7557. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.
Plotho berichtet, Regensburg 31. Mai: „Mit Grunde kann anjetzt allerunterthänigst berichten, wie der wienersche Hof, um einen neuen Versuch gegen Ew. Königl. Majestät zu thun, um im Trüben fischen zu können, entstehende Kriegesunruhen im teutschen Reich gerne gesehen hätte, und um solches auf keinerlei Art zu hindern, so hat Sr. Königl. Majestät von Grossbritannien bei angegangenem Kriege mit der Kron Frankreich nicht einmal mit einem zu erlassenden Dehortatorio an alle Stände des Reichs gewillfahret werden wollen, und wegen verlangter allianzmässiger Assistance ist vorgeschützet worden, dass es nicht ein Casus foederis sei. Da nun durch die zwischen Ew. Königl. Majestät und Grossbritannien geschlossene Neutralitätsconvention das Concept verrückt und die bösliche Desseins vernichtet worden sind, so ist des wienerschen Hofes Unmuth darüber nicht geringe, und sowohl zu Wien als hier wird auch davon kein Geheimniss gemachet, sondern die hiesige kaiserliche Ministri haben sogar anjetzt die deutliche Insinuationen an einige gethan, wie der Kaiser vor die Evangelischen und alle Stände des Reichs alles thun würde, wenn von der Dierdorf sehen Klosterbausache397-3 wolle abgestanden werden und die zwischen Ew. Majestät und Churbraunschweig geschlossene Convention aufgehoben würde. Damit aber der wienersche Hof die gefährliche Absichten gegen Ew. Königl. Majestät dennoch ins Werk richten könne, so wird an zu erlangender Unruhe im Reich äusserst gearbeitet und alle Gelegenheit ergriffen werden, um mit Ew. Königl, Majestät zum Bruch zu kommen. Die Comitialgesandten der katholischen Höfe müssen solche auf das äusserste echauffiren und lassen es auch nicht daran ermangeln. Gleichwie unter der Hand erfahren und wie anitzt gewiss weiss, wollen jedoch die Churfürsten von<398> Köln, von Bayern und von Pfalz noch nicht darin entriren und scheuen das Kriegesfeuer; hingegen der Churfürst von Mainz ist so bereit als hitzig, um die andere zu animiren … Es soll auch der wienersche Hof den königlich französischen selbst animiren, die hannoversche Lande anzugreifen, und es bestätiget sich solches, wenn sich der kaiserliche Concommissarius, Graf von Seydewitz, letztlich gegen einen sicheren Gesandten vernehmen lassen, wie es zwischen Engelland und Frankreich bereits zum Frieden würde gekommen sein, wenn der König in Frankreich des Königs in Engelland teutsche Staaten ehender angegriffen und sodann der Kaiser und Stände des Reichs die Krön Engelland hätten nöthigen und bewegen können, billige Vergleichsvorschläge anzunehmen, wie es dann hierzu noch kommen müsste und würde, mithin durch Ew. Königl. Majestät geschlossene Neutralitätsconvention der Sache mehr geschadet und dem teutschen Reich kein weiterer Vortheil geschehen wäre, als dass der Krieg einige Monate länger aufgehalten, dagegen aber vielleicht von längerer Dauer als vorher sein würde. Dass indessen der wienersche Hof alle Gelegenheit zum Fliedensbruch mit Ew. Königl. Majestät hervorsuchen und sich zu Nutz machen wolle, solches äussert sich auch bei denen Werbungsdiffferenzien mit dem Herzog von Mecklenburg, da die hiesige kaiserliche Minister sich alle Mühe geben müssen, dahin einzulenken, dass von gesammtem Reich dem Kaiser als obristem Richter der Auftrag geschehe, Ew. Königl. Majestät zu Abstellung der Beschwerden und Satisfactionsgebung mit allem erforderlichen Nachdruck zu nöthigen,398-1 und wobei ganz deutlich pro ratione angeführet wird, weil die Stände des Reichs dessen nicht gerne sich unterziehen würden, auch dazu nicht mächtig genug wären.“
Berlin, 10. Juni 1756.
Ew. Excellenz danke unterthänig vor die gnädige Communication derer gestern erhaltenen Déchiffrés, so in einliegendem mit Sr. Königl. Majestät Petschaft versiegeltem Paquet schuldigst remittire.
Wegen der Plotho'schen Dépêche melde gehorsamst, wie des Königs Majestät wollen, dass demselben darauf geantwortet werden soll, dass er mit denen dortigen englischen und hannoverschen Ministern in guter Intelligence stehen und vertraulich communiciren solle, und dass zugleich aus dem hiesigen Departement derer auswärtigen Affairen an das hannöversche Ministère zu schreiben sei,398-2 wie man hoffte, es werde die ihrigen wieder dahin instruiren, damit diese mit Sr. Königl. Majestät Minister mit aller Intimité umgehen. Wenn übrigens die Oesterreicher dorten fanfaronnireten, so solle er wieder Fanfaronnades machen und wie jene grosssprechen, damit das Public nicht glaube, noch die Impression bekomme, als Hesse man sich intimidiren.
Was sonst des Königs Majestät bei Gelegenheit des mecklenburgischen Notificationsschreibens vom Absterben des Herzogs resolviret haben,398-3 deshalb beziehe mich auf dasjenige, so des Herrn Grafen von Podewils Excellenz an Ew. Excellenz zu überschreiben Sich vorbehalten haben.
Eichel.
Nach der Ausfertigung.
<399>397-3 Der protestantische Graf von Wied-Runckel hatte den Kapuzinern erlaubt, in seiner Residenz Dierdorf ein Kloster zu erbauen. Das Corpus Evangelicorum erhob dagegen Protest (Regensburg 4. Juni 1755).
398-1 Vergl. S. 292.
398-2 Demgemäss Ministerialerlass, d. d. Berlin 12. Juni.
398-3 Vergl. Nr. 7556.