daun in der Antwort, die ihm Schmettau gegeben hatte, genügenden Grund, den ernsteren Kampf, der leicht den Wert seiner bei Hochkirch errungenen Lorbeeren herabsetzen konnte, zu unterlassen. Er ließ jenem sagen, er gebe aus Achtung vor der königlich polnischen Familie und aus Menschenliebe die Unternehmung auf Dresden auf. Er ging nunmehr nach Böhmen zurück; die Reichsarmee hatte sich schon vorher auf den Weg nach Franken gemacht, und so fand <339>Friedrich, als er in Dresden eintraf, keinen Feind mehr im Lande. Er sandte nun die aus Pommern berufenen Korps gegen die Schweden zurück, die inzwischen vorgedrungen waren, aber schnell wieder auf Stralsund zurückgetrieben wurden.

So war wiederum ein Feldzug beendet, ohne daß Friedrich, außer denjenigen Teilen seines Gebietes, die im fernen Westen und Osten besetzt blieben, eine Einbuße erlitten und ohne daß er von Sachsen etwas verloren hätte. In Ruhe konnte er seine Truppen die Winterquartiere beziehen lassen.

Für Daun aber war noch eine besondere Ehre aufbehalten. Nicht genug, daß ihm die Kaiserin für seinen bei Hochkirch errungenen Sieg aufs schmeichelhafteste Dank gesagt, auch der Papst — Clemens XIII., der in diesem Jahre zur Regierung gekommen war und es vergessen zu haben schien, wie parteilos Friedrich für seine katholischen Untertanen gesorgt, — betrachtete diesen Sieg als ein für die Kirche hochwichtiges Ereignis. Er verehrte dem österreichischen Feldmarschall einen geweihten Degen, mit goldnem Knopf und in rotsamtener Scheide, und einen geweihten Hut, von Karmoisinsammet, mit Hermelin gefüttert und mit Golde eingefaßt, vorn mit einer perlengestickten Taube, dem Symbole des heiligen Geistes, der über den gebenedeiten Waffen des Heerführers schweben sollte. Solche Auszeichnung verriet eine fürchterliche Gesinnung gegen den König von Preußen, denn sie war bis dahin nur denjenigen zuteil geworden, welche die heilige Lehre des Christentums gegen die Waffen der Ungläubigen beschirmen sollten. Aber sie war unweise gewählt, denn sie gab es klar zu erkennen, daß Preußen fortan der entschiedene Beruf obliege, gegen Fanatismus, Unduldsamkeit und Geistesdruck in die Schranken zu treten. Sie wandte nur um so mehr alle hellen Gemüter dem großen Könige zu, ohne von ihrer Seite irgend zu selbständigen Erfolgen zu führen. Denn wenn sich auch, infolge solcher Gesinnung, der Kurfürst von Köln bewogen fand, seinen protestantischen Untertanen die Freude über preußische Siege bei schwerer Strafe verbieten zu lassen, so legte das <340>wahrlich kein Gewicht mehr in die Schale der Feinde Friedrichs. Und Friedrich, ebenso rüstig mit der Feder kämpfend wie mit dem Schwerte, ließ die Gelegenheit nicht vorübergehen, ohne eine Reihe satirischer Schriftchen als fliegende Blätter in die Welt zu senden und durch sie die ganze Lächerlichkeit eines Unternehmens bloßzustellen, das die Gegenwart wieder in das Mittelalter zurückzuschrauben beabsichtigte.

<341>

ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL Feldzug des Jahres 1759. Kunersdorf.

Drei Jahre des Kampfes waren vorübergegangen. Viele schwere Schlachten waren geschlagen, in Strömen war das Blut vieler Tausende geflossen, blühende Fluren lagen verödet, Städte und Dörfer waren in Schutt und Asche gesunken, unzählige Familien einst begüterter Menschen irrten als Bettler umher; aber noch war der Haß der Gewaltigen nicht abgekühlt, noch hatten sie die Hoffnung nicht aufgegeben, den kleinen preußischen Staat, der sich unberufen, wie sie es meinten, in ihre Reihen eingedrängt, von seiner Höhe herabzustürzen. Friedrich hätte gern die Waffen aus seiner Hand gelegt; er war kein unersättlicher Eroberer, er kannte keinen Haß, als den gegen das Schlechte und Gemeine; er war der unausgesetzten Anstrengungen müde, zu denen ihn die übergroße Schar seiner Feinde zwang: « In der Ferne (so schrieb er im Anfange des Jahres 1759 an seinen Freund, den Marquis d'Argens) mag meine Lage einen gewissen Glanz von sich werfen: kämen Sie ihr näher, so würden Sie nichts als einen schweren, undurch<342>dringlichen Dunst finden. Fast weiß ich nicht mehr, ob es ein Sanssouci in der Welt gibt; der Ort sei, wie er wolle, für mich ist dieser Name (« ohne Sorge ») nicht mehr schicklich. Kurz, mein lieber Marquis, ich bin alt, traurig, verdrießlich. Von Zeit zu Zeit blickt noch ein Schimmer meiner ehemaligen guten Laune hervor; aber das sind Funken, die geschwind verlöschen, weil es ihnen an Glut fehlt, die ihnen Dauer geben könnte. Es sind Blitze, die aus dunkeln Wetterwolken hervorbrechen. Ich rede aufrichtig mit Ihnen: sähen Sie mich, Sie würden keine Spur mehr von dem, was ich ehemals war, erkennen. Sie würden einen alten Mann finden, dessen Haare grau werden, der die Hälfte seiner Zähne verloren hat, ohne frohen Sinn, ohne Feuer, ohne Lebhaftigkeit, — kurz, ebensowenig den ehemaligen, als es die Überbleibsel von Tuskulum sind, von denen die Architekten, aus Mangel an Ruinen, die die eigentliche Wohnung Ciceros andeuten könnten, so viel eingebildete Pläne entworfen haben. Das sind, mein Bester, die Wirkungen, nicht sowohl der Jahre, als der Sorgen; die traurigen Erstlinge der Hinfälligkeit, die uns der Herbst unsers Alters unausbleiblich mitbringt. Diese Betrachtungen, die mich sehr gleichgültig gegen das Leben machen, versetzen mich gerade in den Zustand, in welchem ein Mensch sein muß, der bestimmt ist, sich auf Leben und Tod zu schlagen: mit dieser Gleichgültigkeit gegen das Leben kämpft man mutiger und verläßt diesen Aufenthalt ohne Bedauern. »

Friedrich hatte den Winter zu neuen Rüstungen, soweit es seine Kräfte gestatteten, benutzt; aber er war entschlossen, den neuen Feldzug nicht mehr, wie bisher, mit einem Angriffskriege zu eröffnen, sondern, seine Grenzen beschirmend und sichernd, die Unternehmungen der Feinde abzuwarten.

Indes betraten wiederum, wie im vorigen Jahre, die Armee der Verbündeten unter Herzog Ferdinand von Braunschweig und die Armeen der Franzosen zuerst den Schauplatz des Krieges. Noch im Winter hatten die Franzosen, unter Soubise, Frankfurt am Main überrumpelt, obgleich diese Stadt, die ihr Kontingent zur Reichsarmee stellte, nichts glaubte von den Bundesgenossen des Reichs befürchten zu dürfen. Durch den Besitz von Frankfurt war den Franzosen die Verbindung mit den Österreichern und mit den Reichstruppen, sowie alle nötige Zufuhr gesichert; darum war Herzog Ferdinand vorzugsweise darauf bedacht, ihnen diesen wichtigen Punkt wieder zu entreißen. Er rückte gegen sie vor. Am 13. April kam es bei Bergen, in der Nähe von Frankfurt, zur Schlacht; doch die Franzosen, bei denen Broglio an Soubises Stelle als Oberbefehlshaber eingetreten war, behaupteten ihre Stellung. Sofort drangen beide französische Armeen wieder in Deutschland vor; Kassel, Münster und Minden mit bedeutenden Abteilungen der verbündeten Truppen fielen in ihre Hände. Ferdinand aber hatte die Weser behauptet. Bei <343>Minden trat er der überlegenen französischen Nordarmee, unter Contades, entgegen und erfocht am 1. August einen glänzenden Sieg, während gleichzeitig ein besondres französisches Korps durch seinen Neffen, den Erbprinzen von Braunschweig, vernichtet wurde. Eine Reihe anderer glücklicher Gefechte schloß sich hieran an, und in kurzer Frist sahen sich die Franzosen genötigt, alle glänzenden Erwerbungen dieses Jahres wiederum aufzugeben. Den Beschluß des siegreichen Feldzuges machte die Überrumpelung von Fulda, welches durch den Herzog von Württemberg besetzt war, der als französischer Söldner die Armee des Feindes mit 12,000 Mann verstärkt hatte. Auch er mußte sich mit großem Verluste bis an den Main zurückziehen.

Auf preußischer Seite begann das ernsthafte Spiel des Krieges erst im Sommer. Friedrich wollte diesmal, wie bemerkt, die Bewegungen der Feinde abwarten, um dann den günstigsten Augenblick zur Abwehr erspähen zu können; gleichwohl hatte indes auch er nicht eben müßig zugesehen. Da in jener Zeit alle Heeresbewegungen auf der Verpflegung aus Magazinen beruhen mußten, so hatten die Gegner auf den verschiedenen Seiten, wo sie die preußischen Staaten umlagerten, beträchtliche Vorratshäuser zur Unterstützung ihrer bevorstehenden Unternehmungen angelegt. Konnte Friedrich diese zerstören, so mußten die Feinde natürlich auf eine sehr empfindliche Weise gehemmt werden. Friedrich ergriff demnach seine Maßregeln. Schon im Februar ließ er ein Korps in Polen einrücken, wo die Russen längs der Warthe ihre Magazine angelegt hatten. Hiebei galt es zunächst, die Unternehmungen eines polnischen Grafen, des Fürsten Sulkowski, rückgängig zu machen, indem dieser, trotz der Parteilosigkeit, welche die polnische Republik behauptete, und trotz dem, daß seine Residenz Reisen der schlesischen Grenze ganz nahe lag, ansehnliche Lieferungen für die Russen veranstaltete und selbst Truppen für sie warb. Er ward samt seiner Leibwache aufgehoben und nach Glogau transportiert; außerdem aber gelang es den Preußen, in Polen Vorräte zu zerstören, aus denen 50,000 Mann auf drei Monate verpflegt werden konnten. Eine zweite Expedition der Art sollte von Oberschlesien aus nach Mähren unternommen werden; diese führte zwar an sich zu keinem Erfolge; doch bewirkte sie, daß Daun, einen Einfall des Königs in Mähren befürchtend, seine Hauptmacht nach dieser Seite zog und dadurch die böhmischen Grenzen gegen Sachsen hin bloßgab. Nun ließ Prinz Heinrich, der die preußische Armee in Sachsen befehligte und schon die Vortruppen der Reichsarmee aus Thüringen zurückgedrängt hatte, verschiedene Korps in Böhmen einrücken, die in der kurzen Frist von fünf Tagen alle dort befindlichen Magazine vernichteten und dem Feinde etwa das Doppelte des in Polen verübten Nachteiles zufügten. Daun sandte eilig Verstärkungen gegen die sächsische Grenze, aber die Preußen waren bereits glücklich <344>zurückgekehrt. Prinz Heinrich war indes nicht gewillt, sich mit diesem einen kühnen Unternehmen zu begnügen; noch ernsthafter und mit noch glücklicherem Erfolge wiederholte er dasselbe gegen die Reichsarmee, die in Franken, zwischen Bamberg und Hof, aufgestellt war. Er rückte in verschiedenen Kolonnen gegen dieselbe vor. In eiligem Laufe floh eine Abteilung der Reichsarmee nach der andern zurück und sammelte sich erst bei Nürnberg wieder; eine große Anzahl von Gefangenen und sämtliche Hauptmagazine fielen in die Hände der Preußen. Nachdem die letzteren in den fränkischen Städten bedeutende Kontributionen eingetrieben und vergeblich versucht hatten, den Feind zum Stehen zu bringen, damit es auf solche Weise zu einer entscheidenden Schlacht käme, kehrten sie wieder nach Sachsen zurück, wo jetzt ihre Gegenwart nötig wurde. Diese Expedition fand im Laufe des Maimonates statt.

Bei Gelegenheit dieses fränkischen Zuges ward beiläufig auch gegen diejenige Klasse von Friedrichs Feinden, die, weniger geneigt zu Heldentaten, in Schmähschriften gegen den großen König Ruhm zu erwerben suchte, ein warnendes Beispiel ausgeübt. Ein preußischer Offizier kam mit einigen Soldaten schnellen Rittes nach Erlangen, machte dort einem berüchtigten Zeitungsschreiber seinen Besuch, ließ dem Überraschten eine gemessene Anzahl Stockprügel geben und kehrte mit der förmlichen Quittung, die ihm der Patient über das Empfangene ausgestellt, wieder zur Armee zurück.

Friedrich selbst hatte bisher der österreichischen Hauptarmee, die sich, unter Daun, bei Schurz in Böhmen lagerte, bei Landeshut gegenübergestanden. Als sich diese nördlich nach Mark-Lissa zog, so rückte er ihr ebenfalls nach und bezog mit seiner Armee, vollkommen im Verteidigungssysteme beharrend, ein festes Lager bei Schmottseifen.

Die Bewegung der österreichischen Armee war vorzugsweise durch die inzwischen eingetretenen Unternehmungen der Russen, in deren Operationen die ihrigen einzugreifen bestimmt waren, veranlaßt worden. Die Russen hatten bereits Ende April die Weichsel überschritten und darauf ihre Magazine erneuert. Gegen sie schickte Friedrich jetzt den größeren Teil seines Armeekorps, welches unter dem Grafen Dohna in Pommern stand, mit dem Auftrage, die einzelnen Kolonnen der russischen Armee noch während ihres Marsches anzugreifen. Dohna wußte dies indes nicht möglich zu machen. Der ganze Erfolg seiner Sendung bestand darin, daß er ihnen aufs neue einige Magazine wegnahm, während ihre Korps sich vereinigten und bereits gegen die Oder vorrückten. Da Dohna keine Schlacht wagte, so glaubte Friedrich bessere Erfolge erwarten zu dürfen, wenn er an dessen Stelle einen kühneren Heerführer sende. Er wählte dazu den General Wedell, der sich <345>bereits im Zweiten schlesischen Kriege den Ehrennamen des preußischen Leonidas erworben und auch bei Leuthen sich aufs rühmlichste ausgezeichnet hatte. Wedell aber war einer der jüngsten Generale der Armee; um daher seine älteren Genossen nicht zu kränken, wohl aber auch, um ihn durch eine ganz ungewöhnliche Ehre zur höchsten Begeisterung zu entflammen, ernannte ihn Friedrich förmlich, nach römischer Sitte, zum Diktator. « Bei dem Heere stellt Er nunmehr (mit diesen Worten entließ ihn der König) meine Person vor; was Er befiehlt, geschieht in meinem Namen, als wäre ich selbst gegenwärtig. Ich habe Ihn bei Leuthen kennengelernt, und setze in Ihn das unbegrenzte Vertrauen, Er werde ebenso, wie mancher von den Römern ernannte Diktator, auch meine Angelegenheiten an der Oder verbessern. Ich befehle ihm daher, die Russen anzugreifen, wo Er sie findet, sie tüchtig zu schlagen und dadurch ihre Vereinigung mit den Österreichern zu verhindern. »

Wedell traf die Russen in der Gegend von Züllichau, wo sie, bei dem Dorfe Kay, eine sehr günstige Stellung angenommen hatten. Ohne darauf zu achten und nur an den Befehl des Königs gedenkend, griff er sie, am 23. Juli, mit seiner dreimal geringeren Macht an. Aber die persönliche Tapferkeit des Diktators und seiner Untergebenen fruchtete nichts gegen die Übermacht und gegen die Ungunst der örtlichen Verhältnisse. Vergebens waren die bis zur Nacht fortgesetzten Angriffe; die Preußen mußten mit einem Verluste von mehr als 8000 Mann das Feld räumen. Die Russen rückten bis Frankfurt vor, und hier stieß ein österreichisches Korps, von Loudon geführt, zu ihnen.

Jetzt war für Friedrich die größte Gefahr im Anzuge. Schnell entschloß er sich, in eigner Person den Russen entgegenzutreten. Er berief den Prinzen Heinrich mit <346>dem größeren Teile seiner Armee aus Sachsen zu sich, übergab ihm das Kommando in dem Lager von Schmottseifen und machte sich selbst mit einem ansehnlichen Truppenkorps, das er mit dem Wedellschen Korps vereinigte, auf den Weg nach Frankfurt.

Die russische Armee, vom General Soltikof geführt, hatte am jenseitigen Oderufer eine feste Stellung eingenommen. Auf einer Hügelreihe, die sich von Frankfurt aus östlich zieht und vor der das Dorf Kunersdorf liegt, hatte sie sich gelagert und den Abfall der Hügel durch starke Batterien gesichert. Friedrich fand es für angemessen, an Frankfurt vorüberzuziehen und zwischen dieser Stadt und Küstrin über den Strom zu setzen. So kam er in einem weiten Bogen der einen Seite des russischen Heeres gegenüber. Am 11. August hatte er diese Stellung erreicht. Die Stärke der russischen Armee, mit Einschluß des österreichischen Hilfskorps unter Loudon, betrug ungefähr 70,000 Mann; Friedrich hatte ihnen 43,000 Mann entgegenzusetzen.

Am 12. August, früh um 2 Uhr, brach die preußische Armee zum Angriff auf. Sie zog sich, da der Boden von Seen und Bächen durchschnitten war, aufs neue in einem Bogen seitwärts, und marschierte nun durch einen Kiefernwald dem linken Flügel des Feindes entgegen. Es war bereits 11 Uhr des Vormittags, als man den Saum des Waldes erreicht hatte und sich zum Angriff stellte; die Hitze war drückend, und die Armee hatte schon zwei Nächte nur wenig geruht. Kanonen waren aufgefahren, und alsbald entspann sich mit den feindlichen Batterien ein heftiges Geschützfeuer. Dann rückte die preußische Infanterie gegen die Anhöhen vor, auf denen der Feind stand. Trotz des feindlichen Kugelregens kletterte sie mutig über den Verhack, den die Russen zum Schutz ihrer Stellung angelegt hatten, erstieg die Anhöhen und eroberte die Batterien. Ein russisches Regiment nach dem andern wurde geworfen; bald waren die Preußen im vollkommenen Besitz der Anhöhen, welche die Stellung des linken russischen Flügels ausgemacht hatten; eine große Menge von Gefangenen und von feindlichen Kanonen war in ihren Händen. Erst jenseit einer Schlucht mit steil abfallenden Seitenwänden, der Kuhgrund genannt, sammelten sich die Russen wieder und stellten den Preußen neugeordnete Scharen entgegen. Doch war das für die Preußen kein Hindernis; sie sprangen in die Schlucht hinab und erkletterten den steilen Rand auf der andern Seite. Vergebens bemühten sich die Russen, sie wieder hinabzustürzen; sie behaupteten sich siegreich auch auf dieser Seite und trieben wiederum ein feindliches Regiment nach dem andern zurück.

Es war 5 Uhr nachmittags. Zwei Dritteile des Feindes waren geschlagen und aus ihrer Stellung vertrieben, 90 Kanonen waren in den Händen der Preußen, <347>der Sieg war so gut wie entschieden, und schon flogen Kuriere mit der freudigen Nachricht nach Berlin. Es war vorauszusehen, daß der Feind nach einem so gewaltigen Schlage nur auf den Rückzug bedacht sein würde. Aber Friedrich war nicht gewillt, dem Geschlagenen goldne Brücken zu bauen; da das Schicksal des Tages ihm bis dahin so günstig gewesen war, so hoffte er, daß es ihm nun auch gelingen würde, die Macht des Gegners gänzlich zu vernichten. Vergebens machte man ihm Vorstellungen, wieviel die eigne Infanterie bereits gelitten habe, wie erschöpft sie von dem heißen Tage sei, wie gefährlich es sei, den Feind zur Verzweiflung zu bringen und wie sein rechter Flügel noch die vortrefflichste Stellung inne habe. In der Tat beherrschten die Anhöhen, auf denen der rechte feindliche Flügel stand (die Judenberge bei Frankfurt), die Reihe der Hügel, die man bis jetzt bereits gewonnen hatte; amphitheatralisch hoben sie sich über diesen empor, und noch war die feindliche Armee reichlich mit Geschützen versehen. Friedrich aber blieb bei seiner Meinung und befahl erneuten Angriff. Im heftigen Gewehrfeuer standen beide Armeen einander gegenüber; aber den Preußen fehlte es an schwerem Geschütz, das in dem sandigen Boden nicht auf die Anhöhen folgen konnte, während die feindlichen Kanonen von den Judenbergen aus furchtbar in ihren Reihen wüteten. Tief erschöpft, vermochten sie bald nicht mehr so regelmäßig zu feuern wie bisher. Sie konnten dem Feinde keinen weiteren Vorteil abgewinnen; aber noch behaupteten sie <348>standhaft ihre Stellung. Jetzt erhielt die preußische Kavallerie, die, durch mancherlei Hindernisse des Bodens aufgehalten, bisher keinen Teil am Gefechte gehabt, den Befehl, auf die feindliche Armee vorzurücken. Aber ein Teil der preußischen Reiter stürzte in Wolfsgruben, die von den Russen angelegt waren, andere wurden von einem wilden Kartätschenfeuer empfangen, und als nun auch einige feindliche Kavallerieregimenter gegen sie ausrückten, so wurden sie bald gänzlich zurückgeworfen.

