VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL Der erste Feldzug des Siebenjährigen Krieges. 1756.
Friedrich hatte den Plan gefaßt, seine Gegner rasch anzugreifen, ehe sie mit ihren Rüstungen fertig sein würden, und solchergestalt den Krieg, mit dem sie ihn bedrohten, von den Grenzen seines eignen Staates abzuwenden. Von den Russen wußte er bestimmt, daß sie außerstande sein würden, noch im laufenden Jahre etwas zu unternehmen; nach dieser Seite hin genügte also, für den Notfall, eine wenig bedeutende Verstärkung der Besatzung seiner östlichen Provinzen. Die Hauptmacht der preußischen Armee sollte gegen Sachsen und Böhmen geführt werden. In Sachsen beschloß Friedrich sich vorerst sicher zu stellen, um durch dies Land die Mark <246>Brandenburg zu decken und eine feste Grundlage für seine Unternehmungen gegen Böhmen zu gewinnen. Alle Veranstaltungen zur Ausführung dieses Planes waren ebenso verschwiegen, wie schnell ins Werk gerichtet worden; nur die vertrautesten Feldherren wußten um Friedrichs Absichten; die Brigadegenerale erfuhren erst am Tage vor dem Ausmarsche, wohin der Zug gerichtet sein sollte.
Am 29. August rückten 60,000 Mann preußischer Truppen in drei Kolonnen in Sachsen ein. Niemand war hier auf so plötzlichen Ausbruch des Krieges vorbereitet. In größter Eile wurden die sächsischen Truppen, deren Zahl sich auf 17,000 belief, aus ihren Standquartieren in ein festes Lager bei Pirna zusammengezogen; König August und sein Minister Brühl, ratlos in der allgemeinen Verwirrung, verließen Dresden und suchten im Lager Schutz. Man hatte zuerst die Absicht, mit der sächsischen Armee nach Böhmen zu gehen und sich mit den Österreichern zu verbinden; auf den umsichtigen Rat des französischen Gesandten, des Marschalls Broglio, entschloß man sich jedoch, die günstige Stellung, welche das Lager bei Pirna darbot, zu benutzen, damit Friedrich durch dasselbe aufgehalten und der österreichischen Armee Zeit gegeben werde, die angefangenen Rüstungen zu vollenden und zum Schutze Sachsens heranzukommen. Die Sachsen besetzten nunmehr das ganze Plateau, welches sich, in einem Umfange von vier Meilen, zwischen Pirna und Königstein erhebt. Steile Abhänge schützten dasselbe von allen Seiten gegen feindlichen Angriff; zur Verteidigung der wenigen Zugänge, die emporführten, wurden mannigfache Verhaue angelegt.
Friedrich hatte somit das ganze Land offen gefunden. Wittenberg, Torgau, Leipzig und viele andere Städte waren ohne Widerstand besetzt; in Dresden hielt Friedrich am 9. September seinen Einzug. In der Nähe der Residenz vereinigten sich nun die verschiedenen Korps der preußischen Armee und nahmen eine solche Stellung, daß sie dem sächsischen Lager die Gemeinschaft mit dem Lande abschnitten.
Friedrich erklärte, daß ihn die Verhältnisse des Krieges nötigten, das sächsische Land als Unterpfand in Verwahrsam zu nehmen. So wurden die wohlversehenen Zeughäuser von Dresden, Weißenfels und Zeitz ausgeräumt und Waffen und Geschütz nach Magdeburg geführt. Torgau ward befestigt und mit preußischen Truppen besetzt. Das sächsische Ministerium ward außer Tätigkeit gesetzt; die Kanzleien wurden versiegelt, die Kollegiensäle geschlossen und eine preußische Landesverwaltung in Dresden angeordnet. Im ganzen Lande endlich wurden die kurfürstlichen Kassen in Beschlag genommen. Dabei aber wurde mit so großer Milde, als möglich, verfahren. Die preußischen Truppen wurden befehligt, die ge<247>naueste Kriegszucht zu beachten. Das Eigentum der Untertanen ward auf alle Weise geschont. Friedrich selbst bewies sich in Dresden äußerst zuvorkommend gegen jedermann; er hielt täglich offene Tafel und bezeugte namentlich der Gemahlin Augusts und der gesamten königlichen Familie, die in Dresden zurückgeblieben war, alle irgend erforderliche Höflichkeit.
