8900. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.
Hauptquartier Weleslawin bei Prag, 3. Mai 1757.
Bei Gelegenheit des beiliegenden Schreiben von Sr. Königl. Majestät an der Prinzessin Amélie Königl. Hoheit3-1 habe Ew. Excellenz nur mit wenigem melden wollen, wie, gottlob! des Königs Majestät ohnerachtet Dero grossen Fatiguen, die aber in solcher Gelegenheit wie diese ganz ohnvermeidlich seind, Sich vollkommen vergnügt und wohl befinden und mit Dero Armee nunmehro auf dem Weissen Berge und so nahe an Prag stehen, dass, wie mir gesaget worden, einige derer Vorposten von Prag aus mit Canons erreichet werden können, womit aber bis dato noch sehr sparsam zu Werk gegangen worden.
Man hat geglaubet, es würde der Feldmarschall Browne mit seinem zusammengezogenen Corps Truppen, so man zwischen 40 und an 50,000 Mann schätzen will, des Königs Majestät die Passage über die Eger zu disputiren suchen wollen, um seine Magazine zu Budin und zu Welwarn, obschon solche nicht von so gar grosser Importance gewesen sein, zu souteniren oder doch solche völlig zu evacuiren oder zu detruiren. Es hat sich aber gewiesen, dass, so wie des Königs Majestät vorgerücket seind, das feindliche Corps d'armée sich beständig mit vieler Précipitance zurück- und gegen Prag gezogen hat. Man hat wiederum geglaubet, es werde die feindliche Armee sich auf dem Weissen Berge bei Prag setzen und es allda zu einer decisiven Affaire kommen lassen, ehegestern aber hat selbige die Partie genommen, durch Prag zu marschiren und sich jenseits der Moldau zu setzen, inzwischen des Königs Majestät vor Prag diesseits der Moldau campiren und also bis dato beide Armeen auf ohngefähr eine Meile von einander, die Moldau dazwischen, stehen. Wie lange diese Position von beiden Armeen bleiben wird, solches wird sich binnen gar wenigen Tagen decidiren müssen. Der Generalfeldmarschall Schwerin stehet in . . . 3-2 zunächst der Elbe, dem Feinde zur Seiten oder im Rücken, dass also wenig Tage zeigen müssen, was letzterer vor eine Partie nehmen wird.
Bei beiden [Corps] Sr. Königl. Majestät ist alles von dem besten Willen von der Welt, ohnerachtet der schweren Märsche, so die Truppen<4> gehabt, da des Königs Majestät den Feind überall mit der grössesten Vivacité poussiret, welches die Distance eines Marsches aus Sachsen bis Prag in einer Zeit von 12 Tagen bezeiget. Auf Dero Marsch und auch noch gestern hiesiger Orten hat man noch verschiedene ganz artige Dépôts von Magazins gefunden, die sehr angenehm gewesen; das zu Bunzlau4-1 aber ist weit beträchtlicher, als man im Anfange selbst geglaubet, und versichert der Feldmarschall Graf von Schwerin nunmehro gewiss zu wissen, dass es der Kaiserin 5 Millionen Gulden gekostet hat. Wie es sich zeither bei allen Gelegenheiten gewiesen, ist die Contenance der feindlichen Truppen sehr schlecht, die Uneinigkeit bei der Généralité gross,4-2 überhaupt aber die Consternation über den prompten Coup, so sie erlitten, um so stärker, als es denen feindlichen Truppen noch an vielem gefehlet hat, ehe sie im Stande gewesen Campagne zu halten.
Gott kröne nur Sr. Königl. Majestät bis daher so herrlich ausgeschlagene Entreprise mit einem vollkommenen Siege über die feindliche Armee; der Sieg kommt vom Herrn, menschlicher Apparence nach dörfte solcher aber wohl hiesigerseits nach Wunsch ausfallen, wenn der Feind es auf eine Hauptbataille ankommen lassen sollte, welches sich dann, oder ob der Feind solche noch ferner, coûte que coûte, zu evitiren suchen wird, bald zeigen muss.
Zu gleicher Zeit, als der Feldmarschall Schwerin das Magazin zu Bunzlau genommen, ist der Generallieutenant Winterfeldt dem feindlichen Corps d'armée, so der Herzog von Bevern geschlagen,4-3 und welches auf dem Marsch gewesen, um das Magazin zu Jung-Bunzlau zu decken, allenfalls aber zur feindlichen Hauptarmee zu stossen, in die Arrièregarde gefallen und hat ausser verschiedenen Gefangenen die Bagage derer Generals Pretlack und Lacy, die Munitionswagens und vor 3 Regimenter die Zelter genommen.
Was bei denen verschiedenen Rencontres, so hier und da auf den Märschen mit dem Feinde vorgefallen, und die allemal zur Désavantage des Feindes ausgefallen, auch was dieser dabei an Todten und Blessirten verloren, solches würde zu detailliren zu weitläuftig fallen. Der Verlust des Feindes in der Action bei Reichenberg4-4 ist weit grösser gewesen, als man es anfänglich gewusst hat, und hat man nachher noch über 700 Blessirte gefangen zusammengebracht; nachdem auch die sogenannte Panduren nicht mehr, wie vorhin, die regulären Regimenter wegen der Desertion hüten können,4-5 so seind die Deserteurs von letzteren in sehr grosser Menge bei dem Schwerin'schen Corps angekommen, die denn von ihren Officiers gar sehr désavantageux sprechen sollen.
Eichel.
Nach der Ausfertigung.
<5>3-1 Das Schreiben liegt nicht mehr vor.
3-2 Die Ortsangabe lässt Eichel fort.
4-1 Jung-Bunzlau.
4-2 Vergl. Bd. XIV, 150. 151. 285. 287. 314. 335. 342.
4-3 Vergl. Bd. XIV, 525 — 528.
4-4 Vergl. Bd. XIV, 527.
4-5 Vergl. Bd. XIV, 377. 445.