8757. AN DEN GENERALLIEUTENANT VON WINTERFELDT IN LANDSHUT.
Winterfeldt berichtet, Landshut 19. März: „Ew. Königl. Majestät werden aus meinem vorigten allerunterthänigsten Rapport vom 16. dieses1 bereits allergnädigst zu ersehen geruhet haben, wie ich schon darin, und ehe ich Ew. Königl. Majestät allergnädigsten Befehl vom 16.2 gestern Abend erhalten, in Allerhöchstderoselben Idées, als worüber ich gar zu vielfältig instruirt bin, dass mir solche nicht allezeit den besten und sichersten Weg zeigen sollten, insoweit entrirt habe, als mir die bisherigen Umstände unserer Feinde gegen Schlesien und Sachsen, ohne aber auf 80,000 Franzosen zu rechnen, welche gegen Wesel und dem Magdeburgischen agiren wollen, bekannt gewesen sind.
Wann dem Feldmarschall Browne die Zeit gelassen wird, dass er mit 80 bis 90,000 Mann so lange still sitzen und abwarten kann, wie derer Franzosen ihr Dessein abgelaufen, so könnten Ew. Majestät alsdann nicht anders als wenigstens 30,000 Mann gegen die Franzosen schicken, 60,000 gegen Browne, 35,000 gegen die Lausnitz und Schlesien, ausser 15,000 Mann bei Schweidnitz, ganz bloss lassen.3
Gott bewahre aber davor, nicht in der Verlegenheit zu kommen, solche Mesures nehmen zu dürfen! Denn Schlesien würde auch in der kurzen Zeit vom Feinde so ruinirt werden, dass alle unsere Ressourcen und worauf wir doch währenden Krieges am mehresten rechnen müssen, gänzlich dadurch wegfielen.
Um aber diesem Uebel abzuhelfen und des Feindes gefährlichen Desseins zuvorzukommen, sehe ich kein ander Mittel, als dass wir von hier, aus Schlesien, so bald als möglich das Spiel anfangen und dem Feinde auf die Magazine von Pardubitz und Königgrätz, welche seine stärkste sein, die er hat, zu fallen suchen. Die Piccolomini'sche Armée ist in ihrer jetziger Verfassung nicht stark genung, solches zu verhindern, und muss Browne, welcher es ohnedem nicht leiden kann, solche alsdann verstärken.
Ew. Majestät, welche aber in Sachsen mit einer starken Armée ihm in der Nähe stehen, können ihm alsdann dadurch nicht allein seinen Anschlag auf der Lausnitz zernichten, sondern auch viel mehr von da offensive agiren lassen. Wo der Feind zu Aussig ein starkes Magazin hat, als welches allda sehr luftig angelegt ist, so könnte ihm solches vors erste auch genommen werden.
Wenn der Feind bald und in der Zeit angegriffen wird, ehe er mit seinen Arrangements fertig ist, so können wir anjetzo mit 30,000 Mann mehr gegen ihm ausrichten als im Monat Juni mit 60,000 Mann.
Der Feind muss Haar lassen, ehe die Franzosen ihr Dessein ausführen und dem Magdeburgschen nahe kommen können; Lilsdann aber wann der Feind nur erstlich eine Schlappe bekommen, so dependirt es alle Zeit von Ew. Majestät, so viel als nöthig gegen die Franzosen zu schicken. Königgrätz ist von hier 11 und von unserem Schweidnitz'sehen Magazine 15 Meilen. Kann nun ausstudirt und möglich gemacht werden, dass wir nur, wann wir uns aus dieser Gegend mit der Armée im Marsch setzen, vors erste auf 14 Tage Brod und Fourage nach bekommen können, so sind wir geborgen. Ich halte davor, es geht an, und mache vor mich einen Plan dazu. Wann wir drei Tage aus unserm Magazine rechnen, so bekommen wir vor den vierten Tag noch allezeit so viel in Böhmen dazu. Dieses hilft uns dann mit durch, um unsere Fourage, die nachgefahren wird, an uns ziehen zu können.
Es würde dem Feinde, der gar nicht darauf rechnet, der unvermuthetste Donnerschlag sein, so jemals geschehn, und dadurch alles in Schrecken und Confusion gerathen. Die jetzigen Umstände von Ew. Majestät sind allezeit einem Hasard unterworfen, als woraus nichts als ebenfalls die allerhardieste Partie prompt zu ergreifen, retten kann. Was von hier deshalb möglich zu machen, darin wird gewiss der Feldmarschall Schwerin mit aller praecautieusen Ueberlegung entriren,
1 Vergl. Nr. 8752.
2 Vergl. Nr. 8732.
3 Vergl. S. 378.