So war wiederum eine Stunde des Kampfes verflossen. Bisher hatten nur einzelne Regimenter des österreichischen Hilfskorps an dem Gefechte teilgenommen; jetzt gewahrte Loudon, daß für ihn der entscheidende Augenblick gekommen sei. Unverzüglich brach er mit seinen Reiterscharen auf, durchzog, von den Preußen ungesehen, eine tiefe Schlucht, die seit jenem Tage der Loudonsgrund heißt, und fiel plötzlich der preußischen Armee, die schon in Unordnung stand, in die Seite und in den Rücken. Nun vermochte diese nicht mehr ihre Stellung zu behaupten; sie wandte sich zum Rückzuge. Friedrich tat alles, um das Schicksal des Tages festzuhalten; er ermunterte die Seinen zur standhaften Ausdauer, er führte die Bataillone aufs neue dem Feinde entgegen, — umsonst! Schon war ein Pferd unter ihm erschossen, schon waren verschiedene Offiziere und Adjutanten an seiner Seite gefallen, schon mehrere Schüsse durch seine eigne Uniform gegangen, er wich nicht. Ein neuer Schuß traf die Brust des zweiten Pferdes, das er bestiegen; ein Adjutant und ein Unteroffizier, die einzigen, die sich in der Nähe befanden, sprangen hinzu und <349>fingen ihn mit ihren Armen auf, als das Pferd sich eben auf die Seite werfen wollte. Kein Reservepferd war mehr da; er bestieg das des Adjutanten; eine feindliche Kugel schlug an seine Hüfte, aber sie ward durch ein goldnes Etui, das er in der Tasche trug, in ihrem argen Laufe aufgehalten. Jetzt trafen andere Offiziere ein, dem Könige Rapport über den weiteren Verlauf des Unheiles zu bringen; sie baten ihn dringend, die gefährliche Stelle zu verlassen. Er aber rief aus: « Wir müssen alles versuchen, um die Schlacht wieder zu gewinnen: ich muß hier, so gut wie ihr, meine Schuldigkeit tun! » All seine Ausdauer fruchtete zu nichts. Aufs neue drangen die Feinde ungestüm vor, und in wilder Unordnung flohen die Preußen vom Schlachtfelde, sich in den benachbarten Wäldern vor dem Grimme der Gegner zu bergen. Durch das Getümmel hörte man die Stimme des Königs, der in gänzlicher Verzweiflung die Worte ausrief: « Gibt es denn heute keine verwünschte Kugel für mich? »

Ein Trupp preußischer Husaren war unter den letzten auf dem Schlachtfelde. Als auch diese, sich vor den andrängenden Kosakenschwärmen zu retten, ihren Pferden die Sporen gaben, rief plötzlich ein Husar seinem Führer zu: « Herr Rittmeister, da steht der König! » Sich umwendend, erblickte der Offizier den König, der ganz allein, nur in Begleitung eines Pagen, welcher sein Pferd hielt, auf einem Sandhügel stand; er hatte seinen Degen vor sich in die Erde gestoßen und blickte mit ver<350>schränkten Armen dem herannahenden Verderben entgegen. Eilig sprengten die Husaren auf ihn zu. Nur mit Mühe konnte ihn der Rittmeister überreden, sich auf das Pferd zu werfen und auf seine Rettung bedacht zu sein. Endlich folgte er den Bitten des Offiziers und rief: « Nun, Herr, wenn Er meint, vorwärts! » Aber schon waren die Kosaken ganz nahe gekommen. Der Rittmeister wandte sich und schoß den feindlichen Offizier vom Pferde. Das machte die Verfolger einen Augenblick stutzen; Friedrich gewann mit seiner kleinen Schar einen Vorsprung, und jene vermochten ihn nicht wieder einzuholen.

Friedrich übernachtete in einem kleinen Dorfe an der Oder, in einer zertrümmerten Bauernhütte. Die Husaren hatte er ausgesandt, seine zerstreuten Truppen, soviel als möglich, zu sammeln. Nur der Page und ein Livreebedienter waren bei ihm; beide hielten abwechselnd vor dem Hause Wache. Einige Verwundete, die im Dorfe lagen, hörten von der Anwesenheit des Königs und kamen, den Wachedienst zu teilen, bis endlich eine größere Truppenzahl zum Schutze des Königs anlangte. Man hatte ihn selbst bereits tot geglaubt. Friedrich aber war überzeugt, daß, wenn die Russen irgend ihren Sieg benutzten, keine Rettung für ihn möglich sei. Gefangenschaft aber und die zu erwartenden schmachvollen Bedingungen, die sich an seine Freigebung knüpfen würden, gedachte er nicht zu überleben. Darum benutzte er die Nacht, seine letzten Verfügungen zu treffen. Prinz Heinrich sollte Generalissimus seiner Armee werden und diese seinem Neffen, Friedrich Wilhelm, dem fünfzehnjährigen Thronfolger, schwören. Der Hof und die Archive sollten aus Berlin, wohin er die Feinde auf allen Seiten in Anmarsch glaubte, geflüchtet werden. Dem Staatsminister, Grafen Finckenstein, schrieb er: « Ich habe keine Hilfe mehr, und, um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, daß alles verloren ist. Überleben werde ich den Sturz meines Vaterlandes nicht. Leben Sie wohl auf ewig! »

So verzweifelt Friedrichs Lage war, so sehr er für seine eigne Person von jedem Augenblick das Schlimmste befürchten konnte, so fühlte sein Herz doch zugleich <351>die innigste Teilnahme an dem Unheil, das so viele seiner Getreuen betroffen, so rüstig war er zu helfen bedacht, wo er noch helfen konnte. Zwei junge Offiziere seiner Armee waren u. a. auf eine furchtbare Weise verwundet worden; dem einen war durch eine Kanonenkugel der größte Teil des Armes weggerissen, dem andern war eine Kartätschenladung von gehacktem Eisen ins Gesicht und in den Arm geschossen. Man hatte sie in jenes Dorf gebracht, in welchem Friedrich sein Nachtquartier nahm; hier erholten sie sich wieder, allein kein Feldchirurg wollte die schweren Wunden verbinden. Der Erfolg der Schlacht war ihnen noch unbekannt, als Friedrich unerwartet des Abends in die Stube trat, wo sie auf der Erde in ihrem Blute lagen. Seine ersten Worte waren: « Ach Kinder, ihr seid wohl schwer blessiert? » Sie erwiderten: « Ja, Ew. Majestät; allein das ist das wenigste! Wenn wir nur wüßten, ob Sie gesiegt hätten: denn wir hatten schon zwei Redouten hinter uns und waren bei der dritten, als uns das Unglück traf. » Der König sagte: « Ihr habt es bewiesen, daß ihr unüberwindlich seid, das übrige ist Zufall. Verliert nicht den Mut: es wird alles, auch ihr werdet besser werden. Seid ihr schon verbunden? Hat man euch zur Ader gelassen? » — « Nein, Ew. Majestät », erwiderten sie, « kein Teufel will uns verbinden. » — Auf der Stelle ward ein Arzt gerufen, dem Friedrich seinen Unwillen über die schlechten Anstalten zu erkennen gab und befahl, für diese braven Leute alle Sorgfalt zu verwenden. Der Arzt sah die Wunden, zuckte die Achseln und versicherte, daß hier kein Verbinden helfen könne und alle Mittel vergebens wären, wenn auch dem einen der Arm abgenommen würde. Der König faßte die jungen Krieger bei der Hand und zeigte sie dem Arzte mit den Worten: « Hier sehe Er nur, die Leute haben noch kein Fieber! Bei solchem jungen Blute und frischem Herzen pflegt die Natur allezeit Wunder zu tun. » Beide Offiziere wurden in der Tat gerettet, dienten bis zum Frieden und wurden dann mit guten Versorgungen bedacht. Friedrich aber, der in jenem Zimmer hatte übernachten wollen, nahm mit einer schlechteren Behausung vorlieb. Die furchtbaren Bilder der Zukunft hatten ihn auf seinem kümmerlichen Strohlager nicht schlafen lassen. Als ihm am folgenden Morgen ein Offizier berichtete, daß man noch einiges Geschütz gerettet habe, rief er diesem wild entgegen: « Herr, Er lügt! Ich habe keine Kanonen mehr! » Niemand wagte, sich ihm zu nähern. Nur dem alten Obersten Moller klagte er vertraulich sein Leid. Diesen fragte er, wie es doch komme, daß seine Armee nicht mehr soviel leiste wie früher. Moller, vielleicht des Tages von Leuthen und der damaligen frommen Stimmung des Heeres gedenkend, antwortete, daß seit geraumer Zeit schon keine Betstunde mehr in der Armee gehalten sei. Friedrich gab am folgenden Tage den Befehl, daß der Feldgottesdienst fortan wieder in strenger Regelmäßigkeit abgehalten werde.

<352>Die Russen hatten es versäumt, die Früchte ihres Sieges zu pflücken. Ihre Generalität versammelte sich am Abend nach der Schlacht in einem Bauernhause, zu beratschlagen, ob den besiegten Preußen nachzusetzen sei oder nicht. Erschöpft von der Hitze des Tages, ließ man vorerst erfrischendes Getränk kommen, und bald waren darüber die Gedanken an alle weiteren Anstrengungen verschwunden. Friedrich ward in der Nacht nicht weiter beunruhigt; schon am folgenden Morgen sammelte sich ein Korps von 18,000 Mann seiner zerstreuten Truppen um ihn; mit diesen ging er ungestört über die Oder, brach die Brücken ab und lagerte sich zwischen Frankfurt und Küstrin. Er sah jetzt, daß der Feind ihm doch noch Hoffnung übriglasse. Kurz vor der Schlacht hatte er durch einen Adjutanten des Herzogs Ferdinand von Braunschweig die Nachricht von dem glorreichen Siege bei Minden erhalten; er hatte den Botschafter gebeten, bis nach der Schlacht zu verweilen, damit er ihm das Gegenkompliment an den Herzog mitgeben könne. Jetzt entließ er ihn mit den Worten: « Es tut mir leid, daß die Antwort auf eine so gute Botschaft nicht besser hat geraten wollen. Wenn Sie aber auf Ihrem Rückwege noch gut durchkommen und Daun nicht schon in Berlin und Contades in Magdeburg finden, so können Sie Herzog Ferdinand von mir versichern, daß noch nicht viel verloren ist! » — Allmählich erst konnte man die Größe des Verlustes ermessen; über 18,000 Mann, 172 Geschütze, 26 Fahnen und 2 Standarten, außerdem alles eroberte Geschütz, hatten die Preußen verloren. Viele der ersten Offiziere der Armee waren schwer verwundet. Traurig war das Schicksal eines Dichters, den die eben aufblühende deutsche Poesie zu ihren Lieblingen zählte und der tapfer in den Reihen der Preußen mitgekämpft hatte, des Majors Christian Ewald von Kleist. Ein Kartätschenschuß hatte ihm das Bein zerschmettert; Kosaken hatten ihn seiner Kleider beraubt und in einen Sumpf geworfen; russische Husaren hatten ihm darauf einige Pflege angedeihen lassen, aber aufs neue war er von Kosaken ausgeplündert worden. Erst am folgen<353>den Mittage fand ihn ein russischer Offizier, der ihn nach Frankfurt bringen ließ, wo er, trotz der eifrigsten Pflege, am 24. August starb. Im feierlichen Zuge, an dem die Russen ebenso wie die Mitglieder der Frankfurter Universität teilnahmen, ward er begraben; ein russischer Stabsoffizier legte ihm den eignen Degen auf den Sarg, « damit ein so würdiger Offizier nicht ohne dies Ehrenzeichen begraben werde ».

Aber auch der Verlust der feindlichen Armee war nicht gering; er belief sich auf mehr als 16,000 Mann. Darum schrieb Soltikof an seine Kaiserin: « Der König von Preußen pflegt seine Niederlagen teuer zu verkaufen; noch einen solchen Sieg, und ich werde die Nachricht davon, mit dem Stabe in der Hand, allein zu überbringen haben. »

Friedrich war der festen Überzeugung, die Feinde würden jetzt ihren Sieg wenigstens dazu benutzen, in die Mark und nach der wehrlosen Residenz vorzudringen. Genügende Veranlassung gab ihm zu solcher Meinung der Übergang der Russen über die Oder und die Annäherung der österreichischen Hauptmacht unter Daun nach der Niederlausitz. Er zog somit alles, was nur von militärischen Kräften zusammenzubringen war, an sich, ließ neue Geschütze aus seinen Zeughäusern zur Armee kommen und lagerte sich, den Weg nach Berlin verteidigend, bei Fürstenwalde an der Spree. Indes, was jedermann erwarten mußte, geschah nicht. Die Feinde blieben geraume Zeit in ihren Stellungen, ohne etwas zu unternehmen. Daun wünschte den Zug nach Berlin den Russen aufzubürden; Soltikof aber, empfindlich über die bisherige Ruhe der österreichischen Hauptmacht, entgegnete, daß er jetzt zwei Schlachten gewonnen habe und, bevor er seine Truppen aufs neue opfere, erst auf die Nachricht zweier österreichischer Siege warten wolle. So entspann sich ein Zwiespalt zwischen den feindlichen Heerführern, der wesentlich dazu diente, Friedrichs Schicksal zu erleichtern.

<354>Doppelt erwünscht kam dem Könige diese Stockung in den feindlichen Unternehmungen, da sich unterdessen in Sachsen die drohendste Gefahr bereitet hatte. Die Reichsarmee war in das, von Truppen fast ganz entblößte Land eingerückt, hatte in kurzer Frist Leipzig, Torgau und Wittenberg erobert und schritt zur Belagerung von Dresden. Schmettau, der die preußische Besatzung in Dresden kommandierte, schickte sich zu einer ebenso hartnäckigen Verteidigung, wie im vorigen Jahre, an; da empfing er einen Befehl, den Friedrich unmittelbar nach der Niederlage von Kunersdorf, in seiner größten Bedrängnis, geschrieben hatte, daß er es nicht auf das Äußerste ankommen lassen und vornehmlich nur darauf bedacht sein solle, die königlichen Kassen zu retten. Dieser Befehl nahm ihm plötzlich den Mut zur weiteren Verteidigung; er ahnte es nicht, daß Friedrich sofort zwei Korps zum Entsätze gesandt hatte und daß diese schon in der Nähe waren; er kapitulierte, und auch Dresden ging in die Hände der Feinde über.

Prinz Heinrich hatte ruhig in seinem Lager bei Schmottseifen, an der schlesischen Grenze, gestanden und bis dahin für seine Ruhe nur den Spott der Österreicher eingeerntet. Jetzt brach er plötzlich im Rücken des österreichischen Heeres auf, schlug einzelne Abteilungen desselben, vernichtete die Magazine, aus denen Daun seinen Unterhalt bezog, und nötigte diesen, sich gegen ihn zu wenden. Daun gedachte, nach so unangenehmer Veränderung der Dinge, den Prinzen nur von Sachsen abzuhalten; aber dieser kam ihm zuvor. Schon hatten jene von Friedrich abgesandten Korps glückliche Fortschritte gemacht und Heinrich konnte sich nun mit ihnen vereinigen. Daun aber, der um alles Sachsen, das wichtigste Ziel der österreichischen Operationen, nicht aufgeben wollte, verließ hierauf ganz die Stellung in der Nähe der russischen Armee; er wandte sich gegen Prinz Heinrich, und nun begann zwischen beiden eine Reihe künstlicher Manöver, die es, außer manchen einzelnen, für die Preußen glücklichen Gefechten, endlich dahin brachten, daß die Österreicher und die mit ihnen verbundene Reichsarmee den größten Teil ihrer sächsischen Eroberungen verloren, und daß vornehmlich nur Dresden allein in ihren Händen blieb.

Die Russen hatten indes ihr Lager in der Nähe von Frankfurt verlassen und sich südlich, gegen die schlesischen Grenzen, gewandt. Friedrich war ihnen zur Seite gefolgt. Als aber Soltikof hörte, daß Daun sich, statt der russischen Armee eine versprochene neue Verstärkung (das Loudonsche Korps befand sich noch bei den Russen) zuzuschicken, mit seiner ganzen Macht nach Sachsen gewandt habe, als es auch an dem versprochenen Proviant gebrach, da entschloß er sich, nach Polen zurückzukehren. Daun ließ ihm statt des Proviantes eine Unterstützung an Geld anbieten, aber Soltikof antwortete, die Russen äßen kein Geld. Daun jedoch wünschte <355>dringend, Friedrichs Armee von Sachsen abzuhalten; und so ließ sich Soltikof noch einmal bewegen, in seinem Marsche nach Schlesien fortzufahren. Er machte sich bereit, Glogau zu belagern; als er sich aber dieser Festung näherte, hatte ihn Friedrich bereits umgangen und ihm durch eine feste Stellung den Weg verlegt. Nach mancherlei vergeblichen Versuchen ging Soltikof nun wirklich, gegen Ende Oktober, nach Polen zurück. Gerade um diese Zeit war Friedrich aufs heftigste vom Podagra befallen worden; er konnte weder reiten noch fahren und mußte sich von seinen Soldaten tragen lassen. Gleichwohl ließ er sich auch durch diesen neuen und unerwarteten Feind nicht in den Pflichten seines königlichen Berufes stören. Standhaft trotzte er den Schmerzen des Körpers und hielt seinen Geist frei, um, wie in den Tagen der Gesundheit, alles überschauen und leiten zu können. Es war in Köben, einem schlesischen Städtchen an der Oder, wo er die Generale seiner Armee nach dem Abmarsch der Russen zu sich rufen ließ. Sie fanden ihn in einem ärmlichen Zimmer liegen, äußerst blaß, um das Haupt ein Tuch gebunden und mit einem Zobelpelze bedeckt. Trotz der heftigen Schmerzen, die ihn quälten, redete er sie mit Heiterkeit an. « Ich habe Sie, Messieurs (so sprach er), hieher berufen lassen, um Ihnen meine Dispositionen bekanntzumachen und Sie zugleich zu überzeugen, daß die Heftigkeit meiner Krankheit mir nicht gestattet, mich der Armee <356>persönlich zu zeigen. Versichern Sie also meinen braven Soldaten, daß es nicht eine gemachte Krankheit ist; sagen Sie ihnen, daß, ungeachtet ich diese Campagne hindurch viel Unglück gehabt habe, ich doch nicht eher ruhen werde, als bis alles wieder hergestellt ist; daß ich mich auf ihre Bravour verlasse und daß mich nichts als der Tod von meiner Armee trennen soll. » Nun gab er mit bewunderungswürdiger Ruhe alle Anordnungen, die die veränderten Verhältnisse erforderten. Ein Teil seiner Armee ward zur Deckung von Schlesien bestimmt; ein anderer Teil ward zur Unterstützung des Prinzen Heinrich nach Sachsen gesandt.

Die Muße, zu der Friedrich, teils durch die Bewegungen der Russen, teils durch seine Krankheit genötigt war, trug indes Früchte eigentümlicher Art, die eben nur bei einem Friedrich zur Erscheinung kommen konnten. Wie er jeden freien Augenblick auszukaufen wußte, wie er im Lager überall seine kleine Handbibliothek mit sich führte und stets wissenschaftliche Genossen zu seiner Seite hatte, wie er durch Lektüre und eigne schriftstellerische Tätigkeit seinen Geist unablässig erfrischte und stärkte, so auch in dieser trüben Zeit. Er hatte die Geschichte Karls XII., jenes genial abenteuerlichen Schwedenkönigs, vorgenommen und fand sich dadurch zu der Abfassung einer sehr interessanten kleinen Schrift: « Betrachtungen über den Charakter und die Talente Karls XII. » veranlaßt. Er schrieb darüber an Marquis d'Argens: « Da ich unaufhörlich mit militärischen Ideen beschäftigt bin, so wendet sich mein Geist, den ich gern zerstreuen möchte, diesen Gegenständen in einem solchen Maße zu, daß ich ihn für jetzt auf keine andern Dinge zu richten vermag. » Im folgenden Winter ließ er die Schrift drucken, doch nur zwölf Exemplare davon abziehen, die er unter seine Freunde verteilte.

Kaum aber war die Krankheit gewichen, so eilte auch Friedrich nach Sachsen, wo die Verhältnisse sich inzwischen äußerst günstig gestellt hatten. Die feindliche Armee war bis gegen Dresden zurückgedrängt. Am 14. November traf Friedrich bei den Seinen ein und konnte dem Bruder, dessen glückliche Maßregeln in der Lausitz und in Sachsen vor allem dazu gedient hatten, dem ganzen Feldzuge eine glückliche Wendung zu geben, die gerechtesten Lobsprüche bringen. « Heinrich », so sagte er, « ist der einzige General, welcher in diesem Feldzuge keine Fehler gemacht hat. » Aber die glücklichen Erfolge sollten jetzt auch mit dem größten Nachdruck zu Ende geführt, die feindlichen Truppen ganz aus Sachsen hinausgedrängt werden. Friedrich setzte sich selbst an die Spitze seiner Armee, verfolgte den zurückweichenden Feind und lieferte ihm bei dem Dorfe Krögis ein verderbliches Gefecht. Dann sandte er verschiedene Korps in den Rücken des Gegners, der sich hinter dem Plauenschen Grunde in eine feste Stellung zurückgezogen hatte. Eins dieser Korps brach in Böhmen ein und kehrte mit reichlichen Kontributionen und einer Menge <357>von Gefangenen zurück. Ein zweites, größeres Korps unter dem General Finck, ward nach Maxen gesandt, Daun den Rückzug abzuschneiden oder zu erschweren. Aber dies war eine gefährliche Aufgabe; Finck machte Gegenvorstellungen, doch antwortete Friedrich: « Er weiß, daß ich keine Diffikultäten leiden kann: mach', daß Er fortkommt. » Finck ergab sich in trüber Ahnung in sein Schicksal. In der Tat sah er sich bald von der feindlichen Übermacht eingeschlossen; vergebens suchte er sich, am 21. November, durch mutigen Kampf aus seiner ungünstigen Stellung zu erretten. Er ward genötigt, sich mit seinem ganzen Korps, 12,000 Mann stark, zu Kriegsgefangenen zu ergeben. Diesem plötzlichen Unglück folgte bald noch ein zweites. Ein preußisches Korps unter dem General Dierecke, welches am jenseitigen Elbufer stand, sollte auf gleiche Weise von den Österreichern aufgehoben werden. Dierecke versuchte über Nacht sich über den Strom zurückzuziehen; aber schon hatte ein heftiger Eisgang begonnen, so daß das Unternehmen nur mit großer Schwierigkeit vonstatten ging; nur ein Teil der Preußen entkam, die übrigen, 1500 Mann an der Zahl, fielen ebenfalls in die Hände des Feindes.

So hatten noch zum Schlusse des Jahres die Verhältnisse in Sachsen eine sehr üble Wendung genommen. Daun hatte jetzt nicht mehr Lust, sich nach Böhmen zurückzuziehen; Friedrichs Armee war durch diese Unglücksfälle wieder bis <358>auf die geringe Zahl von 24,000 Mann zurückgekommen; alle Welt erwartete, daß er nun auch alle zuletzt errungenen Vorteile wieder einbüßen werde. Aber Friedrich wich keinen Schritt. Dem Feinde gegenüber blieb er, trotz der furchtbaren Kälte, die jetzt eintrat, in seinem kleinen Lager bei Wilsdruff. Seine Armee lieferte, täglich abwechselnd, vier Bataillone, welche das Lager beziehen mußten, dessen Zelte eingefroren und hart wie Bretter waren. Die Soldaten legten sich in den Zelten übereinander, um sich gegenseitig gegen die grimmige Kälte Schutz zu geben. Die übrigen Teile der Armee kantonierten umher in den Dörfern. Die Offiziere suchten sich hier in den Stuben und Kammern zu erwärmen, die Gemeinen bauten sich Brandhütten und lagen Tag und Nacht am Feuer. Die Kälte forderte eine große Anzahl von Opfern. Aber dem Feinde war durch dies kühne Unternehmen jede Gelegenheit zum Vorrücken genommen; Daun sah sich genötigt, auch seine Truppen denselben Unbequemlichkeiten und Leiden auszusetzen, ohne doch etwas gewinnen zu können. Endlich traf bei Friedrichs Armee eine Verstärkung ein, welche ihm der Erbprinz von Braunschweig zuführte. Jetzt erst, im Januar, ließ er seine Truppen regelmäßige Winterquartiere beziehen; das Hauptquartier wurde nach Freiberg verlegt, wo Friedrich die übrigen Wintermonate zubrachte.

