8071. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.
[Sedlitz], 19. S eptember [1756].
Ich sollte billig anstehen, Ew. Excellenz nach so langem und weitläufigem Schreiben417-1 mit noch mehreren dergleichen zu incommodiren, ich kann aber nicht umhin, Deroselben vor mich und im höchsten Vertrauen zu eröffnen, dass, ob ich gleich die angekommene Dépêches von dem Herrn von Knyphausen417-2 noch nicht völlig gelesen, noch des Königs Majestät, die selbige noch bei Sich behalten, mir Dero Resolution darauf gegeben haben, ich dennoch in der Geschwindigkeit wohl so viel daraus ersehen, dass die Dauphine in Frankreich auf erhaltene Briefe von ihres Herrn Vaters Majestät den ganzen französischen Hof in eine grosse Bewegung gesetzet, und der Minister Rouillé sich darüber sehr weitläuftig und zwar in ganz doucen und honnetten Termes, aber nicht auf eine favorable Art expliciret, auch sich geäussert hat, wie der Marquis de Valory wohl darüber rappelliret werden dörfte, sowie dann auch der Schluss gefasset worden sein sollte, eine Anzahl Truppen von der Seeküste nach Metz beordern zu lassen. Ich kann Ew. Excellenz davon nichts zuverlässiges schreiben, weil, wie gedacht, ich erwähnte Dépêche nur in der Geschwindigkeit und fugitivo oculo zu sehen die Gelegenheit gehabt; ich werde aber alles mögliche anwenden, damit die ganze Dépêche in extenso an Ew. Excellenz communiciret werde, als welches ich vor Sr. Königl. Majestät Dienst ohnumgänglich nöthig halte, um sich darnach dirigiren zu können.
Ich habe das Glück, dass Ew. Excellenz meine wenige Art zu denken über die jetzige nachher erfolgete Umstände bekannt ist; Dieselbe werden daraus zu urtheilen geruhen, wie sehr serriret mein Herz sein müsse, da man die nach und nach sich ereignende Suiten voraussehen können und jetzo fast rund um sich her in nichts anders als sehr drohende Gewitter und Orkans gewahr nehmen kann, daferne<418> nicht die göttliche Providence solche auf eine wunderbare Weise dissipiret. Indess, da der Fluss einmal passiret ist, so bleibet nichts anders übrig, als sich der weisen Führung des Himmels zu überlassen und dabei so viel, als nur möglich ist, Hand anzuschlagen und zu arbeiten, die Barque wo möglich aus solchem heftig drohenden Ungewitter zu sauviren. Ew. Excellenz condonniren meinem beklommenen Herzen diese kleine Digression.
Des Königs Majestät nehmen dasjenige, so der Herr von Knyphausen, wie gedacht, gemeldet hat, vor die erste Fougue und Vivacité des französischen Hofes, und wünschen nur, dass solcher nicht gleich eine präcipitirte Resolution, so er nachher selbst regrettiren möchte, nehmen möge, da dann währender Winterszeit vieles in gute Wege eingeleitet werden könnte. Ich wünsche von Herzen, dass dieses in seine Erfüllung gehe, und bitte Ew. Excellenz nur noch unterthänig, gegenwärtiges zu verbrennen, damit nie etwas davon transpiriren könne.
Eichel.
Nach einer genauen Einsicht und Recognosciren des sächsischen Lagers hat sich gezeiget,418-1 dass solches nicht zu attaquiren seie, ohne eine grosse Menge von Menschen und dennoch mit einem dubieusen Événement zu sacrifiiren, daher dann und bei dem starken Mangel, so die sächsischen Truppen bereits an aller Subsistance leiden, die Continuation einer Bloquade beliebet worden ist, in der Hoffnung, dass solche nicht von langer Dauer mehr sein könne.
P.S.
Nachdem ich mein voriges bereits geschlossen, des Königs Majestät aber inzwischen eine sehr weitläuftige Immediatdépêche von dem Herrn von Knyphausen418-2 durch einen zurückgegangenen Courier erhalten, so haben Dieselbe mir befohlen, Ew. Excellenz annoch von Höchstderoselben wegen zu melden, wie Ew. Excellenz äussersten Fleisses Sich angelegen sein lassen möchten, sowohl den Marquis de Valory die nöthigen Originalien derer aus dem dresdenschen Archive erhaltenen Depeschen sehen und lesen zu lassen,418-3 um ihn dadurch von der Wahrheit des übelen und pernitieusen Willen des dresdenschen Hofes zu überführen, als auch demnächst den Druck dererjenigen Depeschen davon, so auf die übele Desseins des wienerschen und sächsischen Hofes einschlügen, äusserst zu pressiren, damit solches noch zu rechter Zeit in das Publicum käme und bekannt würde, ehe sich selbiges noch durch das Geschrei derer Oesterreicher und Sachsen präveniren und einnehmen lassen, dahero keine Zeit darunter verloren werden müsse.<419> Welches mir noch befohlene dann hierdurch gehorsamst ausrichte. Ich habe hierbei Ew. Excellenz aber zu melden nicht Anstand nehmen können, dass, sowie ich aus einem gestern Abend erhaltenen Schreiben ersehen, die Dépêches und Papiere quaestionis noch nicht einmal von Dresden abgegangen seind, daher ich dann auf Sr. Königl. Majestät Befehl heute früh sogleich an den Herrn von Maltzahn schreiben müssen, darunter nicht eine Stunde länger zu säumen, sondern erwähnte Papiere ohne einigen weiteren Zeitverlust mit Extrapost unter Nehmung gehöriger Sicherheit an Ew. Excellenz abzusenden.
Ich habe sonsten noch vergessen, an Dieselbe von des Königs Majestät wegen zu melden, wie Ew. Excellenz an den Marquis de Valory äussern könnten, dass Se. Königl. Majestät nie den sonst nicht gewöhnlichen Pas gethan haben und erwähnte Dépêches aus dem dresdenschen Archive nehmen lassen würden, daferne Sie nicht dadurch Sich gegen das Publicum zu legitimiren vor nöthig gefunden hätten, dass Deroseits dem Grafen Brühl nichts und noch weniger imputiret worden,419-1 als was die Originalia mit sich brächten, und dass übrigens das Archiv zu Dresden nicht im geringsten sonst violiret, noch etwas weiter daraus genommen, noch angesehen worden.
Eichel.
Nach der Ausfertigung.
417-1 Nr. 8068.
417-2 Bericht Knyphausen's, Paris 6. September.
418-1 Vergl. S. 416.
418-2 Bericht Knyphausen's, Paris 10. September, welcher die weitere Ausführung der zum Theil schon am 6. September gemeldeten Nachrichten enthält. Vergl. Nr. 8082.
418-3 Vgl. S. 377.
419-1 Vergl. S. 307—309 und S. 377.