Indes hatte diese plötzliche Besitznahme von Sachsen alle Welt aufmerksam gemacht; Friedrichs Gegner waren aufs eifrigste bemüht, sein Unternehmen als einen Landfriedensbruch darzustellen. Der Kaiser erließ an Friedrich ein Abmahnungsschreiben, in welchem er ihn väterlichst aufforderte, « von seiner unerhörten, höchst frevelhaften und sträflichen Empörung abzulassen, dem Könige von Polen alle Kosten zu erstatten und still und ruhig nach Hause zu gehen ». Zugleich ward allen preußischen Generalen und Kriegsobersten vom Kaiser anbefohlen, « ihren gott<248>losen Herrn zu verlassen und seine entsetzlichen Verbrechen nicht zu teilen, wofern sie sich nicht der Ahndung des Reichsoberhauptes bloßstellen wollten ». Sich gegen solche Vorwürfe, die er bereits vorausgesehen, zu rechtfertigen, hatte Friedrich beschlossen, die ganze Reihenfolge der zu seinem Verderben angesponnenen Verhandlungen, die er in Abschriften aus dem Dresdener Archiv in Händen hatte, durch den Druck zu veröffentlichen. Damit man aber nicht imstande sei, die Echtheit dieser Verhandlungen zu leugnen, so sah er sich genötigt, sich der Originalschriften zu bemächtigen. Doch hatte man sich auch sächsischerseits auf einen solchen Fall bereits gefaßt gemacht. Das Archiv sollte nach Polen geschickt werden; bei der Nähe der Gefahr hatte man dasselbe einstweilen in die Gemächer der Königin gebracht, und sie, die eine ebenso erklärte Feindin Friedrichs war, wie Brühl, bewahrte selbst die Schlüssel zu den Schränken. Sie sah sich indessen genötigt, die Schlüssel herauszugeben; ihr Zaudern, ihre Bitten waren umsonst; die Schränke wurden geöffnet, und das Archiv wanderte unverzüglich nach Berlin. In wenig Tagen erschien eine ausführliche, mit allen Urkunden belegte Darstellung jener Verhandlungen im Drucke. Von Seiten der Gegner erfolgte hierauf eine Menge von Gegenschriften, die indes nicht die Echtheit der Urkunden, sondern nur die Schlußfolgerungen, die Friedrich aus ihnen ziehen mußte, angriffen.
Mit König August hatte Friedrich seit seinem Einmarsche in Sachsen in unausgesetzter Korrespondenz gestanden. Er verlangte von ihm entweder die tätlichen Beweise einer vollkommenen Neutralität oder, noch lieber, eine Verbindung zum gemeinsamen Wirken gegen Österreich. Friedrich hatte die Mittel, seinen Anforderungen einen energischen Nachdruck zu geben. Ein Sturm auf das sächsische Lager schien zwar, wenn nicht unausführbar, so doch mit allzu vielem Blutvergießen verbunden. Aber das Lager war von allen Seiten so fest durch preußische Truppen eingeschlossen, daß den Sachsen jede Gelegenheit genommen ward, sich mit Nahrungsmitteln, daran sie schon Mangel zu leiden begannen, zu versehen; nur für die Küche König Augusts, der von Entbehrung keinen Begriff hatte, war freier Transport verstattet worden. Zugleich lag es in der eigentümlichen Stellung der Sachsen, daß ein Angriff von ihrer Seite auf die Preußen ihnen ebensoviel Gefahr bringen mußte, wie der umgekehrte Fall ihren Gegnern. So durfte Friedrich hoffen, daß der Hunger sie in kurzer Frist zur Ergebung zwingen würde. Doch gab August den Anträgen Friedrichs kein weiteres Gehör, als daß sich letzterer mit dem Versprechen der Neutralität begnügen möge. Auf ein solches allgemeines Versprechen hin hatte aber Friedrich nicht Lust, sein Heer nach Böhmen zu führen; die früheren Erfahrungen in Sachsen hatten ihn hinreichend die Gefahr kennen gelehrt, der er sich aussetze, <249>wenn er ein feindliches Heer im Rücken behalte. So blieb es bei der strengen Einschließung des sächsischen Lagers; diese nahm jedoch den größern Teil seiner Truppen in Anspruch und verhinderte ihn, mit Nachdruck gegen die österreichische Armee in Böhmen aufzutreten.