So ward endlich ein Feldzug zum Schlusse gebracht, der den Preußen Unheil zugefügt hatte, wie noch keiner der früheren. Und doch hatte Friedrich von allem, was er vor dem Beginn desselben besessen, nichts weiter verloren als Dresden und einen Teil der Umgegend, wie einige wenig bedeutende Besitzungen in Pommern, die von den Schweden, bei dem Abmarsch des größten Teiles der preußischen Truppen aus jener Gegend, eingenommen waren. Zu weiteren Erfolgen hatten es die vereinten Anstrengungen seiner übergewaltigen Gegner nicht gebracht!

<359>

DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL Beginn des Feldzuges von 1760. Dresden und Liegnitz.

Bei den unausgesetzten Anstrengungen, zu denen sich Friedrich seit vier Jahren genötigt gesehen, bei den geringen Mitteln, die ihm, im Vergleich mit der überwiegenden Macht seiner Gegner, zu Gebote standen, mußte die Fortsetzung des Krieges, auch wenn das neue Jahr nicht ebenso verderbliche Früchte tragen sollte wie das vergangene, doch seine Kräfte allmählich aufreiben, mußten doch endlich die empörten Wogen über dem gebrechlichen Schifflein, das er führte, zusammenschlagen. Friedrich fühlte das nur zu deutlich; und darum ließ er wenigstens nichts unversucht, den wilden Sturm zu beschwören oder ihm eine andere Richtung zu geben. Der König von Spanien war im vergangenen Jahre gestorben; Österreich hatte seine Ansprüche auf das spanische Erbe in Italien, Sardinien ebenfalls. Friedrich schickte einen Abgesandten nach Turin, einen andern nach Madrid, beide Höfe zum Kriege zu erregen; aber er fand kein sonderlich geneigtes Gehör. Maria Theresia selbst ließ ihre italienischen Ansprüche vorderhand auf sich beruhen, da <360>ihr noch immer keine Erwerbung so am Herzen lag, als die von Schlesien. Ebenso vergeblich waren die Versuche, Friedensunterhandlungen mit Frankreich ins Werk zu richten. Zwar hatte der Krieg, neben den übrigen Ausschweifungen des Hofes, die Finanzen des französischen Staates bereits im höchsten Grad zerrüttet, zwar bezeigte sich in der Tat der Hof von Versailles den Anerbietungen, welche England machte, nicht abgeneigt; als aber England erklärte, daß Preußens Integrität die unerläßliche Bedingung eines jeden Friedensschlusses sei, da ward alles wiederum abgebrochen. Noch spielte die Mätresse des Königs, die der fortgesetzten Verachtung von Seiten Friedrichs eben nur immer glühenderen Haß entgegenzusetzen wußte, frechen Mutes mit dem Glücke des französischen Volkes; noch gab sie auf alle warnenden Stimmen jene Antwort zurück, die in wahnsinnigem Übermut das Schicksal herausforderte und die dereinst so furchtbar in Erfüllung gehen sollte: « Nach uns die Sündflut! » — So konnte es nicht fehlen, daß, statt des ersehnten Friedens, das kriegerische Bündnis zwischen Frankreich, Österreich und Rußland, oder richtiger — denn es handelte sich ja nicht um die Interessen der Völker, sondern nur um die Befriedigung persönlicher Leidenschaften — das Bündnis zwischen der Pompadour, Maria Theresia und Elisabeth nur fester geschlossen ward.

Für Friedrich aber blieb somit, außer der Hilfe, die England ihm gewährte, keine weitere Hoffnung übrig, als die in der Überlegenheit seines eignen Geistes, in dem unerschrockenen Mute, den er seinen Scharen einzuflößen wußte, und in dem Umstande beruhte, daß er schon seither in den Unternehmungen der Gegner nicht eben allzu große Übereinstimmung bemerkt hatte. Alle Mittel, die ihm nun zu Gebote standen, wurden nunmehr zu neuen Rüstungen angewandt. Doch konnte er sich nicht entschließen, seinen eignen Untertanen, die schon genug durch den Krieg zu leiden hatten, besondre Abgaben zu diesem Zwecke aufzubürden; dagegen mußten Sachsen, Mecklenburg, auch die anhaltischen Fürstentümer außerordentliche Lieferungen machen und starke Kontributionen bezahlen. Sie mußten zugleich Rekruten stellen; doch reichten diese, auch die neuen Mannschaften, die aus dem eigenen Lande zur Armee stießen, lange nicht hin, um das zusammengeschmolzene Heer wieder vollzählig zu machen; über das ganze deutsche Reich ward zugleich ein förmliches Werbesystem für die preußischen Armeen ausgebreitet, und auch die kriegsgefangenen Österreicher mußten sich zum preußischen Dienste bequemen. Zu der letzten Maßregel schritt Friedrich, seit das Wiener Kabinett sich ermüßigt gesehen, die Auswechselung der Gefangenen zu verbieten. Bei alledem aber hatte Friedrich bei der Eröffnung des neuen Feldzuges kaum 90,000 Mann zusammengebracht, während seine unmittelbaren Gegner ihm mehr als 200,000 Mann entgegensetzen konnten. Zugleich waren es <361>nicht mehr Truppen wie die, mit denen Friedrich den Krieg begonnen hatte; junge Burschen, die noch keinen Feind gesehen, waren aus dem Inlande, unzuverlässige Mannschaften aus dem Auslande herbeigekommen. Indes brachten jene eine nationale Begeisterung mit, wurden diese durch die strenge Zucht des preußischen Dienstes, beide durch den eigentümlichen Glanz gefesselt, der trotz der Verluste des vorigen Jahres noch immer fest an dem Namen der Armee des großen Friedrich haftete. Die ganze Zeit der Winterruhe wurde mit rastloser Einübung der Neugeworbenen ausgefüllt.

Inmitten all dieser Sorgen blieben auch jetzt Wissenschaft und Kunst Friedrichs treue Trösterinnen. Auch jetzt suchte er den Schmerz über die arge Zerrissenheit seiner Zeit mit den Worten der Dichtung auszusprechen, und rührend und ergreifend wirkt das Gefühl, welches in diesen Gedichten atmet, noch heute auf den Leser. Merkwürdig ist besonders die große « Ode an die Deutschen », welche Friedrich im März 1760 schrieb. Mit eindringlichen Worten hält er hier den deutschen Völkern « den Söhnen einer gemeinsamen Mutter », ihren Wahnsinn vor, sich gegenseitig zu zerfleischen, Fremde zum Brudermorde in die schöne Heimat hereinzuführen und ihnen so den Zugang zum Herzen des Vaterlandes zu eröffnen; dann weist er sie auf die Bahnen, wo ein ehrenhafter Ruhm für sie zu erkämpfen sei; am Schlusse des Gedichtes ermahnt er sein Preußenvolk aufs neue zu standhafter Ausdauer. Auch sah sich Friedrich in dieser Zeit zu einer neuen, öffentlichen Herausgabe seiner früheren Gedichte genötigt, als in Frankreich ein Nachdruck derselben erschien, welcher sämtliche satirische Ausfälle auf politische Personen der Zeit, die nur den vertrauten Freunden mitgeteilt waren, enthielt. Man hat überzeugende Gründe, die Herausgabe dieses Nachdrucks Voltaire zuzuschreiben, der die Feinde des Königs noch mehr aufreizen und seiner noch ungestillten Rachbegier einige Befriedigung zu gewähren bemüht war.

Dasselbe Gefühl, wie in den Gedichten dieser Zeit, spricht sich auch in den Briefen aus, in denen Friedrich seinen Freunden seine Lage und seine Gedanken ohne weiteren Rückhalt mitteilt. So schreibt er im März 1760 an Algarotti, den er ebenfalls zu seinen Vertrautesten zählte: « Der irrende Jude, wenn er jemals existiert hat, hat kein so irrendes Leben geführt, wie das meine ist. Man wird am Ende wie die Dorfkomödianten, die keinen Herd und keine Heimat haben; wir laufen durch die Welt, um unsre blutigen Tragödien da aufzuführen, wo unsre Feinde uns eben erlauben, unser Theater aufzuschlagen .... Der letzte Feldzug hat Sachsen an den Rand des Abgrundes geführt. Solange es mir das Glück verstattete, habe ich dies schöne Land geschont: jetzt ist Verwüstung überall. Und ohne <362>von dem moralischen Übel zu sprechen, das dieser Krieg bringen wird: das physische Übel wird nicht das kleinere sein, und wir können uns Glück wünschen, wenn die Pest nicht noch darauf folgt. Wir armen Toren, die wir nur einen Augenblick zu leben haben! Wir machen uns diesen Augenblick so hart, als wir nur vermögen, wir gefallen uns darin, die schönsten Werke, die Fleiß und Zeit hervorgebracht haben, zu zertrümmern und nichts als ein hassenswertes Andenken an unsre Zerstörungen und an das Elend, das sie verursacht haben, zu hinterlassen! »

Friedrich sah sich wiederum nach dem Schlusse der Winterruhe, wie im vorigen Jahre, genötigt, seine Armeen in ihren verteidigenden Stellungen verharren zu lassen; zu einem Angriffskriege reichten seine Kräfte nicht hin. Doch verging geraume Zeit, ehe die Feinde mit entschiedenen Maßregeln gegen ihn auftraten. Sie konnten sich über den Plan, welchem gemäß man den Feldzug eröffnen wollte, nicht vereinigen. Der russische Hof machte, auf Soltikofs Rat, den Vorschlag, mit der Eroberung Kolbergs zu beginnen und dann, unter Begünstigung der Flotte, zu deren Absendung sich Rußland verpflichtet hatte, den Krieg längs der pommerschen Küste zu führen. Dieser Plan lag in Rußlands nächstem Interesse, und Soltikof hatte dabei die Absicht, sich der unbequemen Gemeinschaft mit den Österreichern zu überheben. Frankreich hatte ähnliche Vorschläge gemacht. Der König von Polen aber bat aufs dringendste, ihm zunächst sein Kurfürstentum wieder zu erobern. Maria Theresia schlug vor, daß Soltikof mit Loudon gemeinschaftlich auf die Eroberung Schlesiens bedacht sein sollte, während Daun die Armee Friedrichs in Sachsen festhalte. Der letztere Plan behielt die Oberhand; Soltikof aber ward dadurch seines Mißtrauens gegen die Österreicher nicht überhoben und fand sich im Gegenteil, durch die Verwerfung seines Planes, nur gekränkt.

Friedrich stand indes der Daunschen Armee in Sachsen gerüstet gegenüber, während Prinz Heinrich an der Oder sich bereit machte, dem Einmarsch der Russen zu begegnen, General Fouqué die Grenzen Schlesiens gegen Böhmen deckte und ein kleines Korps in Pommern, den Schweden gegenüber, aufgestellt war.

Das Vorspiel und die Eröffnung des Kampfes geschahen in Schlesien. Schon im März machte Loudon einen Einfall in Oberschlesien, das nur durch wenige Truppen geschützt war. General Golz, der mit dem pommerschen Infanterieregiment von Manteuffel an der Grenze in Neustadt stand, sah sich genötigt, sich auf Neiße zurückzuziehen. Kaum aber hatte das Regiment, zu den Seiten eines Transportes von 100 Wagen, sich auf den Marsch gemacht, als Loudons Kavallerie sich mit überlegener Gewalt auf dasselbe stürzte. Doch wehrten die tapfern Pommern den <363>Angriff durch ein wohlunterhaltenes Feuer ab. Nun sandte Loudon einen Trompeter an den General Golz, mit der Aufforderung, sich zu ergeben, da das Regiment von allen Seiten umringt sei; im Gegenteil solle alles niedergemetzelt werden. Der General führte den Trompeter vor die Front des Regiments und machte den Seinen die feindliche Aufforderung bekannt; einstimmig erfolgte aber nichts als eine sehr derbe pommersche Antwort, die wenig geneigten Willen zu verraten schien. Jetzt wurden die Angriffe der Österreicher mit erneutem Ungestüm wiederholt, aber ebenso nachdrücklich abgeschlagen. Das Regiment erreichte eine sichere Stellung und hatte nur 140 Mann sowie einige Wagen verloren, während von den Österreichern 300 Mann gefallen waren. Loudon selbst konnte den tapfern Pommern seine Anerkennung nicht versagen.

Ernsthaftere Unternehmungen bereiteten sich einige Monate später, im Juni, vor. Loudon hatte sich gegen Böhmen gezogen und drang mit ungefähr 50,000 Mann in die Grafschaft Glatz und von da in das offene Schlesien ein, während Fouqué den festen Grenzposten von Landeshut nur mit etwa 14,000 Mann besetzt hielt. Da seine Macht zur Behauptung dieses Postens nicht genügend war und ihm die Verteidigung des flachen Landes größere Vorteile gegen den überlegenen Feind zu versprechen schien, so zog sich Fouqué aus dem Gebirge bis unter die Kanonen von Schweidnitz. Loudon aber hatte nur auf diese Entfernung des Gegners gewartet, um die Belagerung der Festung Glatz beginnen zu können und hiedurch festen Fuß in Schlesien zu gewinnen. Friedrich war über alles dies äußerst ungehalten. <364>Er schrieb seinem vieljährigen Freunde — dem Großmeister des Bayard-Ordens, der in der schönen Rheinsberger Zeit gestiftet war und der noch immer seine Geltung hatte — die harten Worte: « Ich dank's Euch mitdem Teufel, daß Ihr meine Berge verlassen habt! Schafft mir meine Berge wieder, es koste, was es wolle! » Fouqué ging nun wieder in seine frühere Stellung zurück; aber er faßte den Entschluß, sich bis auf den letzten Mann zu behaupten und die Berge den Österreichern nur mit seinem Blute zu verkaufen.

Friedrich indes war nicht gewillt, den treuen Genossen aufzuopfern; er wünschte nur, daß Fouqué den Feind so lange aufhalten möge, bis er selbst mit seiner Armee zur Unterstützung herbeieile. Doch war dies Unternehmen nicht leicht, wenn Sachsen nicht der Daunschen Armee überlassen werden sollte: Friedrich faßte den kühnen Plan, den österreichischen Feldmarschall durch künstliche Manöver zu veranlassen, ihm nach Schlesien zu folgen. Schon mehrfach war ihm ein solcher Entwurf geglückt; diesmal jedoch bezog Daun ein festes Lager unfern von Dresden, aus dem ihn Friedrich nicht herauslocken konnte. So vergingen mehrere Tage, bis plötzlich, am 25. Juni, im österreichischen Lager ein allgemeines Viktoriaschießen erfolgte. Durch die feindlichen Vorposten erhielt Friedrich die Nachricht von dem Siege Loudons über Fouqué. Der letztere hatte sein Wort gehalten. Loudon hatte ihn, am 23. Juni <365>mit großer Übermacht bei Landeshut angegriffen und fast sein ganzes Korps aufgerieben. Fouqué selbst war, mehrfach verwundet, vom Pferde gestürzt und nur durch seinen Reitknecht gerettet worden, der sich über ihn geworfen und die Hiebe der feindlichen Dragoner mit seinem eignen Leibe aufgefangen hatte. Er war dann gefangen genommen und blieb bis an das Ende des Krieges in feindlichem Gewahrsam. Die offene, betriebsame Stadt Landeshut war von der kaiserlichen Armee übel zugerichtet worden. Die Soldaten waren betrunken, und Loudon selbst vermochte kaum die zügellose Wut der Seinen zu bändigen und dem Plündern und Morden Einhalt zu tun.

Es scheint, als habe die Nachricht von Fouqués Niederlage, statt Friedrich aus der Fassung zu bringen, vielmehr den Entschluß in ihm rege gemacht, gerade jetzt etwas Außergewöhnliches und vom Gegner durchaus nicht Erwartetes zu unternehmen, als das sicherste Mittel, die Pläne seiner Feinde zu verwirren. Nichts schien ihm hiezu geeigneter, als ein Streich gegen Dresden selbst. Er versuchte aufs neue, Daun durch allerhand Manöver aus seiner Stellung herauszuziehen, doch blieb es auch jetzt noch umsonst. Da entschloß er sich zum förmlichen Abmarsch seiner Armee auf der Straße nach Schlesien. Dies Mittel weckte endlich Daun aus seiner Ruhe; er eilte dem Könige vor und vereinigte sich mit dem Loudonschen Korps, ihm auf diese Weise den Weg zu verlegen. Bei dieser Gelegenheit kam es, bei Gödau, zwischen einigen Kavallerieregimentern des preußischen Vortrabes, die Friedrich selbst führte, und dem Nachtrupp der österreichischen Armee zu einem Gefechte. Friedrich hatte die Gegner angegriffen, ohne die Verstärkung seiner Infanterie abzuwarten. Jetzt sah er, daß er dem überlegenen Feinde keinen Nachteil zufügen könne; er entschloß sich, sich gegen seine Infanterie zurückzuwenden, aber in diesem Augenblick brachen feindliche Ulanen in seine Scharen ein und trieben sie in die Flucht. Er selbst war in höchster Gefahr, denn zwei Ulanen stürmten gegen ihn, der nicht ebenso eilig floh wie die übrigen, mit eingelegten Spießen vor. Nur die Geistesgegenwart seines Pagen rettete ihm das Leben. Dieser war gestürzt, rief aber den Ulanen auf polnisch zu, « wo sie der Teufel hinführen wolle? » Da er, als Page, keine Militäruniform trug, so hielten sie ihn für einen Österreicher, entschuldigten sich, daß ihre Pferde mit ihnen durchgegangen seien, und kehrten um. Inzwischen war ein preußisches Grenadierbataillon zur Stelle gekommen und machte durch sein Feuer dem ungleichen Scharmützel ein Ende.

Sobald Daun genügend aus Sachsen entfernt war, wandte sich Friedrich plötzlich nach Dresden um. Ein Korps der österreichischen Armee, welches noch in seinem Rücken gestanden hatte, wich jetzt vor seiner Annäherung eilig zurück, ging bei Dres<366>den über die Elbe und zog mit der ganzen Reichsarmee, die bis dahin müßig am linken Elbufer gestanden hatte, von Dresden fort bis gegen Pirna. So konnte Friedrich ohne größere Schwierigkeit, als die ihm die Besatzung von Dresden zufügte, die Belagerung beginnen, zu der er durch Eilboten das nötige Geschütz aus Magdeburg beordert hatte. Er hoffte, daß die Besorgnisse für die Familie des Königs von Polen und die zu erwartende Einäscherung der prachtvollen Residenz den Kommandanten zur baldigen Übergabe veranlassen würden. Am 14. Juli begann die Beschießung der unglücklichen Stadt, auf die bald ein förmliches Bombardement folgte. Viele der schönsten Paläste wurden zerstört, ganze Straßen gingen nacheinander in Feuer auf, das Elend der Einwohner war grenzenlos. In Scharen flüchteten sie sich aus der brennenden Stadt; ihre Schätze, die sie in bombenfesten Kellern verwahrt, wurden von den zügellosen Soldaten der österreichischen Besatzung geraubt. Auf dem Turm der Kreuzkirche standen einige Kanonen, die man an besonderen Festtagen abzufeuern pflegte; diese hatte man jetzt gegen die Belagerer benutzt, und so betrachteten die letztern die Kirche als eine Batterie, richteten ihre Mörser gegen dieselbe, und bald brach das mächtige Gebäude in Flammen zusammen. Dasselbe <367>Schicksal hatten auch mehrere andere Kirchen. Die alte Pracht der schönen Residenz ward fast gänzlich vernichtet.

Aber der Kommandant hielt rüstig stand; obgleich die Reichsarmee es nicht für angemessen fand, sich aus ihrer sicheren Stellung zu rühren, so hoffte er doch auf einen Entsatz von seiten Dauns. Dieser zwar hatte sich auch nicht übereilt; er hatte geglaubt, Friedrichs Rückzug sei nur ein neues Manöver, um ihm eine Falle zu legen. Endlich traf er jedoch vor Dresden ein, und jetzt wurde der Erfolg von Friedrichs Unternehmen zweifelhaft. Daun verschaffte sich eine Verbindung mit den Belagerten, die Friedrich nicht zu hindern vermochte. Manche Ausfälle wurden jetzt unternommen, manche kleine Gefechte fanden statt, in denen die Preußen wenigstens nicht immer siegreich waren. Bei einem hartnäckigen Ausfalle gegen die Laufgräben ward das preußische Infanterieregiment Bernburg zum Weichen gebracht. Friedrich bestrafte diesen Mangel an Tapferkeit (wenigstens hielt er es dafür) auf eine Weise, die bis dahin in der preußischen Kriegsgeschichte ohne Beispiel war. Die Offiziere verloren ihre Huttressen, die Soldaten ihre Bandlitzen auf der Uniform und ihre Pallasche; die Tambours durften den Grenadiermarsch nicht mehr schlagen. Das ganze Regiment, stolz darauf, daß es von dem alten Dessauer selbst gebildet, ward nun das Gespötte der Armee; bald sollte indes die Gelegenheit kommen, solche Schmach wieder auszuwetzen.

Von einem Tage zum andern verzögerte sich der Erfolg der Belagerung. Ein bedeutender Transport, der zur Unterstützung der preußischen Armee aus Magdeburg kam, fiel in die Hände der Österreicher; ein feindliches Korps zog sich in den Rücken der Preußen; endlich kam die betrübende Nachricht, daß auch Glatz erobert sei, und so sah sich Friedrich, nach fruchtloser Anstrengung, genötigt, das Unternehmen aufzugeben. Am Abend des 29. Juli zog er seine Armee von Dresden zurück. Glatz war durch ein besondres Korps der Loudonschen Armee belagert und, am 26., mit so schmachvoller Schnelligkeit übergeben worden, daß man sich zu der Meinung berechtigt fand, es sei hiebei Verrat mit im Spiele gewesen. Doch gab Friedrich, trotz dieses bedeutenden Verlustes, die Hoffnung nicht auf, Schlesien zu retten; nur mußte er bedacht sein, die Verbindung der österreichischen Armee mit der russischen, welche im Anmarsch gegen Schlesien begriffen war, zu hintertreiben, und so machte er sich ungesäumt auf den Marsch nach Schlesien. Daun brach gleichzeitig auf und zog wie sein Schatten neben ihm hin, ohne ihm jedoch wesentliche Hindernisse in den Weg zu legen und ohne eine Schlacht zu wagen.

