8173. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Lobositz, 7. October 1756.

Mein lieber Geheimer Etatsminister Graf von Podewils. Ihr habt aus dem in Abschrift anliegenden Bericht des Markgrafen Karl Hoheit zu ersehen, was vor ein besonderer Vorfall mit dem französischen Gesandten am dresdenschen Hofe, dem Grafen Broglie, vorgegangen ist, und auf was vor eine ganz indecente Art, wider alles Recht, so ihm sein Charakter geben kann, derselbe sich gegen Mich und die Meinige betragen wollen. Da nun hieraus ganz klar am Tage lieget, wie dieser Minister, der sich schon in anderen Gelegenheiten gar nicht wohl gesinnet gegen Mich bezeiget, und noch einen personellen Hass von seines Vaters Zeiten her506-2 gegen Mich fortgesetzet hat, nichts anders intendiret, als Mich mit seinem Hofe durch Dinge, so er wider alles Völkerrecht und gegen allen Wohlstand verlanget und haut à la main souteniren will, mehr und mehr zu committiren, so will Ich, dass Ihr Euch über solche indecente Conduite des Grafen von Broglie sowohl bei dem Marquis de Valory sehr beschweren, als auch zugleich und auf das allerfordersamste an den von Knyphausen rescribiren und denselben instruiren sollet, sich über das indecente und ganz ohnanständige Betragen bei dem französischen Ministerio zu beschweren und bei solchem auf eine billige Remedur darunter anzutragen. Worüber Ihr dann gedachten von Knyphausen506-3 bestens zu instruiren, dem Marquis<507> de Valory aber die behörige Remonstrations zu thun habet. Ich bin Euer wohlaffectionirter König

Friderich.

Nach der Ausfertigung.

