8867. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT IN KÖNIGSBERG.
Lockwitz, 16. April [1757].
Ich habe Euren Bericht vom 10. dieses erhalten und danke Euch zuvorderst vor die Communication aller darin enthaltenen Nachrichten, unter welchen Ich das Betragen der russischen Generalität wegen derer dort arretirt gewesenen und wieder mit so vielen Umständen zurück gelassenen preussischen Bauern nicht mit denen übrigen Umständen zu conciliiren weiss.510-3
Demnächst gebe Ich Euch in Antwort, dass wie Ich von allen Euren gemeldeten Arrangements sehr zufrieden bin, Ich Euch ohnmöglich über alles dortige kleine Detail von hier aus mit Resolution versehen kann, als einestheils Ich hier Selbst jetzo sehr viel zu thun habe, anderntheils aber Ich Euch schon einmal die ganze und freie Disposition überlassen, es dorten so zu machen, wie Ihr es vor Meinen Dienst convenable erachtet, und wie es denen vorkommenden Umständen und Euren Kräften conforme ist.510-4
Dass Ihr denen dasigen Garnisonregimentern das Brod geben lasset, solches dependiret lediglich von Eurem Gutfinden, so dass Ihr deshalb nicht einmal bei Mir anfragen dörfen. Wann es auch mit denen dortigen Garnisonregimentern wegen des Dienstes im Felde noch nicht recht fort will, so habet Ihr ja Meines Erachtens dorten Infanterieregimenter genug, da Ihr von jedem etwa 2 Lieutenants vor der Hand zu denen Garnisonregimentern geben könnet, um diesen alles recht zu expliciren und begreifen zu machen; denn von hier aus Ich ohnmöglich deshalb welche hinschicken kann, die Uebersendung derer<511> Reglements von dem General von Massow zu weitläuftig ist und zu langsam gehet.
Die russischen Sachen angehend, so werdet Ihr aus Meinen Euch communicirten Nachrichten ersehen haben, dass dieselbige nicht vor dem Monate Juni fertig sein können.511-1 Ich glaube auch nicht allerdinges und vor gar gewiss zu sein, dass die Russen gegen Preussen was sonderliches tentiren werden, sondern noch Absichten gegen Schlesien mit haben.511-2 Uebrigens ist es gewiss, dass sie überall in schlechten Umständen sein.
Anlangend dasjenige, so Ihr wegen Pillau meldet, so müsset Ihr deshalb dorten Eure Mesures, so gut Ihr könnet, nehmen. Ich habe zur Zeit noch alle Versicherungen aus Engelland, dass man Mich mit einer Escadre in der Ostsee zur Sicherheit Meiner Küsten secondiren wolle;511-3 ausserdem aber, da511-4 in solchem Lande und nach der dort etablirten Regierungsform alles sehr langsam gehet511-5 und die Engelländer jetzo mit Equipirung starker Flotten gegen Frankreich beschäftiget seind,511-6 so getraue Ich Mich nicht zu garantiren, dass eine englische Escadre eher als eine russische Flotte in der Ostsee sein solle. Welches Ich Euch zu Eurer Direction nicht verhalten kann, ob Ich gleich noch hoffe und glaube, dass die Engelländer ihr Engagement dieserwegen erfüllen werden, auch eine russische Flotte schwerlich eher als im Junio in See wird kommen können, noch etwas entrepreniren wird, bevor die Landmacht agiret. Nicht zu gedenken, dass es damit mehr Ostentation als was besonders ist, da Ich von guter Hand weiss, dass sie kaum 400 Matrosen auf der ganzen Flotte haben, so jemalen in See gefahren,511-7 die übrigen lauter Rekruten und Soldaten von der Admiralität sein, welche sie, so weit sie reichen, mit den von denen kleinen Fahrbooten, so zwischen Petersburg und Kronstadt fahren, verwechseln wollen.
Friderich.
P. S.
Ausser vorigem, so Ich Euch geschrieben, mache Ich Euch annoch im Vertrauen bekannt, wie Ich gedenke, dass sich hier in Zeit von 14 Tagen ein vieles decidiren soll. Wir werden hier zwischen dem 18. und dem 22. dieses den Feind anfallen, [von verschiedenen] Seiten in seine Quartiere in Böhmen fallen, und, weil er die Distribution von seinen Magazins mit all zu weniger Vorsicht gemachet hat, so gründet sich unser ganzes Project darauf, ihm seine Magazins zu nehmen511-8 und ihn mithin dadurch fast aus Böhmen herauszujagen. Womit Ich gedenke zum spätesten den 10. Mai fertig zu sein. Alsdenn mögen Russen oder Franzosen kommen, so kann Ich auf allen Seiten Tête machen, und wird der Feind gewiss seine Campagne total verloren haben. Daferne auch mein Projet mit gutem Success reussiret, so<512> glaube ich gewiss, dass bei solchen Umständen die Russen sich sehr bedenken werden zu agiren. Wollten sie aber es auch thun, so würde es leicht sein, dass wir die Supériorité über sie gewönnen.
Nach dem Concept.
510-3 Aus der Gegend bei Memel waren 9 Bauern von einem Commando Russen gemisshandelt worden, dagegen hatte „der russische General in Mitau die Bauern sogleich losgelassen, jedem 4 Rubels geben, den Officier, so sie misshandelt, als Arrestant nach Mitau holen und das Commando brav zerprügeln lassen.“ „Ich weiss nicht,“ schliesst Lehwaldt seinen Bericht, „was ich aus diesem freundschaftlichen, justen Bezeigen urtheilen soll.“
510-4 Vergl Bd. XII, 448—457.
511-1 Vergl. S. 475.
511-2 Vergl. S. 37. 42. 151. 170. 191.
511-3 Vergl. S. 503.
511-4 In der Vorlage: „dass“ .
511-5 Vergl. S. 502.
511-6 Vergl. S. 397.
511-7 Vergl. S. 503.
511-8 Vergl. S. 488.