Indes hatte sich Loudon gegen Breslau gewandt und begann die Belagerung der Stadt. Er führte 50,000 Mann, und die Besatzung bestand nur aus 3000, <368>zum Teil nicht sonderlich zuverlässigen Truppen. Dazu kam, daß im Innern der Stadt 9000 österreichische Kriegsgefangene lagen, und daß man selbst Mittel gefunden hatte, die Bürgerschaft aufsässig zu machen. Nur auf die aus ungefähr 1000 Mann bestehende Leibgarde des Königs, die seit der Schlacht von Kolin in Breslau gestanden hatte, durfte der Kommandant, General von Tauentzien, sich verlassen. Dennoch beschloß er standhafte Gegenwehr. Loudon ließ ihn zur Übergabe auffordern, aber er erhielt eine entschieden abschlägige Antwort. Jetzt begann das Bombardement; ein Quartier der Stadt und der königliche Palast gingen in Feuer auf. Aber Tauentzien begegnete ebenso mutig wie umsichtig allen Gefahren, die außen und innen drohten. Auf eine zweite Aufforderung zur Übergabe, die mit der Drohung schloß, « es solle das Kind im Mutterleibe nicht verschont werden », erwiderte Tauentzien nur, daß so wenig er, wie seine Soldaten das Wochenbett zu beziehen gedächten. Dem kühnen Mute folgte baldige Erlösung. Prinz Heinrich, der die Bewegungen der Russen beobachtet hatte, kam jetzt, da die Russen sich gegen Breslau zogen, in die Nähe der Stadt. Loudon hob die Belagerung auf, und Heinrich nahm seine Stellung in der Nähe von Breslau.

Unmittelbar darauf rückte die russische Armee heran. Soltikof war nicht wenig erstaunt, als er statt der Österreicher, die er hier mit Bestimmtheit erwartete, eine preußische Armee vor sich sah. Er fand seinen Verdacht über die Unzuverlässigkeit <369>seiner Bundesgenossen nur zu sehr bestätigt. Und als nun auch die Nachricht eintraf, daß Friedrich in Schlesien eingerückt sei, und daß Loudon sich, Dauns Unternehmungen zu unterstützen, gegen diesen zurückgezogen habe, so erklärte er aufs bestimmteste, daß er unverzüglich den Rückzug antreten werde, wenn man Friedrich die Oder erreichen lasse, ohne die russische Armee durch das Loudonsche Korps verstärkt zu haben.

Durch diese ernstliche Erklärung fand sich Daun endlich veranlaßt, sein allzu vorsichtiges Zaudern zu brechen und dem Gegner eine Schlacht zu liefern. Beide Armeen standen sich an der Katzbach, in der Gegend von Liegnitz, einander gegenüber. Es war derselbe Boden, welcher seit der furchtbaren Mongolenschlacht im dreizehnten Jahrhundert schon mehrfach Ströme Blutes getrunken hatte; auf ihm sollte Friedrich einen der Siege erkämpfen, ohne die seine Rettung unmöglich schien; auf ihm sollte 53 Jahre später noch einmal siegreich um Preußens und um Deutschlands Rettung gestritten werden. Daun konnte jetzt sein Vorhaben mit um so größerer Zuversicht wagen, als Friedrichs Lage in der Tat höchst bedenklich war. Die österreichische Armee war, nach der Vereinigung Loudons mit Daun, 95,000 Mann stark; die preußische zählte nur 30,000 Mann, ihr Proviant ging zu Ende, von Breslau war sie abgeschnitten, und vergeblich hatte Friedrich, durch verschiedene Manöver, bereits versucht, dem Feinde einige Vorteile abzugewinnen.

Daun gedachte, das Spiel von Hofkirch zu wiederholen; in der Frühe des Morgens, am 15. August, sollte Friedrichs Lager von allen Seiten überfallen werden. Der Plan war geheimgehalten worden; doch konnte Friedrich aus gewissen Bewegungen der Feinde schließen, daß es auf einen baldigen Angriff abgesehen sei. Da seine Stellung, oberhalb Liegnitz, nicht vorzüglich gesichert war, so beschloß er die Armee auf die andere Seite der Stadt hinüberzuziehen, wo die Beschaffenheit des Bodens bessere Vorteile versprach; zugleich unterstützte diese Stellung seine Absicht, sich nach der Oder durchzuschlagen. Zur Ausführung dieser Veränderung <370>war die Nacht vom 14. auf den 15. bestimmt. Am Nachmittage vorher ward ein feindlicher desertierter Offizier eingebracht, der von wichtigen Geheimnissen sprach, die er zu eröffnen habe; er war aber auf eine Weise betrunken, daß man erst zu allerhand Maßregeln mit kaltem und warmem Wasser schreiten mußte, ehe man anderweitige Nachrichten von ihm erhalten konnte. Jetzt bestätigten seine Aussagen den zu erwartenden Angriff; da er indes von den Einzelheiten des feindlichen Planes keine Kunde hatte, so ließ es Friedrich bei den einmal bestimmten Maßregeln.

Die Umstellung der Armee war in nächtlicher Stille vor sich gegangen. Es war drei Uhr morgens. Friedrich befand sich auf dem linken Flügel, dessen sämtliche Truppen teils mit Ungeduld den Tag erwarteten, teils unter den Waffen schliefen. Friedrich selbst hatte sich, in seinen Mantel gehüllt, zur Seite eines kleinen Wachtfeuers hingelegt und schlief. Ein General saß neben ihm und schürte das Feuer. In dem Augenblick kam der Husarenmajor Hundt, der vor dem linken Flügel der Armee patrouilliert hatte, mit verhängtem Zügel zurückgesprengt und rief laut nach dem Könige. Man bedeutete ihn, den Schlafenden nicht zu stören. <371>Aber Friedrich hatte schon den Ruf gehört; auf seine Frage berichtete der Major, daß feindliche Kolonnen herannahten und nicht mehr 400 Schritt entfernt seien. Augenblicklich gab Friedrich den Befehl, sich in Schlachtordnung zu stellen. Da er aber einsah, daß dies nicht der einzige Angriff auf seine Stellung sein würde, so befahl er, daß General Zieten mit dem rechten Flügel nach der andern Seite sich dem Feinde entgegensetze, während er selbst mit dem linken Flügel den schon beginnenden Angriff abschlage. Unter den ersten feindlichen Kugeln ordneten sich seine Truppen in größter Schnelligkeit.

Es war Loudon, der den Angriff auf den linken Flügel der Preußen machte. Doch hatte man österreichischerseits von der Umstellung der preußischen Armee nichts geahnt. Loudons Absicht war es, sich mit plötzlichem Angriff des preußischen Gepäckes zu bemächtigen; absichtlich hatte er sich, um nicht zu früh verraten zu werden, ohne Vortrab auf den Marsch gemacht. Jetzt sah er sich selbst auf eine unvorhergesehene Weise überrascht. Schnell suchte auch er seine Truppen in Reihen zu ordnen, doch hinderte das ungünstige Terrain eine genügende Ausbreitung. Der Donner des Geschützes eröffnete nun die Schlacht. Die österreichische Kavallerie drang auf die preußische ein, aber sie wurde wieder zurückgeworfen. Dann rückten die Infanterieregimenter gegeneinander. Die preußische hielt mutig im Feuer stand, die österreichische begann zu weichen, preußische Kavallerie drang in ihre Reihen und nahm eine große Anzahl gefangen. Aber Loudon war dem Könige bedeutend überlegen; er führte 35,000 Mann mit sich, der linke preußische Flügel zählte nur 14,000 Mann. Immer neue Truppen der österreichischen Armee rückten zur Verstärkung vor; doch warfen die Preußen, ob auch fort und fort ihre Reihen gelichtet wurden, jeden neuen Angriff zurück. Noch einmal drang Loudons Kavallerie in die preußischen Infanterieregimenter ein; doch diese wichen nicht. Hier war es, wo das Regiment Bernburg seine verlorne Ehre wieder erkämpfte; mit gefälltem Bajonett ging es den österreichischen Reitern entgegen, stach viele von ihnen vom Pferde, trieb die andern in wilder Flucht vor sich her, und diese rissen nun auch, was sonst noch von österreichischen Regimentern stand, mit sich fort. Es war 6 Uhr, als schon der vollständige Sieg auf dieser Seite erfochten war.

Jetzt eilte Friedrich nach dem rechten Flügel seiner Armee, auf den um diese Zeit erst einige leichte Angriffe gemacht wurden. Daun war nämlich in aller Frühe an der richtigen Stelle angekommen, auf der am vorigen Abend das preußische Lager gestanden hatte. Da er es leer fand, beschloß er den Flüchtigen — so betrachtete er die preußische Armee — nachzusetzen. Hiezu war ein Übergang über das sumpfige « Schwarze Wasser » nötig, welches sich bei Liegnitz in die Katzbach ergießt <372>und welches die preußische Stellung auf dieser Seite deckte. Da aber nur eine Brücke den Übergang gestattete, so hatte Zieten seine Maßregeln danach getroffen. Als ungefähr soviel Österreicher herüber waren, als man mit Leichtigkeit zu zwingen gedachte, ließ er die Kanonen auf diesen Teil der Feinde richten, die nun in Eile zurückflohen und eine Anzahl Gefangener zurücklassen mußten. Einige Versuche der feindlichen Artillerie wurden durch die günstig gestellte preußische bald zum Schweigen gebracht. Noch hielt Daun an der Stelle still, unentschlossen, was weiter für ihn zu unternehmen sei. Von Loudon hatte er gar keine Nachricht; der Wind hatte alles Getöse der Schlacht auf jener Seite abwärts geweht; nur ein dicker Rauch, der sich erhob, ließ ihn einen ernsten Vorfall vermuten. Da erscholl ihm gegenüber ein freudiges Viktoriaschießen, und er wußte nun, woran er war. Kaum begann bei den Preußen das zweite Lauffeuer, so kehrte die feindliche Macht um und ging über die Katzbach zurück, die sie beim Anbruch des Tages überschritten hatte.

Der Sieg war nicht ohne teure Opfer erkauft worden. Der Gesamtverlust der Preußen belief sich auf 3500 Mann. Dagegen hatten die Österreicher 10,000 Mann und außerdem 82 Kanonen nebst 23 Fahnen und Standarten verloren. Besondere Freude war dem Regiment Bernburg aufbehalten. Der König befahl, nachdem die Schlacht beendet war, daß die ganze Armee sich in einer Linie aufstellen solle; hier ritt er die Front, von einem Flügel bis zum andern, entlang, zu sehen, was für Lücken die Schlacht gerissen hätte. Die ganze Armee hatte das Gewehr beim Fuß, das Regiment Bernburg stand an der Spitze des einen Flügels. Als Friedrich <373>an dasselbe herankam, rief er den Soldaten freundlich zu: « Kinder, ich dank euch, ihr habt eure Sache brav gemacht, sehr brav! Ihr sollt alles wiederhaben, alles! » Der Flügelmann der Leibkompagnie des Regiments, ein alter Graukopf, trat bei diesen Worten aus dem Gliede gegen den König vor und sagte: « Ich danke Ew. Majestät im Namen meiner Kameraden, daß Sie uns unser Recht zukommen lassen: Ew. Majestät sind doch nun wieder unser gnädiger König? » Friedrich klopfte dem Sprecher gerührt auf die Schulter und antwortete, indem ihm die Tränen in die Augen traten: « Es ist alles vergeben und vergessen, aber den heutigen Tag werde ich euch gewiß nicht vergessen! » Nun war die Heerschau zu Ende. Friedrich bestimmte, daß der alte Flügelmann, der eben gesprochen, Sergeant sein solle. Als dieser sich bedankte, drängten sich noch mehrere Soldaten des Regiments um den König und verteidigten ihre Aufführung bei Dresden damit, daß der Fehler nicht an ihnen, sondern an der Anführung gelegen habe. Friedrich wollte das nicht geradezu gelten lassen, und nun ging es von Seite der Soldaten um die Wette an ein Demonstrieren, mit einer Vertraulichkeit und einem Lärm, daß der Kommandeur, den Unwillen des Königs befürchtend, die Leute zurücktreiben wollte. Friedrich ließ es aber nicht zu; er beendete den Streit mit der nochmaligen Versicherung, daß sie brave Leute seien und sich des preußischen Ruhmes vorzüglich wert bezeigt hätten. <374>Friedrichs Gewalt über die Gemüter seiner Soldaten beruhte vorzüglich darin, daß er sich mit vollkommenster Vertraulichkeit zu ihnen herabließ und oft an all ihren kleinen Interessen teilnahm. Die Anekdoten, die man von seinem Leben erzählt, sind gerade an solchen Zügen besonders reich. Dafür redeten ihn aber auch all seine Soldaten gern mit seinem bloßen Vornamen an: « Fritz », oder, mit einem liebkosenden Beiworte: « Alter Fritz ».

Der Sieg bei Liegnitz war der erste Strahl des Glückes, der den preußischen Waffen seit geraumer Zeit wiederum leuchtete. Doch wäre damit, außer der erneuten Zuversicht der Armee, nur wenig gewonnen gewesen, wenn die Feinde sich ihrer noch immer sehr bedeutenden Übermacht erinnert und schnelle Maßregeln getroffen hätten, um Friedrich aufs neue in seinem Marsche aufzuhalten. Denn das hatte die Erfahrung schon oft genug gelehrt, daß Friedrich nicht gewohnt war, etwas halb zu tun. Auch jetzt machte er sich rasch die Verwirrung der Feinde zunutze. Noch an demselben Tage legte er mit seiner Armee drei Meilen zurück. In wenig Tagen war er mit der Armee des Prinzen Heinrich bei Breslau vereinigt. Daun zog sich furchtsam gegen die Gebirge hin, die böhmische Grenze zu decken; Soltikof folgte, verdrossen, dem Beispiel seines Bundesgenossen und ging mit seiner Armee bis an die Grenze von Polen. Der große Entwurf der Vereinigung beider gewaltigen feindlichen Armeen war zerstört.

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VIERUNDDREISSIGSTES KAPITEL Schluß des Feldzuges von 1760. Torgau.

Nach mancherlei weitläufigen Verhandlungen, die, außer dem gegenseitigen Mißtrauen, noch durch eine plötzlich eintretende Krankheit des russischen Heerführers verzögert wurden, kam endlich ein neuer Operationsplan zwischen den Armeen der Österreicher und Russen zustande. Die letzteren sollten einen Einfall in die Mark Brandenburg machen, die ersteren dagegen zu neuen Unternehmungen in Schlesien schreiten, damit durch diesen Doppelangriff die preußische Macht wieder getrennt würde und die einzelnen Korps derselben um so leichter geschlagen werden könnten. Daun hatte jetzt nichts Geringeres im Sinne, als sofort zur Belagerung von Schweidnitz zu schreiten. Friedrich, von der russischen Armee nicht eben große Eile befürchtend, entschloß sich, seine Hauptmacht zunächst gegen Daun — der ihm indes immer noch um das Doppelte überlegen war — zu führen und ihn womöglich zur Räumung Schlesiens zu zwingen. In der Tat wußte er alsbald so geschickte Manöver gegen ihn einzuleiten, daß Daun von seinem Vorhaben abstehen mußte und sich, seiner großen Überlegenheit zum Trotz, bald auf einen bloßen Verteidigungskrieg zurückgeführt sah. Doch wußte wiederum Daun in den Gebirgen so sichre Stellungen zu nehmen, daß auch Friedrich seinen Plan, ihn ganz nach Böh<376>men hinauszudrängen, nicht zur Ausführung bringen konnte. So war aufs neue geraume Zeit vergangen, ohne daß irgend etwas Entscheidendes vorfiel. Und als nun die Nachricht kam, daß die Russen bereits ihren Marsch nach Berlin angetreten hätten, als auch von Daun ein besonderes Korps, unter dem General Lacy, ebendahin entsandt ward, so mußte sich Friedrich entschließen, sein Unternehmen gegen die österreichische Hauptmacht aufzugeben, um seiner bedrängten Residenz Hilfe zu bringen. Am 6. Oktober brach er mit seiner Armee auf.

Der Marsch wurde durch keine besonderen Zufälle gefährdet. Ein eignes Interesse bietet er aber durch mancherlei kleine Charakterzüge dar, die uns aufbehalten und die vorzugsweise geeignet sind, das gemütliche Verhältnis des Königs zu den Seinen erkennen zu lassen.

So wird erzählt, wie die Armee einst, an den Grenzen der Lausitz, vor einem Morast Halt machte, um die Aufführung eines Dammes, der für das schwere Geschütz nötig war, abzuwarten. Es war ein kalter und nebliger Herbstmorgen. Schnell wurden Holzstöße zusammengetragen und Feuer angemacht, zu deren Seiten die Soldaten sich lagerten. Neben dem einen Feuer stand Friedrich und lehnte sich, in seinen Mantel gehüllt, an einen Baum. Zieten kam zu demselben Feuer und setzte sich auf einen Holzblock nieder; vom Marsche ermüdet, schlief er bald ein. Ein Grenadier schob dem General ein Bündchen Holz unter den Kopf; Friedrich bemerkte es wohlgefällig. Ein Offizier kam herbei, dem Könige eine Meldung zu bringen, <377>und trat nahe an Zieten; jener winkte ihn aber von der Stelle fort und sagte leise: « Weck Er mir den Zieten nicht: er ist müde! » — Hernach kam ein Soldatenweib und stellte, ohne den König zu bemerken, einen Topf mit Kartoffeln an das Feuer. Sie kniete nieder und blies so eifrig in die Glut, daß die Asche Friedrich ins Gesicht flog. Er sagte nichts und zog nur den Mantel ein wenig vor. Zufällig ging ein Soldat vorbei, der den König erkannte; dieser machte das Weib auf die Nähe des Königs aufmerksam; im höchsten Schrecken ergriff sie ihren Topf und lief davon. Friedrich aber ließ sie zurückholen und die Kartoffeln in Ruhe an seinem Feuer gar kochen. Die Soldaten jubelten laut über ihren gnädigen König.

Während des Marsches rief Friedrich öfters seinen Leuten, wenn sie ermüdet waren und sich einem nachlässigen Gange überließen, die Worte zu: « Gerade, Kinder, gerade! » Sie aber antworteten nicht selten: Fritz auch gerade! Ein Husar, der einst denselben Zuruf erhielt, erwiderte mit Laune, den Anzug des Königs musternd: Fritz auch gerade, und die Stiefeln in die Höhe gezogen! Friedrich nahm solche Antworten jederzeit mit Wohlwollen auf; dafür folgten ihm aber auch seine Soldaten mit unbedingter Hingebung, sein steter Morgengruß war: « Guten Tag, Kinder! » und stets tönte es zurück: « Guten Tag, Fritz! »

Gegen das Ende des Marsches stieg einst ein Husarenweib, das alle Züge der Armee mitgemacht hatte, vom Pferde, ging in eine offene Scheune und gebar dort, ohne weitere Unterstützung, einen Knaben. Gleich nach der Niederkunft raffte sie all ihr Gerät, nebst dem Kinde, wieder zusammen, schwang sich ohne Sorgen auf ihr Pferd und ritt nahe zum König heran. « Majestät, » rief sie ihm entgegen, « hier ist ein junger Fritz, den ich eben in einer Scheune geboren habe! » Friedrich fragte, ob das Kind schon getauft sei. « Nein, » antwortete sie, « aber Fritz soll er heißen! » — « Gut », entgegnete der König, « habt Sorge für ihn, und wenn es Friede wird, so meldet Euch bei mir: ich will für den Jungen sorgen! » —

Friedrich durfte vielleicht um so mehr hoffen, daß der Zug der Russen gegen die Mark nicht mit genügender Entschlossenheit würde ausgeführt werden, als schon vor seinem Aufbruch aus Schlesien ein besondres Unternehmen, das sie mit außerordentlicher Zurüstung eingeleitet, auf eine überraschend glückliche Weise abgeschlagen war. Es lag den Russen daran, in Pommern festen Fuß zu fassen. So erschien, gegen Ende August, eine gewaltige russische Flotte vor Kolberg und begann, nachdem sie ein großes Kriegsheer ausgeschifft hatte, die Belagerung der Festung. Die Besatzung von Kolberg war wenig bedeutend; aber der Kommandant, Oberst von der Heyde, wußte alle hartnäckigen Angriffe, alles Feuer der Belagerungsgeschütze mit so großer <378>Besonnenheit und Standhaftigkeit abzuwehren, daß mehrere Wochen vergingen, ohne daß die Feinde wesentliche Vorteile erreicht hätten. Schon war noch eine kleine schwedische Flotte zur Verstärkung der russischen gekommen. Plötzlich aber und unerwartet nahte sich der bedrängten Festung der sehnlich erwartete Entsatz. Es war ein kleines Korps preußischer Truppen, das aus Niederschlesien aufgebrochen und in so eiligen Märschen herangezogen war, daß es aus dem Boden hervorgewachsen schien. <379>Der Vortrab dieses Korps, eine Schar von 300 Husaren, warf sich ungestüm auf die feindliche Infanterie, die schon die ganze preußische Armee vor sich zu sehen glaubte; ein großer Teil ward niedergehauen und gefangen, die übrigen flüchteten auf die Schiffe, zum Teil auch suchten sie eilig, den Seestrand hinab, das Weite. Die schwedische Flotte hatte sich bei dem Anfall der preußischen Husaren schleunig auf die hohe See hinausbegeben, als ob jene auch die Fähigkeit hätten, ihr ins Wasser zu folgen. Am 23. September hatte sodann auch die russische Flotte die Segel gelichtet. Das preußische Korps aber war hierauf nach Schwedisch-Pommern gesandt worden, den dortigen Feind im Zaume zu halten.