Die letztere hatte sich, zwar immer noch nicht mit allem Nötigen ausgerüstet, in zwei Korps gegen die Grenzen von Sachsen und von Schlesien zusammengezogen. Dem einen Korps trat eine besondere preußische Armee, unter Schwerin, aus Schlesien entgegen. Doch bezogen die Österreicher hier ein so vorteilhaftes Lager, daß sie dadurch jede Schlacht vermieden und daß zwischen diesen Armeen nur unbedeutendere Gefechte vorfallen konnten. Dagegen hatte König August Gelegenheit gefunden, dem österreichischen Hofe seine täglich drohendere Lage vorzustellen und um schleunigen Entsatz zu bitten. So erhielt nun das zweite Korps der Österreicher, welches der Feldmarschall Browne anführte, den Befehl, zur Befreiung der Sachsen entscheidende Schritte zu tun. Browne versammelte alsbald seine Armee zu Budin und schickte sich an, über den Egerfluß vorzurücken.
Zur Beobachtung dieses österreichischen Korps war von Friedrich derjenige Teil seiner Truppen, den er bei der Einschließung des sächsischen Lagers entbehren konnte, bereits gegen die böhmische Grenze vorausgeschickt. Diese Truppen bemächtigten sich der Engpässe, welche die Verbindung zwischen Sachsen und Böhmen verteidigen, und benachrichtigten Friedrich von den Bewegungen des Feindes. Die Verbindung der Österreicher mit den Sachsen zu verhindern, mußte jetzt Friedrichs vorzüglichstes Augenmerk sein; er entschloß sich, jenen mit den vorausgesandten Truppen, einem freilich nur geringen Teile seiner Macht, sofort entgegenzugehen. Er eilte zu ihnen und führte sie aus dem Gebirge gegen die Ebenen der Elbe hinab. <250>Bei dem Flecken Lowositz an der Elbe, welcher am Ausgang der Berge liegt, trafen die beiden Armeen aufeinander. Beiden war die gegenseitige Annäherung gerade an dieser Stelle unerwartet; Friedrich gewann den Vorteil, daß er zwischen den Bergen, welche seine Straße auf beiden Seiten einschlossen, eine feste Stellung einnehmen konnte.
