7958. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Pretzsch, 2. September 1756, Morgens um 4 Uhr.

Zufolge Sr. Königl. Majestät Befehl habe Ew. Excellenz von einem gestern allhier geschehenen Vorfall informiren sollen, um darüber mit dem englischen Minister Herrn Mitchell weiter sprechen und ihn von denen Umständen informiren zu können. Es ist nämlich gestern früh jemand en courrier nach der Gegend Wittenberg angekommen, der sich auf Befragen, wer er sei und wohin er wolle, vor einen sächsischen Officier und Major von der Garde angegeben, welcher von Lord Stormont zu Dresden mit Briefen an den Herrn Mitchell nach Berlin en courrier geschicket würde Da er weder Pass, noch sonsten etwas weiteres von gedachtem Lord, ausser ein Schreiben mit der Aufschrift „An M. Mitchell“ aufzuweisen gehabt, so haben des Fürsten Moritz Durchlaucht Bedenken getragen, ihn vor Sich weiter gehen zu lassen und selbigen also an des Königs Majestät geschicket, wo er dann auf Befragen dabei geblieben, dass er ein Major von der sächsischen Garde sei, den aber der Lord Stormont mit Briefen an M. Mitchell en courrier nach Berlin sende; dabei er denn versichert, dass gedachter Lord unterwegens sei, zu des Königs Majestät zu kommen, so dass solcher ihm gleich folgen werde. Wie aber letzteres nicht geschehen, des Königs Majestät Sich auch nicht wohl einbilden können, dass in gegenwärtigen Umständen erwähnter Lord Stormont sich eines sächsischen Officiers bedienen wollen, um mit Briefen nach Berlin zu schicken und ohne ihn mit einem Pass zu versehen, so ist gedachter Officier bedeutet worden, sich so lange unterwegens zu arretiren, bis der von dem dresdenschen Hofe gestern früh nach dem vorigen Hauptquartier Seyda geschickte und des Königs Majestät hierher gefolgete Generallieutenant Meagher323-1 ihn unterwegens rencontriren würde, mit welchem er dann hieher kommen könne. Es haben aber des Prinzen von Preussen Königl. Hoheit einige Stunden darauf an des Königs Majestät<324> gemeldet, wie, als Dero Regiment auf dem Marsch nach hiesiger Gegend gewesen, solches unterwegens erwähnten sächsischen Officier in einem Feldgraben, wo er sich verborgen zu halten geschienen, gefunden, und da er auf Befragen dasjenige, wie oben erwähnet, geantwortet, so haben des Prinzen Hoheit ihm den an M. Mitchell überschriebenen Brief abnehmen lassen und solchen selbst nach Berlin an letzteren weiter geschicket, auch, wie ich glaube, ihm dabei geschrieben. Se. Königl. Majestät vermeinen daher, dass, da M. Mitchell solchen Brief bereits erhalten haben werde, er am besten im Stande sein würde, zu beurtheilen, ob es mit dem Briefe vom Lord Stormont seine Richtigkeit habe, oder aber ob die Adresse an M. Mitchell erwähntem sächsischen Officier nur zum Prätext dienen sollen, um ein und anderes wegen des Marsches derer königlichen Truppen zu epiiren. Ersteren Falls würden des Königs Majestät nicht wohl einsehen können, worum gedachter Minister sich zum Verschicken eines sächsischen Officiers bedienen und nicht vielmehr einen dero Domestiquen dazu gebrauchen wollen, der überall sonder den geringsten Anstand passiret worden wäre. Von der vorgegebenen Ueberkunft des Lord Stormont zu Sr. Königl. Majestät ist inzwischen nicht das geringste erfolget.

Worin eigentlich die Message vorerwähntes sächsischen Generallieutenants bestanden, solches werden Ew. Excellenz aus anliegender Abschrift des von ihm von des Königs von Polen Majestät mitgebrachten Schreiben zu ersehen belieben. Es ist demselben hier alle Distinction widerfahren, und nachdem des Königs Majestät ihn zweimal allhier gesprochen, ist er gestern Nachmittag, mit der hierbei gleichfalls abschriftlich [erfolgenden] Antwort,324-1 zurück erlassen worden.