Doch war die Hoffnung, die Friedrich aus diesem Ereignis schöpfen konnte, vergeblich gewesen. Kaum war er, am 15. Oktober, in die Nähe der märkischen Grenze gekommen, so hörte er, daß seine prachtvolle Residenz bereits die Beute der Feinde geworden sei. Nach den vielfachen Beratungen zwischen den Österreichern und Russen hatten sich die letzteren endlich schnell gegen die Mark gewandt. Der Vortrab der russischen Armee, unter dem General Tottleben, erreichte schon am 3. Oktober Berlin. Zunächst zwar leistete die schwache Besatzung nachdrücklichen Widerstand; hierbei zeichneten sich zugleich einige der ersten Generale der preußischen Armee, die hier ihre Heilung von ehrenhaften Wunden erwarteten (unter ihnen Seydlitz), rühmlichst aus. Auch waren schnell einige preußische Truppenkorps herangezogen, die zur Verteidigung wirksame Anstalten machten. Als nun aber das Korps des Generals Tottleben bedeutend verstärkt ward, als auch jenes österreichische Korps unter General Lacy, welches Daun entsandt, gegen Berlin herangezogen kam, sahen sich die preußischen Truppen, wollten sie nicht die Stadt der Gefahr eines Sturmes preisgeben, zum Rückzuge genötigt. Der Hof hatte schon seit längerer Zeit einen sicheren Aufenthalt in Magdeburg genommen. Die Besatzung Berlins kapitulierte und Tottleben hielt am 9. Oktober seinen Einzug. Indes war das Schicksal der preußischen Residenz minder hart, als man es, bei den bisherigen Greueln, die die Russen überall verübt, erwarten zu dürfen glaubte. Der russische Befehlshaber ließ sich die Zahlung einer, allerdings sehr starken Kontribution ver<380>bürgen; seinen Truppen aber ward strenge Mannszucht anbefohlen. Nur von den Österreichern, die Tottleben gern ganz von dem Besitze Berlins ausgeschlossen hätte, wurden mancherlei Ausschweifungen verübt; vorzüglich bedeutend war nur der Verlust an Kriegsmaterial, das teils mitgenommen, teils vernichtet wurde. Die Kontribution betrug zwei Millionen; doch auch hieraus erwuchs den Bürgern keine Last, indem Friedrich es war, der dieselbe nachmals, doch im allergrößten Geheimnis, ganz aus eignen Mitteln bezahlte. Hohes Verdienst erwarb sich ein edler Bürger Berlins, der Kaufmann Gotzkowsky, der überall begütigend und lindernd zur Hand war. Auch Potsdam, namentlich Sanssouci, erfuhr eine glimpfliche Behandlung; hier kommandierte ein österreichischer General, Fürst Esterhazy, der sorgsam für die Sicherung alles königlichen Privateigentums wachte und sich, zum Andenken, nur ein Bild aus dem Schlosse mitnahm. Um so ärger aber wüteten die Feinde auf den übrigen Schlössern und auf den Dörfern außerhalb Berlins. Vornehmlich traf Charlottenburg ein trauriges Schicksal. Hier ward alles in dem Schlosse des Königs zerstört: die Mobilien und Gefäße wurden zertrümmert, die Tapeten zerrissen, die Gemälde zerschnitten, die Kapelle geplündert und die schöne Orgel, die in derselben stand, zerbrochen. Die meiste Wut äußerte sich gegen die kostbaren Antiken, die Friedrich aus dem Nachlaß des Kardinals Polignac erstanden und zum Schmuck dieses Schlosses und seines Gartens verwandt hatte; alle Statuen und Büsten wurden zerschlagen, ja, damit ihre künftige Wiederherstellung unmöglich sei, mit barbarischer Lust vollständig zermalmt. Und diese Greuel wurden nicht von unzivi<381>lisierten asiatischen Horden ausgeübt: es waren vornehmlich sächsische Regimenter (von jenen, die bei Pirna gefangen und nachmals wieder zum Feinde übergegangen waren), die auf so unwürdige Weise ihrem Haß gegen den Preußenkönig Luft machten.

Aber nur wenige Tage dauerte die feindliche Besitznahme der preußischen Residenz. Schon am 11. Oktober traf die Nachricht ein, daß Friedrich zur Befreiung der Seinen heranziehe, und das bloße Wort: « der König kommt! » verscheuchte wie ein rascher Windstoß die Scharen der Feinde. Am 12. zog alles in großer Eile davon; die Russen gingen über die Oder zurück; General Lacy wandte sich nach Sachsen; auch Daun, der von Schlesien aus Friedrich nachgezogen war, rückte in Sachsen ein. Friedrich erhielt die Nachricht von dem Abmarsch der Feinde, unmittelbar, nachdem ihm ihre Ankunft gemeldet war. Er hatte also nicht nötig, weiter in die Mark vorzurücken; dagegen ward nun seine Anwesenheit in Sachsen dringendes Erfordernis. Er machte sich also, nachdem er das Wichtigste wegen einer Entschädigung der großen Verluste, welche die Mark erlitten, angeordnet hatte, aufs neue auf den Weg, um den entscheidenden Kampf aufzusuchen.

Wohl war es ein glänzendes Zeichen seiner Feldherrngröße, daß der bloße Klang seines Namens imstande gewesen war, die übermächtigen Feinde auseinanderzustäuben. Dennoch war der Gewinn nur gering, und nach der Weise, wie sich die Verhältnisse gegenwärtig gestellt hatten, war in der Tat noch das Schlimmste zu befürchten. Ganz Sachsen war in den Händen des Feindes. Als Friedrich hier, im Sommer, von Dresden abgezogen war, hatte er nur ein geringes Korps, der großen Reichsarmee gegenüber, zurücklassen können. Anfangs hatte dies Korps einige glückliche Erfolge gehabt. Dann aber war die Reichsarmee vorgeschritten; das preußische Korps mußte zum Schutze Berlins nach der Mark eilen, und nun fanden die Feinde keinen Widerstand mehr, um ganz Sachsen zu besetzen. Alle festen Städte fielen in ihre Hände. Glückte es jetzt Daun, Friedrich in Sachsen festzuhalten oder gar zu schlagen, <382>so stand die Mark aufs neue den Russen offen; auch warteten diese nur auf solche Kunde, um unverzüglich wieder hervorzubrechen und ihre Winterquartiere im Brandenburgischen zu nehmen. Friedrich erkannte die ganze Größe der Gefahr; aber die Reihe aller der Leiden, die er seither bereits ertragen, hatte seinen Mut gestählt. Er war entschlossen, das Äußerste zu wagen. « Nie werde ich (so schrieb er an d'Argens) den Augenblick sehen, der mich nötigen wird, einen nachteiligen Frieden zu schließen; kein Bewegungsgrund, keine Beredsamkeit werden imstande sein, mich dahin zu bringen, daß ich meine Schande unterschreibe. Entweder laß ich mich unter den Ruinen meines Vaterlandes begraben, oder wenn dem Geschick, das mich verfolgt, dieser Trost noch zu süß scheinen sollte, so werd ich mein Unglück zu endigen wissen, wenn es nicht mehr möglich ist, dasselbe zu tragen. Stets handelte ich der innern Überzeugung und jenem Gefühle von Ehre gemäß, welches alle meine Schritte leiten wird, und nach dem ich stets handeln werde; mein Betragen wird allezeit mit diesen Grundsätzen übereinstimmen. Nachdem ich meine Jugend meinem Vater, meine männlichen Jahre meinem Vaterlande aufgeopfert habe, glaube ich berechtigt zu sein, über mein Alter zu gebieten. Ich hab es Ihnen gesagt und wiederhole es nochmals: nie wird meine Hand einen schimpflichen Frieden unterzeichnen. Ich bin fest entschlossen, in diesem Feldzuge alles zu wagen und die verzweifeltsten Dinge zu unternehmen, um zu siegen oder ein ehrenvolles Ende zu finden. »

Das Glück begünstigte den Beginn. Wittenberg und Leipzig wurden wieder mit preußischen Truppen besetzt; die Reichsarmee zog sich, ohne sich mit den Österreichern vereinigt zu haben, gegen Thüringen zurück. Daun lagerte bei Torgau; mit ihm mußte nun der entscheidende Kampf gekämpft werden.

Dauns Armee zählte über 64,000 Mann. Die Stellung, welche er auf den Höhen bei Torgau eingenommen hatte, war fast jener gleich, in der einst die Russen bei Kunersdorf standen; auf der vorderen Seite war das Lager durch steileren Abfall des Bodens, durch Bäche und Sümpfe, auf der hinteren Seite durch einen starken Verhack geschützt. Friedrich führte ihm 44,000 Mann entgegen. Der Lokalität gemäß beschloß Friedrich, mit dem Hauptteil seiner Armee die Stellung des Feindes zu umgehen und ihn von hinten anzufallen, während ein besonderes Korps, unter Zietens Leitung, auf der vorderen Seite gegen ihn rücke, ihn hier in Schach halte, um sodann, wenn Friedrich die Macht der Österreicher geworfen, ihnen in den Rücken zu fallen und eine gänzliche Vernichtung herbeizuführen.

Am 3. November, in früher Morgenstunde, machte sich Friedrich auf den Marsch; seine Armee ging in drei voneinander getrennten Kolonnen durch den großen Wald, der sich bis an die eine Seite der feindlichen Stellung heranzog. Ein österreichisches Regiment, das als Vorposten im Walde stand, geriet hiebei ganz <383>unerwartet zwischen die beiden ersten Kolonnen der preußischen Armee und wurde fast gänzlich gefangengenommen. Man hatte indes, um an das bestimmte Ziel zu gelangen, mehrere Meilen Wegs zurückzulegen; Mittag war bereits vorüber, als Friedrich den Saum des Waldes erreichte und sich endlich der feindlichen Stellung gegenüber befand. Jetzt hörte man von jenseit eine Kanonade beginnen, die immer heftiger ward. Zieten war nämlich auf einen vorgeschobenen Posten der österreichischen Armee gestoßen, der ihm die Annäherung streitig machte, so daß er sich genötigt fand, Kanonen aufzufahren. Dies hielt Friedrich für das Zeichen einer förmlichen Schlacht, die bereits auf jener Seite beginne, und so entschloß er sich rasch zum Angriffe, obgleich er noch nicht seine ganze Armee beisammen hatte und namentlich die Kavallerie noch im Walde zurückgeblieben war. Es war zwei Uhr, als seine ersten Regimenter dem Feinde entgegenrückten. Aber Daun war schon früher von Friedrichs Bewegungen unterrichtet worden und hatte ihnen gemäß seine Maßregeln getroffen. Ein furchtbares Kanonenfeuer empfing die preußischen Grenadiere, so daß sie reihenweise zu Boden geschmettert wurden. Ein Teil der preußischen Armee mußte im Saume des Waldes marschieren; auch dahin flog der Regen der feindlichen Kugeln. Die Bäume stürzten zerschmettert zusammen und schlugen die Soldaten zu Boden; ein ungeheurer Eichenast brach unmittelbar vor dem Könige nieder und erschlug zwei Mann, die vor ihm gingen. Er mußte vom Pferde steigen und seine Truppen zu Fuß in die Ebne hinausführen. Der erste Angriff war umsonst, zwei Dritteile der Grenadier-Bataillone lagen zerschmettert auf dem Boden, die übrigen mußten sich zurückziehen. Neue Truppen waren unterdes herangekommen und drangen wiederum gegen die Anhöhen vor. Aufs neue brüllte der Donner des Geschützes, die Erde <385>erbebte, die grauen Regenwolken, die den Himmel bedeckt hielten, zerrissen. « Hat Er je — so wandte sich Friedrich an einen Adjutanten — eine stärkere Kanonade gehört? Ich wenigstens niemals. » Wieder stürzten in Scharen die Preußen zu Boden, aber unerschrocken schritten die übrigen vor, überstiegen den Verhack und gewannen die Höhen; hier behaupteten sie sich standhaft gegen die heftigsten Angriffe der Österreicher, auf beiden Seiten wurden die Reihen licht, bis endlich österreichische Kavallerie in die Preußen einbrach und sie wiederum von den Höhen hinabtrieb.

Ein dritter Angriff begann. Die preußische Kavallerie hatte endlich den Kampfplatz erreicht und hieb nun mit frischem Mute in die österreichischen Scharen ein. Beide Armeen standen mitten im Gewehrfeuer einander gegenüber; hin und her schwankte Gewinn und Verlust. Friedrich teilte redlich die Arbeit der Seinen. Schon waren zwei Pferde ihm unter dem Leibe erschossen, da traf eine Kugel seine Brust; er sank, ohne einen Laut, vom Pferde, die Adjutanten unterstützten ihn, sie rissen ihm entsetzt die Kleider von der Brust, — die Kugel hatte ihn nicht gefährlich verletzt, durch den Pelz und das Samtkleid, die der König trug, war ihre Kraft gehemmt worden, sie hatte ihm nur den Atem genommen. Auch kam ihm gleich die Besinnung wieder. « Es ist nichts! » so rief er den besorgten Dienern zu, stieg wieder zu Pferde und gab erneute Befehle für den Kampf. Aber wieder drang die österreichische Reiterei vor, die Preußen mußten aufs neue weichen. Jetzt brach die frühe Novembernacht herein, die Fortsetzung des Kampfes hemmend.

Die preußische Armee zog sich vom Schlachtfelde zurück und stellte sich in einiger Entfernung aufs neue, die Ereignisse des nächsten Tages abzuwarten, in Ordnung. Friedrich begab sich in ein benachbartes Dorf. Alle Häuser lagen voll Verwundeter, er nahm sein Nachtquartier in der Kirche. Hier ließ er sich verbinden und erteilte die nötigen Befehle für die Aufstellung der Armee; der Feind, so fügte er hinzu, habe wohl nicht geringeren Verlust erlitten als das eigne Heer, und da ihm Zieten noch im Rücken stehe, so werde er es nicht wagen, in seiner Stellung zu bleiben; dann sei die Schlacht doch gewonnen. Gleichwohl konnten sich die Offiziere, die ihm, zum Teil ebenfalls verwundet, gefolgt waren, nicht so tröstlicher Hoffnung hingeben. In bangem Schweigen gingen mehrere Stunden hin. Schon hatte es neun Uhr geschlagen, da ward plötzlich eine unerwartete Freudenbotschaft gebracht: Zieten hatte noch spät den Kampf begonnen und hatte gesiegt! Jetzt verwandelte sich die bange Stille in lauten Jubel und frohes Dankgebet. Friedrich aber setzte sich auf die Stufen des Altares nieder, schrieb einige Depeschen, gab neue Befehle und legte sich dann auf das dürftige Strohlager, das man ihm bereitet hatte, zur Ruhe nieder.

<386>Zieten hatte nämlich, nachdem er jenen ersten Posten der Österreicher geworfen, bis gegen Abend, der Anordnung des Königs gemäß, untätig dem Feinde gegenübergestanden. Erst als er die Überzeugung erhielt, daß Friedrichs Unternehmen abgeschlagen sei, entschloß er sich zum Angriff. Vor ihm lag ein Dorf, welches von Feinden besetzt war; er griff es an, die Feinde wurden hinausgeschlagen, aber sie steckten das Dorf in Brand, um die Verfolgung zu verhindern. Der Feuerschein jedoch wurde die Leuchte, die sein weiteres Beginnen bei der einbrechenden Nacht begünstigte. Er entdeckte, daß die österreichische Armee auf den Höhen sich nach der Mitte zu zusammengezogen habe und daß die Seite unbesetzt sei. Nun drang er hier mit seinen rüstigen Scharen empor und setzte sich den Feinden gegenüber auf dem Berge fest. Ein hartnäckiger Kampf entspann sich, ohne zu einer baldigen Entscheidung zu führen. Indes hatten einige der Regimenter, welche von Friedrichs Seite bereits an dem früheren Kampfe teilgenommen, die Erneuerung des Gefechtes bemerkt. Sie eilten, zur Entscheidung beizutragen; der Feuerschein diente auch ihnen zur Leuchte, während sie, in der Tiefe, ungesehen herannahen konnten. Sie fielen den Reihen der Österreicher in die Seite, und schnell war das Geschick des Tages entschieden. Die Österreicher zogen sich von dem Schlachtfelde, das sie bereits als ein Siegesfeld betrachtet <387>hatten, zurück. Daun war schon vorher verwundet worden und hatte sich nach Torgau bringen lassen; jetzt gab er den Befehl, daß noch in derselben Nacht seine Armee sich auf das andere Ufer der Elbe begeben und Torgau verlassen solle.

Die Nacht war wild und unruhig. Von beiden Armeen war eine bedeutende Menge der Truppen versprengt, die nun, ohne Kenntnis von dem Ausgange der Schlacht, truppweise umherritten und sich zu den Ihrigen zurückzufinden suchten. Der Brand des brennenden Dorfes war erloschen, die Feuer, welche in großer Anzahl, zum Schutz gegen die Kälte der Nacht, angezündet waren, dienten nur dazu, die Suchenden irrezuführen. Die Österreicher richteten ihre Schritte nach dem Rauschen des Elbstromes, doch fielen ganze Bataillone von ihnen in die Hände der Preußen. Preußische Trupps trafen aufeinander; unvermögend, sich zu erkennen, beschossen sie sich gegenseitig. An den Feuern lagen häufig Gesunde und Verwundete von beiden Heeren nebeneinander: des Mordens müde, hatten sie das Übereinkommen getroffen, daß derjenige Teil von ihnen am nächsten Morgen als gefangen betrachtet werden sollte, dessen Armee gesiegt hätte. Zugleich aber schwärmten wilde Rotten auf dem Leichenfelde umher und beraubten die Toten und die Verwundeten. Endlich brach der Morgen an. Friedrich erschien auf der blutigen Walstatt, für die Pflege der Verwundeten zu sorgen; allgemein war die Freude, ihn, von dessen Verwundung man gehört, gesund wiederzusehen. Ein Grenadier, schon mit dem Tode ringend, rief freudig aus: Nun will ich gern sterben, da ich weiß, daß wir gesiegt haben und daß der König lebt! Als Friedrich und Zieten einander begegneten, fielen sie sich tiefbewegt in die Arme; Friedrich weinte laut und war unvermögend, dem treuen Diener seinen Dank auszusprechen.

<388>Der Verlust auf beiden Seiten war sehr bedeutend gewesen. Die Preußen hatten 12 bis 13,000, die Österreicher über 16,000 Mann verloren. Doch waren die letzteren noch immer bedeutend stärker als die Preußen; mit kühner Entschlossenheit hätten sie Friedrich den weiteren Gewinn des Sieges streitig machen können. Aber die plötzliche Niederlage nach dem gewissen Siege, den man schon durch eilige Kuriere nach Wien gemeldet, hatte sie mutlos gemacht. Sie zogen nach Dresden und suchten sich nur im Besitze dieser Stadt zu halten. Friedrich machte einige Versuche, sie auch noch von hier zu vertreiben und ganz nach Böhmen zurückzudrängen; doch war die winterliche Jahreszeit solchem Unternehmen nicht mehr günstig. Von beiden Seiten wurden die Armeen nun in die Winterquartiere geführt. Die Russen gingen nach Polen zurück, die Reichsarmee nach Franken. Durch ein besondres österreichisches Korps waren einige Versuche auf Oberschlesien gemacht worden, die aber ebenfalls erfolglos blieben. Mit gewaltig überlegenen Kräften war dieser Feldzug von seiten der Gegner, so wie die früheren Feldzüge, begonnen worden; und doch behielten sie von all ihren Erwerbungen am Schlusse desselben nichts, als das einzige Glatz.

Zwischen den französischen Armeen und denen der verbündeten Truppen unter dem Herzog Ferdinand von Braunschweig war in dem verflossenen Jahre mit wechselndem Erfolge gekämpft worden. Die Franzosen hatten ein ungeheures Heer ausgerüstet, aber teils die geringe Tauglichkeit der Führer, teils der Zwiespalt unter diesen hatte ihre große Überlegenheit unwirksam gemacht. Bald schritt man von der einen, bald von der andern Seite vor, ohne daß entscheidende Ereignisse <389>herbeigeführt wurden. Im Beginn des nächsten Jahres, im Februar, erfocht zwar der Herzog Ferdinand durch plötzlichen Angriff sehr bedeutende Vorteile, aber auch diese gingen im folgenden Monate wieder verloren. Die Truppen wurden beiderseits in die eben verlassenen Winterquartiere zurückgeführt, ohne daß die gegenseitigen Verhältnisse der feindlichen Mächte im wesentlichen eine veränderte Gestalt gewonnen hätten.

<390>

FÜNFUNDDREISSIGSTES KAPITEL Beginn des Feldzuges von 1761. Das Lager von Bunzelwitz.

Im Verlauf des Winters geschahen einige Schritte zur friedlichen Ausgleichung all der Wirrnisse, in denen sich Europa nun schon seit so langer Zeit befand. Die Anträge dazu gingen zunächst von Frankreich aus, das verhältnismäßig die meisten Kräfte, ohne einen eigentlichen Zweck im Auge zu haben, vergeudete. Der Landkrieg, der in Westfalen geführt ward, hatte bereits ungeheure Summen verschlungen; viel größer noch waren die Verluste, die dieser Staat in dem gleichzeitig geführten Seekriege mit England erleiden mußte. Für den Friedenskongreß ward Augsburg bestimmt. Aber noch immer waren die Leidenschaften, die den Krieg angefacht hatten, nicht abgekühlt; Friedrich wünschte wohl <391>von ganzem Herzen den Frieden, aber er gedachte auch auf keine Weise in unbillige Forderungen zu willigen. Die Verhandlungen hatten somit wenig günstigen Fortgang und wurden bald wieder eingestellt.

Um so eifriger war man von allen Seiten auf fortgesetzte Rüstungen bedacht; aber schon begannen trotz aller Anstrengungen die Kräfte mehr und mehr nachzulassen. Härtere Maßregeln als bisher mußte Friedrich ergreifen, um sich die Mittel zum erneuten Widerstände zu verschaffen. Das arme Sachsenland, das durch den unseligen Krieg schon so viel gelitten hatte, ward mit den stärksten Kontributionen belastet, die Münze wurde aufs neue in bedeutend geringerem Werte ausgeprägt. Rekruten wurden allerorten für das preußische Heer geworben; der Ackerbau lag allenthalben, wo feindliche Armeen gehaust hatten, darnieder, und gern vertauschten die Bauernburschen den Pflug mit der Muskete. Dabei mußte freilich alle mögliche Dressur angewandt werden, um die auf solche Weise zusammengerafften Truppen nur einigermaßen den Soldaten ähnlich zu machen, mit denen Friedrich den Krieg begonnen hatte. Österreich dagegen fand in seinen volkreichen Provinzen fortwährend Menschenschätze, die das Heer auf eine vorteilhafte Weise zu vervollständigen dienten; ja, man hat bemerkt, daß in demselben Grade, in dem die preußische Armee sich verschlechterte, die österreichische an Tüchtigkeit und Gewandtheit zunahm. Doch war wiederum, während Friedrich sich durch seine geschickten Finanzoperationen imstande sah, alle übrigen Kriegsbedürfnisse in genügendem Maße zu beschaffen, in den österreichischen Kassen bereits drückender Geldmangel. Sämtliche Stabsoffiziere mußten sich bequemen, ihre Besoldung in Papieren entgegenzunehmen, die erst nach geendigtem Kriege in Geld umgetauscht werden sollten. Wer nicht so lange warten konnte, fand nur vor einer besonders dazu errichteten Bank Gelegenheit, das Papier gegen Geld, aber mit beträchtlichem Verluste, auszuwechseln. Diese Bank haue Kaiser Franz, der Gemahl der Maria Theresia, dessen ganze Tätigkeit nur in Geldspekulationen bestand, aus seinem Privatvermögen — wenig patriotischen Sinnes — errichtet.