Am Morgen des ersten Oktobers stellte Friedrich seine Armee in Schlachtordnung. Aber ein dichter Nebel hatte sich über die Ebene gelagert und verhinderte, die Gegenstände deutlich zu unterscheiden. Wie durch einen Flor sah man nur den Ort Lowositz vor sich und zur Seite einige Haufen feindlicher Reiterei. Der linke Flügel der preußischen Armee wurde, sowie er aufrückte und die Anhöhe zur Linken erstieg, durch ein verlorenes Gewehrfeuer empfangen, das aus den Weinbergen, die sich hier zur Elbe hinabzogen, unterhalten ward. Es waren ein paar tausend Panduren, die hinter den Mauern der Weinberge versteckt lagen. Alles dies ließ Friedrich vermuten, daß er nicht die ganze feindliche Armee, sondern nur einen vorausgesandten Teil derselben vor sich habe. Er ließ aus seinen Geschützen auf die österreichischen Reiterhaufen feuern, und da dies fruchtlos blieb, sandte er zwanzig Schwadronen Dragoner ab, um sie zu zerstreuen und den Kampf zu beenden. Diese drangen rüstig auf den Feind ein und warfen nieder, was ihnen entgegenstand. Als sie aber die Flüchtigen verfolgten, so wurden sie von vorn und von der Seite durch ein lebhaftes Flinten- und Geschützfeuer empfangen und zum Rückzuge genötigt. Friedrich erkannte jetzt erst, daß er die ganze feindliche Armee, die ihm um mehr als um das Doppelte überlegen war, gegen sich habe. Er sandte einen Adjutanten zu seinen Dragonern, um diese in eine andere Stellung zu beordern; aber schon hatten Dragoner und Kürassiere vereint sich aufs neue der feindlichen Reiterei entgegengestürzt, diese, trotz desselben Feuers und trotz ungünstigen Terrains, zurückgedrängt und bis nahe vor die Schlachtordnung der Österreicher verfolgt. Jetzt aber ward das Geschützfeuer der letzteren so stark, daß sie wiederum zum Rückzuge genötigt waren, der indes in bester Ordnung vor sich ging. So war noch immer nichts Entscheidendes geschehen. Der Nebel begann indes zu sinken, und man konnte zu angemessenen Maßregeln schreiten. Friedrich suchte nun seine Stellung, trotz der feindlichen Übermacht, so günstig als möglich zu nehmen und sich mit Anspannung aller Kräfte das Schicksal des Tages geneigt zu machen. Das Hauptaugenmerk des Feindes war jetzt auf den linken preußischen Flügel gerichtet, den man von der Anhöhe, auf welcher er sich befand, zu vertreiben suchte. Aber die Preußen drangen unerschrocken vor, erkämpften in den Weinbergen eine Grenzmauer nach der andern, stiegen in die Ebene hinab und verfolgten die Feinde, von <251>denen ein Teil sich in die Elbe stürzte, während ein anderer sich in Lowositz festsetzte. Neue österreichische Heerhaufen stellten sich den Preußen entgegen. Diese hatten sich durch sechsstündiges Feuern verschossen und drohten nun, da ihnen Pulver und Blei fehlte, mutlos zu werden. Doch der Herzog von Bevern, der diesen Teil der preußischen Armee führte, rief den Seinen heiteren Mutes zu: « Bursche, seid darüber unbekümmert! Weshalb hätte man euch sonst gelehrt, den Feind mit gefälltem Gewehr anzugreifen? » Diese Worte weckten allen Mut seiner Scharen, und obgleich die feindlichen Heerhaufen sich noch immer mehr verstärkten und namentlich an Lowositz einen festen Stützpunkt fanden, so warfen sie doch mit gefälltem Bajonett alles vor sich nieder, drangen in Lowositz, zwischen den Häusern, die jetzt in Feuer aufloderten, hinein und trieben den ganzen Teil der österreichischen Armee, der ihnen hier entgegenstand, in die Flucht.
So war der Sieg, um 2 Uhr nach Mittag, errungen, aber nicht ohne große Opfer. Die Verluste Friedrichs waren bedeutender als die der Österreicher. Auch wußte Feldmarschall Browne seinen geschlagenen rechten Flügel durch den linken so geschickt zu decken, daß er sich ohne weiteren Verlust zurückziehen konnte. Der rechte Flügel der preußischen Armee, bei welchem Friedrich sich befand, hatte, mit Aus<252>nahme der Verstärkungen, welche er dem linken zusenden mußte, gar nicht an der eigentlichen Schlacht teilnehmen können. Es wird erzählt, daß Friedrich nach Beendigung der Schlacht — ermüdet, da er drei Tage und zwei Nächte nicht geschlafen hatte — sich in einen Wagen gesetzt habe, um ein wenig auszuruhen. Plötzlich sei, als von österreichischer Seite der Retraiteschuß geschah und hiezu aus Versehen eine scharfgeladene Kanone genommen ward, die Kugel dieses Schusses durch den untern Teil des Wagens gefahren, so daß sie dem Könige beide Beine würde zerschmettert haben, wenn er sie nicht eben auf den Rücksitz des Wagens gelegt hätte.