Der Markgraf Karl berichtet, Hauptquartier Gross-Sedlitz 6. October: „Ew. Königl. Majestät muss ganz unterthänigst melden, dass heute Vormittag um 2 Uhr der französische Gesandte aus Dresden, Marquis de Broglie, den pirnaischen Weg heruntergekommen mit seinem Wagen und eigenen Pferden, auch Postillons und sechs Personen zu Pferde bei sich habend. Da nun Ew. Königl. Majestät Gesandter, der von Maltzahn, dem Generallieutenant von Winterfeldt schon vor sechs Tagen avertiret, dass der französische Gesandte absolut zum Könige von Polen wollte und ihn niemand aufhalten könnte, so hatte ich die Ordre gestellt, dass man auf der Hut sein möchte, ihn nicht durchzulassen. Als die Brandwache vom württembergischen Dragonerregiment ihn angehalten und gefraget, wer er wäre und wohin er wollte, hat er geantwortet: er wäre der französische Gesandte und führe grade durch nach Pirna zum König von Polen. Der Officier hat erwidert, sie dürften keinen Menschen nach Pirna fahren lassen und müssten es mir melden, da denn der Gesandte sich sehr unnütze gemachet und gesaget, ihn könnte niemand aufhalten. Hierauf hat der Generallieutenant von Winterfeldt den Obristlieutenant von Pflug zu ihm geschicket, welcher ihm sagen müssen, dass er du jour wäre, und es wäre Ew. Königl. Majestät Ordre, keinen Menschen, er sei wer er wolle, nach Pirna zu lassen. Worauf der Gesandte mich zu sprechen verlanget. Als der Obristlieutenant von Pflug gesaget, ich wäre nach dem andern Lager geritten, hat der Gesandte seinen Kutscher befohlen, nach Pirna zu fahren. Der Obristlieutenant von Pflug hat daher die Brandwache vor den Weg gesetzet und den Gesandten nochmals bedeutet, dass er ihn nicht durchlassen könne, wornach dieser erwidert, so bliebe er da halten, wenn es auch acht Tage wären; er wolle mich sprechen, er hätte Ordre von seinem Könige, zum Könige von Polen zu gehen. Hiernach hat der Obristlieutenant von Pflug gesaget, er wolle sehen, ob er mich finden könne. Endlich ritte ich selbst hin, da dann der Gesandte auf alle Art und Weise probirete, ob es nicht möglich wäre, ihn durchzulassen. Er sagte, er hatte drei Couriers von seinem Könige erhalten, zum Könige von Polen zu gehen und dessen Person nicht zu verlassen. Er wies mir auch seine Ordre. Ich versetzte darauf, dass er ganz recht thäte, die Ordre seines Königs zu befolgen; mir hingegen wäre es auch nicht zu verdenken, der Ordre meines Herrn nachzuleben, und ich würde hiervon ebenso wenig als er abgehen. Er hielte es abscheulich, dass Ew. Königl. Majestät befohlen, ihn, als einen Gesandten, nicht durchzulassen; ich aber versicherte ihn, dass Ew. Königl, Majestät seiner Person gar nicht gedacht hätten, sondern das generale Verbot gegeben, worunter ich einen jeden ohne Unterschied verstehen müsste und also auch nach solchem ohne Anfrage niemanden durchlassen könnte. Ich ersuchte ihn nach Dresden zu reisen, und sollte er Ew. Königl. Majestät Resolution, sobald sie zurückkäme, erfahren; da er dann sehr böse that, dass der Obristlieutenant von Pflug an ihn geschicket worden, den er schon in Polen gekannt, und der eine Wache vor seinen Wagen gesetzet hätte, als wenn er ein Espion wäre, ich rufte den Obristlieutenant von Pflug in seiner Présence, welcher mir sagte, dass der Gesandte gesprochen, er wolle nach Pirna, und seinem Kutscher zugerufen zuzufahren. Der Gesandte gestand solches ein; ich aber erwiderte, dass er als ein alter Soldat Selbsten finden würde, dass der Obristlieutenant von Pflug nicht unrecht gethan, da er die expresse Ordre gehabt, niemanden, wer es auch sei, durchzulassen, der Gesandte aber mit Gewalt durchfahren wollen. Ich stellte ihm endlich nochmal anheim, ob er nicht nach Dresden gehen und allenfalls Ew. Königl. Majestät Selbst schreiben wollte; worauf seine Antwort war: er würde an Ew. Königl. Majestät nicht mehr schreiben, da er auf sein vor zehn Tagen an Höchstdieselben abgelassenes keine Antwort bekommen. Ich replicirte, dass Ew. Königl. Majestät die ganze Zeit mit dem Feinde occupiret<508> gewesen wären und nicht hätten antworten können; da er denn erwiderte, dass er es gleich per Estafette an seinen König geschrieben, welcher darüber sehr empfindlich, und ich möchte ihn mit nach dem Hauptquartier nehmen, wo er Ew. Königl. Majestät Antwort abwarten wollte. Ich sagte, er möchte es nicht übel nehmen, dass ich solches nicht thun könnte, weil er nicht den graden Weg hierher gekommen, sondern nach Pirna zu gefahren. Er blieb darnach dabei: wenn es 8 Tage dauerte, so ginge er von der Ordre seines Königs nicht ab und wollte da halten. Ich würde in Verantwortung kommen, dass ich ihn, als einen Gesandten, wie doch in der ganzen Welt gebräuchlich, nicht passiren lassen wollte, und alle, die ihn arretiren, würden es zu verantworten haben. Da er es endlich auf alle Weise mit Güte und Bösem probiret und sähe, dass es nicht anging, so wurde er ganz höflich, und bat mich, ihn in das Brauhaus vors württembergische Dragonerregiment zu logiren. Ich antwortete aber, dass mir solches nicht möglich; worauf er sich dann in das Dorf Heidenau, dichte hinters württembergische Regiment, in ein Haus geleget und mich um eine Wache gebeten, damit er vor Marodeurs gesichert wäre. Da ich ihm dann einen Unterofficier mit 8 Mann zur Wache gegeben und einen Officier, der ihn observiret. Erwarte übrigens Ew. König]. Majestät allerhöchste Ordre, wie ich mich weiter zu verhalten, und ersterbe mit aller Veneration etc.“



506-2 Vergl. Bd. I, 436. 437. 441; II, 202.

506-3 Demgemäss Ministerialerlass an Knyphausen, d. d. Berlin 10. October.