Und wie die Anstrengungen, bei dem allmählichen Sinken der Kräfte, nur immer heftiger werden mußten, wie man sich genötigt sah, zu härteren Maßregeln zu schreiten, so konnten auch andere Erscheinungen, die die Verbitterung eines langen Krieges mit sich zu führen pflegt, nicht ausbleiben. Sorgfältig hatte Friedrich bis jetzt für den Schutz der königlichen Schlösser in Sachsen gewacht; nichts von den Kunstschätzen, mit denen sie geschmückt waren, war angetastet worden. Nur einigen Unternehmungen gegen Besitzungen des Grafen Brühl, der Friedrich jederzeit den feindschaftlichsten Haß bewiesen, hatte er, nicht unwillig, zugesehen. Jetzt aber hatte <392>ihn die Plünderung des Charlottenburger Schlosses, vor allem die barbarische Zerstörung der Schätze des Altertums, die durch keine Geldsummen wiederzubringen waren, aufs tiefste empört. Und da sich gerade sächsische Truppen hiebei ausgezeichnet, so mußte es auch Sachsen entgelten. Doch wartete Friedrich mehrere Monate, nachdem er öffentliche Klage über dies Benehmen geführt, er drohte mit Repressalien, — kein Wort der Entschuldigung kam über die Lippen König Augusts. So gab Friedrich den Befehl, das Jagdschloß Hubertsburg, welches « das Herzblatt des Königes von Polen » genannt ward, zu plündern. « Der Kopf der großen Herren », so sagte er, « fühlt es nicht, wenn den Untertanen die Haare ausgerauft werden: man muß sie da angreifen, wo es ihnen selbst wehtut. » Gleichwohl war zu solchem Unternehmen in der preußischen Armee der Mann nicht ganz leicht zu finden. Der General von Saldern, dem es der König zuerst auftrug, weigerte sich wiederholt, da solch eine Handlung wider Ehre, Eid und Pflicht sei; er fiel darüber in Ungnade. Das Freikorps des Majors Quintus Icilius führte es darauf aus.

Bei alledem ließ Friedrich indes auch diesmal die Ruhe des Winterquartiers, das er in Leipzig genommen hatte, nicht ohne alle diejenigen aufheiternden Genüsse vorübergehen, die einmal einen Teil seines Lebens ausmachten. Leipzig galt zu jener Zeit als der Mittelpunkt deutscher Wissenschaft und Poesie; so fand sich mehrfache Gelegenheit, hievon Kenntnis zu nehmen, so wenig Friedrich auch im allgemeinen von den Bestrebungen der Deutschen im Bereiche des Geistes ein günstiges Vorurteil hatte. Gottsched hatte Friedrich schon bei früheren Besuchen Leipzigs kennengelernt; damals hatte der Dichter, dem freilich auch Voltaire Aufmerksamkeiten erwies, <393>Eindruck auf ihn gemacht. Friedrich hatte ihm ein Gedicht gewidmet, welches ihn den « sächsischen Schwan » nannte und mit den schmeichelhaften Worten schloß:

Durch deine Lieder füge du
Dem Siegeslorbeer, der den Deutschen schmücket,
Apollos schönern Lorbeer zu!

Jetzt ward Gottsched aufs neue vor den König berufen; indes hinterließ das nicht allzu liebenswürdige Benehmen des Poeten keinen sonderlich günstigen Eindruck. Mehr Wohlgefallen fand Friedrich an dem bescheidenen Gellert. Er ließ sich durch ihn eine von seinen sinnvollen Fabeln vordeklamieren und fand, daß hier in der Tat fließende Poesie sei. Auch äußerte er sich hernach, « Gellert sei der vernünftigste von allen deutschen Gelehrten; er sei der einzige Deutsche, der zur Nachwelt gelangen werde. » Solch ein ungemeßnes Lob konnte freilich nur ausgesprochen werden, wenn man, wie es bei Friedrich der Fall war, die deutsche Wissenschaft einzig nach dem beurteilte, was sie zu Anfange des Jahrhunderts gewesen war; wenn man die Namen eines Klopstock, eines Lessing und anderer Geister, auf welche die Nation mit erhebendem Stolze zurückblickt, gar nicht kannte. Auch ward Gellert nicht zum zweiten Male berufen. Vielleicht, daß seine wenig überdachte Bitte, Friedrich möge Deutschland den Frieden geben, — worauf dieser einfach antwortete, daß das leider nicht in seiner Macht stehe, — und noch mehr Gellerts Entschuldigung: er bekümmre sich mehr um die alte als um die neue Geschichte, nicht eben geeignet waren, ein persönliches Interesse bei Friedrich hervorzurufen.

Des Abends ward, wie in der heiteren Friedenszeit, Musik gemacht; Friedrich hatte dazu die Mitglieder seiner Kapelle nach Leipzig kommen lassen. Doch nahm er selbst schon weniger tätigen Anteil an der Musik. Das Flöteblasen griff ihn bereits an.

Auch der Marquis d'Argens, nach dessen freundschaftlicher Teilnahme den König herzlich verlangte, war nach Leipzig gekommen. Mit ihm verplauderte Friedrich die Abendstunden nach dem Konzert. Als d'Argens eines Abends in Friedrichs Zimmer trat, fand er ihn am Boden sitzen, vor ihm eine Schüssel mit Frikassee, aus welcher die Windspiele des Königs ihr Abendessen hielten. Er hatte ein kleines Stöckchen in der Hand, mit dem er unter den Hunden Ordnung hielt und der kleinen Favorite die besten Bissen zuschob. Der Marquis blieb verwundert stehen und rief aus: « Wie werden sich doch die fünf großen Mächte von Europa, die sich wider den Markgrafen von Brandenburg verschworen haben, den Kopf zerbrechen, was er <394>jetzt tut! Sie werden etwa glauben, er macht einen gefährlichen Plan zum nächsten Feldzuge, er sammelt die Fonds, um dazu Geld genug zu haben, oder besorgt die Magazine für Mann und Pferd, oder er knüpft Unterhandlungen an, um seine Feinde zu trennen und sich Alliierte zu verschaffen: — Nichts von alledem! Er sitzt ruhig in seinem Zimmer und füttert seine Hunde. » —

Der Feldzug des Jahres 1761 begann ziemlich spät, und erst am Schlusse des Jahres kam es zu entscheidenden Unternehmungen. Friedrich sollte wiederum mit mehrfach überlegenen Feinden seine Kräfte messen, in einer Lage, wo es ihm schon im höchsten Grade schwer ward, etwa eintretende Verluste zu ersetzen, wo selbst ein Sieg wie der von Torgau ihm die empfindlichste Schwäche, somit den empfindlichsten Nachteil bereiten mußte. Er sah sich also genötigt, noch entschiedener als bisher das System der Verteidigung zu befolgen, den Angriff der Gegner abzuwarten, auf die Blößen zu lauschen, die sie geben würden, und seine Kräfte nur für den Punkt der höchsten Entscheidung aufzusparen. Das Vorspiel des Kampfes geschah im Ausgange des Winters, da ein Streifzug gegen die Reichsarmee unternommen und so glücklich ausgeführt ward, daß diese ihre Stellungen mit mannigfachem Verlust verlassen und auf längere Zeit untätig bleiben mußte. Dann regte es sich in Schlesien. Auf diese Provinz war wiederum das Hauptaugenmerk des Feindes gerichtet. Hier sollte sich eine österreichische Armee unter Loudon, 75,000 Mann stark, mit einer russischen von 60,000 Mann, deren Oberbefehl jetzt der Feldmarschall Butturlin führte, vereinigen. Friedrich brach, diese Vereinigung zu hintertreiben, im Mai nach Schlesien auf; aber er konnte gegen beide feindliche Armeen nur 55,000 Mann aufbringen. Zum Schutze Sachsens ließ er den Prinzen Heinrich zurück.

<395>Das Vierteljahr bis zur Mitte August ging unter verschiedenartigen Manövern, Märschen und Gegenmärschen hin. Die Vereinigung der feindlichen Armeen sollte, wie es hieß, in Oberschlesien erfolgen. Friedrich begab sich dahin; Loudon aber wußte seine Operationen so geschickt einzurichten, daß Friedrich ihm keine Vorteile abgewinnen konnte. Unterdes rückten die Russen in Niederschlesien ein, gingen zwischen Glogau und Breslau über die Oder, Loudon wandte sich rasch aus Oberschlesien nach Böhmen zurück, besetzte die Pässe des Riesengebirges und brachte von hier aus die schon seit Jahren vorbereitete Vereinigung beider Armeen zustande, ehe Friedrich zur Verhinderung derselben hatte heranrücken können. Beide feindliche Heere standen jetzt in der Gegend von Striegau. Friedrich war ihnen entgegengezogen; da er seine Absicht vereitelt sah, so machte er den Versuch, durch ein anderes Mittel die gefahrdrohende Verbindung wiederum aufzuheben. Er wandte sich gegen den nächsten bedeutenden Posten des Gebirges, den die Österreicher bei dem Anmarsch der Russen verlassen hatten, um hiedurch den Gegnern die Zufuhr aus Böhmen, ohne die sie sich in ihrer Stellung nicht zu erhalten vermochten, abzuschneiden. Aber auch hier war ihm Loudon bereits mit schneller Übersicht zuvorgekommen; als Friedrich sich dem Gebirge näherte, fand er dasselbe so stark besetzt, daß ein Angriff unmöglich war.

Die feindliche Übermacht im Herzen Schlesiens schien alle Wünsche, die zur Erniedrigung Friedrichs so lange genährt waren, vollständig erfüllt zu haben. Friedrich war nicht vermögend, ihrem Angriff in offner Schlacht zu widerstehen; die wenigen Festungen Schlesiens konnten ihnen ebensowenig auf die Dauer Widerstand leisten. Alles, was Friedrich zu tun vermochte, bestand darin, daß er, jede fruchtlose Aufopferung vermeidend, die Feinde so lange in Untätigkeit hielt, bis der Mangel an Nahrungsmitteln für eine so gewaltige Masse von Menschen und Pferden sie von selbst zur Trennung nötigte. Dies führte er in der Tat auf eine Weise aus, die wiederum sein Feldherrntalent in der seltensten Größe darstellte. Er bezog, am 20. August, ein Lager bei Bunzelwitz, wodurch er Schweidnitz, die zunächstgelegene Festung, deckte, die Verbindung mit Breslau erhielt und nach keiner Seite für etwa erforderliche Unternehmungen beschränkt blieb. Freilich hatte die Natur nicht eben viel getan, um dies Lager gegen feindlichen Angriff zu sichern; aber es vergingen mehrere Tage, ehe die feindlichen Heerführer sich über alle erforderlichen Maßregeln der Verpflegung und Stellung der Truppen, sowie über die weiteren Operationen vereinigt hatten; und als sie nun die Stellung, welche Friedrich eingenommen, näher zu untersuchen kamen, da fanden sie kein Lager mehr, sondern eine förmliche Festung, welche in so kurzer Frist aus der Erde hervorgewachsen <396>war. Die ganze preußische Armee hatte, sich unaufhörlich abwechselnd, Tag und Nacht an diesen Verschanzungen gearbeitet. Eine Kette von Schanzen, Gräben und starken Batterien zog sich um das Lager her; vor den Linien waren Palisaden eingerammt oder spanische Reiter gesteckt, vor diesen waren drei Reihen tiefer Wolfsgruben; vor den Batterien hatte man sogenannte Flatterminen, Gruben, die mit Pulver, Kugeln und Haubitzgranaten gefüllt waren, angelegt. Man konnte jetzt schon einem feindlichen Unternehmen gelassener entgegensehen, und die Gegner fanden sich durch diese ganz unerwartete Erscheinung genötigt, die eben gefaßten Pläne aufzugeben und neue Maßregeln auszusinnen.

Indes standen die feindlichen Armeen im weiten Bogen um das Lager, und man konnte zu jeder Stunde des Angriffes gewärtig sein. Es war somit unausgesetzte Aufmerksamkeit auf die Bewegungen derselben nötig. Die Truppen innerhalb des Lagers wurden stets gewechselt, damit der Feind nie wissen könne, welche Regimenter er an dieser oder jener Stelle vor sich finden würde. Da keine hinreichende Anzahl von Kanonen, den ganzen Umfang des Lagers zu verteidigen, vorhanden war, so wurden abwechselnd hier und dort auch Baumstämme in die Schießscharten gelegt. Besonders vor nächtlichem Überfall mußte man auf seiner Hut sein. Daher ließ Friedrich die Truppen bei Tage zumeist rasten; des Abends wurden die Zelte abgebrochen, und die Soldaten standen die Nacht unter dem Gewehr. Friedrich selbst nahm an all diesen Anstrengungen und Entbehrungen der Seinen getreulich teil. Er brachte die Nächte stets in einer der wichtigsten Batterien unter freiem Himmel zu. Oft setzte er sich zum Feuer seiner <397>Gemeinen, die ihm dann ein paar Wachtmäntel auf die Erde zu breiten pflegten und ihm einen zusammengerollten Rock unter den Kopf legten, damit er so wenigstens ein Stündchen ruhen könnte. Dann hörte man die Soldaten wohl sagen: « Wenn Fritz bei uns schläft, ist's so gut, als wenn unsrer Fünfzigtausend wachen. Nun mag der Feind kommen; ist Fritz bei uns, so fürchten wir den Teufel nicht, aber der Teufel muß sich vor ihm und vor uns fürchten. Denn Gott ist mächtiger als der Teufel, und der König klüger als unsre Feinde! » Auch ließ Friedrich wohl ein Bund Stroh in die Batterie bringen, in welcher er übernachten wollte; darauf nahm er dann sein Lager, während die gekrönten Häupter, die sein Verderben sannen, auf weichen Flaumen ruhten.

So vergingen mehrere Wochen. Schon waren die Soldaten von den unausgesetzten Anstrengungen erschöpft, schon machte sich in dem Lager, dessen Verbindung mit dem Lande die Feinde abgeschnitten hatten, ein dringender Mangel bemerklich; schon rissen Krankheiten und endlich auch eine lähmende Mutlosigkeit unter den tapfern Preußen ein. Friedrich tat alles, um die Seinen zur standhaften Ausdauer anzu<398>spornen; der Klang seiner Stimme, die Gewalt seines Auges waren es allein, was ihre Sinne noch frisch, ihr Gemüt noch kräftig erhielt. Aber er selbst erkannte die Gefahr seiner Lage nur zu gut; er sah es ein, daß seine Truppen einem ernstlichen Angriff der übermächtigen Feinde nicht mehr würden widerstehen können. Den Vertrautesten offenbarte er wohl zuweilen seine Stimmung; besonders bei dem alten Zieten, der mit seinen Scharen die Pein des Lagers teilte, suchte er gern Trost. Zieten war ungebeugt und sprach mit Überzeugung seine Hoffnung aus, daß man doch noch einst alles zum guten Ende bringen werde. Friedrich aber, der seine ganze Lage besser überschaute als jener, mochte auf eine so freudige Zukunft kaum noch hinblicken. Einst fragte er Zieten ironisch, ob er sich etwa einen neuen Alliierten verschafft habe. « Nein », antwortete Zieten, « nur den alten da oben, und der verläßt uns nicht. » — « Ach », seufzte der König, « der tut keine Wunder mehr! » — « Deren braucht's auch nicht », erwiderte Zieten, « er streitet dennoch für uns und läßt uns nicht sinken! » — Nur wenige schwere Monden sollten noch vorübergehen und Zietens Wort sich auf eine unerwartete Weise erfüllen.

Die kühne Entschlossenheit, mit der Friedrich seine Stellung im Angesicht der Feinde behauptete, hatte deren Entschlüsse wankend gemacht, so daß sie sich nicht über den Angriff vereinigen konnten. Dazu kam, daß die alte Mißstimmung zwischen Russen und sterreichern aufs neue hemmend hervortrat. Schon war Butturlin empfindlich darüber, daß sich Loudon nicht eher mit ihm vereinigt, daß er ihn bis dahin der Gefahr bloßgestellt hatte, allein von den Preußen angegriffen zu werden; auch mochte er wohl, da die Kaiserin krank lag, dem preußisch gesinnten Thronfolger zu Gefallen, entscheidende Unternehmungen gegen Friedrich vermeiden. Vergebens bemühte sich Loudon, ihn zu einem gemeinschaftlichen Angriff auf das feste Lager der Preußen zu bewegen. Es wird erzählt, daß es ihm nur einmal, bei der Tafel, als der Wein die Gemüter erhitzt hatte, gelungen sei, den russischen Heerführer zum Entschlusse zu bewegen, daß derselbe aber auch diesmal, nachdem er den Rausch ausgeschlafen, alle Befehle zum Angriff widerrufen habe. Aber schon machte sich im feindlichen Heere der Mangel an Nahrungsmitteln, ebenso wie im preußischen Lager, auf eine drückende Weise bemerklich. Noch einmal versuchte Loudon einen entscheidenden Entschluß von seinem Bundesgenossen zu erzwingen; er entwarf eigenmächtig einen Plan zum Angriff und teilte den Russen die nötigen Rollen darin zu. Dies aber verletzte Butturlins Empfindlichkeit im höchsten Maße; er benutzte den Vorwand, den ihm der ausgebrochene Mangel an die Hand geben mußte, und ging, am 10. September, mit seiner Armee nach der Oder ab. Nur <399>ein Korps von 12,000 Mann, unter dem General Tschernitschef, ließ er bei Loudons Armee zurück. Nun bezog auch Loudon, entfernter vom preußischen Lager, eine feste Stellung auf den Abhängen des Gebirges. Bei den Preußen aber war großer Jubel über die Errettung aus so drohender Gefahr; vierzehn Tage gönnte Friedrich den Seinen die nötige Rast nach all den Anstrengungen, denen sie sich hatten unterziehen müssen; dann ließ er das Lager abbrechen.

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SECHSUNDDREISSIGSTES KAPITEL Schluß des Feldzuges von 1761. Das Lager zu Strehlen.

Das Jahr neigte sich seinem Ende entgegen, und der Feldzug in Schlesien schien einen glücklicheren Schluß gewonnen zu haben, als man sich zu Anfange des Jahres versprechen durfte. Friedrich gedachte jetzt nur noch, die beiden feindlichen Armeen, ehe sie sich zu einem neuen Unternehmen entschließen könnten, ganz aus dem Lande hinauszudrängen. Zu dem Zwecke sandte er, gleich nach dem Abmarsch der Russen, ein besondres Korps nach Polen, die dortigen russischen Vorräte zu vernichten; diesem gelang es, einen sehr bedeutenden Transport von Nahrungsmitteln aufzufangen, zu zerstören und die zahlreiche Bedeckung des Transportes zu zerstreuen oder gefangenzunehmen. Hiedurch wurde der Abmarsch der Russen aus Schlesien in der Tat bedeutend beschleunigt. Friedrich selbst suchte Loudon unschädlich zu machen. Er wünschte nichts mehr, als ihn vor<401>erst aus seiner festen Gebirgsstellung herauszulocken, und begann mit seiner Armee einige künstliche Manöver, die einen Plan gegen die von den Österreichern besetzte Grafschaft Glatz oder gegen Mähren verraten sollten. Aber Loudon ging nicht in die Falle. Er besetzte nur die Pässe, die nach der Grafschaft führen, und benutzte den Umstand, daß Friedrich sich bereits auf zwei Tagemärsche von Schweidnitz entfernt hatte, zu einem kühnen, gänzlich unerwarteten Unternehmen. In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober erschien er plötzlich mit seiner Armee vor Schweidnitz, dessen Besatzung nicht eben eine große Anzahl zuverlässiger Truppen zählte, und eroberte die Festung mit stürmender Hand.

Durch diesen einen raschen Schlag, der dem Feinde festen Fuß in Schlesien gab, der es ihm verstatten mußte, seine Winterquartiere hier im Lande zu nehmen und die Operationen des nächsten Jahres mit ungleich entschiedenerem Nachdrucke zu beginnen, hatte in der Tat Friedrichs Schicksal die traurigste Wendung genommen. Dennoch ließ er auch jetzt den Mut nicht sinken. Der Niedergeschlagenheit, die sich seines Heeres bei der Nachricht des Geschehenen bemächtigte, wußte er alsbald durch eine Rede, die nur unbeugsamen Mut atmete, zu wehren und seine Truppen auch jetzt aufs neue zu glühender Begeisterung zu entflammen. Gern hätte er es zu einer offnen Schlacht mit Loudon gebracht; aber vorsichtig blieb dieser auch jetzt wiederum in seiner sichern Stellung. Friedrich entschloß sich nun, sein Quartier in Strehlen zu nehmen, von wo aus er feindlichen Unternehmungen auf Breslau oder auf Schweidnitz gleich rasch entgegentreten konnte. Die Truppen wurden in den Dörfern um Strehlen in Kantonierungsquartiere gelegt. Loudon benutzte, bei solcher Stellung des Gegners, seinen glücklichen Gewinn zu keinen weiteren Fortschritten.

Das Lager zu Strehlen sollte durch verschiedene Vorfälle eine besondere historische Merkwürdigkeit gewinnen. Hier erschien im Verlaufe des Oktobers eine Gesandtschaft des Tartarchans, Kerim Geray, der, als ein entschiedener Gegner der Russen, dem Preußenkönige seine Freundschaftsversicherungen und das Anerbieten, Truppen gegen Geldvergütung zu stellen, überbringen ließ. Der Gesandte, Mustapha Aga (eigentlich der Bartputzer des Chans, ein Amt, das jedoch seiner gegenwärtigen Würde keinen Eintrag tat), wurde mit aller Zuvorkommenheit aufgenommen. Es kam in der Tat ein Bündnis zustande, demzufolge im nächsten Jahre ein Korps von 16,000 Tartaren in Oberschlesien eintreffen sollte, während gleichzeitig der Chan einen Einfall in Rußland zu machen versprach. Auch mit dem türkischen Sultan war in diesem Jahre, nach langen vergeblichen Versuchen, ein <402>Freundschafts- und Handelsvertrag zustande gekommen, und der Sultan zog bereits bei Belgrad ein drohendes Heer gegen Friedrichs Feinde zusammen. Beide Bündnisse mußten Friedrich sehr erwünscht sein, um die Macht seiner Gegner zu brechen; nur die große Veränderung in der bisherigen europäischen Politik, die im nächsten Jahre vor sich ging, verhinderte die Ausführung der gefaßten Entschlüsse.