Friedrich konnte die österreichische Armee nicht verfolgen, da ihn die Angelegenheit mit den Sachsen, die er jetzt zu Ende zu bringen wünschte, zurückrief und er im Augenblicke zu schwache Mittel zur Hand hatte, um Entscheidenderes in Böhmen auszuführen. Auch hatte es ihm die Schlacht von Lowositz wohl deutlich gemacht, daß er nicht mehr die alten Österreicher, sondern ein ungleich besser diszipliniertes Heer, wiederfinde. Zugleich aber konnte er mit gerechtem Stolz von seiner eignen Armee sagen: « Nie haben meine Truppen solche Wunder der Tapferkeit getan, seit ich die Ehre habe, sie zu kommandieren. » Jedenfalls war durch den Sieg die Verbindung der österreichischen Armee mit der sächsischen unterbrochen. Friedrich ließ somit den größten Teil der Armee, die bei Lowositz gefochten hatte, in einer festen Stellung zurück und brach am 13. Oktober mit den übrigen nach Sachsen auf.
Hier hatten indes die Dinge eine andere Wendung genommen. Mit unerschütterlicher Treue hatten zwar die sächsischen Truppen trotz des immer drückenderen Mangels ausgeharrt. Als aber rings um die Abhänge des weiten Kerkers das Viktoriaschießen erscholl, mit welchem die Preußen die Siegesnachricht begrüßten, und der jubelnde Donner von allen Bergen widerhallte und durch die Täler fortgetragen ward, da schien alle Hoffnung verloren. Das einzig übrige Rettungsmittel schien nun, die Wachsamkeit der Preußen zu täuschen und sich mit dem Degen in der Hand einen Ausweg zu eröffnen. Man sandte geheime Boten nach Böhmen an den Feldmarschall Browne; dieser setzte sich an die Spitze eines Korps von 6000 Mann und rückte am jenseitigen Elbufer, im Rücken der Preußen, heran, um durch kräftige Mitwirkung die Rettung der Sachsen zu erleichtern. Zur bestimmten Stunde, am 11. Oktober, war er am verabredeten Orte eingetroffen; aber der erste Versuch des Überganges der Sachsen über die Elbe, der gleichzeitig erfolgen sollte, mißlang. In der folgenden Nacht machten die Sachsen den Übergang möglich, während Kanonenschläge von der Höhe des Königsteins den Österreichern das Zeichen zum Angriff auf die preußischen Posten, welche hier noch den Sachsen ent<253>gegenstanden, geben sollten. Aber der Sturm des Himmels überschallte die Kanonenschläge. Browne blieb in seiner Stellung. Sowie die Sachsen die Höhen von Pirna verließen, waren auch die Preußen vorgedrungen und der Nachtrab und das Gepäck in ihre Hände gefallen. Nun wurden auch die preußischen Posten jenseit der Elbe verstärkt und die Sachsen aufs neue in der unwegsamsten Gegend eingeschlossen. Bis zum 14. Oktober harrte Browne aus; dann kehrte er, dessen eigne Stellung mit jeder Stunde gefahrvoller wurde, nach Böhmen zurück. Zweiundsiebzig bange Stunden brachten die entkräfteten Sachsen unter offnem Himmel, bei anhaltendem Regen, ohne Nahrung und ohne Schlaf zu. Brühl und der König, die sich auf dem festen Königstein aller Bequemlichkeit und allen Genusses erfreuten, geboten verzweiflungsvollen Angriff; aber die sächsischen Generale sahen die gänzliche Unmöglichkeit ein. Sie versuchten jetzt, durch eine ehrenvolle Kapitulation ihre Freiheit zu erlangen. Graf Rutowski, der Oberbefehlshaber der Sachsen, sandte