8854. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Lockwitz, 13. April 1757.

Ich soll auf allergnädigsten Befehl Sr. Königl. Majestät Ew. Excellenz von dem, so seit letzteren Tagen her mit dem sächsischen Hofe zu Dresden vorgefallen, benachrichtigen; ich gestehe aber, dass ich darüber nicht wenig embarrassiret bin, da das mehreste deshalb auf mündliche Ordres geschehen, welche des Königs Majestät denen, so Sie davon chargiret, gegeben, und die ihre Rapports deshalb auch mündlich<496> wieder erstattet haben, so dass, was ich davon weiss, mir grösstentheils nur casuellement bekannt geworden, ich auch diejenigen, so von dergleichen chargiret gewesen, selten oder gar nicht zu sprechen bekommen, da sie in denen differenten Kantonirungsquartieren zerstreut seind. Ich werde inzwischen mich so gut wie möglich davon acquittiren.

Und zwar haben Se. Königl. Majestät zuvorderst gegen oder mit Anfang dieses Monates auf die erhaltene Nachricht, dass der französische Hof sich ouvertement gegen Dieselbe declariret und wirklich seine Truppen marschiren lassen, um das Geldrische und Clevische [zu besetzen],496-1 nachdem letztere mit denen österreichischen Truppen in denen Niederlanden sich conjungiret, dem französischen, bei der Königin von Polen accreditirten Legationssecretär Hennin durch den Generalfeldmarschall von Keith (wie ich nicht anders weiss) declariren lassen, dass bei vorangeführten Umständen des Königs Majestät dessen längere Anwesenheit in Dresden nicht länger conniviren könnten, sondern er seine Resolution fassen und ohne weiteren Aufenthalt von dar weggehen möchte, da Sie ihn dann seiner Sicherheit halber mit einem Officier bis zu denen sächsischen Grenzen begleiten lassen würden. Wobei demselben zugleich declariret worden, wie des Königs Majestät Sich wegen alles Uebels, so Dero clevischen Landen durch die Invasion geschehen werde, an die königlich polnische Familie zu Dresden halten würden.

Dieses ist alles, was ich von der Sache weiss, und was des Königs Majestät nachher, als solche geschehen, die Gnade gehabt, mir zu sagen. Wie auch der Hennin seine Partie darauf genommen und weggegangen, auch mit einem Officier begleitet worden ist, davon ist mir nichts weiter bekannt, als was beikommender Extract besaget.496-2

Was mit der Gräfin Ogilvy nachher vorgefallen, und wie solche auf Intercession der Königin von Polen Majestät den andern Tag ihres Arrestes erlassen worden, solches habe auf allergnädigsten Befehl vorhin bereits Ew. Excellenz zu melden die Ehre gehabt.496-3

Nachdem auch bald darauf die mehristen von denen Escadrons leichten Dragonern, so aus denen sächsischen Kriegesgefangenen errichtet worden und den Winter hindurch auf denen lausitzischen Gütern des Grafen von Brühl ihre Quartiere gehabt, bei dem ersten Marsch revoltirt haben und nach Böhmen desertirt seind, auch des Königs Majestät in Dero eigenem Domestique496-4 gewisse Soupçons von Connexionen mit der Gräfin Brühl soupçonniret haben, so haben Sie kurz nach Dero Abreise von Dresden resolviret, auch die Gräfin von Brühl<497> in ihrem Hause zu Dresden arretiren, ihr auch zugleich insinuiren zu lassen, wie sie nach Warschau zu ihrem Mann reisen möchte, wohin Se. Königl. Majestät ihr bis durch Schlesien den freien Vorspann geben und sie bis nach Liegnitz durch einen Officier begleiten lassen würden. Was nun darunter weiter geschehen und mir bekannt geworden, ist alles dasjenige, so in oballegirtem Extract der darüber an Se. Königl. Majestät gekommenen schriftlichen Rapports enthalten;497-1 die kleine Correspondance, so darüber zwischen Sr. Königl. Majestät und der Gräfin Brühl passiret ist, habe ich bereits nach Berlin geschickt, und lege ich zum Ueberfluss noch die Abschriften derer königlichen Antworten497-2 an dieselbe hierbei sub B, wegen des übrigen aber beziehe mich auf mehrerwähnten Extract.

