8887. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Ottendorf, 21. April 1757.

Beide Einlagen523-4 soll ich auf allergnädigsten Befehl Sr. Königl. Majestät an Ew. Excellenz besonders adressiren und bei solcher Gelegenheit Deroselben nochmal erinnern und recommandiren, dass Dieselbe dasjenige, so Se. Königl. Majestät in einem vor einiger Zeit an Ew. Excellenz erlassenen Handschreiben523-5 wegen eines besonders zu haltenden Promemoria oder vielmehr Diarii von allen Insolentien, so der wienersche Hof sowohl als auch nunmehro der französische gegen die Freiheiten des Reiches und Dero Stände und Städte unternehmen,<524> als auch sonsten von allen Fredaines, so Sr. Königl. Majestät von beiden Höfen geschehen, verlanget haben, nicht aus der Acht lassen, noch als indifferent ansehen, sondern vielmehr solches mit der grössesten Exactitude, auch selbst in Kleinigkeiten und gering scheinenden Umständen, unter Ew. Excellenz Direction halten lassen möchten, auf dass, wenn Se. Königl. Majestät solches Selbst zu haben verlangen würden, Sie davon ein ganz amples Detail ersehen könnten, und es alsdenn Deroselben sehr unangenehm sein würde, wenn Sie alsdenn remarquiren sollten, dass solches nur légèrement geschehen, oder Sie Sich eines einigen Umstandes erinnern würden, den Sie darin nicht deutlich enthalten fänden.

Ich melde dieses, sowie es mir befohlen worden. Vielleicht ist die Zeit nahe, da sich die bisherige Periode changiren wird, und die Sachen einen anderen Anstrich nehmen werden. Gott segne und benedeie des Königs Waffen und Dero Vorhaben! Sie werden morgen den Anfang dazu machen. Sie erkennen die überwiegende Macht Dero Feinde sehr wohl; wenn aber sonsten nur Dero Freunde und sehr wenige Alliirte an der Stange halten, so kann es geschehen, dass nachmalen verificiret wird, dass je weitläuftiger und je grösser die Complots sein, je eher solche confondiret werden, und dass eine Hand voll Pfeffer mehr beisset als eine grosse Quantité Mohnsamen. Zu Ew. Excellenz gnädigem Andenken und Wohlwollen empfehle mich übrigens ganz gehorsamst und auf das respectueuseste.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.

Nieder-Rhein, vom 18. April 1757.524-1

So viel man aus denen clevischen und andern angrenzenden königlich preussischen, nunmehro von denen französischen und theils österreichischen Truppen occupirten,524-2 Landen zuverlässig vernimmt, wird zwar bis dato von denenselben, insonderheit den erstem, gute Mannszucht gehalten und alle Excesse vermieden; allein, obgleich weder Brandschatzung noch Contributiones von gedachten Provinzen bishero von solchen gefordert, ja, noch sogar an den meisten Orten zu Facilitirung der Zuführe die Accisen aufgehoben worden, so wird doch hingegen eine so erstaunende Menge von Lieferungen von Fourage und an Rationen und Portionen von denen Städten und dem platten Lande erfordert, und, dass solche entweder in natura oder in Gelde aufgebracht werden sollen, unter Bedrohung der härtesten Execution so weit getrieben, dass solche fast dreifach höher als alle Contributionen sich beträgt, so das Land bishero aufgebracht oder aufzubringen im Stande ist, und also von demselben auch ganz unmöglich aufzubringen ist, da man von dem Herzogthume Cleve allein eine Million und von der<525> Grafschaft Mark 500,000 Rationen gefordert — die Rationen bestehen aus 18 Pfund Heu und 2/3 Scheffel Haber Pariser Maass — nebst 920,000 Bund Stroh. Ueberdem tractirt man diese Provinzen wirklich auf den Fuss eines conquerirten Landes, vor welches man es auch ohne allen Scheu ausgiebt, die königlich preussische Wappen überall abreissen und von denen Vasallen und Unterthanen den Eid der Treue fordern lässt.



523-4 Es ist nur die unten folgende Einlage vorhanden.

523-5 Vergl, Nr. 8704. 8704 S. 353.

524-1 Gedruckt u. a. in den „Berlinischen Nachrichten“ vom 26. April 1757. Nr. 50.

524-2 Vergl. S. 462. 465.