einen Offizier mit seinen Bedingungen an Winterfeldt. Dieser versicherte jedoch, daß er dazu vom Könige keine Erlaubnis habe, führte jenen, damit den Sachsen auch der letzte Schimmer des Mutes genommen werde, selbst durch die ganze Kette <254>der preußischen Posten und entließ ihn endlich mit der Anweisung, er möge dem Grafen Rutowski nur eine genaue Beschreibung der preußischen Stellung machen. So blieb der gesamten sächsischen Armee nichts übrig, als sich der Gnade des preußischen Königs zu Kriegsgefangenen zu übergeben. Sämtliche Regimenter mußten das Gewehr strecken. Friedrich kam die Reihen heraufgeritten, hieß die feindlichen Generale, als diese ihm mit entblößtem Haupte entgegentraten, achtungsvoll willkommen und lud sie zu seiner Tafel. Unter die halbverhungerten Soldaten wurde reichlich Brot ausgeteilt. Die sächsischen Offiziere erhielten, als sie ihr Ehrenwort gegeben hatten, daß sie während dieses Krieges nicht gegen die Preußen kämpfen wollten, die Erlaubnis, nach Hause zurückzukehren. Die Soldaten aber, über deren Unterhalt und Bewahrung man in Verlegenheit war, wurden genötigt, zur preußischen Fahne zu schwören. Sie erhielten preußische Uniformen, preußische Offiziere und wurden zum Teil unter die preußischen Regimenter verteilt, teils blieben sie ganz beisammen. Friedrich vermehrte durch sie sein Heer ansehnlich, aber er hatte dabei nicht auf das Nationalgefühl der Sachsen gerechnet; die Dienste, die sie ihm leisteten, waren gering, und mehrfach gingen nachmals ganze Regimenter in voller militärischer Ordnung wieder zum Feinde über.
<255>Hiermit war der erste Feldzug zu Ende. König August, der vom Königstein aus Zeuge der Gefangenschaft seines Heeres gewesen war, erbat sich Pässe von Friedrich und ging mit seinen jüngsten Söhnen und mit Brühl nach Warschau, wo er sich in brillanten Hoffesten zu erholen bemühte. Doch blieb seine Gemahlin in Dresden zurück und ließ es sich fort und fort angelegen sein, insgeheim feindlich gegen Friedrich zu wirken. Die preußischen Armeen wurden aus Böhmen zurückgezogen und der Grenzkordon zur Sicherung der Winterquartiere errichtet.
Aber der erste Feldzug war nur das Vorspiel zu ungleich gewaltigeren Bestrebungen. Die Kühnheit, mit der Friedrich seinen Gegnern zuvorgekommen war, reizte ihre Eifersucht zum glühendsten Hasse. Der Kaiser machte den Kampf zu einer Angelegenheit des deutschen Reiches und der katholischen Kirche; Friedrichs Absicht sollte auf die Unterdrückung der letzteren gehen; als Reichsstand sollte er der Acht verfallen sein, und in der Tat kam es schon jetzt so weit, daß der Reichstag gegen ihn, im Januar 1757, eine « eilende Reichs-Exekutionsarmee » aufbot, zu deren Führer der Reichsfeldmarschall Prinz Joseph Maria Friedrich Wilhelm Hollandinus von Sachsen-Hildburghausen ernannt ward. Durch einen schlimmen Druckfehler in der öffentlichen Kundmachung dieses Aufgebotes war aber die « eilende » Armee bereits vorläufig als eine « elende » bezeichnet, und als solche trat sie auch nachmals, ohne sich zugleich übergroßer Eile zu befleißigen, hervor. Das Deutsche Reich, als solches, war schon lange zu einem leeren Schattenbilde herabgesunken.