Als endlich nachher die verschiedenen Révoltes bei einigen derer aus denen sächsischen Kriegesgefangenen neu errichteten Regimenter, als von Loën und Jung-Bevern,497-3 entstanden und sich dabei grosse Soupçons hervorgethan haben, dass solches eine Trame von allerhand Leuten und kriegesgefangenen sächsischen Officiers, die der Hof zu Dresden protegiret, gewesen, — die vielleicht weiter gehen sollen, wenn sie nicht durch Uebereilung derer, so die Trahisons geführet und unterhalten, früher als sie gesollt, ausgebrochen, — auch des Königs Majestät von anderen üblen Menées dererjenigen, so dem Hofe zu Dresden attachiret seind und solchen frequentiret haben, Nachrichten erhalten; haben endlich Dieselbe den Entschluss gefasset, dem Hofe zu Dresden alle weitere Connexion mit andern aus der Stadt untersagen zu lassen, so dass die königliche Familie auf dem Schlosse daselbst zusammenbleiben und vor sich allda alle Freiheit geniessen, sonsten aber auf das Schloss noch von dem Schlosse niemand gelassen werden sollen als nur allein wirklich Domestiquen von der Königin und der königlichen Familie, so zur Aufwartung dienen; dabei dann auch die sogenannte Schweizergarde licentiiret und desarmiret worden.

Der Herr Generalfeldmarschall von Keith hat die Commission bekommen,497-4 der Königin den Antrag davon zu thun, das übrige hat der Generalmajor von Bornstedt, als jetziger Commandant zu Dresden, besorgen müssen.497-5 Weil gedachter Feldmarschall, wie er mir die Ehre gethan zu sagen, deshalb von des Königs Majestät weder schriftliche Instruction noch Vollmacht bekommen, sondern ihm nur die deshalb an den Generalmajor von Bornstedt ergangene Ordre mit nach Dresden gegeben worden, hat er sich darunter so genommen, dass zuvorderst er sich diese Ordre communiciren lassen, und da er der teutschen Sprache nicht mächtig gnug zu sein geglaubet hat, um dergleichen croustilleuse Commission au pied de la lettre auszurichten, hat er von dem Generalmajor von Bornstedt eine französische Uebersetzung seiner Ordre ge<498>fordert, welche er dann erhalten und, nachdem er sich bei der Königin durch den Kammerherrn von Wessenberg melden lassen und bald darauf admittiret worden, nach einem convenablen Compliment der Königin die clausulam concernentem aus dieser Uebersetzung, so weit solche seine Commission angegangen, vorgelesen hat.

Da alles Detail hiervon zu melden, theils zu weitläuftig sein würde, theils mir auch nicht weiter bekannt, als was der Feldmarschall mir en passant davon gesaget hat, so lege ich die Originalübersetzung der Ordre an den Generalmajor von Bornstedt, so mir der Feldmarschall nachher zugestehet und deren er sich bei der Audience bedienet, sub C hierbei,498-1 nachdem mir nicht die Zeit gelassen worden, die sub D anliegende Abschrift der teutschen Ordre völlig abschreiben zu lassen.

Was bei dieser Audience vorgegangen, werden Ew. Excellenz aus dem sub D abschriftlich anliegenden Schreiben des Feldmarschalls an des Königs Majestät498-2 ersehen. Wonächst mir derselbe gesaget, dass, so viel das Verlangen der Königin wegen des Churprinzen und wegen der Churprinzessin angehe, des Königs Majestät darein gegen ihn mündlich bei seiner Retour gewilligt hätten und dieselbe also in dero Palais geblieben wären.498-3

Wie der Generalmajor von Bornstedt seine Ordres executiret, davon weiss ich auch nichts weiter, als was mehrgedachter Extract498-4 besaget, ausser dass mir der Feldmarschall erzählet, dass, nachdem dem Graf Wackerbarth der Arrest p. angesaget worden, der eben an dem Podagra seit acht Tagen gelegen, derselbe, ob er gleich deshalb länger in Dresden bleiben können, durchaus solches nicht gewollt, sondern darauf bestanden habe, ihn nach Cüstrin zu transportiren.