Ein zweites Ereignis, das in Strehlen vorfiel, war der verräterische Versuch, den König lebendig oder tot in die Hände seiner Feinde zu liefern. Ein Vasall Friedrichs, Baron Warkotsch, dessen Besitzungen in der Nähe von Strehlen lagen und der es unbequem fand, daß ihm die preußische Regierung keine willkürliche Behandlung seiner Untertanen verstattete, hatte den Plan dazu in Gemeinschaft mit einem österreichischen Offizier, dem Obersten Wallis, entworfen. Er hatte dem Könige öfters in Strehlen aufgewartet und alle Gelegenheit ausgekundschaftet. Friedrich wohnte außerhalb der Stadt, in dem daneben gelegenen Dorfe Woiselwitz; <403>die Wache vor seinem Hause bestand aus 13 Mann Garde; sonst waren wenig Militärs im Dorfe, und auch in der Stadt befand sich, da die Armee schon zum Teil in die Winterquartiere entsandt war, keine bedeutende Truppenmacht. Der Zwischenträger zwischen Warkotsch und Wallis war ein katholischer Geistlicher, Franz Schmidt. Die Briefe an diesen, auch an Wallis, überbrachte ein Jäger in des Barons Diensten, Matthias Kappel. Der letztere hatte aus diesem, sehr geheim gehaltenen Briefwechsel sowie aus manchen Reden seines Herrn und andern Umständen Verdacht geschöpft. Am 29. November war er mit dem Baron wieder in Strehlen gewesen. Als er mitten in der Nacht darauf wieder Befehl erhielt, einen Brief mit der Adresse des Obersten Wallis an Schmidt zu überbringen, wuchs sein Verdacht; er öffnete den Brief und fand in dessen Inhalt den ganzen Verrat ausgesprochen. Schleunig ließ er sich nun durch einen evangelischen Geistlichen, der am Orte war, eine Abschrift des Briefes anfertigen, den er an Schmidt sandte, während er mit dem Originalschreiben unverzüglich in das Hauptquartier des Königs jagte. Friedrich empfing den verhängnisvollen Brief. « Ihr seid », so sprach er zu dem Jäger, « ein bestimmtes Werkzeug, für mich von einer höheren Hand abgeschickt! » Alle Anstalten wurden nun getroffen, um der Verräter habhaft zu werden. Beide, der Baron und der katholische Geistliche, wurden ergriffen, während sie sich nichts Arges versahen; aber beide entkamen durch List. Der Baron, den ein preußischer Offizier in seinem Schlosse überraschte, erhielt von diesem die Erlaubnis, sich umzukleiden; aus seinem Schlafzimmer entkam er nach dem Stalle; hier warf er sich auf ein Pferd und gewann einen so bedeutenden Vor<404>sprung vor den nachsetzenden Preußen, daß man ihn nicht mehr einholen konnte. Der Geistliche befand sich bei einem benachbarten Edelmann zu Tische; er erhielt die Erlaubnis, ehe man ihn fortführte, noch erst das heimliche Gemach besuchen zu dürfen; hier ließ er sich an einer Stange hinab und entging ebenfalls seinen Verfolgern.

Dem Könige war es im Grunde nicht unangenehm, daß die beiden Verräter entkommen waren. Das Gericht erkannte auf strenge Todesstrafe: Warkotsch sollte gevierteilt, Schmidt enthauptet und dann ebenfalls gevierteilt werden. Friedrich war kein Freund von Blutgerichten und konnte es nun in Ruhe unterschreiben, daß das Urteil an ihren Bildnissen vollstreckt würde. « Das mag immer geschehen », sagte er, « denn die Porträts werden vermutlich ebensowenig taugen, als die Originale selbst. » So wurde das Urteil im Mai des folgenden Jahres an den beiden Bildnissen, auf einem dazu erbauten Schafott, in Breslau vollzogen.

Allen Ergebnissen der gerichtlichen Untersuchung zufolge, war übrigens dieser Verrat nur das Werk weniger einzelner Personen. Bei den österreichischen Heerführern fand er gerechten Abscheu. Die gräfliche Familie von Wallis machte öffentlich bekannt, daß der gleichnamige Oberst nicht mit ihr verwandt sei. Auch die katholische Kirche hatte daran keinen weiteren Anteil, als daß einer ihrer Diener auf unwürdige Weise die Hand zu dem frevelhaften Beginnen geboten. Zwar wollte man bei mehreren Vorfällen wissen, daß die katholische Geistlichkeit Schlesiens sich während des Krieges feindselig gegen Friedrich benommen habe, und das Benehmen des Papstes nach der Schlacht von Hochkirch war wohl geeignet, solchem Argwohn größeren Nachdruck zu geben. Indes bezieht sich alles, was zu jener Zeit von Unternehmungen dieser Art erzählt ward, wie bei dem Verrate des Barons Warkotsch, nur auf das Beginnen Einzelner, ohne der ganzen Genossenschaft einen Vorwurf zu bereiten. Eine dieser Erzählungen trägt ein eigentümlich launiges Gepräge. Gegen die preußische Regierung einer schlesischen Stadt wurde einst, wie man berichtet, ein Anschlag gemacht; sie sollte zu nächtlicher Weile von österreichischen Truppen überfallen werden, während es die Pfaffen in der Stadt übernommen hatten, die Wachen von ihren Posten zu vertreiben. Zu letzterem Vorhaben hatte einer von ihnen sich in das Kostüm des Teufels gesteckt und trat so zu nächtlicher Weile, phosphorfunkelnd, einer Schildwache entgegen. Diese jedoch, ihrer Dienstpflicht eingedenk, schlug das Gewehr auf den Teufel an, der nun sein Heil in der Flucht suchen wollte, aber von dem rüstigen Gegnern ergriffen und in die Hauptwache abgeliefert wurde. Am nächsten Tage ward er, der <405>ganzen Armee zur Schau und zum Gespötte, ihre Reihen entlanggeführt, und der feindliche Anschlag unterblieb.

Bald nachdem die Gefahr in Strehlen vom Haupte des Königs abgewandt war, ward ein anderer Anschlag geschmiedet, dessen Ausführung ihm nicht minder das größte Verderben bereiten mußte. Magdeburg, die Hauptfestung des preußischen Reiches, der Sitz des Hof es, der Aufbewahrungsort des königlichen Schatzes, der Archive, der zahllosen Kriegsbedürfnisse, sollte den Feinden in die Hände gespielt werden. Den Plan dazu faßte ein Mann, der in den Kerkern Magdeburgs in Ketten und Banden saß, der Baron von der Trenck, auf dem Hochverrat und andere schwere Schuld haftete. Schon früher war er in Glatz gefangen gewesen, aber auf gewaltsame Weise entkommen. In Magdeburg wurde er, nachdem er manche Versuche gemacht, aufs neue durchzubrechen, sehr strenge gehalten. Gleichwohl gelang es ihm, eine Verschwörung unter den zahlreichen Gefangenen, die in dieser Festung eingeschlossen waren, anzustiften. Schon war das Verderben nah, als man die Verschwörung entdeckte und Trencks Schicksal nur noch furchtbarer steigerte.

<406>Doch sollte den König, während so drohende Gefahren erfolglos vorübergingen, noch ein Schlag treffen, der, in Verbindung mit dem Fall von Schweidnitz, sein nahes Verderben zu verkünden schien. In Pommern war eine russische Armee eingerückt, eine russische Flotte, mit einer schwedischen vereinigt, war vor Kolberg erschienen. Vor der Festung indes lagerte ein preußisches Armeekorps unter dem Prinzen von Württemberg, welches sich fest verschanzt hatte, und das erst besiegt werden mußte, wenn die Feinde zur eigentlichen Belagerung Kolbergs schreiten wollten. Die Festung und das preußische Lager wurden nun von der feindlichen Übermacht umschlossen, doch wehrten sie standhaft, mehrere Monate hindurch, jeden Angriff ab. Aber nun begann es an Nahrungsmitteln zu fehlen, und noch drückender wurde die Lage der Eingeschlossenen, als auch die russische Hauptarmee, nach ihrem Abzuge aus Schlesien, in Pommern einrückte und alle Zufuhr abschnitt. Endlich sah sich der Prinz von Württemberg genötigt, sich durch die Feinde durchzuschlagen; dies glückte, aber vergeblich waren seine Versuche, im Rücken der russischen Heere für den Entsatz Kolbergs zu wirken. Nach der standhaftesten Verteidigung ward der tapfere Kommandant dieser Festung, der im vorigen Jahre so hohen Ruhm erworben, endlich durch Hunger genötigt, sich zu ergeben. Die Festung ging am 16. Dezember in die Hände der Russen über, die hiedurch in Pommern, wie die Österreicher in Schlesien, festen Fuß für ihre künftigen Unternehmungen gefaßt hatten.

Und doch war hiemit das Maß des Unglücks noch nicht gefüllt. Zwar waren die schwachen Versuche der Schweden, wie gewöhnlich, ohne Erfolg geblieben; zwar hatte Prinz Heinrich Sachsen gegen die Österreicher unter Daun und gegen die Reichsarmee so erfolgreich beschirmt, daß diese nicht bedeutende Vorteile erlangen konnten; zwar hatte Friedrichs Mitkämpfer, der Herzog Ferdinand von Braunschweig, glücklich gegen die Franzosen gestritten, so daß auch von dieser Seite vorderhand nichts zu befürchten war: ein Bundesgenoß, dessen Unterstützung für Friedrich höchst wichtig war, fiel in diesem Jahre von ihm ab, und er stand nun, ganz auf seine eignen Kräfte zurückgeführt, den Feinden ganz allein gegenüber. Die Subsidien aus England, die ihm zur Bestreitung all seiner Kriegsbedürfnisse so dringend nötig waren, blieben aus. Der Tod des Königes von England und die Thronbesteigung seines Enkels, Georgs III., die im vorigen Jahre erfolgt war, brachte allmählich eine bedeutende Veränderung in der englischen Politik hervor. Pitt sah sich genötigt, dem Günstlinge des neuen Königes, dem Lord Bute, Platz zu machen; und so dringend sich auch das Parlament für die fernere Unterstützung Friedrichs, den man in England nur « den Großen und Unermüdlichen » nannte, verwandt <407>hatte, so wußte es Bute, dem trotz aller Vorteile Englands ein möglichst schleuniger Friede am Herzen lag, doch bald dahin zu bringen, daß der Subsidientraktat zwischen England und Preußen nicht erneut und die Hilfsgelder nicht weiter bezahlt wurden.

So schloß das Jahr 1761. Preußen und die westfälischen Provinzen schon seit dem Beginn des Krieges vom Feinde besetzt, jetzt auch Glatz und Schweidnitz sowie Kolberg und ein großer Teil Pommerns in ihren Händen; hiedurch ihnen der günstigste Weg zu weiteren Fortschritten gebahnt; die Besitzungen, die Friedrich noch übrigblieben, zum Teil verödet und zerstört; Sachsen, das bisher so reichliche Mittel zur Fortsetzung des Krieges geliefert hatte, völlig ausgesogen; die wichtige Unterstützung Englands zur Bestreitung der Kriegskosten verloren; England überdies geneigt, mit Frankreich Frieden zu schließen, wodurch Friedrich auch die Heere <408>dieses Feindes mit eigner Kraft bekämpfen mußte; — und für alles das nichts als das Versprechen einer verhältnismäßig geringen Hilfe von Seiten der Tartaren und einer, noch immer zweideutigen von Seiten der Türkei! Wahrlich, daß die gewaltig überlegenen Feinde im Verlauf von sechs Jahren nicht größere Vorteile über die kleine Macht, die Friedrich aufstellen konnte, errungen hatten, das ist das Zeugnis einer Feldherrngröße, wie sie in den Jahrbüchern der Geschichte nur selten erscheint; aber wie sollte Friedrich jetzt, mit hinschwindenden Kräften, noch ferner gegen die Übermacht standhalten? Alle früheren Unfälle bestanden nur in augenblicklich dringenden Verlegenheiten, aus denen ein schneller, kühner Entschluß retten konnte: — jetzt blieb für Friedrich, nach menschlicher Berechnung, nichts übrig, als schmachvoll auf die Stufe hinabzusteigen, die ihm vielleicht die Gnade seiner Feinde als ein kümmerliches Almosen lassen würde, oder mit Ehren unterzugehen.

Wohl keiner, der mit kalter Besonnenheit den Stand der Verhältnisse prüfte, mochte eine andere Ansicht der Dinge gewinnen. Die Feinde frohlockten; Maria Theresia war der Erfolge des nächsten Jahres so gewiß, daß sie keinen falschen Schritt zu begehen glaubte, als sie, dem drückenden Geldmangel einigermaßen zu begegnen, 20,000 Mann ihres Heeres entließ. Friedrich auch hatte keine andere Überzeugung; aber mit ruhigem Mute blickte er der Zukunft entgegen, nicht gewillt, der Würde seines Geistes etwas zu vergeben. Sein Entschluß war lange gefaßt; er hatte zu oft dem Tode ins Auge geschaut, hatte zu oft das Verderben nah über seinem Haupte dahinschweben gesehen, als daß er sich jetzt kleinmütigem Verzagen oder müßiger Verzweiflung hätte hingeben sollen. Seinen Trost, seine Stärkung fand er in sich selber, in den dichterischen Gebilden, in die er auch zu dieser Zeit die Stimmung seines Gemütes ergoß. Und hochmerkwürdig sind die Gedichte, die er im Lager zu Strehlen und im Winterquartiere zu Breslau niederschrieb. Nicht schwärmt er mehr, wie einst nach der Schlacht von Kolin, daß ihm der Freund sein Grab mit Rosen und Myrten bestreuen möge; nicht will er mehr aus dem Leben hinausgehen, weil es ihm zur Last geworden, — er hatte sich schon an das Leiden gewöhnt und war unter den wiederholten Schlägen des Schicksals nur immer neu erstarkt! Er gedenkt des freiwilligen Todes nur aus dem Grunde, weil die Fortsetzung des Lebens nichts als Schmach zu verkünden scheint. Bei dieser erhabenen Ruhe gelingt es ihm, dem echten Dichter gleich, seinen Geist aus der beengenden Gegenwart frei zu machen und die Größe verwandter Geister, deren Gedächtnis die Geschichte bewahrt, in hehrer Gestalt zur belebten Erscheinung zu bringen. Er dichtet den Kaiser Otho, der sich selbst aufopferte, damit seine Getreuen <409>nicht durch das Schwert des Siegers vernichtet würden; den Cato von Utica, der als ein freier Bürger Roms das Leben verließ, damit er nicht zur Untreue gegen sich selbst genötigt und an den Wagen des triumphierenden Tyrannen gekettet würde; — an solchen Bildern stählt er seine Kraft, um bis zum letzten, entscheidenden Augenblicke auszuharren.

Aber sein ausdauernder Mut sollte nicht des Lohnes entbehren.

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SIEBENUNDDREISSIGSTES KAPITEL Feldzug des Jahres 1762. — Burkersdorf und Schweidnitz. — Friede.

Der über den Wolken thront, der die Mächtigen stürzt und die Ratschläge der Klugen verwirrt, der die Welt ohne Aufenthalt dem Ziele ihrer Entwickelung entgegenführt, hatte es anders beschlossen, als menschliche Voraussicht ahnen konnte. Einst war sein Sturmesatem dahergebraust, und die unüberwindliche Flotte des Königes, in dessen Landen die Sonne nicht unterging, sank in den Abgrund des Meeres und das Land der Freiheit blieb frei. Jetzt gesellte er den zahllosen Opfern, welche der Todesengel seit sechs Jahren hinweggerafft, ein einziges neues Opfer zu, und die stolzen Pläne der Widersacher zerrissen, und der König, der dem Geiste der neuen Zeit mit mächtiger Hand Bahn gebrochen, war vom Verderben gerettet.

<411>Am 5. Januar 1762 starb Elisabeth von Rußland; ihr Neffe, Peter III., bestieg den erledigten Thron. So erbittert Elisabeth sich fort und fort gegen Friedrich gezeigt hatte, einen so innigen Verehrer fand letzterer an dem neuen Kaiser. Schon als Großfürst war Peter nie im russischen Staatsrate erschienen, wenn Beschlüsse gegen Friedrich gefaßt werden sollten. Er trug Friedrichs Bildnis im Ringe am Finger; er kannte alle einzelnen Umstände aus den Feldzügen des Königes, alle Einrichtungen und Verhältnisse der preußischen Armee; er betrachtete Friedrich nur als sein Vorbild, dem er in allen Stücken nachzueifern habe. Von Friedrich zu Peter und von diesem zu Friedrich flogen alsbald Gesandte, welche Glückwünsche und Freundschaftsversicherungen überbrachten. Die preußischen Gefangenen im ganzen russischen Reiche wurden nach der Hauptstadt berufen und, nachdem man sie dort ehrenvoll aufgenommen, zu ihrer Armee zurückgesandt. Ein Waffenstillstand ward geschlossen. Auf diesen folgte bald, am 5. Mai, ein förmlicher Friede, demgemäß Peter alles, was unter seiner Vorgängerin erobert war, ohne eine weitere Entschädigung zurückgab; die Provinz Preußen ward ihres Treueides entlassen; die russischen Truppen erhielten Befehl, Pommern, die Neumark und Preußen zu räumen; Tschernitschefs Korps, welches noch mit den Österreichern vereint war und in der Grafschaft Glatz Winterquartiere genommen hatte, ward ebenfalls zurückberufen. Endlich folgte auf den Frieden ein gegenseitiges Schutzbündnis, und nun ward Tschernitschef, der unterdes nach Polen gegangen war, beauftragt, mit seinem Korps zu Friedrichs Armee zu stoßen.

Eine so außerordentliche, so plötzliche Veränderung der politischen Verhältnisse machte alle Welt erstaunen; man konnte sich auf keine Weise in die fast märchenhaften Berichte finden, die dem Unerwarteten fort und fort Unerwartetes hinzufügten. Lord Bute, der englische Minister, der nichts als einen allgemeinen Frieden im Sinne hatte und dem dabei wenig an Friedrichs Ehre gelegen war, griff in solchem Maße fehl, daß er dem Kaiser, eben als dessen Friedensverhandlungen mit Friedrich ihrem Schlusse nahe waren, die besten Anerbietungen machen ließ, falls er den Krieg in gleicher Weise wie bisher fortsetzte; ihm ward alles zugesichert, was er sich dabei von Friedrichs Besitzungen aussuchen wolle. Peter aber war hierüber so entrüstet, daß er die Anträge nicht nur mit Verachtung zurückwies, sondern sie auch an Friedrich mitteilte, damit dieser den Verrat seines bisherigen Bundesgenossen einsehen möge. Schweden, dem die neue Freundschaft zwischen Rußland und Preußen am meisten Gefahr drohte, faßte sich zuerst; die Königin, Friedrichs Schwester, war sehr gern bereit, Friedensunterhandlungen einzuleiten, und so kam schnell, am 22. Mai, auch mit dieser Krone ein Friede zustande, der alle Ver<412>hältnisse auf den Fuß zurückführte, wie sie vor dem Ausbruch des Krieges gewesen waren. Vor allem aber war Maria Theresia bestürzt, als sie sich so plötzlich von all den glänzenden Hoffnungen, zu denen sie der Schluß des vorigen Jahres berechtigt hatte, herabgestürzt sah. Durch die 20,000 Mann, die sie in sicherem Vertrauen auf die Zukunft ihres Dienstes entlassen hatte, und durch den Abzug des Tschernitschefschen Korps war ihre Macht um 40,000 Mann geschwächt und Friedrichs um 20,000 Mann vermehrt, was einen Unterschied von 60,000 Mann in die Wagschale des Krieges legte; Friedrich sagte, daß ihm drei gewonnene Schlachten keine größeren Vorteile hätten gewähren können. Dazu kamen ansteckende Krankheiten, die gerade in dieser Zeit große Verheerungen in der österreichischen Armee hervorbrachten. Die Vereinigung des Tschernitschefschen Korps mit der preußischen Armee war den Österreichern anfangs so unglaublich, daß sie sie für ein von Friedrich erfundenes Blendwerk hielten; sie meinten, es seien unbedenklich preußische Soldaten, die man in russische Uniformen gesteckt habe.

Bei Friedrich aber, bei seiner Armee und seinem Volke brachten diese glücklichen Ereignisse die freudigste Stimmung hervor; die alte Zuversicht des Sieges kehrte zurück, und man sah einer ehrenvollen und schnellen Beendigung des langen Krieges entgegen. Die Hauptmacht des preußischen Heeres ward nach Schlesien zusammengezogen, den Österreichern wieder zu entreißen, was sie im vorigen Jahre gewonnen hatten. Doch verzögerte sich, durch all jene Verhandlungen mit Rußland, der Beginn der Feindseligkeiten bis zum Sommer; auch gedachte Friedrich nichts Entscheidendes vor der Ankunft des russischen Hilfskorps vorzunehmen. Die Österreicher hatten, unter den veränderten Verhältnissen, ebenfalls keine Lust, den Krieg vorzeitig zu beginnen; sie benutzten die Zwischenzeit aufs beste, um alle Einrichtungen zur Verteidigung ihrer Erwerbungen zu treffen. Die Befestigungen von Schweidnitz wurden soviel wie möglich verstärkt; zum Schutze der Festung hatte sich auf den benachbarten Abhängen des Gebirges die österreichische Hauptarmee, bei der jetzt wiederum Daun den Oberbefehl führte, gelagert; die Pässe des Gebirges waren durch starke Schanzarbeiten selbst zu einer fast unangreiflichen Festung umgewandelt worden. Friedrich machte verschiedene Versuche, den Feind in eine minder vorteilhafte Stellung zu bringen, damit er ungestört zur Belagerung von Schweidnitz schreiten könne, doch ließ sich Daun in seinen gewohnten Maßregeln nicht irremachen. Selbst als Friedrich, im Rücken Dauns, einen Streifzug tief in Böhmen hinein veranstaltete, blieb dieser unbeweglich in seiner sichern Stellung. Zu diesem Streifzuge war, neben andern Truppen, auch der Vortrab des Tschernitschefschen Korps, eine Schar von 2000 Kosaken, benutzt worden.

<413>Indes war Friedrich die Ehre aufbehalten, den Kampf, den er so lange allein geführt hatte, auch ohne fremde Beihilfe zu beenden. Wenige Tage erst waren vorübergegangen, seit Tschernitschef zu seiner Armee gestoßen, als plötzlich, am 19. Juli, eine Nachricht von Petersburg kam, die alle hoffnungsvollen Pläne wiederum zu vernichten und den alten Stand der Dinge aufs neue herzustellen drohte. Peter III. hatte sich durch eine Menge sehr unüberlegter Neuerungen allen Klassen des Volkes verhaßt gemacht; er hatte seine Gemahlin Katharina in einer Weise behandelt, daß diese das Schlimmste befürchten zu müssen glaubte; eine Verschwörung war gegen ihn angestiftet worden, die eine schnelle Revolution, die Entsetzung des Kaisers und bald darauf auch seine Ermordung zur Folge hatte. Katharina war an seine Stelle getreten. Jetzt ward der Friede mit Preußen als ein Schimpf, der Rußland widerfahren sei, angesehen; Tschernitschef erhielt den Befehl, augenblicklich mit seinem Korps die preußische Armee zu verlassen; aus Pommern und Preußen kam die Nachricht, daß alle russischen Truppen sich zu neuen Feindseligkeiten anschickten.

