94. AN DENSELBEN.

Ruppin. den 10. Mai 1735.



Allergnädigster König und Vater,

Mein allergnädigster Vater wird nicht ungnädig nehmen, dass ich mir die Kühnheit nehme, an Ihn zu schreiben und an Ihn, als meinen recht gnädigen und treuen Vater, in aller Unterthänigkeit und gebührender Submission mein Herz zu eröffnen. Man höret von allen Seiten schreiben, dass der Prinz Eugene von Wien den 2. dieses Monds abgegangen wäre und nun wohl bei der Armee sein möge; man schreibet auch, dass die Armee Ordre habe, sich zusammen zu ziehen und bei Bruchsal das erste Lager zu formiren, und soll also an keinen Stillstand zu gedenken sein; hergegen soll der Prinz Eugene gewiss Ordre vom Kaiser haben, den Feind zu attaquiren. Bei diesen Umständen befindet sich noch, dass Alles was junge Leute sind so Ambition haben Willens sind nach der Armee zu reisen, da der Prinz Carl und der Prinz von Oranien auch hingehen werden. Meinem allergnädigsten Vater ist bewusst, besser als ich es sagen kann, was vorjährige Campagne für eine schlechte Campagne gewesen ist, und kann mein allergnädigster Vater leichte schliessen, was daher für Raisonnements über mich würden gemacht werden, wenn ich zu Hause bliebe. Kein Mensch würde glauben, dass es<102> meines allergnädigsten Vaters Sein Wille wäre, denn die Welt ist genugsam informiret, dass mein allergnädigster Vater Seine Kinder zum Soldatenleben und zu brave Leute zu werden erziehet; so wird gewiss ein Jeder sagen, dass ich nicht darum angehalten hätte, und die faulen Tage zu Hause lieber geniessen möchte, als die Fatiguen einer Campagne, dar man auch darbei exponiret wäre, zu ertragen. Mein allergnädigster Vater, den, wenn ich es sagen darf, für den besten und getreuesten Freund halte, so ich auf Erden habe, sei so gnädig und bedenke, um Gottes willen, wie mir bei solchen Raisonnements wird zu Muthe werden; ja Er seie so gnädig und erinnere sich Seiner Jugend und, wie Er mir die Gnade gehabt selber zu erzählen, wie Er sich vor diesem Mühe gegeben hat, um von Seinem Herrn Vater die Permission zu erhalten, in Campagne zu gehen. Meine Ursache, die mich hierzu beweget, ist dieselbe, die mein allergnädigster Vater gehabt hat, die Ambition und die Begierde, durch Beiwohnung der Campagne mich capabler zu machen, als ich anjetzo bin, meinem allergnädigsten Vater zu dienen; ja, ich wäre nicht werth, dass ich die Gnade hätte, meines allergnädigsten Vaters Sohn zu sein, wenn ich keine Ambition hätte; ich wäre auch versichert, mein allergnädigster Vater würde es mir zum meisten verdenken, wenn ich mich nicht bei Ihm derentwegen meldete, zu dem ich anjetzo in den besten Jahren bin, da mir meine Leibes-Constitution in keinen Fatiguen versaget. Jedoch bescheide ich mich Alles, was mein allergnädigster Vater mir befiehlet, und weiss sehr wohl den Gehorsam und die Submission, so ich Ihm schuldig bin, und dass ich Ihm nichts vorzuschreiben. Ich sacrificire auch meinem allergnädigsten Vater Alles, meine Freude, meine Ambition, und was ich zum meisten auf dieser Erden wünsche, Er mache es Alles, wie Er ein gnädiges Wohlgefallen daran hat; ich weiss, dass Er thun wird, was zu meinem Besten ist, und werde ich in gebührender Submission, Liebe, Ehre und Treue Seinen Befehlen in allen Stücken<103> gehorsamst nachleben. Der ich bis zum letzten Seufzer meines Lebens in aller Submission und Respect verharre, u. s. w.

Ich werde schon wissen was ihm nützlich ist.3_103-a


3_103-a Die letzten Worte sind von dem Cabinets-Rathe, als Bescheid des Königs, auf dem Rücken des Briefes bemerkt.