Was gestern deshalb mit dem sicilianischen Ambassadeur, dem Duc de Sainte-Elisabeth, der sich jederzeit vor des Königs Majestät sehr affectionirt bezeiget, und der deshalb auch von Deroselben allemal gar besonders distinguiret worden, vorgefallen, solches werden Ew. Excellenz aus dessen Originalschreiben, so er mit seinem Secretär gestern exprès hieher geschicket, und dem ich solches, weil er der französischen Sprache wenig mächtig ist, abfordern und gleich darauf an des Königs Majestät abgeben müssen, desgleichen aus der anliegenden Abschrift der heute an ihn deshalb erfolgeten Antwort498-5 sub E, F zu ersehen geruhen.

Wie sich der Generalfeldmarschall Keith gegen mich geäussert hat, so hat der Königin von Polen Majestät die von ihm gethane Proposition mit grosser Indifférence angenommen,498-6 auch nichts dagegen gesagt, als<499> was in des Feldmarschalls Bericht an des Königs Majestät enthalten, ausserdem aber hinzugefüget, dass, was die Schweizergarde anlangete, der König von Preussen vielleicht nicht informiret sei, dass solche vom Reiche relevirete und ihrem Herrn Gemahl als Erzmarschall vom Reiche gehalten auch bezahlet würde; wobei sie gleich hinzugefüget: doch da der König von Preussen dem Reiche den Krieg declariret habe, es auch ganz billig sei, dass diese Schweizergarde desarmiret würde.

Dieses ist alles, was ich im Stande gewesen bin, Ew. Excellenz über diese Vorfallenheiten zu melden, welchem auf allergnädigsten Befehl noch hinzufügen soll, dass Ew. Excellenz über letzteren Vorfall mit der Königin von Polen p. fordersamst alle königlichen Minister p. an auswärtigen Höfen und wo es weiter nöthig, instruiren und ohne über das Factum selbst in ein grosses Detail zu gehen, die von Sr. Königl. Majestät desfalls genommene Resolution bestens coloriren und geltend machen möchten, damit, wenn mit erwähnten Ministern darüber gesprochen würde, dieselbe darauf zu antworten und das Factum überall, auch bei dem Publico solidement zu justificiren im Stande wären.499-1 Welches ich dann meines wenigen Ortes hierdurch schuldigst ausrichte und nur noch ganz gehorsamst melde, wie ausser den vorberichteten Umständen ich nicht im Stande bin, einiges Detail weiter zu fourniren, noch etwas zu eclairciren, in welcher Absicht ich dann auch die allegirten Pièces beigefüget habe, da ausser solchen und was ich daraus genommen, mir nicht das geringste bekannt ist.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.

Extrade.

Rapport des Generalmaj or von Bornstädt vom 1. April 1757:

Die Frau des Etatsminister von Brühl ist gestern durch den Generalmajor von Retzow allhier arretiret499-2 und zu Besetzung der Ausgange 1 Officier nebst Unterofficier und gehöriger Mannschaft commandiret.

Der Lieutenant von Wangenheim Itzenplitz'schen Regiments, so den französischen Legationssecretär499-3 von hier über die Grenze gebracht, ist wieder zurückgekommen.

Rapport vom 5. April 1757:

Ew. Königl. Majestät berichte allerunterthänigst, dass die Gräfin von Brühl heute morgen 7 Uhr von hier abgegangen; der Lieutenant von Mandelsloh Itzenplitz'schen Regiments convoyiret selbige und ist darzu nach Ew. Königl. Majestät Befehl und Intention choisiret und instruiret.

Nota. Dieses hat darin bestanden, dass er die Gräfin Brühl bis Liegnitz accompagniren499-4 und uberall auf das polieste und mit aller Distinction und Égard begegnen und nur alleine nicht zugeben solle, dass sie unterwegens sich mit sächsischen Leuten bespreche. In Liegnitz sollte er sie quittiren, nachdem er ihr nebst einem<500> polien Compliment von Sr. Königl. Majestät gesagt, wie sie völlige Freiheit habe, ihre Reise weiter zu continuiren, sie aber so gut sein und solche über Breslau nacher Polen richten möchte, so wie ihr freier Vorspannpass bis dahin eingerichtet sei.