Sr. Königl. Majestät Intention ist inzwischen, dass Dero Antwort an des Königs von Polen Majestät sowohl an Dero Minister in Frankfurt, Engelland und Holland,324-2 als auch an M. Mitchell in extenso von Ew. Excellenz sogleich communiciret werden solle, an welchen denn auch Se. Königl. Majestät einliegendes Schreiben adressiren und sehr recommandiren lassen, solches dem Herrn Mitchell sonder den geringsten Zeitverlust zuzusenden.324-3

Eichel.

Des Königs Majestät brechen sogleich von hier nach Torgau auf.

P. S. I.

Torgau, 2. September 1756.

Da ich vorstehendes nicht von Pretzsch abschicken können, sondern hieher nach Torgau folgen müssen, so nehme mir die Freiheit,<325> Ew. Excellenz annoch zu melden, wie des Königs Majestät bei Dero Ankunft den Lord Stormont wirklich gefunden haben, und sich so viel bereits dargethan hat, wie vorerwähnter Courier, der nicht, wie er sich ausgegeben, ein Major von der Garde, sondern ein sächsischer Couriermajor ist, von ihm wirklich abgeschicket worden. Es seind des Königs Majestät daher befremdet, dass dieser Minister sich, in gegenwärtigen Umständen zumalen, lieber eines fremden, als seines eigenen Couriers bedienen wollen, werden aber übrigens denselben noch heute sprechen, und würde es Sr. Königl. Majestät gewiss leid thun, wenn derselbe sich etwa von dem dresdenschen Ministerio gebrauchen lassen wollen, gewisse Propositions zu thun, worauf des Königs Majestät mit ihm als einem dazu von seinem Hofe nicht accreditirten Minister [Sich] schwerlich einlassen könnten.

P. S. II.

Torgau, 2. September 1756.

Noch haben des Königs Majestät Ew. Excellenz zu melden befohlen, wie Dieselbe dem Herrn Mitchell die letztere Relation des Herrn von Knyphausen vom 23. August,325-1 und zwar daraus, so viel selbige auf die englische Sachen Rapport hat, communiciren möchten. Hiernächst soll auf Sr. Königl. Majestät expressen Befehl Ew. Excellenz annoch melden, wie Dieselbe die sehr captieuse und voller Unwahrheiten befindliche Note, so der österreichische Minister im Haag eingereichet und der von Hellen eingesandt hat,325-2 sowie auch dasjenige, welches der p. Amnion zu Cöln deshalb eingesandt, nicht unbeantwortet lassen, sondern die sämmtliche Minister an auswärtigen Höfen darüber von neuem durch ostensible Rescripte instruiren möchten, auf dass dergleichen, so grobe, als grundfalsche Insinuationes bei dem Publico nicht Platz greifen, vielmehr die Griffe des wienerschen Hofes, durch dergleichen freche Beschuldigungen das Publicum zu hintergehen und solches gegen des Königs Majestät zu revoltiren, blossgestellet werden möchten; welches Höchstdieselbe in gegenwärtiger Crise vor höchst nothwendig fänden und daher solches in Dero Ew. Excellenz hinterlassenen Instruction325-3 besonders recommandiret hätten.325-4

Nach der Ausfertigung.

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323-1 Vergl. Nr. 7952.

324-1 Vergl. Nr. 7955.

324-2 Demgemäss Minsterialerlasse, d. d. Berlin 4. September, nebst Abschriften der Königlichen Schreiben an die drei genannten preussischen Gesandten. Das Concept der Erlasse eigenhändig von Finckenstein.

324-3 Nr. 7961.

325-1 Vergl. unter Nr. 7968.

325-2 Hellen übersendet, Haag 27. August, eine Abschrift einer am 24. August den Generalstaaten übergebenen Note des österreichischen Gesandten, Baron Reischach, enthaltend eine Entgegnung auf die von preussischer Seite abgegebene Erklärung, dass die preussischen Rüstungen nicht gegen Oesterreich gerichtet seien.

325-3 Vergl. Nr. 7931.

325-4 Demgemäss Circularerlass des Ministeriums an die preussischen Gesandten im Auslande und an die preussischen Residenten im Reiche.