Die erste Kunde all dieses neuen Unheils war wohl geeignet, Friedrich gänzlich zu betäuben; nie hatte man ihn so niedergeschlagen gesehen, als in diesem Augenblick. Durch Tschernitschefs Hilfe hatte er geglaubt, Daun von den Abhängen des Gebirges vertreiben zu können, ohne welches Unternehmen die Belagerung von Schweidnitz nicht ausführbar war; nun sollte er nicht bloß diese Hilfe verlieren, sondern <414>wiederum neue Armeen beschaffen, um den neuen Angriffen der Russen zu begegnen. Aber ebenso schnell, wie jene Kunde ihn niedergeschlagen hatte, erhielt auch sein Geist die nötige Spannkraft wieder. Er faßte einen raschen, kühnen Entschluß. Noch war die Nachricht nicht weiter verbreitet, noch konnten namentlich die Österreicher davon nichts erfahren haben. Er sandte augenblicklich einen Adjutanten zu Tschernitschef, damit dieser auf der Stelle zu ihm komme. Tschernitschef war eben damit beschäftigt, seine Truppen der neuen Kaiserin schwören zu lassen, er wollte eben einen Boten an Daun senden, diesem seinen Abzug von der preußischen Armee zu melden; er verhieß dem Adjutanten, daß er am nächsten Tage vor dem Könige erscheinen werde. Aber dieser bat so dringend, daß sich Tschernitschef entschließen mußte, ihm zu folgen. Friedrich forderte nichts weiter von Tschernitschef, als daß er den Befehl zum Abzuge noch drei Tage verheimlichen, sein Korps solange ruhig im preußischen Lager stehen und dasselbe am Tage der Schlacht, zu der er sich entschlossen habe, nur zum Schein ausrücken lassen möge, ohne selbst Anteil am Gefechte zu nehmen. Tschernitschef sah sehr wohl ein, daß ein solcher, wenn auch scheinbar geringer Ungehorsam gegen die Befehle der Kaiserin die schlimmsten Folgen für ihn haben könne; aber noch nie hatte einer der siegenden Beredsamkeit Friedrichs, dem hellen Glanze seines Auges widerstanden. Der russische General mußte der Forderung des Königs nachgeben. « Machen Sie mit mir », so rief er am Ende des Gespräches aus, « was Sie wollen, Sire! Das, was ich Ihnen zu tun versprochen habe, kostet mir wahrscheinlich das Leben; aber hätte ich deren zehn zu verlieren, ich gäbe sie gern hin, um Ihnen zu zeigen, wie sehr ich Sie liebe! »

Die drei Tage, welche ihm Tschernitschef bewilligt, benutzte Friedrich auf eine meisterhafte Weise, um den Feind von seiner drohenden Verbindung mit Schweidnitz abzuschneiden. Er traf alle Anstalten, sich der verschanzten Gebirgsposten bei Burkersdorf und Leutmannsdorf, die von österreichischen Truppen besetzt waren, durch einen kühnen Gewaltstreich zu bemächtigen. Seine Armee ward so verteilt, daß Daun eher Angriffe auf seine Hauptmacht als auf seine schwierigen Posten zu gewärtigen hatte; dabei figurierten auch die Russen, welche Daun nach wie vor für Feinde hielt und denen er eine genügende Truppenmacht gegenüberzustellen genötigt war. Am 21. Juli wurden die Gebirgsposten durch plötzlich ungestümen Angriff überrascht. Eine starke Batterie, die über Nacht vor den feindlichen Verschanzungen aufgeworfen war, trieb die leichten Truppen, die einen ersten Angriff abhalten sollten, durch rasches Feuer in die Berge. Dann begannen die preußischen Regimenter von allen Seiten den Sturm. Weder die senkrechten Berghänge mit ihren Wällen und Wolfsgruben, noch die Palisaden und Kanonen, die aus jeder <415>einzelnen Anhöhe ein Fort bildeten, vermochten den Mut der Stürmenden aufzuhalten. Von einem Absatze der Berge zum andern drangen sie empor; wo die Pferde nicht fußen konnten, wurden die Kanonen mit den Händen emporgetragen, immer tiefer in die Berge zogen sich die Österreicher zurück, bis auch die Palisaden ihrer letzten Befestigung in Feuer aufgingen und sie sich nun in aufgelöster Flucht auf die Hauptarmee zurückwarfen. Eine große Menge von Gefangenen fiel in die Hände der Preußen.

Friedrich hatte seine Absicht erreicht und konnte nun den russischen Heerführer mit Dank entlassen. Bewundernd hatten die russischen Offiziere den verwegenen Plan des Königs und die hingebende Tapferkeit seiner Truppen, welche allein die Ausführung desselben möglich machte, mit angesehen. Tschernitschef war zur Seite des Königs, als dieser, gegen das Ende der Schlacht, einem verwundeten Soldaten begegnete. Der König fragte ihn, wie es gehe. « Gottlob », antwortete der Soldat, <416>« es geht alles gut, die Feinde laufen und wir siegen! » — « Du bist verwundet, mein Sohn », fuhr der König fort und reichte ihm sein Taschentuch, « verbinde dich damit. » — « Nun wundre ich mich nicht mehr », sagte Tschernitschef, « daß man Ew. Majestät mit solchem Eifer dient, da Sie Ihren Soldaten so liebreich begegnen. » — Als Tschernitschef von Friedrich ein kostbares Geschenk zum Abschiede erhielt, bat er den Überbringer, seinem Herrn zu sagen: er habe ihn nun für die ganze Welt unbrauchbar gemacht, denn nie werde er jemand finden, den er so lieben und hochschätzen könne, als ihn.

Indes verschwand schnell die neue Gefahr, welche von russischer Seite zu besorgen war. Katharina hatte vermutet, daß Peter III. durch Friedrichs Rat sowohl in seinen unbesonnenen Neuerungen als auch in seinem feindlichen Betragen gegen sie wesentlich bestärkt worden sei. Als sie aber, unmittelbar nach der Bekanntmachung ihrer Entschlüsse gegen Preußen, die Papiere ihres verstorbenen Gemahls untersuchte, fand sie von alledem das entschiedene Gegenteil. Friedrich hatte dem Kaiser nicht nur auf dringende Weise Mäßigung in seinen Reformen angeraten, sondern ihn auch beschworen, seine Gemahlin, wenn nicht mit Zärtlichkeit, so doch mit Hochachtung zu behandeln. Aller Haß gegen Friedrich wurde durch diese untrüglichen Zeugnisse ausgelöscht, die Kriegsbefehle widerrufen, der frühere Friede in all seinen Bedingungen bestätigt, und nur das abberufene Hilfskorps kehrte nicht wieder zurück. So konnte sich Friedrich aller neuaufgewachten Sorgen entschlagen und seine Kräfte ungeteilt den Österreichern entgegensetzen.

Daun hatte sich nach dem Verlust der Posten von Burkersdorf und Leutmannsdorf tiefer ins Gebirge gezogen und war nun von Schweidnitz völlig abgeschnitten. Friedrich besetzte die Pässe und machte seine Anstalten zur Belagerung. Am 4. August wurde die Festung eingeschlossen, am 7. begann man die Laufgräben zu ziehen. Zwei preußische Armeen sicherten den Fortgang der Belagerung gegen etwaigen Entsatz. Bei der einen führte Friedrich den Oberbefehl, bei der andern, die bis dahin in Oberschlesien gestanden hatte, der Herzog von Bevern. Daun aber gedachte den Preußen nicht gutwillig alle Vorteile zu überlassen; er bereitete sich zu einem schnellen Angriff auf die Armee des Herzogs von Bevern vor, um hiedurch den Entsatz von Schweidnitz zu bewerkstelligen. Der größere Teil seiner Armee umging die jetzt von den Preußen besetzten Gebirgspässe und fiel, am 16. August, in vier Korps auf die bedeutend geringere Macht des Herzogs, die bei Reichenbach stand. Doch hielt der Herzog von Bevern, obgleich von allen Seiten angefallen, mutig stand, bis Friedrich selbst <417>bedeutende Truppenkorps zu seiner Unterstützung herbeiführte. Unter großem Verlust sahen sich die Österreicher genötigt, wieder in ihre Berge zurückzukehren. Daun gab nun alle Hoffnung zum Entsatze von Schweidnitz auf; er zog sich mit seiner ganzen Armee nach der Grafschaft Glatz zurück und blieb dort, ohne während des ganzen Feldzuges noch ein weiteres Lebenszeichen von sich zu geben.

Die Belagerung von Schweidnitz schritt indes nur langsam vorwärts. Innerhalb der Festung leitete die Verteidigungsarbeiten ein berühmter Ingenieur, Gribauval, die Belagerungsarbeiten außerhalb der Stadt ein anderer, Le Fevre. Beide hatten sich in der Wissenschaft des Festungskrieges erfolgreich hervorgetan, hatten bisher in verschiedenen gelehrten Schriften gegeneinander gekämpft und strebten nun, ihre verschiedenartigen Theorien durch glänzende Taten zu rechtfertigen. Während über der Erde das Geschützfeuer Tag für Tag donnerte, entspann sich gleichzeitig ein eigentümlicher unterirdischer Krieg. Verschlungene Minengänge, nach allen Regeln der Kunst angelegt, wurden gegeneinander geführt; der eine strebte den andern zu überraschen und seine Arbeiten erfolglos zu machen; oft kamen die Gegner in ihren Höhlen aneinander und machten sich auch hier die paar Zolle des Bodens, den sie soeben zur Beschreitung zugerichtet, durch Feuer und Dampf streitig. Le Fevre, preußischerseits, hatte der neuen Erfindung der Druckkugeln, welche dazu dienen sollten, die feindlichen Minen einzustürzen, großen Beifall geschenkt. Mehrere solcher Kugeln wurden mit großer Sorgfalt zubereitet, mißglückten aber zum Teil durch die zweckmäßigen Maßregeln des Gegners. Überhaupt hielt die eine Kunst der andern so geschickt die Wage, daß keine Fortschritte erreicht werden konnten; Le Fevre geriet in Verzweiflung; er wünschte nichts als den Tod und suchte ihn, indem er sich selbst an die gefährlichsten Stellen begab. Friedrich ward endlich dieser erfolglosen Experimente überdrüssig. Er übernahm selbst die Leitung der Belagerungsarbeiten und brachte mit weniger künstlichen Zurichtungen, aber mit mehr Geschick, bald einen rascheren Gang der Dinge zuwege. Der feindliche Kommandant war bereit, die Festung zu übergeben, wenn der Besatzung freier Abzug verstattet würde. Da Friedrich hierauf nicht eingehen wollte, so fand aufs neue die hartnäckigste Gegenwehr statt.

Wenige Tage, nachdem Friedrich die Belagerung selbst zu leiten begonnen hatte, ritt er beim Rekognoszieren den feindlichen Werken so nah, daß die Kugeln zu seinen Seiten einschlugen. Seinem Pagen ward das Pferd unter dem Leibe erschossen; er fiel mit den Rippen auf das Gefäß des Degens und bog dasselbe ganz krumm. Er raffte sich auf und wollte eilig von der gefährlichen Stelle entfliehen; Friedrich aber rief ihm sehr ernsthaft zu, er solle den Sattel seines Pferdes mit<418>nehmen. Der Page sah sich genötigt, den Sattel mitten unter den Kugeln abzuschnallen. Zu Friedrichs Seite ritt sein Neffe Friedrich Wilhelm, der achtzehnjährige Thronfolger, der in diesem Jahre zum Heere berufen war; der König hatte das Vergnügen, ihn unerschrocken unter den umherfliegenden Kugeln halten zu sehen. Friedrich selbst hatte einst, als man ihn bat, eine gefährliche Stelle zu verlassen, die inhaltschweren Worte erwidert: « Die Kugel, die mich treffen soll, kommt von oben! »

Allmählich begannen den Belagerten die Mittel zum Widerstande zu fehlen; doch wandten sie unausgesetzt alle Kunst an, um die letzte Entscheidung von sich abzuhalten. Eine glücklich geleitete preußische Granate beendete die Belagerung. Sie fand ihren Weg in die Pulverkammer eines der Forts, welche Schweidnitz umgaben, und augenblicklich flog die Hälfte des Forts mit aller Mannschaft, welche darauf stand, in die Luft. Der Donner dieser furchtbaren Explosion war so heftig, daß die benachbarten Berge davon in ihren Gründen erbebten. Jetzt war den Preußen der Zugang zur Festung geöffnet. Doch wartete der österreichische Kommandant den Sturm nicht ab; er ergab sich mit der gesamten Besatzung am 9. Oktober zu Kriegsgefangenen, und Schweidnitz ward wiederum von preußischen Truppen besetzt.

<419>Hiemit endete der Feldzug in Schlesien. Die Truppen wurden in die Kantonierungsquartiere gelegt. Ein Teil derselben wurde nach Sachsen geschickt, wohin eben auch ein Teil der Daunschen Armee entsandt war. Friedrich selbst begab sich ebenfalls dahin.

In Sachsen hatte sich Prinz Heinrich wiederum sehr glücklich gegen die Angriffe der Österreicher und der Reichstruppen behauptet. In vielen kleineren und größeren Gefechten hatte er gesiegt und dem Feinde mancherlei Abbruch getan. Die Reichsarmee war ganz aus Sachsen vertrieben worden und bedurfte eines weiten Umweges durch Böhmen, um sich wieder mit den Österreichern zu vereinen. Noch einmal versuchten die verbündeten Armeen mit entschiedener Übermacht die Preußen zurückzudrängen. Heinrich nahm die Schlacht, am 29. Oktober, bei Freiberg an und erfocht aufs neue einen glänzenden Sieg, an dessen Gewinn, wie bei den früheren Gefechten in Sachsen, Seydlitz einen wesentlichen Anteil hatte. Es war die letzte Schlacht des Siebenjährigen Krieges. Die Reichstruppen verließen Sachsen aufs neue, die Österreicher zogen sich um Dresden zusammen. Erst nach der Schlacht kamen von beiden Seiten die Verstärkungen aus Schlesien an. Ein Waffenstillstand, für Sachsen und Schlesien, folgte auf diese Ereignisse, und die Preußen wie die Österreicher bezogen ihre Winterquartiere.

<420>Maria Theresia hatte nunmehr zu wenig günstige Aussichten auf die Erfüllung ihrer seit Jahren gehegten Pläne, als daß sie nicht ernstlich hätte Friedensgedanken fassen sollen. Sie mußte darin um so mehr bestärkt werden, als es auch auf der Seite zwischen Frankreich und England zu gleichem Schlusse kam. Die Armee der Verbündeten unter dem Herzog Ferdinand von Braunschweig hatte in der ersten Hälfte des Jahres mehrere Siege über die französischen Armeen erfochten, obgleich Lord Bute wenig für ihre Verstärkung besorgt war. Bei Butes großer Neigung zum Frieden kam es bald zu gegenseitigen Unterhandlungen; doch setzte Herzog Ferdinand den Krieg fort, anfangs mit minder glücklichem Erfolge, dann aber krönte er die Reihe seiner ruhmvollen Taten durch die Eroberung des von den Franzosen besetzten Kassel, welche am 1. November erfolgte. Zwei Tage darauf wurden die Präliminarien des Friedens unterzeichnet, in dem Lord Bute, schmachvollerweise, fast alle Eroberungen preisgab, welche die englische Flotte in den Kolonien errungen hatte. Die beiderseitigen Bundesgenossen sollten ihrem Schicksal überlassen bleiben.

Schon hatte Friedrich, im Anfange des November, durch Vermittelung des Kurprinzen von Sachsen, Friedensanträge von österreichischer Seite erhalten; er war gern darauf eingegangen. Doch beschloß er, zumal, da die Bedingungen des englisch-französischen Friedens für sein Interesse zweideutig genug lauteten, noch einmal mit Nachdruck aufzutreten und durch ein kühnes Unternehmen das Verlangen nach Frieden ganz allgemein zu machen. Da der abgeschlossene Waffenstillstand nur Sachsen und Schlesien galt, so ordnete er einen raschen Streifzug gegen die Stände des deutschen Reichs, die feindlich gegen ihn aufgetreten waren, an. Ein ansehnliches Korps drang in Franken ein und durchstreifte fast das ganze Reich, allenthalben, namentlich von Nürnberg, bedeutende Kontributionen beitreibend. Ein allgemeiner Schrecken ging vor diesen Scharen her. Es wird erzählt, daß, als 25 preußische Husaren der freien Reichsstadt Rothenburg an der Tauber mit Sturm drohten, diese sich willig dazu verstanden habe, die fürchterlich ausgesprochene Gefahr mit einer außerordentlichen Brandschatzung abzukaufen. Auch bis nahe vor Regensburg kamen die preußischen Scharen; die Herren des Reichstages sahen sich ermüßigt, den dortigen preußischen Gesandten, den sie bis dahin mit bitterfeindlichem Sinne verfolgt, um Rettung anzuflehen, die er ihnen auch gewährte. Ungefährdet und mit reicher Beute beladen, zog das ganze preußische Korps nach Sachsen zurück. Der Erfolg war, wie ihn Friedrich gewünscht hatte. Die Reichsstände verloren die Lust, sich noch ferner für Österreichs Privatinteresse aufzuopfern. Sie erklärten sich einer nach dem andern für neutral, zogen ihre Kontingente ohne weiteres von der Reichsarmee zurück und suchten sich mit Friedrich auszusöhnen. Auch Mecklenburg <421>schloß noch im Dezember einen besonderen Frieden mit Preußen. — Ein zweiter Streifzug ward gegen die französischen Truppen angeordnet, die noch Friedrichs rheinische Besitzungen innehatten. Auch dieser Zug hatte den günstigen Erfolg, daß jene Besitzungen alsbald geräumt und an Friedrich zurückgegeben wurden.

Für Österreich war übrigens jener erste Streifzug mit seinen Folgen nicht ganz unangenehm. Der Wiener Hof hatte dem Reich die feierliche Zusage gegeben: den Krieg nicht zu beendigen, ohne dasselbe für alle seine Anstrengungen und Kosten schadlos zu halten. Durch das freiwillige Zurücktreten der Reichsstände glaubte man der Erfüllung dieses Versprechens überhoben zu sein.

Jetzt stand dem Wunsche nach Frieden, der bei der gegenseitigen Erschöpfung vollkommen aufrichtig war, kein weiteres Hindernis mehr entgegen. Bald kam man über die nötigsten Vorbereitungen überein. Auf dem sächsischen Jagdschloß Hubertsburg trafen die drei bevollmächtigten Abgeordneten Preußens, Österreichs und Sachsens — von Hertzberg, von Collenbach und von Fritsch — zusammen und begannen am 31. Dezember die Verhandlungen. Am 15. Februar 1763 ward der Friede geschlossen, vollkommen auf den Grund der früheren Friedensschlüsse, so daß alle Eroberungen herausgegeben wurden. Das deutsche Reich ward in dem Frieden mit einbegriffen, und, von Seiten Preußens, dem ältesten Sohne der Kaiserin, dem Erzherzog Joseph, die Kurstimme zur römischen Königswahl versprochen. Österreich hatte zwar zu Anfang einige verfängliche Bedingungen gemacht, namentlich, daß Glatz sein Eigentum verbleibe. Aber Friedrich hatte durchaus darauf bestanden, daß alles auf den Punkt zurückgeführt werde, auf dem es vor dem Ausbruche des Krieges bestanden. Man sah sich genötigt nachzugeben, und um so mehr, als der immer dringender gefühlte Mangel an barem Gelde und die Nähe des türkischen Heeres an der österreichischen Grenze kein langes Säumnis verstatteten.

So hatten sieben Jahre voll unsäglicher Anstrengungen, voll Blutes und Elendes, zu keinen weitern Erfolgen geführt als zu der einfachen Erkenntnis, daß alle Mühen und alle Leiden hätten gespart werden können, wenn man geneigt gewesen wäre, den Grimm der Leidenschaften zu unterdrücken und die Waffen unblutig zu erhalten. Wohl möchte man bei solcher Betrachtung lächeln über die Eitelkeit menschlicher Pläne und Berechnungen. Aber dennoch war durch diesen Krieg Großes, unendlich Großes erreicht. In einer matten Zeit war den Augen der Menschen eine Kraft des Geistes, eine Standhaftigkeit des Gemütes, ein ausdauerndes Heldentum offenbart worden, wie die Welt lange mehr kein ähnliches Beispiel gesehen hatte. Der preußische Staat, zum Vorkämpfer für die Entwicklung des freien Geistes berufen, hatte sich in der herben Prüfung glorreich bewährt. Das <422>deutsche Volk, in seinen politischen Verhältnissen schier ohne Würde, herabgesunken von der Höhe geistiger Klarheit und Bildung, vermochte sich an dem, was Preußen, was Friedrich getan, wiederum aufzubauen und in dem Schwunge einer lebhaften Begeisterung für das Hohe, dessen Zeuge es gewesen war, aufs neue die Blüten eines frischen, freudigen Lebens zu entwickeln. Der Dreißigjährige Krieg bezeichnet in der Geschichte Deutschlands den Verfall der alten Herrlichkeit, der Siebenjährige Krieg den jugendlichen Aufschwung einer neuen. Darum sind alle die zahllosen Opfer, die ihm dargebracht wurden, nicht vergeblich gewesen.

Friedrich aber, wenn er auch diese Bedeutung des Krieges in seinem Innern ahnen mochte, konnte doch nicht mit derselben Freudigkeit, wie nach den Kriegen seiner jüngeren Zeit, heimkehren. Die sieben Jahre voll rastloser Anspannung, voll Not und Mühe, hatten ihn alt gemacht, und zu viele von seinen Teuren waren in diesen Jahren dahingegangen. « Ich armer alter Mann » — so schrieb er einige Wochen vor seiner Ankunft in Berlin an den Marquis d'Argens, — « ich kehre nach einer Stadt zurück, wo ich nur noch die Mauern kenne, wo ich niemand von meinen Bekannten antreffe, wo unzählige Arbeiten mich erwarten, und wo ich in kurzem meine alten Knochen in einer Freistätte lassen werde, die weder durch Krieg, noch durch Trübsale oder Bosheit beunruhigt werden wird. »

Am 30. März traf Friedrich, nachdem er noch eine Reise durch Schlesien gemacht, in Berlin ein. Die Bürger hatten dem geliebten Landesvater einen festlichen Einzug zugedacht. Aber Friedrich kam erst spät am Abend; er hatte an diesem Tage noch das Schlachtfeld von Kunersdorf besucht und mochte dadurch wohl aufs neue im Innersten seines Gemütes erregt sein. In seinem Wagen saßen der Herzog Ferdinand von Braunschweig und einer von seinen Generalen. Vom Morgen bis in <424>die Nacht hatte ihn die Bürgerschaft am Tore und in den Gassen erwartet. Jetzt empfing ihn der tausendstimmige Ruf: « Es lebe der König! » und heller Fackelschein leuchtete rings zu den Seiten seines Wagens. Aber der Jubel war nicht in Einklang mit der trüben Stimmung seines Gemütes. Er wich in der Stadt aus, sobald er konnte, und fuhr durch einen Umweg nach dem Schlosse.

Es wird erzählt, daß sich Friedrich, bald nach seiner Ankunft, nach Charlottenburg begeben und Musiker und Sänger ebenfalls dahinbestellt habe, mit dem Befehl, das Tedeum von Graun in der Schloßkapelle aufzuführen. Auf solche Anordnung habe man dem Erscheinen des gesamten Hofes entgegengesehen. Aber der König sei ohne Begleitung in die Kapelle eingetreten, habe sich niedergesetzt und das Zeichen zum Anfange gegeben. Als die Singstimmen mit den Worten des Lobgesanges eintraten, habe er das Haupt in die Hand gestützt und geweint.