Bedeutender war die Gefahr, die von den auswärtigen Mächten drohte. Der französische Hof erklärte, daß er den Einfall Friedrichs in Sachsen als eine Verletzung des westfälischen Friedens, dessen Bürge Frankreich sei, betrachte. Zu den schon vorhandenen Gründen des Hasses waren hier neue gekommen. Die Königin von Polen war eine Mutter der Gemahlin des Dauphins von Frankreich; an ihr fand die Mätresse des Königs eine willkommene Bundesgenossin gegen Friedrich, und zugleich stimmte mit ihren Ansichten das französische Ministerium überein, dem es nur erfreulich war, wenn der Seekrieg mit England, dem Verbündeten Friedrichs, in einen Landkrieg gegen Hannover verwandelt wurde. So ward ein furchtbares Heer gerüstet, um dasselbe über den Rhein gegen Hannover und gegen Preußen zu führen. Schweden mußte dem Interesse Frankreichs folgen; von dieser Seite ward der Entschluß gefaßt, den Teil von Vorpommern, den Schweden an Friedrichs Vater hatte abtreten müssen, durch Waffengewalt wieder zurückzufordern. Rußland schloß im Januar 1757 einen neuen Bund mit Österreich gegen Friedrich. Österreich <256>lieferte Subsidiengelder, die jedoch eigentlich von Frankreich kamen, zur Unterstützung der russischen Rüstungen.
Gegen die Übermacht dieser Feinde hatte Friedrich nur wenig Verbündete von Bedeutung. In Deutschland hielten nur einige kleinere Fürsten, die zum Teil in englischem Solde dienten, zu ihm. Sein Bündnis mit England wurde am 11. Januar 1757 fester erneut, und das Volk von England erwies ihm eine an Begeisterung grenzende Verehrung; aber die Häupter der englischen Regierung standen in feindlichem Parteikampfe gegeneinander und verloren das Interesse für den wichtigeren Kampf, der sich jetzt vorbereitete, aus den Augen. Der Hof dachte nur daran, die Grenzen von Hannover gegen feindlichen Einfall zu decken. Friedrich konnte die hannöverschen Minister nicht bewegen, den Franzosen eine Armee über den Rhein entgegenzuschicken, und da er seine eignen Kräfte nicht zersplittern durfte, so sah er sich genötigt, Wesel, die Hauptfeste seiner westfälischen Provinzen, aufzugeben.
Zur Verstärkung seiner eignen Macht, in der somit allein sein Heil beruhen konnte, mußte ihm zunächst Sachsen die Mittel hergeben. Das Land mußte sich zu einer ansehnlichen Kriegssteuer, zur Lieferung von Rekruten und Nahrungsmitteln verstehen; die zum Teil überflüssig ausgedehnten Gehalte der Beamten wurden verringert oder ganz eingezogen; die ungeheuren Porzellanvorräte aus der Meißner Fabrik wurden für Friedrichs Rechnung verkauft. Das königliche Schloß in Dresden, sowie die Kunstschätze, die König August mit großen Kosten gesammelt hatte, ließ Friedrich indes unangerührt. Er besuchte während des Winters, dessen größte Zeit er in Dresden zubrachte, mehrfach die dortige Gemäldegalerie und machte in ihr seine Studien zu der Sammlung, die er in Sanssouci anzulegen gedachte; die Aufseher der Galerie, die die anvertrauten Schätze in Gedanken schon eingepackt und nach Berlin geführt sahen, wurden dabei reichlich beschenkt; und als sich Friedrich das Bild der heiligen Magdalena von Batoni, an dem er ein besondres Wohlgefallen fand, kopieren lassen wollte, so bat er den sächsischen Hof ausdrücklich um Erlaubnis. Im übrigen erfreute er sich an der Oper und an den Konzerten, für deren Ausführung Dresden treffliche Mittel darbot, sowie an all denjenigen Dingen, welche daheim seine Mußestunden ausgefüllt hatten. Mit dem Hofe der Königin von Polen und ihres Sohnes, des Kurprinzen, wurden nach wie vor die nötigen Höflichkeitsbezeugungen gewechselt. Doch duldete Friedrich nicht, daß sie sich auf irgendeine Weise in seine Verwaltung des sächsischen Landes mischten; und als er die Königin in Verdacht einer eifrigen Korrespondenz mit den Österreichern hatte, ordnete er an <257>den Toren eine so strenge Kontrolle an, daß man auch bald im Innern einer Sendung von Würsten, die angeblich zu dem Geschenk für eine Freundin der Königin bestimmt waren, die Briefschaften entdeckte. Dies hatte wenigstens zur Folge, daß man sich bei den weiteren Mitteilungen einer größeren Vorsicht befleißigte.