Rapport vom 10. April:

Von Ew. Königl. Majestät Befehlen, den hiesigen Hof angehend, welche Dero Generalfeldmarschall von Keith allhier ausgerichtet, wird derselbe seinen allerunterthänigsten Bericht erstatten.500-1

Auf die mir durch solchen behändigte Ew. Königl. Majestät Ordre500-2 aber melde allergehorsamst, dass die Schweizergarde, die keine Flinten, sondern nur Hellebarden und Seitengewehr hat, desarmiret worden.

Auch habe denen dabei stehenden zwei Generals in Ew. Königl. Majestät Namen declariret, sofort von hier entweder nach Coswig an der Elbe oder zu dem Grafen von Rutowski zu gehen, und werde darüber halten, dass es geschehe.

Der Graf Wackerbarth ist gestern arretiret und wird heute unter Aufsicht von 1 Officier und 2 Unterofficiers von hier nach Cüstrin abgeschicket.

Rapport vom 11. April:

Ew. Königl. Majestät allergnädigstem Befehl gemäss, welchen Dero Feldmarschall von Keith mir bekannt gemacht, ist der Churprinz bis auf Ew. Königl. Majestät weitere Ordre in seinem jetzigen Palais geblieben,500-3 selbiges mit nöthigen Schildwachten besetzet und diesen solche Ordres gegeben worden als denen, so bei dem Schlosse stehen.

Die beide andere Prinzen haben gestern den Anfang gemachet, auf das Schloss zu ziehen, auch auf solchem bereits die Nacht geschlafen.

Rapport vom 12. April:

Auch ist der Lieutenant von Mandelsloh vom Itzenplitz'schen Regiment, so die Gräfin von Brühl bis Liegnitz escortiret hat, gestern zurückgekommen.

Der General von Meagher von die Schweizer hat sich heute gänzlich von hier weg und zu dem General von Rutowski begeben.

Der General von Horst von solche Schweizer präpariret sich auch zur Abreise, da er aber noch kein Geld, hingegen Frau und Kinder hat, so hat er noch um zweitägige Dilation gebeten.



496-1 Vergl. S. 462.

496-2 Vergl. unten S. 499.

496-3 Vergl. Nr. 8769.

496-4 Ueber den nach Spandau in Gewahrsam gebrachten Kammerdiener Christian Friedrich Glasow vergl. Preuss, Friedrich der Grosse, II, 34—36, 402. Henckel von Donnersmarck, Militärischer Nachlass, herausgeg. von Zabeler, Zerbst 1846. I, 2, 177. Unterhaltungen mit Friedrich dem Grossen, von H. de Catt. Herausgeg. von Koser, Publicationen a. d. Preuss. Staatsarchiven, Bd. 22, S. 4. 465.

497-1 Vergl. unten S. 499.

497-2 Vergl. Nr. 8804. 8813.

497-3 Vergl. S. 450. 451.

497-4 Vergl. Nr. 8839.

497-5 Vergl. Nr. 8833.

498-1 Nr. 8833.

498-2 Nr. 8839.

498-3 Vergl. S. 500.

498-4 Vergl. S. 499. 500.

498-5 Nr. 8853.

498-6 In einem Schreiben Eichel's an den Minister Finckenstein vom 17. April heisst es: „Ein glücklicher Success [Sr. Majestät in Böhmen] dörfte die Königin von Polen sehr desorientiren, die — zu ihrem Hofmeister Wessenberg, als er den Feldmarschall Keith wegen seiner letztern Commission gemeldet, ihr das Sujet davon eröffnet und sich zugleich sehr lamentiret hat — gesaget: « Was lamentiret Ihr! Der König von Preussen schenket mir ein Paar Sporen, um die Franzosen und Russen zu ihrem Anmarsch auf seine Länder zu eperonniren, und also werde ich den Antrag von dem Feldmarschall Keith ganz gelassen annehmen. »“

499-1 Demgemäss Ministerialerlasse, d.d. Berlin 16. April.

499-2 Vergl. S. 451.

499-3 Vergl. S. 496.

499-4 Vergl. S. 461. 462.

500-1 Vergl. Nr. 8839.

500-2 Nr. S833.

500-3 Vergl. S. 498.