So viel Ich noch bis dato höre, so wird Apraxin sich eben nicht sehr übereilen, seinen Marsch zum Einfall in Preussen vorzunehmen, woferne es sonsten überall richtig ist, was Mir gemeldet werden wollen, dass nämlich die Sachen in Russland sehr embrouilliret und die differente Partieen auf das äusserste gegen einander animiret wären, dass die Kaiserin, ohne sich krank zu declariren, schlecht und es gewiss sei, dass ihre Gesundheit gänzlich delabriret wäre;1 der Grossherzog habe wenig Freunde, und wenn die Kaiserin in denen jetzigen Umständen zu sterben kommen sollte, so wäre nicht zu zweifeln, dass die Partie von Iwan etwas wagen würde.2 Der Zustand der Truppen sei schlecht; man habe dem Apraxin auf Andringen des wienerschen und des sächsischen Hofes eine positive Ordre über die andere geschicket, in Preussen einzubrechen;3 er habe darauf geantwortet, dass man solches leichter auf dem Papier befehlen als executiren könne, da es ihm noch an so vielen Sachen, als Magazins, Gewehr, Mundirung, Lafetten zu Canons und dergleichen mehr fehle; wie er dann auch, als er denen dort befindlichen beiden österreichischen Generals4 die russischen Truppen zeigen sollen, ihnen nur ohngefähr 3 à 4 Regimenter gewiesen habe, von denen übrigen aber nichts. Es wird sich indess zeigen, was er endlich vor eine Partie nehmen wird, da Ich dann völlig persuadiret bin, dass Ihr es an nichts fehlen lassen werdet, um grosse Attention darauf zu haben, um alsdenn Euren gefasseten Entschluss5 mit gutem Succès in das Werk zu setzen.
Allhier continuire Ich noch, die an 40,000 Mann starke Garnison in Prag nebst dem grossesten Theil der österreichischen Generalität einzuschliessen. Durch das bisherige Bormbardement haben wir drei Hauptbäckereien vor die Garnison nebst einigen Getreide- und Mehlmagazinen verbrannt, wobei denn die Stadt an Häusern ein vieles leiden müssen. Sollte die Mir zugekommene Nachricht gewiss und gegründet sein, dass, als der Prinz Karl mit obgedachtem grossen Theil der österreichischen Armee sich nach der Bataille in Prag geflüchtet, daselbst auf zwei Monate vorräthige Magazine gewesen wären, wovon sie nunmehro bereits vier à fünf Wochen gelebet, so dörfte Ich endlich noch meinen bisherigen Endzweck erreichen.
Friderich.
Nach dem Concept.
1 Vergl. S. 91; Bd. XIV, 557.
2 Vergl. Bd. XIV, 34.
3 Vergl. Bd. XIV, 244.300. 475.
4 Buccow und Saint-Andre. Vgl. Bd. XIV, 224. 226. 233. 273. 299.
5 Lehwaldt hatte am 29. Mai auf das königliche Schreiben vom 19. Mai (Nr. 8966) geantwortet: „Aus Ew. Königlichen Majestät allergnädigsten Schreiben . . . habe . . . mit besonderer Freude wahrgenommen, dass Höchstdieselbe meinen Vorsatz allergnädigst approbiren, dem ersten dem besten, der mir zu nahe kommt, auf den Hals zu gehen und unter göttlichem Beistand zu schlagen.“